JAMES M. CAIN (1892 – 1977) gilt als einer der Begründer der noir fiction. Er war zu nächst als Journalist und Drehbuchautor tätig, bevor 1934 sein erster Roman Der Postbote klingelt immer zweimal erschien, der weltweit gefeiert und mehrfach verfilmt wurde, unter anderem 1946 mit Lana Turner und John Garfield und 1981 mit Jack Nicholson und Jessica Lange. 1970 wurde James M. Cain von den Mystery Writers of America der Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen. Der Postbote klingelt immer zweimal, aber auch Romane wie Mildred Pierce und Double Indemnity zählen heute zu den Klassikern der Kriminalliteratur.
Gegen Mittag warfen sie mich vom Heuwagen runter. Ich war am Abend vorher unten an der Grenze aufgesprungen, hatte mich unter der Plane versteckt und war sofort eingeschlafen. Nach drei Wochen in Tijuana hatte ich jede Menge Schlaf nachzuholen. Als sie rechts ranfuhren, um den Motor abkühlen zu lassen, schlief ich immer noch. Einer sah, dass mein Fuß raushing, also warfen sie mich runter. Ich versuchte es mit ein paar Witzen, aber die Jungs hatten keinen Humor. Einer gab mir eine Zigarette. Ich ging zu Fuß die Straße weiter, um was Essbares aufzutreiben.
Nach einer Weile kam ich zu einem Diner namens Twin Oaks Tavern. Es war ein ganz gewöhnliches Diner, wie es in Kalifornien noch eine Million andere gibt. Im Obergeschoss befand sich die Wohnung, in der sie lebten, daneben war eine Tankstelle und dahinter ein halbes Dutzend Baracken, die sie als Motel bezeichneten. Ich ging rein und setzte mich so hin, dass ich die Straße im Blick hatte. Dann kam dieser Grieche an meinen Tisch. Ich fragte ihn, ob ein Kerl mit einem Cadillac aufgetaucht sei. Bin mit ihm verabredet, sagte ich, zum Mittagessen. Heute nicht, sagte der Grieche. Er legte ein Gedeck auf und fragte, was ich essen wolle. Ich sagte Orangensaft, Cornflakes und Spiegeleier mit Speck, Enchiladas, Pfannkuchen und Kaffee. Wenig später kam er aus der Küche zurück mit Orangensaft und Cornflakes.
»Moment mal, erst muss ich Ihnen was sagen. Wenn der Kerl nicht auftaucht, müssen Sie’s anschreiben. Das hier geht auf ihn, bin grad ein bisschen knapp bei Kasse.«
»Hokay, erst mal essen.«
Ich sah, dass der Grieche mir die Geschichte abkaufte, also hörte ich auf, von dem Typen mit dem Cadillac zu reden. Dann merkte ich, dass er was von mir wollte.
»Was machst du? Welche Arbeit, hm?«
»Ach, dies und das, mal so, mal so. Warum?«
»Wie alt du bist?«
»Vierundzwanzig.«
»Junger Bursche, was? Ich kann junger Bursche brauchen. Für Geschäft.«
»Nett haben Sie’s hier.«
»Luft. Ist gut. Kein Nebel, nicht wie Los Angeles. Gar kein Nebel. Luft ist gut. Sauber. Immer sauber und klar.«
»Nachts muss das großartig sein. Ich kann’s jetzt schon riechen.«
»Schlaf hier immer gut. Du kennst dich aus mit Automobilen? Reparieren und so?«
»Klar. Ich bin der geborene Mechaniker.«
Er redete weiter über die saubere Luft und wie gut es ihm gesundheitlich gehe, seit er den Laden gekauft habe, und dass er sich nicht erklären könne, wieso seine Angestellten nie bei ihm bleiben wollten. Ich konnte es mir schon erklären, aber ich konzentrierte mich aufs Essen.
»Na? Was sagst du, gefällt dir hier?«
Inzwischen hatte ich meinen Kaffee ausgetrunken und die Zigarre angezündet, die er mir gegeben hatte. »Ich sag Ihnen, wie’s ist. Ich habe schon ein paar andere Angebote, das ist das Problem. Aber ich denke drüber nach. Das mache ich auf jeden Fall.«
Dann sah ich sie. Sie war hinten in der Küche gewesen, jetzt kam sie nach vorn, um das Geschirr abzuräumen. Abgesehen von ihrer Figur war sie keine wirklich überwältigende Schönheit, aber sie schaute dermaßen mürrisch aus der Wäsche, dass ich Lust bekam, ihr eine reinzuhauen.
»Meine Frau.«
Sie schaute mich nicht an. Ich nickte dem Griechen zu, wedelte einmal mit der Zigarre, und das war’s auch schon. Sie ging mit dem Geschirr zurück in die Küche. Der Grieche und ich redeten weiter, als ob sie gar nicht da gewesen wäre.
Dann ging ich. Fünf Minuten später war ich zurück, um eine Nachricht für den Kerl mit dem Cadillac dazulassen. Eine halbe Stunde später hatte der Grieche mich zu dem Job überredet, und dann stand ich auch schon an der Tankstelle und wechselte platte Reifen.
»He, dein Name welcher?«
»Frank Chambers.«
»Nick Papadakis, meiner.«
Wir schüttelten uns die Hände, dann ging er ins Haus. Eine Minute später hörte ich ihn singen. Er hatte eine großartige Stimme. Von der Tankstelle aus hatte ich eine gute Sicht in die Küche.
Gegen drei kam ein Kerl vorbei, der vollkommen von der Rolle war, weil ihm jemand einen Aufkleber ans Seitenfenster gepappt hatte. Ich nahm das Fenster ab und trug es in die Küche, um den Kleber wegzudampfen.
»Ihr Leute habt’s wirklich raus, wie man Enchiladas macht.«
»Ihr Leute? Was heißt das?«
»Na, Sie und Mr. Papadakis. Du und Nick. Die Enchiladas, die ich vorhin hatte. Großartig.«
»So.«
»Hast du einen Lappen für mich, damit ich das Ding hier sauber kriege?«
»Du hast was anderes gemeint.«
»Wüsste nicht, was.«
»Du denkst, ich bin Mexikanerin.«
»Überhaupt nicht.«
»Oh doch. Und du bist nicht der Erste. Damit das klar ist, ich bin genauso weiß wie du, kapiert? Ich hab zwar dunkle Haare und sehe ein bisschen so aus, aber ich bin genauso weiß wie du. Vergiss das nicht, wenn du hier klarkommen willst.«
»Aber du siehst nicht mexikanisch aus.«
»Sag ich ja. Ich bin genauso weiß wie du.«
»Ich meine, du siehst kein bisschen mexikanisch aus. Mexikanerinnen haben breite Hüften und dicke Beine und den Busen gleich unter dem Kinn, und ihre Haut ist gelb, und ihr Haar sieht aus, als hätten sie Schweinefett reingeschmiert. So siehst du nicht aus. Du bist schlank und hast schöne weiße Haut. Deine Haare sind zwar schwarz, aber weich und lockig. Das einzige Mexikanische an dir sind deine Zähne. Mexikanerinnen haben sehr weiße Zähne, das muss man ihnen lassen.«
»Vor meiner Heirat hieß ich Smith. Nicht besonders mexikanisch, oder?«
»Nicht besonders.«
»Ich komme nicht mal von hier. Ich bin aus Iowa.«
»Smith, aha. Und dein Vorname?«
»Cora. Du kannst mich Cora nennen, wenn du willst.«
Jetzt war mir alles klar. Ich hatte mit meiner Bemerkung ins Blaue gezielt und voll ins Schwarze getroffen. Es lag nicht an den Enchiladas, die sie machen musste, und nicht an ihren schwarzen Haaren. Es war die Ehe mit diesem Griechen, die ihr das Gefühl gab, nicht richtig weiß zu sein. Darum wollte sie nicht, dass ich sie mit Mrs. Papadakis ansprach.
»Cora, gern. Wie wär’s, wenn du mich Frank nennst?«
Sie half mir, das Seitenfenster zu putzen, und stand so dicht neben mir, dass ich sie riechen konnte. Ich sprach ihr direkt ins Ohr, ich flüsterte fast. »Warum hast du diesen Griechen geheiratet?«
Sie zuckte zusammen, als hätte ich sie mit einer Peitsche geschlagen. »Geht dich das was an?«
»Und wie.«
»Hier hast du dein Fenster.«
»Danke.«
Ich ging raus. Ich hatte mein Ziel erreicht. Ich hatte ihre Deckung unterlaufen und ihr so richtig eine reingehauen, dass es ihr weh tat. Jetzt war alles klar zwischen uns. Sie würde vielleicht nicht Ja sagen, aber sie würde mich auch nicht abweisen. Sie wusste, was ich wollte. Und ich wusste, was mit ihr los war.
Beim Abendessen regte sich der Grieche auf, weil Cora mir nicht genügend Bratkartoffeln auftat. Ich sollte mich wohlfühlen, damit ich nicht weglief wie die anderen.
»Gib dem Mann zu essen.«
»Die Kartoffeln stehen drüben auf dem Herd. Kann er sich nicht selbst welche holen?«
»Schon gut. Ich hab noch welche.«
Der Grieche ließ nicht locker. Mit ein bisschen Grips hätte er gemerkt, dass da was im Busch war. Denn eigentlich war Cora nicht der Typ Frau, bei der ein Kerl sich die Kartoffeln selbst holen muss. Das muss man ihr lassen. Aber der Grieche war ein Idiot, er meckerte immer weiter, er am einen Ende des Tischs und sie am anderen, und ich dazwischen. Ich schaute Cora nicht an, aber ich sah ihr Kleid. Es war einer von diesen weißen Schwesternkitteln, wie ihn alle tragen, die bei einem Zahnarzt, in einer Bäckerei oder sonst wo arbeiten. Am Mittag war er noch sauber gewesen, jetzt war er etwas zerknittert und verschwitzt. Ich konnte sie riechen.
»Wird’s bald, verdammte noch mal!«
Da stand sie auf und holte die Kartoffeln. Ihr Kittel fiel auseinander, für eine Sekunde konnte ich ihr Bein sehen. Sie tat mir Kartoffeln auf, aber ich brachte keinen Bissen mehr runter.
»Na großartig«, sagte sie. »Erst so ein Theater, und jetzt isst er nichts.«
»Hokay. Aber er hat, wenn er will.«
»Ich habe keinen Hunger mehr. Hab mittags schon viel gegessen.«
Der Grieche führte sich auf, als hätte er einen großen Sieg errungen. Jetzt konnte er ihr verzeihen, der Pfundskerl.
»Sie ist schon in Ordnung, meine Cora. Sie ist meine weiße Vögelchen. Meine kleine weiße Taube.«
Er zwinkerte und ging die Treppe hoch. Cora und ich saßen da und sagten kein Wort. Als er wieder runterkam, hatte er eine große Flasche und eine Gitarre dabei. Er schenkte uns ein. Es war süßer griechischer Wein, von dem mir schlecht wurde. Dann fing er an zu singen. Er hatte eine Tenorstimme, nicht eine dieser kleinen Tenorstimmen, die man im Radio hört, sondern eine richtig große, und bei den hohen Tönen hängte er ein Schluchzen an wie auf den Schallplatten von Caruso. Aber ich konnte ihm nicht lange zuhören, ich fühlte mich von Minute zu Minute schlechter.
Der Grieche sah, dass ich blass war, und ging mit mir nach draußen. »Frische Luft. Du fühlst sofort besser.«
»Schon gut. Geht gleich wieder.«
»Hinsetzen. Nicht reden.«
»Geh du ruhig wieder rein, ich komme schon klar. Hab nur zu viel gegessen. Geht gleich wieder.«
Er ging zurück ins Haus, und ich ließ alles raus. Ich wusste, dass es nicht am Mittagessen lag, auch nicht an den Kartoffeln oder am Wein. Es war die Frau. Ich war so scharf auf sie, dass ich nicht mal was im Magen behalten konnte.
Am nächsten Morgen hatte ein Sturm das große Reklameschild an der Straße runtergerissen. Um Mitternacht hatte es angefangen zu winden, und am Morgen war aus dem Wind ein Sturm geworden.
»Furchtbar. Schau dir das an.«
»Mächtiger Wind. Konnte nicht schlafen. Kein Schlaf ganze Nacht.«
»Jetzt ist es ja vorbei. Aber schau dir das Schild an.«
»Ist kaputt.«
Er ging rein, und ich machte mich an dem Schild zu schaffen. Er kam wieder raus und schaute mir zu.
»Wo hast du das Schild überhaupt her?«
»War schon da, als ich Haus gekauft. Warum?«
»Es ist mies. Ein Wunder, dass du überhaupt Gäste hast.«
Ich ging einen Wagen volltanken. Das gab ihm Zeit, darüber nachzudenken. Als ich wiederkam, blinzelte er das Schild noch immer an. Es lehnte ziemlich ramponiert an der Hauswand. Drei Glühbirnen waren zerplatzt. Ich schaltete den Strom ein. Von den übrigen brannte die Hälfte auch nicht.
»Neue Glühbirnen reinschrauben. Aufhängen. Alles gut.«
»Du bist der Boss.«
»Was nicht gut dran?«
»Es ist furchtbar altmodisch. Kein Mensch hat heute noch Schilder mit Glühbirnen. Heute hat man Neonschilder, die leuchten heller und brauchen nicht so viel Saft. Außerdem, was steht denn da drauf? Twin Oaks, das ist alles. Das Tavern ist nicht mal beleuchtet. Und überhaupt – Twin Oaks, was soll das heißen? Zwillingseichen machen mir keinen Appetit. Da halte ich doch nicht an, um was zu essen. Das Schild kostet dich Geld, glaub mir. Du weißt es nur nicht.«
»Mach’s wieder ganz, dann ist hokay.«
»Warum besorgst du dir nicht ein neues Schild?«
»Keine Zeit.«
Aber wenig später kam er mit einem Stück Papier zurück, auf das er mit rotem, weißem und blauem Stift ein Schild gezeichnet hatte. Darauf stand Twin Oaks Tavern, darunter Warme Mahlzeiten, Barbecue, Sanitäre Anlagen und N. Papadakis, Inh.
»Großartig. Ist doch ’n Knaller.«
Ich korrigierte die Schreibfehler, und Nick verschnörkelte die Buchstaben noch ein bisschen.
»Nick, wieso hängen wir das alte Schild überhaupt wieder auf? Du solltest gleich in die Stadt fahren und dieses Schild hier machen lassen. Es ist großartig, glaub mir. Eine Kneipe ist immer nur so gut wie ihr Schild, hab ich nicht recht?«
»Ich mache. Menschenskind, ich gehe.«
Bis nach Los Angeles waren es bloß zwanzig Meilen, aber er putzte sich raus, als ginge es nach Paris. Gleich nach dem Mittagessen fuhr er los. Als er weg war, schloss ich die Tür ab und brachte einen Teller, den irgendein Typ stehenlassen hatte, in die Küche. Sie war da.
»Hier, ein Teller, der noch vorn stand.«
»Oh, danke.«
Ich stellte ihn hin. Die Gabel rasselte wie ein Tamburin.
»Ich wollte eigentlich mitfahren. Aber ich muss noch ein paar Sachen fertigkochen, und da hab ich mir gedacht, ich bleibe besser hier.«
»Ich habe auch eine Menge zu tun.«
»Geht’s dir wieder besser?«
»Mir geht’s gut, alles in Ordnung.«
»Manchmal reicht schon ’ne Kleinigkeit. Wenn man das Wasser nicht gewöhnt ist zum Beispiel, irgend so was.«
»Wahrscheinlich habe ich nur zu viel gegessen.«
»Was ist denn da los?«
Jemand rüttelte an der Tür.
»Klingt, als will wer reinkommen.«
»Ist abgeschlossen, Frank?«
»Scheint so. Hab wohl abgeschlossen.«
Sie sah mich an und wurde blass. Sie ging zur Schwingtür und guckte durch, dann ging sie ins Lokal. Nach einer Minute war sie zurück.
»Niemand mehr da.«
»Keine Ahnung, warum ich abgeschlossen habe.«
»Und ich hab vergessen, wieder aufzusperren.«
Sie wollte ins Lokal, aber ich hielt sie zurück. »Lassen wir … die Tür doch zu.«
»Wenn sie zu ist, kann keiner rein. Ich muss jetzt kochen. Und den Teller abwaschen.«
Ich nahm sie in die Arme und presste meinen Mund auf ihre Lippen …
»Beiß mich! Beiß mich!«
Ich biss sie. Ich schlug meine Zähne so tief in ihre Lippen, dass ihr Blut mir in den Mund spritzte. Es rann ihr den Hals runter, als ich sie die Treppe hochtrug.
Danach war ich zwei Tage lang halbtot. Aber der Grieche war sauer auf mich und ließ mich links liegen, also ging es einigermaßen. Er war sauer, weil ich die Schwingtür nicht repariert hatte. Cora hatte ihm gesagt, die Tür sei zurückgeschwungen und ihr auf den Mund geknallt. Und jetzt gab er mir die Schuld, weil ich sie nicht repariert hatte. Na ja, irgendwas musste Cora ihm ja erzählen. Ihr Mund war an der Stelle, an der ich sie gebissen hatte, ganz geschwollen. Ich dehnte die Feder, damit sie schwächer wurde, und schon war die Tür repariert.
Eigentlich war er wegen des Schilds sauer auf mich. Er war so in sein Schild vernarrt, dass er Angst hatte, ich könnte es als meine Idee ausgeben. Es war ein solches Mordsschild, dass sie es nicht an einem Tag fertigbekamen. Sie brauchten drei Tage. Als es fertig war, fuhr ich hin, holte es ab und hängte es auf.
Es war alles drauf, was Nick gezeichnet hatte, und ein paar andere Sachen. Eine griechische und eine amerikanische Flagge, außerdem zwei Hände im Handschlag, und dann stand da noch Zufriedenheit garantiert!, und die Neonlettern waren rot, weiß und blau. Ich wartete mit dem Einschalten, bis es dunkel wurde. Als ich Strom gab, leuchtete das Schild wie ein Weihnachtsbaum.
»Alle Achtung, Nick. Ich habe in meinem Leben schon viele Schilder gesehen, aber so eins noch nie.«
»Menschenskind! Menschenskind!«
Wir schüttelten uns die Hände. Wir waren wieder Freunde.
Als ich am nächsten Tag eine Minute mit ihr allein war, schlug ich ihr mit der Faust so hart ans Bein, dass sie beinahe hinfiel.
Sie fauchte wie ein Puma. »Was fällt dir ein?«
So gefiel sie mir.
»Wie geht’s dir, Cora?«
»Mies.«
Danach konnte ich sie wieder riechen.
Eines Tages hörte der Grieche, dass eine andere Tankstelle ein Stück die Straße runter das Benzin billiger verkaufte. Er stürzte zu seinem Wagen und fuhr los, um der Sache nachzugehen. Ich war in meinem Zimmer, als er wegfuhr. Ich drehte mich vom Fenster weg und wollte gerade in die Küche gehen, da stand sie schon in der Tür.
Ich schaute mir ihren Mund an. Es war das erste Mal, dass ich ihn mir richtig anschauen konnte. Die Schwellung war weg, aber die Spuren meiner Zähne waren noch deutlich zu sehen. Ich berührte die zwei kleinen Wunden mit meinen Fingerspitzen. Ihre Lippen waren weich und feucht. Ich küsste sie, aber nicht hart. Kleine, sanfte Küsse. So hatte ich noch nie eine Frau geküsst. Sie blieb bei mir, bis der Grieche wiederkam, ungefähr eine Stunde. Wir machten nichts, lagen nur auf dem Bett. Sie wühlte die ganze Zeit in meinem Haar rum und schaute zur Decke hoch, als würde sie über irgendwas nachdenken.
»Magst du Blaubeerkuchen?«
»Ich weiß nicht. Glaub schon.«
»Ich mache dir einen.«
»Pass auf, Frank, du brichst noch eine Feder.«
»Zum Teufel mit der Feder.«
Wir bretterten durch einen kleinen Eukalyptuswald neben der Straße. Der Grieche hatte uns zum Supermarkt geschickt, um ein paar T-Bone-Steaks zurückzubringen, mit denen er nicht zufrieden war. Auf dem Rückweg war es dunkel geworden. Ich bog in das Wäldchen ein und brachte den Wagen schließlich holpernd und hopsend zum Stehen. Bevor ich die Scheinwerfer ausgeschaltet hatte, schlang sie schon die Arme um mich. Wir trieben es ziemlich wild. Danach saßen wir einfach da.
»Ich kann so nicht weitermachen, Frank.«
»Ich auch nicht.«
»Ich halte es nicht mehr aus. Ich will mich mit dir besaufen, Frank. Verstehst du? Richtig besaufen.«
»Klar.«
»Ich hasse den Griechen.«
»Warum hast du ihn geheiratet? Das hast du mir noch nicht erzählt.«
»Ich habe dir gar nichts erzählt.«
»Na ja, wir haben unsere Zeit bisher nicht gerade mit Rumquatschen verschwendet.«
»Ich hab damals in einem Imbiss gekellnert. Und wenn du zwei Jahre in einem Imbiss in Los Angeles gekellnert hast, nimmst du den erstbesten Kerl mit einer goldenen Uhr.«
»Wann bist du weg aus Iowa?«
»Vor drei Jahren. Ich hatte einen Schönheitswettbewerb gewonnen. Einen Schönheitswettbewerb an der Highschool. In Des Moines. Da bin ich aufgewachsen. Der Preis war eine Reise nach Hollywood. Als ich in Los Angeles aus dem Chief raus bin, haben fünfzehn Typen Fotos von mir gemacht. Und zwei Wochen später hab ich in dem Imbiss angefangen.«
»Bist du nie zurückgegangen?«
»Die Freude wollte ich denen nicht machen.«
»Hast du’s zum Film geschafft?«
»Ein paar Aufnahmen haben sie von mir gemacht. Mein Gesicht war in Ordnung. Aber man muss jetzt sprechen. Beim Film, meine ich. Und als ich den Mund aufgemacht hab, oben auf der Leinwand, da haben die Leute gleich Bescheid gewusst. Und ich auch. Ein Flittchen aus Des Moines, das so viel Chancen beim Film hat wie ein Affe. Eher weniger. Über einen Affen kann man lachen. Ich war einfach nur schlecht.«
»Und dann?«
»Dann habe ich mir zwei Jahre lang von Typen in den Hintern kneifen lassen. Die haben zehn Cent Trinkgeld hingelegt und mich gefragt, ob ich Lust auf eine kleine Party hätte. Auf ein paar von diesen Partys war ich, Frank.«
»Und dann?«
»Weißt du, was ich mit diesen Partys meine?«
»Ja.«
»Dann hab ich ihn getroffen. Ich habe ihn genommen, und so wahr mir Gott helfe, ich wollte wirklich bei ihm bleiben. Aber ich halte es nicht mehr aus. Du lieber Himmel, sehe ich etwa aus wie ein weißes Vögelchen?«
»Eher wie ein Höllenweib.«
»Du kennst dich aus, was? Das gefällt mir. Dir muss ich nichts vormachen. Und du bist sauber. Du bist nicht schmierig, Frank. Weißt du, was das bedeutet?«
»Ich kann’s mir vorstellen.«
»Nein, kannst du nicht. Kein Mann kann sich vorstellen, wie das für eine Frau ist, immer mit jemandem zusammenzusein, der schmierig ist und bei dem dir übel wird, wenn er dich anfasst. Ich bin kein Höllenweib, Frank. Ich halt’s nur nicht mehr aus.«
»Was soll das? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Na gut, dann bin ich eben ein Höllenweib. Aber eigentlich wäre ich gar nicht so übel. Mit jemandem, der nicht so schmierig ist.«
»Cora, wie wär’s, wenn wir einfach weggehen?«
»Daran hab ich auch schon gedacht. Hab viel darüber nachgedacht.«
»Wir lassen den Griechen sitzen und hauen ab. Hauen einfach ab.«
»Wohin?«
»Irgendwohin. Egal.«
»Irgendwo, irgendwo. Weißt du, wo das ist?«
»Überall. Wo wir eben hinwollen.«
»Nein. Da ist der Imbiss.«
»Ich rede nicht vom Imbiss, ich rede von der Straße. Das macht Spaß, Cora. Ich kenne die Straße wie meine Westentasche. Ich weiß, wie man über die Runden kommt. Das wollen wir doch, oder? Nur du und ich, zwei Tramps, die wir doch eigentlich sind.«
»Du bist mir vielleicht ein toller Tramp! Nicht mal Socken hast du angehabt.«
»Ich habe dir gefallen.«
»Ich habe dich gleich geliebt. Ich würde dich auch ohne Hemd lieben. Besonders ohne Hemd. Dann kann ich deine schönen harten Muskeln spüren.«
»Die Muskeln habe ich von meinen Schlägereien mit der Bahnpolizei.«
»Du bist überall hart. Groß und stark und hart. Und dein Haar ist hell. Du bist kein kleiner, weicher, schmieriger Kerl. Du hast kein schwarzes Kraushaar, in das du jede Nacht Bay-Rum-Haaröl reinschmierst.«