Joe Faß
zartbitter:
SatireSplitter
Verlag Ille & Riemer
Leipzig – Weissenfels
Mit Humor
für Gerechtigkeit
Umschlaggestaltung, Satz und Layout: Mattes Kleyboldt
Titelfoto: © by-studio - Fotolia.com
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-95420-023-8
Alle Rechte vorbehalten
Inhalt
Kurz-Satiren im Radio zu produzieren, war ein Versuch.
Seit nunmehr einem Jahr gehen die SatireSplitter jede Woche viermal auf Sendung.
Eine Splitter-Auswahl präsentiert dieses Buch.
„Zartbittere SatireSplitter“ sollen Sie/Euch unterhalten, erheitern, an- und aufregen, inspirieren.
Mal süß, mal bitter,
mal zart, mal grob.
Von mir aus kann’s losgehen.
Viel Vergnügen.
Joe Faß
PS: Um direkt ein schönes Wort ins Spiel zu bringen: Postskriptum (PS) – ein Anhang an einen Text. Dieses Buch enthält nicht zu unterschätzende Anhänge und Fußnoten. Kleingedrucktes mit satirischer Note.
PPS: Im Radio duzen wir uns mit den Hörern. Persönliche Ansprache ist üblich bei Radio Leinehertz. Habe das im Buch so beibehalten. Wenn du mir also schreiben willst, bleiben wir von mir aus gerne beim DU: satiresplitter@leinehertz.de
PPPS: Radio Leinehertz ist zu empfangen auf UKW 106.5 – im Großraum Hannover. Weltweit im Internet. Die Satiresplitter laufen zurzeit immer dienstags und mittwochs um 8:10 Uhr und 16:40 Uhr. Als Podcast sind die Sendungen nach-zuhören. Mehr zum Radio: www.leinehertz.net oder auf Facebook.
PPPPS: Ziemlich sicher hat sich in diesem Buch ein ungebetener Gast eingenistet: der Fehlerteufel. Manchmal ist er sehr kreativ. Oft aber treibt er ein verwirrendes Spiel mit den Staben. Schreib mir, wenn du ihm begegnest und er dich irritiert. So machen wir ihm gemeinsam den Garaus.
Geht Satire in 90 Sekunden? –
90 Sekunden – mit Toleranz* nach oben und unten – steht mir für einen Radio-Satiresplitter zur Verfügung. Anfangs hab ich gedacht, das klappt nie. Nach etwas Übung, kann ich sagen: Machbar.
Und wenn einem auf der Straße wahre Glückstreffer begegnen, geht’s noch schneller.
Neulich hab ich an einer Fahrschule diese Werbezeile gelesen – im Ernst.
An einer Fahrschule!
Groß und schlicht und kurz stand dort:
Crashkurs in 14 Tagen!
Na denn, fahrt vorsichtig.
Zuhören.
Nicht nur wir Radiomacher beobachten eine gefährliche gesellschaftliche Entwicklung: Das Zuhören nimmt immer mehr ab und das Abhören immer mehr zu. – Wenn das so weiter geht, verlieren die Einschaltquoten an Bedeutung. Wer künftig wichtig genommen werden will, der wirbt mit den Abhör-Quoten.
Quoten.
Den Einschaltquoten nach gehört die Sendung „Bauer sucht Frau“ mit zu den erfolgreichsten. Aber für den Fall des Falles hier ein Reform-Vorschlag:
Wenn endlich alle Bauern Frauen haben. Wenn kein Schwein sich mehr für die reale Landwirtschaft interessiert. Wenn dann die Einschaltquoten sinken, empfehle ich den Weg zurück zu den Wurzeln.
Als Titel-Vorschlag für die reformierte Sendung: Bauer sucht Sau!
Fußball. (Insider-Meldung)
Das Magazin 11 Freunde meldete in seinem Live-Ticker: Theophilus Anobaah wechselt zu Hannover 96.
Jetzt werden viele sagen: Häh? Nie gehört! Zur Erklärung: Hannover 96 ist ein Fußballteam aus Niedersachsen.
Kekse.
Die neueste Keks-Studie – kein Scherz, die gibt es wirklich – hat ergeben, dass die Zunahme des Konsums von Keksen in Sitzungen keinen Einfluss auf die Ergebnis-Qualität der Sitzungen hat.
Überraschend, oder!?
Eine ältere – aber immer noch erschütternde – Meldung aus:
Katar. Fußball-WM.
Ein echtes Drama. Erste Alters-Sehschwäche diagnostiziert. Beim Kaiser.
Was ist geschehen? – Kaiser Franz Beckenbauer hat bisher noch keinen illegalen Arbeiter in Katar gesehen. Da muss man doch fragen:
Ja, wo guckt der denn? Was sieht der noch?
Das gibt Anlass für Sorgen um ein Folge-Problem. Herrschafts-Zeiten, was kümmern uns die Inder in Katar?! – Es droht ein Drama in der Kaiser-Familie. Im weltweiten Netz der gewollten und nicht gewollten Beckenbauer-Kinder herrscht bereits helle Aufregung über die Frage:
Wird uns der Papa noch erkennen?
Satiresplitter in eigener Sache: Weltweit im Netz als Livestream unter Radio Leinehertz 106.5. Dienstags und mittwochs immer um 8:10 und 16:40 Uhr. Oder jederzeit als Podcast.
Merk-Gedicht:
Wenn’s morgens gewittert,
Und im Radio splittert,
Wenn’s richtig kracht,
Das Hertz erwacht.
Das Leinehertz
ganz ohne Schmerz.
Dann wird das Aufsteh’n wunderschön.
Kein trister Tag ist mehr zu seh’n.
Wenn’s dann auch noch so weiter geht,
am Mittagshimmel Sonne steht,
dann wirst du nachmittags verwöhnt,
wenn Leinehertz mit Splittern dröhnt.
Um dies’ Vergnügen dir zu gönnen,
Sollst morgens du nicht zu lang pennen.
Sollst spätestens um acht Uhr zehn
Auf Radio und Wecker seh’n.
Sogar, wenn du’s verpasst; versteht sich
Gibt’s Splitter nochmal: sechzehn-vierzich.
In diesem Sinne: Allseits frohes Erwachen und versplittert euch nicht.
Wenn du vor leerem Blatte sitzt
Und sich der Reim nicht recht zuspitzt,
dann greife zur geheimen Lade.
Die Schoko- in der Schub-. Nichts drin? Sehr schade.
Denn dich macht Süße und Kakao
erfinderisch und mächtig schlau.
Auf dass dann Staben sich ergießen.
Gedanken-Blitze wieder sprießen.
Gibst nicht den zweifelnden Poeten
Schießt zielbewusst mit Vers-Raketen.
Das Blatt füllt sich mit Geistesblitzen
Und edelsten Satire-Spitzen.
Es ist kein Wunder aus dem Geiste.
Es ist Kakao, der dieses speiste.
Drum hier Verrat geheimster Gaben:
Poeten Schokolade haben.
Der Zustand Europas – eine Katastrophe? Das Denken in Deutschland über Europa – nur noch von Enttäuschung getrieben?
Beschwörungen reichen nicht, um dem Goldblonden auf der anderen Seite des Teiches etwas entgegen zu setzen. Einigung ist angesagt, dringender denn je.
Als Satiriker habe ich keine Handlungsanleitung für ein einiges Europa zu bieten, nur eine Beschreibung des kläglichen Zustands und eine dicke Portion Hoffnung. – Als ich nach Worten suchte, erinnerte ich mich an diesen Text Tucholskys. Vor 85 Jahren – als es das heutige Gebilde EU noch nicht gab, geben konnte, – beschrieb er „sein“ zerstrittenes Europa. Ein Beleg seiner Fähigkeit zu scharfer Analyse, zeitlos-bissiger Kritik und Weitsicht. – Ich wollte nicht versuchen, es treffender zu formulieren.
Europa
Am Rhein, da wächst ein süffiger Wein –
der darf aber nicht nach England hinein –
Buy British!
In Wien gibt es herrliche Torten und Kuchen,
die haben in Schweden nichts zu suchen –
Köp svenska varor!
In Italien verfaulen die Apfelsinen –
lasst die deutsche Landwirtschaft verdienen!
Deutsche, kauft deutsche Zitronen!
Und auf jedem Quadratkilometer Raum
träumt einer seinen völkischen Traum,
Und leise flüstert der Wind durch die Bäume . . .
Räume sind Schäume.
Da liegt Europa. Wie sieht es aus?
Wie ein bunt angestrichnes Irrenhaus.
Die Nationen schuften auf Rekord: Export! Export!
Die andern! Die andern sollen kaufen!
Die andern sollen die Weine saufen!
Die andern sollen die Schiffe heuern!
Die andern sollen die Kohlen verfeuern!
Wir?
Zollhaus, Grenzpfahl und Einfuhrschein:
wir lassen nicht das geringste herein.
Wir nicht. Wir haben ein Ideal:
Wir hungern. Aber streng national
Fahnen und Hymnen an allen Ecken
Europa? Europa soll doch verrecken!
Und wenn alles der Pleite entgegentreibt:
dass nur die Nation erhalten bleibt!
Menschen braucht es nicht mehr zu geben!
England! Polen! Italien muss leben!
Der Staat frisst uns auf. Ein Gespenst. Ein Begriff
Der Staat, das ist ein Ding mit’m Pfiff.
Das Ding ragt auf bis zu den Sternen –
von dem kann noch die Kirche was lernen.
Jeder soll kaufen. Niemand kann kaufen.
Es rauchen die völkischen Scheiterhaufen.
Es lodern die völkischen Opferfeuer:
Der Sinn des Lebens ist die Steuer!
Der Himmel sei unser Konkursverwalter!
Die Neuzeit tanzt als Mittelalter.
Die Nation ist das achte Sakrament –!
Gott segne diesen Kontinent.
Quelle: Aus: Kurt Tucholsky / Theobald Tiger, Die Weltbühne, 28. Jahrgang 1932 (12.01.1932), Nr. 2, Seite 73, Herausgeber: Carl von Ossietzky; Schreibweise aktualisiert.
Nochmal Tucholsky zu Europa:
Zwischenstaatlich organisiert sind in Europa nur das Verbrechen und der Kapitalismus.
Quelle: Kurt Tucholsky / Ignaz Wrobel, Werke 1907-1935. Der Fall Röttcher, in: Die Weltbühne, 29.11.1927, Nr. 48.
Die beste Realsatire der letzten Jahre ist die deutsche Maut.
Ich hatte die Realisierung der Maut für genauso unwahrscheinlich gehalten wie einen Wahlsieg Donald Trumps.
So kann man sich irren.
Da müssen wir uns in ganz Europa lächerlich machen, nur weil aus Bayern einer aus landes-personalpolitischen Gründen nach Berlin abgeschoben werden musste. Mit einer Aufgabe, die unmöglich erschien und eigentlich auch gar nicht zur Lösung gedacht war. Der Sinn der Maut bestand darin, den Dobrindt aus Bayern los zu werden.
Der einzige, der das nicht kapierte, war der Dobrindt selbst und hat sich in der Folge akribisch und ernsthaft über Jahre damit auseinander gesetzt und ganz Europa genervt.
Nun ist der liebe Alexander stolz wie Bolle, ganz Europa ist entsetzt, der bürokratische Aufwand ist garantiert höher als sein Nutzen. Das sag ich jetzt mal frech voraus. Einige europäische Länder werden klagen und damit ist gesichert, dass wir mit der peinlichen Nummer im Gespräch bleiben. Und der Seehofer ist auch mal wieder blamiert und muss nun noch eine verrücktere Aufgabe suchen, mit dessen Scheitern er den Dobrindt endlich los wird.
Eins aber bleibt. Das muss ich neidlos anerkennen. Dobrindt gebührt ein Spitzenplatz in der Satire-Champions-League.
Allerdings kriegt er dafür keinen Preis. Ganz im Gegenteil: Wir müssen einen hohen Preis bezahlen.
Diese versöderten Schlaumeier aus Bayern müssen mir mal erklären, was denn eigentlich passieren soll, wenn irgendeine Obergrenze – völlig egal wie hoch – real eingeführt wird.
Wenn nach der erreichten Obergrenze der erste über die Grenze will ...?
Wenn das dann womöglich ein kleines flehendes „Christ-Kind“ ist – ohne Eltern – was dann?
Wird es erschossen?
Liebe Ober-Christen Söder und Seehofer, was dann?