Bei dem Regiment, in welchem ich meine Mili- tärzeit verbracht hatte, befand sich auch ein Leutnant namens Joseph Burda. In Anbetracht seiner Charge erschien er nicht mehr allzu jung; denn er mochte sich bereits den Dreißigern nähern. Dieser Umstand würde schon an und für sich genügt haben, ihm bei seinen unmittelbaren Kameraden, die fast durchweg flaumige Gelbschnäbel waren, ein gewisses Ansehen zu verleihen; aber er besaß noch andere Eigenschaften, die ihn besonders auszeichneten. Denn er war nicht bloß ein sehr tüchtiger, verwendbarer Offizier, er hatte sich auch durch allerlei Lektüre eine Art höherer Bildung erworben, die er sehr vorteilhaft mit feinen, weltmännischen Manieren zu verbinden wusste. Als Vorgesetzter galt er für streng, aber gerecht; Höheren gegenüber trug er eine zwar bescheidene, aber durchaus sichere Haltung zur Schau; im kameradschaftlichen Verkehr zeigte er ein etwas gemessenes und zurückhaltendes Benehmen, war jedoch stets bereit, jedem Einzelnen mit Rat und Tat getreulich beizustehen. Niemand wachte strenger als er über

Dem allen hatte er es zu danken, dass man auf eine große persönliche Schwäche, die ihm anhaftete, kein Gewicht legte – oder besser gesagt, sie wie auf Verabredung einmütig übersah. Er war nämlich ungemein eitel auf seine äußere Erscheinung, die auch in der Tat eine höchst einnehmende genannt werden musste. Von hoher und schlanker Gestalt, hatte er ein wohlgebildetes Antlitz, dessen leicht schimmernde Blässe durch einen dunklen, fein gekräuselten Schnurrbart noch mehr hervorgehoben wurde, und auffallend schöne graue Augen, die von langen Wimpern eigentümlich beschattet waren. Es fehlte zwar nicht an Krittlern, welche behaupteten, dass er eigentlich schief gewachsen sei, und wirklich pflegte er beim Gehen die rechte Schulter etwas emporzuziehen. Aber gerade das verlieh seiner

Dass diese raffinierte und gewissermaßen verborgene Sorgfalt, die er auf sein Äußeres verwendete, im letzten Grunde mit dem Bestreben zusammenhing, bei dem anderen Geschlechte den günstigs

Diese hochstrebenden Neigungen konnten umso seltsamer erscheinen, als Burda selbst sehr bescheidener Herkunft war. Als Sohn eines kleinen Rechnungsbeamten hatte er eine nur dürftige Erziehung erhalten, anfänglich das Gymnasium besucht, aber sich bald als Eleve in das Amt seines Vaters aufnehmen lassen, um diesem weiterhin nicht mehr zur Last fallen zu müssen. Später, als die Zeitläufte günstige Aussichten bei der Armee eröffneten, war er als Kadett in unser Regiment getreten. In jene Zeit schienen auch seine ersten Erfolge bei den Frauen gefallen zu sein. Denn wie die Sage ging, hatte sich damals die Tochter eines höheren Generals, in dessen Adjutantur er, seiner schönen Handschrift wegen, verwendet wurde, schwärmerisch in ihn verliebt. Diesem Roman hatte jedoch der Ge

Indessen sollte doch einmal seinem Ansehen ein gelinder Stoß versetzt werden. Es war nämlich unter den jüngeren Offizieren die Gepflogenheit entstanden, schriftliche Meldungen und sonstige Eingaben mit absichtlicher Flüchtigkeit zu unterzeichnen (was genial aussehen sollte), oder dabei die Buchstaben so grillenhaft zu verschnörkeln, dass die betreffenden Namen in der Tat oft nicht zu entziffern waren. Unser Oberst, eine schwarzgallige, pedantische Natur, nahm somit die stets erwünschte Gelegenheit wahr, dem jungen Volk am Zeuge flicken zu können, und ließ die hervorragendsten Übeltäter, darunter auch meine Wenigkeit, vor sich bescheiden. Wir hatten schon vorher von der Sache Wind bekommen und waren nicht wenig erstaunt, auch Burda, dessen Unterschrift an kalligraphischer Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, unter den Vorgeladenen zu erblicken. Nachdem uns der Oberst mit sarkastischem Behagen die corpora delicti vor Augen gehalten und mit näselnder Stimme jeden Einzelnen gefragt hatte,

Burda zuckte leicht zusammen. Dann erwiderte er, allmählich bis unter die Stirnhaare errötend, mit fester, fast herausfordernder Stimme: »Graf? In welcher Hinsicht meinen dies der Herr Oberst?«

Der Oberst trat einen Schritt zurück und kniff, wie es in Erregung seine Gewohnheit war, das rechte Auge zu. »In welcher Hinsicht? Mit Hinsicht auf Ihren letzten Wacherapport. Derselbe ist« – er hielt ihm das Schriftstück entgegen – »mit Gf Burda unterzeichnet. Dieses Gf ist, wie ich aus den Unterschriften des Herrn Majors Grafen N und des Herrn Hauptmanns Grafen K entnehme, eine beliebte Abkürzung des Wortes Graf. Was haben Sie darauf zu erwidern?«

»Ich erlaube mir zu bemerken«, sagte Burda in strammster Haltung, »dass dieses Gf keineswegs das Wort Graf bedeuten soll. Es ist die Abkürzung meines Namens Gottfried.«

»Gottfried? Sie heißen ja Joseph!«

»Allerdings. Aber es dürfte dem Herrn Oberst

Der Oberst trat noch einen Schritt zurück und zwinkerte krampfhaft mit dem rechten Auge. »Dann muss ich Sie bitten, Ihren Taufschein aktenmäßig vorzulegen, damit die Regimentslisten, in welchen, soviel ich weiß, bloß der Name Joseph eingetragen erscheint, richtiggestellt werden können. Aber trotzdem werden Sie künftighin weniger zweideutige Abkürzungen zu wählen haben.« Er machte eine kurze Verbeugung, und wir waren entlassen.

Als wir die Tür hinter uns hatten und nun insgesamt die Treppe hinabschritten, herrschte peinliches Schweigen. Das Komische des ganzen Auftrittes hätte eigentlich zu allgemeiner Heiterkeit angeregt; aber die Gegenwart Burdas, der die Sache sichtlich ernst nahm und überdies nicht ganz ohne Verlegenheit schien, drängte die Äußerung einer solchen Stimmung zurück. Wir verabschiedeten uns von ihm mit einigen oberflächlichen Worten, und auch in der nächsten Zeit blieb uns diese Befangenheit ihm gegenüber; es war, als hätte etwas Fremdes, Unerwartetes seine leuchtende Erscheinung getrübt.

Er selbst aber legte noch am selben Tage seinen

Dieser unliebsame Zwischenfall wurde übrigens wie alles, das keine bemerkenswerten Folgen nach sich zieht, umso eher wieder vergessen, als bald darauf ein Ereignis eintrat, welches die Gemüter in leicht begreifliche Aufregung versetzte. Das Regiment erhielt nämlich eines Tages ganz plötzlich den Befehl, in die Wiener Garnison einzurücken, was man damals als besondere Auszeichnung zu betrachten pflegte. Aber auch aus sonstigen Gründen wurde diese Anordnung von den Offizieren mit großer Freude begrüßt. Denn viele von uns waren gebürtige Wiener und konnten nunmehr ihre Angehörigen auf längere Zeit wiedersehen, während den übrigen Gelegenheit geboten wurde, das mehr oder minder fremde Leben der Hauptstadt kennen- und genießen zu lernen. Nebenbei galt es, das Regiment in der kurzen Spanne Zeit, die hierzu noch vergönnt war, in den allerbesten Stand zu setzen, was jedem Einzelnen rastlose Tätigkeit auferlegte – bis endlich der große Tag erschien, an welchem wir die Waggons bestiegen und, im Wiener Nordbahnhofe angelangt,