Wo jede Fährte endet
Published by Cassiopeiapress/Alfredbooks, 2018.
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Wo jede Fährte endet
Whiskey für Paint Rock
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DIE RACHE DES ENDER SMITH
LARRY LASH | Trommelnde Hufe
Der Silber-Trail
Man nannte ihn Windreiter
Elmore Leonard | DIE FRAU VOM TONTO
ALFRED WALLON WESTERN: Alaska - Hölle
Vorwort
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EPILOG
Further Reading: 10 Marshal Western August 2016
Also By Elmore Leonard
Also By Tony Masero
Also By Ben Bridges
Also By Larry Lash
Also By Alfred Wallon
Also By John F. Beck
Also By Peter Dubina
About the Publisher
WO JEDE FÄHRTE ENDET...
Sammelband mit Romanen und Erzählungen
ELMORE LEONARD, LARRY LASH, BEN BRIDGES, JOHN F. BECK, ALFRED WALLON, PETER DUBINA, TONY MASERO
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IMPRESSUM
Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker
© Romane und Erzählungen by Author/ Titelbild: Tony Masero, 2018
Elmore Leonard: DIE FRAU VOM TONTO (OT: The Tonto Woman), Deutsch von Joachim Honnef - Mit freundlicher Genehmigung des Apex-Verlags, 2018
Cover: Tony Masero, 2018
© dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
www.AlfredBekker.de
postmaster@alfredbekker.de
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DIE MOTIVE IM WESTERN sind von zeitloser Eleganz, ob im Film, als Buch oder ganz modern bei den Streamingdiensten und Serienportalen. Das immer wiederkehrende Thema von Gewalt, Leidenschaft, der direkte Kampf Gut gegen Böse und der ewige Konflikt Unrecht gegen Recht. Seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte werden wir davon begleitet und werden es vermutlich auch noch in einigen Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden.
Farmer, Revolverhelden und -Schurken, das Gesetz mit seinen Sheriffs und Marshals, die Liebe einer Frau, oder Unterdrückte die sich wehren und Helden die das Unrecht was ihnen oder anderen immer wieder geschieht bis auf des Messers Schneide tilgen wollen. Das sind die Zutaten dieses Sammelbandes! Lassen Sie sich in den epischen Romanen, Novellen und einer längeren Erzählung von der Vielfalt der Möglichkeiten beeindrucken. Amerikanische, englische und deutsche Autoren, wie Elmore Leonard, Ben Bridges, John F. Beck, Tony Masero, Peter Dubina und Alfred Wallon: WO JEDE FÄHRTE ENDET...
Dieses Buch enthält folgende Western:
Peter Dubina – WHISKEY FÜR PAINT ROCK
Tony Masero – DIE RACHE DES ENDER SMITH
Larry Lash – TROMMELNDE HUFE
Ben Bridges – DER SILBER-TRAIL
John F. Beck – MAN NANNTE IHN WINDREITER
Elmore Leonard – DIE FRAU VOM TONTO
Alfred Wallon – ALASKA- HÖLLE
Ein Western von Peter Dubina
In alter Rechtschreibung
IMPRESSUM
© dieser Digitalausgabe 2015 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
www.alfredbekker.de
postmaster@alfredbekker.de
EDITION BÄRENKLAU, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius
Whiskey für Paint Rock – Ein Western von Peter Dubina, mit freundlicher Genehmigung von Alfred Wallon und Edition Bärenklau, 2015
Cover © by Steve Mayer mit Frederic Prochasson & Katalinks/Shotshop
Hinweis: Das Wort "Whiskey" wird in Irland und den USA mit "e" geschrieben, im
restlichen Europa dagegen "Whisky" - ich habe es bei der USA-Schreibweise gelassen.
Der Umfang dieses Ebook entspricht 122 Taschenbuchseiten.
Sie haben seine Pferderanch niedergebrannt und damit seine Existenz zerstört. Aber Jim Tyree gibt nicht auf, sondern schwört dem Rancher Frank Latimore und seinen Revolvermännern Rache. Da kommt das verlockende Angebot des zwielichtigen Geschäftsmanns Jason Burwick gerade rechtzeitig. Tyree soll für Burwick eine Ladung Whiskey von Abilene nach Paint Rock bringen – und wenn ihm das gelingt, dann wartet eine hohe Prämie auf ihn. Auch wenn Tyree ahnt, dass dieser Auftrag einen riskanten Job darstellt, so willigt er schließlich ein. Es wird ein Transport mit zahlreichen Gefahren und Hindernissen. Der Revolvermann Bing Legget und die schöne Irin Casey Bryant schließen sich ihm an, denn ihre Ziele sind mit denen Tyrees auf schicksalhafte Weise verbunden.
Als Jim Tyree in die Stadt einritt, hatte er einen Streifschuss ab der linken Schläfe und hing halb besinnungslos im Sattel. Aus der Wunde rann ihm Blut in die Augen, und er konnte die Lichter in den Häusern nur verschwommen wahrnehmen. Aber sein furchtbarer Zorn hielt ihn im Sattel. Er war zehn Meilen weit geritten und hatte unterwegs zweimal das Bewusstsein verloren. Doch da er sich zu Beginn des Ritts selbst mit der Lassoschlinge am Sattelhorn festgebunden hatte, war er auf dem Rücken seines Pferdes geblieben. Nun hatte er Paint Rock in Texas erreicht. Dort erwartete ihn Rettung oder der Tod in einem Revolverkampf, aber die zweite Möglichkeit war größer.
Jim Tyree war ein großer Mann. Wenn er aufrecht in seinen Stiefeln stand, maß er sechs Fuß und zwei Zoll. Seine Hände wiesen mehr Lassonarben auf, als das Sattelhorn vieler Cowboys. Er hatte harte Arbeit geleistet in seinem Leben, und manche Niederlage erlitten, aber er war daran nicht zerbrochen, sondern nur noch härter geworden, wie ein Stück glühendes Eisen unter den Schlägen eines Hammers.
Er hatte seinen Traum - eine eigene Ranch - verwirklicht. Aber nun war die Ranch niedergebrannt worden, und ihn hatte man für tot liegenlassen. Eine Stunde lang war er der Fährte seiner Gegner gefolgt, von denen er im Kampf nur die Mündungsfeuer ihrer Colts und dunkle Schatten vor dem Hintergrund seiner brennenden Ranch gesehen hatte, und nun wusste er, wo er sie finden konnte.
Jim Tyree richtete sich im Sattel auf. Er trug eine ärmellose Lederweste über einem ausgebleichten Leinenhemd. Über seine abgewetzte Levis-Hose hatte er Chink-Chaps geschnallt, lederne Beinschützer, die von den Hüften bis zu den Knien reichten. Darunter trug er hochhackige Stiefel mit einfachen Durango-Sporen. Tief an seiner rechten Hüfte war ein Armeecolt mit geädertem Beingriff festgeschnallt, Jims blutverschmiertes Gesicht mit den scharf blickenden blauen Augen war glattrasiert, bis auf den sichelförmigen Schnurrbart - seine einzige Eitelkeit.
Paint Rock lag still unter dem Nachthimmel, als hätte die Stadt unter dem Bann der Angst gestanden. Kein Mensch zeigte sich auf der Frontstreet. Jim Tyree setzte seinem Braunen die Sporen an und ritt auf das Haus von Doc Adams zu, des einzigen Arztes in einem Umkreis von fünfzig Meilen. Jim konnte schon die Laterne neben dem Eingang leuchten sehen, da verließen ihn endgültig die Kräfte. Ihm wurde schwarz vor Augen, aber die Lassoschlinge hielt ihn im Sattel, auch als er nichts mehr wusste.
Ein brennender Schmerz weckte ihn aus seiner Bewusstlosigkeit. Er stöhnte und schlug die Augen auf. Wie durch einen Nebel erkannte er das Gesicht des grauhaarigen alten Arztes, der sich über ihn beugte. Seine runden Brillengläser funkelten im Licht einer Petroleumlampe. Er säuberte Jims Schläfenwunde mit einem jodgetränkten Wattebausch.
»Das tut vielleicht etwas weh«, sagte er, als er sah, dass Tyree zu sich gekommen war. »Aber viel schlimmer als das Zeichnen von Kälbern mit dem Brandeisen kann es nicht sein. Die Kälber zappeln, Sie nicht.«
»Doc, wenn Sie nicht bald damit aufhören, schlage ich schlimmer mit allen Vieren um mich als ein gebranntes Kalb«, stieß Jim hervor. »Geben Sie mir lieber ein Glas Whiskey.«
»Schnaps ist der schlimmste Feind des Menschen«, entgegnete Doc Adams. »Wer sich ihm ergibt, lebt nicht lange.«
»Ich kenne viel mehr alte Säufer als alte Ärzte. Das widerlegt Ihre Behauptung. Ich glaube, Sie und Ihresgleichen haben schon mehr Leute unter die Erde gebracht als der Whiskey. Und wenn Sie weiter so mit mir umspringen, werde ich Ihren ehemaligen Patienten in ein frühes Grab folgen.«
»Verdammt noch mal, Jim Tyree«, knurrte der alte Arzt, »entweder Sie verhalten sich jetzt ruhig, oder ich hole die Teigrolle aus der Küche, schlage sie Ihnen über den Schädel und verarzte Ihre Wunde, solange Sie bewusstlos sind. Dieser Streifschuss ... wissen Sie eigentlich, dass nur ein Fingerbreit gefehlt hat, und weder Jod noch Whiskey hätten Ihnen mehr geholfen? Was ist geschehen?«
Jim Tyree, der sich auf den Ellbogen aufgerichtet hatte, ließ sich zurücksinken. Er wusste nun, dass er auf dem Behandlungstisch lag, obwohl er sich nicht erinnern konnte, wie er dort hingekommen war.
»Meine Ranchgebäude sind in Flammen aufgegangen, Doc«, berichtete er mühsam. »Nur verkohlte Pfosten stehen noch davon. Das ist geschehen. Es waren drei Männer, die mich überfielen, und ich bin sicher, sie gehörten zu Frank Latimores Revolvermannschaft. Ich befand mich gerade im Wohnhaus. Scheune und Stall brannten schon lichterloh, als ich durch das Wiehern der Pferde aufmerksam wurde. Durch die Fensterluke sah ich draußen Feuerschein, griff mir den Revolvergurt und rannte blindlings hinaus. Drei Männer schossen gleichzeitig auf mich, als ich über die Schwelle trat. Ich konnte nicht einmal mehr die Waffe ziehen. Ich weiß nur noch, dass ich einen Schlag an der Schläfe verspürte, als ob ein Maultierhuf mich getroffen hätte. Dann gingen die Lichter aus...
Als ich eine Stunde später wieder zur Besinnung kam, waren meine Ranchgebäude Aschenhaufen. Diese Banditen hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Pferde aus dem brennenden Stall zu treiben. Alle Tiere waren verbrannt. Nur mein Brauner, den ich am Abend nicht in den Stall, sondern in den Corral gebracht hatte, war noch übrig. Diese Pferde waren Zuchttiere, Doc, für viel Geld aus Kentucky und Oregon herbeigeschafft. Sie sollten den Stamm einer Zuchtherde bilden. Jeden Cent, den ich aufbringen konnte, habe ich in dieses Geschäft gesteckt. Nun ist alles zum Teufel.«
»Dieser verfluchte Weidekrieg«, sagte Doc Adams und warf den blutgetränkten Wattebausch, mit dem er hantiert hatte, in eine Blechschüssel. » Als der Bürgerkrieg zwischen den Nord- und Südstaaten 1865 zu Ende war, hoffte jeder in Texas, nun würden endlich Ruhe und Frieden einkehren. Und das, obwohl Texas mitsamt den übrigen Südstaaten besiegt worden war. Doch die Anwendung des 1862 von der im Krieg siegreichen 'Nordstaatenregierung in Washington erlassenen Heimstättengesetzes auch auf dem Gebiet des unterworfenen Texas, hat diese Hoffnung sehr schnell zunichte gemacht. Glauben Sie jetzt nur nicht, Tyree, ich wäre ein Parteigänger von Großranchern wie Frank Latimore - die auch heute noch allesamt geschworene Anhänger der Sezession und der Idee unabhängiger Südstaaten sind - aber ich. versuche, diese Leute zu verstehen.
Bevor der Bürgerkrieg ausbrach und mit der schrecklichen Niederlage der Konföderierten endete, an der der alte Stolz des Südens zerbrach, beherrschten Großrancher wie Latimore diesen Teil von Texas wie Könige. Ihr Weideland erstreckte sich über Gebiete, die manchmal größer waren als ein europäisches Fürstentum. Und sie übten jede Gewalt darin aus.
Mit der Kapitulation der Konföderierten bei Ende des Bürgerkrieges sank der alte Süden dahin. Die großen Rinderbarone aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg hatten aber den Fehler gemacht, ihren ganzen Reichtum in ihre Herden zu stecken. Sie hatten nicht daran gedacht, Land zu kaufen. Manche von ihnen besaßen nur wenig mehr Grund als den, auf dem ihre Ranchgebäude standen. Sie hatten ja genug freie Weide zur Verfügung, die zwar dem Staat Texas gehörte, auf der sie aber ihre Rinder und Pferdeherden weiden lassen konnten, ohne dass es sie einen lumpigen Cent kostete. Aber nach dem Ende des Sezessionskrieges, als die Gesetze des siegreichen Nordens auch für den geschlagenen Süden galten, kamen mehr und mehr Siedler und Kleinrancher aus den Nordstaaten nach Texas und nahmen das freie Land in Besitz, das ihnen von der Regierung in Washington aufgrund des Heimstättengesetzes übereignet worden war. Sie nahmen den Großranchern oft ihre besten Weidegründe weg, schnitten sie manchmal sogar vom Wasser ab. Sie, Jim Tyree, sind einer dieser Neuankömmlinge. Sie sind ein anständiger, hart arbeitender Mann. Aber es gibt auch andere - wie Jason Burwick, der sich selbst aus durchsichtigen, politischen Gründen zum Anführer der Siedler und Kleinrancher in diesem Teil von Texas gemacht hat und dem kein Mittel zu schmutzig ist, um die Macht im Lande an sich zu bringen ...«
»Doc«, unterbrach Jim Tyree den alten Arzt, »Sie wissen genau, dass ich nie zu Burwicks Gefolgschaft zählte. Mit Politik habe ich nichts im Sinn. Ich will es nicht durch niederträchtige Intrigen, sondern durch meiner Hände Arbeit zu Wohlstand bringen. Was ist daran falsch?«
»Gar nichts. Sie haben sich nichts vorzuwerfen, Tyree. Aber Sie begehen einen Fehler, wenn Sie glauben, diesen Kampf allein durchstehen zu können. Sie und alle anderen Siedler und Kleinrancher in diesem Teil von Texas werden zwischen Latimore und Burwick wie zwischen zwei Mühlsteinen zerrieben werden. Auf Latimores Lohnliste stehen fast vierzig Revolver-Cowboys, und Burwick beschäftigt etwa ein Dutzend angeworbene Scharfschützen. Die Männer des einen wie die des anderen sind Abschaum aus beiden Armeen des Bürgerkrieges. Sie haben in blutigen Schlachten gelernt zu töten, und als der Krieg vorbei war, beherrschten sie kein anderes als das Waffenhandwerk. Um überleben zu können, verkauften sie ihre Seelen und ihre Revolver an den jeweils Meistbietenden, und nun fechten sie fremde Fehden aus, und kämpfen bis zum Tod. Glauben Sie, Tyree, dass Sie oder einer der anderen Siedler und Kleinrancher gegen diese Revolverschwinger eine Chance haben? Denen gilt ein Leben nichts. Sie haben es ja gerade selbst am eigenen Leib erfahren.«
»Ich habe mich bis heute Nacht aus der Auseinandersetzung zwischen Latimore und Burwick herausgehalten, Doc«, entgegnete Jim. »Aber ich bin sicher, dass es Latimores Leute waren, die meine Ranch niedergebrannt und mich fast aus den Stiefeln geschossen haben. Jetzt kann ich nicht mehr abseits bleiben. Latimore ist der geschworene Feind aller Siedler und Kleinrancher in diesem Gebiet. Burwick ist ein Freund der kleinen Leute.«
»Burwick ist nur Burwicks Freund«, wandte der Arzt ein. »Das werden Sie noch schnell genug herausfinden, wenn Sie sich auf seine Seite schlagen. Er spielt ein undurchsichtiges Spiel. Man sagt ihm großen politischen Ehrgeiz nach. Es heißt, er habe sogar Ambitionen auf das Amt des Gouverneurs von Texas. Er ist genauso skrupellos wie Latimore, aber viel schlauer. Er kennt und nutzt jede Lücke in den Gesetzen. Er ist dabei, sich in den Neusiedlern, die nach Texas strömen, eine feste politische Stütze zu schaffen. Der Hass zwischen den kleinen Leuten und den Großranchern in Texas macht sich allenthalben durch Weidekriege und Revolverkämpfe Luft. Burwick hat sich schlau auf die Seite der Zahlreicheren geschlagen. Es gibt viel mehr kleine Leute als große Rinderbarone. Von ihnen will er sich ins höchste Amt dieses Staates wählen lassen. Nur deshalb hat er Partei für die Siedler und Kleinrancher ergriffen. Am Ende aber wird er reicherund mächtiger sein, als Latimore es heute ist. Wenn er mit Hilfe der kleinen Leute seine Gegner erst einmal aus dem Weg geräumt hat, wird er für die Armen und Schwachen, für die er heute zu kämpfen vorgibt, keinen Blick mehr übrig haben.«
Doc Adams begann, Jim Tyrees Kopf mit einer Leinenbinde zu umwickeln.
»Sie meinten vorhin, ich könnte diesen Weidekrieg nicht allein durchstehen«, sagte Jim. »Was wollten Sie damit ausdrücken?«
»Es war nur ein Gedanke, der mir gerade durch den Kopf ging«, antwortete der alte Arzt. »Die kleinen Leute wären besser dran, wenn ein Mann wie Sie ihr Anführer wäre. Und Sie könnten Ihren Kampf mit mehr Aussicht auf Erfolg führen, wenn Sie auf Unterstützung durch viele Leute zählen könnten.«
»Nein, Doc«, sagte Jim und verbiss sich ein Stöhnen, als Adams das Ende der Leinenbinde festmachte. »Ich bin kein Intrigant, deshalb eigne ich mich auch nicht zum Politiker. Dieses Geschäft überlasse ich Burwick. Ich habe meine Kämpfe stets selbst und offen ausgetragen. Hilfe von anderen habe ich nicht erwartet und auch nicht gewährt. Aber eines möchte ich von Ihnen wissen. Vor etwa einer Stunde müssen drei Reiter in die Stadt gekommen sein. Ich nehme an, es waren Latimore-Leute. Und ich glaube, sie kamen an Ihrem Haus vorbei. Wenn Sie die gesehen haben, dann sagen Sie mir, wer die drei waren und wohin sie geritten sind.«
»Ich bin in meinem Leben schon einer Menge hartnäckiger Burschen begegnet«, sagte Doc Adams kopfschüttelnd. »Aber noch keiner schien so versessen darauf, mit beiden Beinen mitten in die Hölle zu springen, wo sie am heißesten ist. Sie sind gar nicht in der Lage, in einen Revolverkampf zu gehen, Tyree. Als ich Ihnen vorhin aus dem Sattel und ins Haus half, waren Sie schwächer auf den Beinen als ein neugeborenes Kalb.«
»Sie haben die drei also gesehen«, stellte Jim mit ruhiger Stimme fest. »Wer sind sie und wo halten sie sich auf?«
Adams wusch sich die Hände in einer Schüssel, Er ließ sich Zeit mit der Antwort. Schließlich entgegnete er unwillig: »Ich habe nur einen der drei erkannt, als sie durch den Lichtschein der Laterne vor meinem Haus ritten. Es war Chingo Hobb. Sie wissen doch wohl, dass er einer der gefährlichsten unter Latimores Revolverschwingern ist. Wenn Sie ihn in Ihrem Zustand stoppen wollen, Tyree, sind Sie ein toter Mann. Er hält sich jetzt drüben im Cattlemen-Saloon auf. Der zweite Mann ist in den Mietstall auf der anderen Straßenseite gegangen. Wo sich der dritte aufhält, weiß ich nicht. «
»Danke, Doc«, sagte Jim Tyree und erhob sich. »Was bin ich Ihnen schuldig?« Er suchte in den Taschen seiner Lederweste und brachte zwei Dollarmünzen zum Vorschein. Es war sein letztes Geld.
»Behalten Sie’ s für den Leichenbestatter«, sagte Doc Adams. »Wenn Sie durch diese Tür hinausgehen, wird er sich wahrscheinlich sehr bald mit Ihnen beschäftigen. Und er wird mehr Arbeit mit Ihnen haben als ich. «
»Ich werde die beiden Münzen aufheben«, sagte Jim mit zuckenden Mundwinkeln. »Wenn wir uns das nächste Mal treffen, gebe ich damit einen Whiskey für Sie aus.«
»Wenn wir uns noch einmal treffen«, warf der grauhaarige Arzt ein.
Aber als er sich umdrehte, war sein Patient verschwunden. Jim Tyree hatte das Haus verlassen.
Sporenklirrend schritt er die Frontstreet hinunter und auf den Cattlemen-Saloon zu. Dort waren zwei Pferde am Haltegeländer angebunden. Ein drittes stand vor dem offenen Tor des Mietstalles. Nirgendwo war ein Mensch zu sehen.
Jim Tyree stieg die drei Stufen von der Straße zur Veranda vor dem Saloon hinauf, blieb vor der Schwingtür stehen und blickte über ihre Flügel hinweg in den dahinter liegenden Raum.
Es waren nur zwei Männer anwesend; ein Barkeeper hinter der Theke und ein Mann davor, der mit dem Rücken zur Tür stand. Er war groß und hager, trug dunkle Kleidung, kniehohe Reitstiefel mit großen silbernen mexikanischen Radsporen, einen Hut mit geradem Rand und zwei über Kreuz geschnallte Revolvergürtel, deren tiefsitzende Halfter mit Lederriemen an den Oberschenkeln festgebunden waren. Die Holzgriffe zweier Armeecolts ragten nach vom aus dem Leder. Es gab nicht viele Revolverschwinger in Texas, die ihre Waffen auf diese Art trugen. Einer von ihnen war Chingo Hobb. Vor ihm auf der Theke standen eine halb geleerte Whiskeyflasche und ein Glas;
Jim ließ seinen Blick in die Runde schweifen, während er mit dem Daumen die lederne Sicherheitsschlinge vom Revolverhahn loshakte.
In der Nähe der Tür stand ein mannshoher, schmaler, gusseiserner Kanonenofen. Außerdem gab es da ein Dutzend Spieltische, die, da nur noch zwei Petroleumlampen über der Theke brannten, im Halbdunkel lagen. Rechts neben der Theke führte eine Treppe an der Wand hinauf zum Obergeschoss des Saloons. Über der Treppe hing der ausgestopfte Kopf eines Longhornbullen. Die Treppe endete oben in einer Galerie, von der drei Türen zu verschiedenen Zimmern führten.
Jim Tyree stieß die Schwingtür mit der linken Schulter auf - seine rechte Hand befand sich in der Nahe des Revolvergriffs - und betrat den Saloon. Der Barkeeper, der hinter der Theke Gläser putzte, hielt mitten in der Bewegung inne. Der zweite Mann wandte den Kopf, und sein Gesicht nahm einen überraschten Ausdruck an, als er Tyree erkannte.
»Sie sehen richtig, Hobb; Ich bin es wirklich«, sagte Jim. »Die Männer, die draußen auf meiner brennenden Ranch auf mich schossen, sind den Revolverlohn nicht wert, den Latimore ihnen zahlt. Ich lebe noch immer.«
»Noch. Es war Nacht, und der flackernde Feuerschein täuschte. Das war Ihr Glück, Tyree. Waren Sie klüger, als Sie sind, hätten Sie das Glück mit beiden Händen festgehalten und sich aus dem Staub gemacht. Aber es ist schon so, wie man sagt: Dem Vernünftigen macht es nichts aus, für feige zu gelten. Aber ein Dummkopf läuft dem Tod so lange hinterher, bis es ihn erwischt.“
Langsam wandte er sich Jim Tyree voll zu. Unter der dunklen, verschlissenen Weste trug er ein schweißfleckiges, kragenloses Hemd. Sein Gesicht hatte eine fahlgelbe Färbung, die Wangenknochen traten stark hervor. Hals und Kinnpartie waren von einem drei Tage alten Stoppelbart geschwärzt. Aus dem Schatten, den die Hutkrempe im Schein der Lampe auf den oberen Teil seines Gesichts warf, funkelte ein Augenpaar, das dem eines Wolfes glich. Tyree hielt dem Blick seines Gegners stand.
»Sie und die beiden Männer, die nach Paint Rock kamen, waren es also wirklich, die meine Ranch niedergebrannt haben. Warum? Ich habe mich immer aus den Streitigkeiten zwischen Latimore und den Siedlern herausgehalten.«
Jim Tyree stand neben dem eisernen Kanonenofen, knapp zehn Schritte von Hobb entfernt. Der Revolyermann trat von der Theke weg. Seine Hände hingen in der Nähe der Colts .
»Wir hatten unsere Befehle«, entgegnete er mit einem gleichgültigen Achselzucken. »Die Zeit ist gekommen, da Frank Latimore alle Siedler und Kleinrancher, die sich auf der freien Weide niedergelassen haben, aus diesem County hinaus fegen wird. Offenbar hält er Sie für besonders gefährlich. Sie könnten sich, denkt er, plötzlich an die Spitze dieser Hungerleider von Neusiedlern setzen - deshalb setzte er Sie wohl auf die erste Stelle seiner Abschussliste. Ich halte Sie nicht für gefährlich, Tyree. Und ich werde auch den Beweis für meine Behauptung antreten. Das Kopfgeld, das für Sie ausgesetzt ist, werde ich mir jetzt verdienen - endgültig.«
»Wie hoch ist es?«
»Hundert Dollar.«
»Das ist nicht viel für ein Menschenleben.«
»So ist es nun einmal: Jedes Ding auf der Welt ist nur so viel wert, wie jemand dafür zu zahlen bereit ist. Und jetzt ...«
Chingo Hobb brachte seinen Satz nicht zu Ende. Er lächelte, ein kaltes, täuschendes Lächeln, als er nach den Revolvern griff. Er zog unheimlich schnell. Mit der rechten Hand schneller als mit der linken. Er war ganz sicher, dass er seinen Gegner töten konnte, und doch verlor er den Kampf um sein Leben.
Jim wusste, dass er dem Revolvermann nicht gewachsen war, was die Schnelligkeit beim Ziehen anging. Wenn er am Leben bleiben wollte, musste er kaltblütig und entschlossen handeln. Und das tat er.
Während er nach dem Armeecolt an seiner rechten Hüfte griff, machte er blitzschnell einen Schritt nach links und brachte den eisernen Ofen zwischen sich und Hobb. Der Lauf des Revolvers in der rechten Hand seines Gegners folgte der Bewegung und spie eine Flammenzunge aus. Aber die Kugel klatschte gegen den Ofen. Es klang, als hätte Hobb auf eine Glocke geschossen. In der nächsten Sekunde trat Jim blitzschnell nach rechts wieder aus der Deckung hervor, den Colt schussbereit im Hüftanschlag. Er krümmte den Finger um den Abzugshahn, bevor Chingo Hobb den Lauf seines Revolver hoch schwingen konnte.
Die Wucht des Kugeleinschlages stieß Hobb rücklings gegen die Theke. Er ließ den rechten Colt fallen, gab noch einen Schuss aus dem linken ab. Aber da war sein Körper schon im Fallen, und die Mündung der Waffe wies auf den Boden.
Das Krachen der Schüsse war noch nicht verhallt, als oben auf der Galerie eine Tür aufflog. Ein halbnackter Mann stürmte über die Schwelle. Er trug nur eine Hose, die er in der Eile nicht zugeknöpft hatte. In der Linken hielt er einen Waffengurt, mit der Rechten versuchte er, den Revolver aus dem Halfter zu ziehen.
Jim Tyree schoss auf ihn, verfehlte ihn aber, und die Kugel blieb im Türrahmen stecken. Mit einem Fluch sprang der Mann ins Zimmer zurück und warf dabei ein splitternacktes Mädchen zu Boden, das ihm neugierig vom Bett zur Tür gefolgt war. Jim Tyree hörte sie aufschreien. Zugleich sah er, wie der Barkeeper mit beiden Händen unter die Theke griff. Wahrscheinlich hatte er dort eine abgesägte, doppelläufige Schrotflinte liegen.
Der Cattlemen-Saloon galt als Hochburg der Rinderzüchter und ihrer Cowboys in Paint Rock. Jeder Mann, der hier arbeitete, war ein eingeschworener Parteigänger Frank Latimores. Es gab keinen Zweifel, gegen wen der Keeper seine Waffe richten würde. Jim Tyree feuerte eine Kugel aus seinem Colt in das Flaschenregal hinter der Theke. Glasscherben spritzten umher. Der Keeper duckte sich hinter den Tresen.
Jim lief durch die Schwingtür hinaus. Im selben Augenblick tauchte auf der gegenüberliegenden Straßenseite der dritte Latimore-Reiter im offenen Tor des Mietstalles auf, vor dem sein Pferd angebunden war. Die Schüsse im Saloon hatten ihn alarmiert. Er sah Tyree, hastete auf sein Pferd zu und riss die Winchester aus dem Scabbard.
Jim Tyree rannte sporenklirrend über die Veranda, sprang über das Seitengeländer und tauchte in dem schmalen, finsteren Durchgang zwischen dem Saloon und dem Nebengebäude unter. Ein Schuss peitschte hinter ihm, dann ein zweiter. Jim duckte sich instinktiv, dann hatte er das Ende des Durchgangs erreicht, blieb stehen und blickte sich keuchend um.
Zu seiner Rechten lag der Hinterhof des Cattlemen-Saloon, links von ihm eine freie Fläche. Dahinter erhoben sich die dunklen Umrisse der Lagerschuppen von Jason Burwick. Die Rückfront der Wirtschaft wurde von einer Sturmlaterne erhellt, die Schuppen aber lagen im Dunkel. Also wandte sich Jim Tyree ihnen zu. Er erreichte sie, ohne dass ein weiterer Schuss fiel, und blieb neben einer Tür stehen. Die Mündung seines Revolvers war auf die Stelle zwischen den Häusern gerichtet, von der er gerade erst gekommen war.
In der Stille der Nacht hörte er die Schritte seiner Verfolger nahen und machte sich zum Kampf bereit. Aber es kam nicht dazu.
Plötzlich knarrten neben Jim Tyree Türangeln. Er wandte den Kopf. Die Tür hatte sich halb geöffnet. Im Zwielicht entdeckte er den stählernen Glanz eines Revolverlaufs.
»Wenn du am Leben bleiben willst«, sagte jemand in der Dunkelheit, »darfst du jetzt nur eine einzige Bewegung machen. Lass das Eisen fallen!«
Ein Mann kann gegen vielerlei kämpfen, aber nur ein Narr geht gegen eine Revolvermündung an, die auf sein Herz gerichtet ist. Jim Tyree spreizte die Hand, und seine Waffe schlug dumpf am Boden auf.
»Jetzt komm herein! Halte aber die Hände in Schulterhöhe, so dass ich sie gut sehen kann, oder ich schieße dir den Kopf von den Schultern«, riet der Unbekannte ihm.
Jim Tyree trat über die Schwelle. Obwohl es dunkel um ihn war, war er sich doch der Anwesenheit mehrerer Männer bewusst. Jemand hob seinen Revolver auf, dann fiel die Tür ins Schloss. Eine Coltmündung drückte gegen seine Hüfte;
»Geh immer geradeaus, Gringo! Versuche keine Tricks!«, wurde er gewarnt.
Vor Jim war ein schwacher Lichtschein in der Dunkelheit. Er ging darauf zu.
Die ganze Zeit über wich der Druck des Revolverlaufs nicht von seiner Hüfte. Er stieß gegen eine Tür und drückte den Türknauf herunter. Die Tür schwang auf, und Jim Tyree stand auf der Schwelle zu einem Raum, der nur schwach von einer tief hängenden Petroleumlampe erleuchtet war. Er war als Sattelkammer und Lagerraum eingerichtet. Es roch darin nach Leder, Kerosin, Saatgut, Holz, Eisen - und Ratten.
Im Hintergrund des Raumes, an der Grenze zwischen Licht und Halbdunkel, lehnte ein schwergewichtiger Mann mit vor der Brust verschränkten Armen an einem Stapel von Kornsäcken. Sein Kopf befand sich im Dunkel.
»Kommen Sie nur herein, Tyree!«, sagte er mit heiserer, ölig klingender Stimme. »Und nehmen Sie es meinen Leuten nicht übel, dass sie Sie auf etwas raue Weise zum Eintritt aufgefordert haben.«
Mit zwei, drei überraschend schnellen Schritten trat der Mann in den Lichtkreis der Laterne. Er war unglaublich dick, und trotz seiner teuren Kleidung - Prinz-Albert-Rock, Weste aus roter China-Seide, Hemd aus makellosem irischem Leinen - machte er einen verwahrlosten Eindruck. Der Ausdruck auf seinem Gesicht wurde von wulstigen Lippen, einer gebrochenen Nase und eng zusammenstehenden grüngelben Augen bestimmt.
»Burwick!«, entfuhr es Jim Tyree überrascht.
Jason Burwick lächelte ihm zu. Das Lächeln entsprach seiner äußeren Erscheinung. So wie er durfte kein Mann lächeln, wenn er wollte, dass andere ihm Vertrauen entgegenbrachten.
»Latimores Leute sind hinter Ihnen her, nicht wahr?«, entgegnete er. Dies war weniger eine Frage, als eine Feststellung. »Wenn meine Männer Ihnen nicht das Leben gerettet hätten, lägen Sie jetzt möglicherweise schon tot im Straßenstaub. Da war eine Schießerei weiter oben an der Frontstreet, möglicherweise im Cattlemen-Saloon. Waren Sie daran beteiligt?«
»Darf ich meine Hände herunternehmen, bevor ich antworte?«, fragte Jim.
»Natürlich, mein Freund«, antwortete Burwick. »Wir sind gewissermaßen Verbündete gegen Latimore. Und Verbündete bedrohen einander nicht. Weg mit dem Revolver, Cisco! Hol den Whiskey herbei! Freunde sollte man stets mit einem guten Schluck empfangen, nie mit der Waffe in der Hand.«
Der Druck der Coltmündung gegen Jims Hüfte verschwand. Er drehte langsam den Kopf. Hinter ihm standen drei Männer, denen er schon früher in Paint Rock begegnet war. Einer von ihnen - ein Mexikaner, der unter dem Namen Cisco-Kid bekannt war - trug schwarze Charro-Kleidung; einen wagenradgroßen Hut, Knopfleistenhose und eine kurze Bolero-Jacke. Um seine Hüften lag ein schwarz-lederner Buscadero-Gurt mit Zwillingshalftern, in denen zwei silberne Colts mit weißen Elfenbeingriffen staken. Von dem schwarzen Untergrund hoben sich die silbernen Sporen, die Gürtelschnalle und die Patronen in den Gurtschlaufen ab. Ebenso blinkten, als er lächelte, seine weißen Zähne unter dem Schnurrbart.
»Si, Senör Burwick«, sagte er.
Die beiden anderen Männer, das wusste Jim, hießen Spence und Gullick. Auch sie waren Revolverschwinger. Doch im Gegensatz zu Cisco-Kid kam kein Lächeln in ihre Gesichter, während sie, die Daumen hinter die Waffengurte gehakt, dastanden und Tyree musterten.
Dennoch: Cisco war der gefährlichste der drei Männer.
»Trinken Sie einen Schluck mit mir, Tyree«, lud Burwick ein. Sein Lächeln hatte sich die ganze Zeit über nicht verändert. »Es spricht sich leichter nach einem Whiskey, und wir beide haben etwas miteinander zu bereden.«
Cisco brachte eine Flasche Whiskey und zwei Gläser zum Vorschein. Die Gläser stellte er auf eine Futterkiste und füllte sie bis zum Rand mit bernsteinfarbenem Alkohol aus der Flasche.
Jason Burwick griff nach einem Glas.
»Nur zu, Tyree!«, sagte er. »Hier sind Sie vor Latimores Männern in Sicherheit. Bisher hat es noch keiner von seinen Revolverschwingern gewagt, meine Schwelle zu überschreiten.«
Er trank seinen Whiskey aus und tat so, als hätte er übersehen, dass Tyree sein Glas nicht angerührt hatte.
»Ich habe gehört, dass man Ihre Ranch niedergebrannt hat, Tyree«, sagte er und stellte sein leeres Glas auf die Futterkiste, »Und nun haben Sie einen von Latimores Revolverhelden erschossen. Sie waren im Recht, gewiss. Aber was nutzt Ihnen das? Paint Rock ist eine Stadt ohne Gesetz. Es ist zu klein, um einen Sheriff unterhalten zu können, und der nächste US-Marshal hat seinen Sitz in Abilene, mehr als fünfzig Meilen nördlich von hier. Der aber hat alle Hände voll zu tun, denn überall in den texanischen Weidegebieten kommt es zu Kämpfen zwischen den alteingesessenen Großranchern und den Neusiedlern, die aus den im Bürgerkrieg siegreichen Nordstaaten nach Texas strömen. Nein, Tyree, der US-Marshal kann und wird Ihnen nicht helfen. Wenn Sie sich aber in der Auseinandersetzung zwischen Latimore und den Siedlern und Kleinranchern weiterhin nur auf sich selbst verlassen wollen, werden Sie nicht nur Ihre Ranch, sondern über kurz oder lang auch Ihr Leben verlieren. Sie müssen sich in diesem Kampf für eine von beiden Seiten entscheiden, Tyree. Latimore kommt - nach dem, was er Ihnen angetan hat - als Kampfgefährte für Sie nicht mehr in Frage. Ihr Verbündeter kann also nur ich sein. Das ist natürlich, denn ich vertrete die Interessen der Siedler und kleinen Rancher, zu denen ja auch Sie gehören.«
»Ich bleibe lieber für mich allein«, entgegnete Jim Tyree,
Ein Schatten von Unmut huschte über Burwicks feistes Gesicht. Aber gleich darauf lächelte er wieder das glatte, unverbindliche Politikerlächeln.
»Sie haben - bis auf Ihr Pferd, Ihren Sattel und den Revolver alles verloren, was Sie besaßen, Tyree«, sagte er nachdrücklich. »Sie werden mir sicher zustimmen, wenn ich behaupte, dass Ihre Zukunft düster aussieht. Aber ich könnte dafür sorgen, dass Sie genug Geld verdienen, um Ihre Ranch wiederaufzubauen, neue Zuchtpferde zu kaufen, vielleicht noch weiteres Weideland zu erwerben ...«
Burwick schwieg und wartete ab, welche Wirkung seine Worte auf Jim Tyree hatten. Er tat das mit dem aufmerksamen Blick eines Jägers, der einen Köder ausgelegt, eine Falle gestellt hat und nun darauf wartete, dass der Wolf hinein tappte. Er wusste, wie groß diese Verlockung für einen Mann war, der vor wenigen Stunden seinen ganzen Besitz verloren hatte.
Als er merkte, dass Jim Tyree überlegte, fuhr er fort: »Sie würden durch eine Zusammenarbeit mit mir nicht nur sich, sondern auch allen anderen Siedlern und Kleinranchern einen Dienst erweisen. Sehen Sie, Tyree, ich betreibe in Paint Rock den einzigen Laden, der die kleinen Leute mit allem versorgt, was sie brauchen, um zu überleben, ihre Äcker zu bestellen, Rinder und Pferde zu züchten und zu Wohlstand zu gelangen. Es ist mir ein Anliegen, ich möchte fast sagen, eine Herzenssache, diesen Menschen zu helfen. Natürlich denke ich als Geschäftsmann auch an meinen Gewinn, aber das erst in zweiter Linie. Ich möchte mithelfen, Texas zu einem großen Staat zu machen. Das gelingt mir aber nur, solange ich die kleinen Leute in diesem Gebiet mit dem Nötigsten versorgen kann. Nun verhält es sich jedoch so, dass Latimores Revolvermannschaft seit etwa vier Wochen alles daransetzt, mir den Güternachschub abzuschneiden. Auf diese Weise will Frank Latimore mich und mit mir alle Siedler und Kleinrancher in die Knie zwingen. Da er über ungefähr viermal so viele Leute verfügt wie ich, wird sein Vorhaben wahrscheinlich sogar gelingen. Es sei denn, jemand hindert ihn daran. Ich habe meine Waren bisher aus Abilene bezogen. Aber nun kommt keine Lieferung mehr nach Paint Rock durch, und in Kürze wird mein Lager leer sein. Um das zu verhindern, brauche ich einen Mann, der imstande ist, einen neuen, Latimore nicht bekannten Weg zwischen Abilene und Paint Rock zu finden und eine erste Wagenladung hierher zu bringen. Ich bin sicher, Latimore wird den Kampf aufgeben, wenn erst einige Frachtwagenkonvois an den Absperrungen seiner Revolvermannschaft vorbei gelangt und in Paint Rock eingetroffen sind.«
»Solch ein Unternehmen wäre ein Himmelfahrtskommando für jeden Mann«, entgegnete Jim Tyree. »Seine Chancen, mit einem Wagenzug nach Paint Rock durchzukommen, stünden bestenfalls eins zu hundert.«
»Ich rede nicht von einem ganzen Wagenzug«, sagte Burwick. »Zunächst ginge es nur darum, einen einzigen Wagen auf dem neuen Weg nach Paint Rock zu schaffen. Und der Lohn dafür wären tausend Dollar. Damit könnte ein Mann wie Sie seine Ranch wieder aufbauen.«
»Was würde der Wagen enthalten, den ich herbeizuschaffen hätte, Dynamit?«, fragte Jim.
Burwick lachte darüber wie über einen guten Witz.
»Nein, er würde Whiskey enthalten, tausend Flaschen. Sehen Sie, eine Stadt wie Paint Rock kann auf vieles verzichten, aber nicht auf Whiskey. Schnaps stärkt die Kampfmoral. Aus diesem Grund wird der erste Wagen tausend Flaschen Rosebud-Whiskey geladen haben. Doch diesem Wagen werden viele andere folgen, und sie werden alles herbeischaffen, was die Leute in diesem Land brauchen, um zu überleben.«
»Wozu brauchen Sie eigentlich mich, Burwick?«, fragte Jim. »Sie haben doch genug Männer, die Sie mit diesem Auftrag betrauen können. Tausend Dollar sind viel Geld. Jeder Ihrer Leute würde sich diese Prämie bestimmt gern verdienen. Warum muss gerade ich es sein?«
Jason Burwick zuckte mit den Achseln.
»Meine Leute sind Revolvermänner«, antwortete er. »Ich brauche sie, um mich in diesem Land zu behaupten. Für diesen Auftrag brauche ich aber jemanden, der dieses Land vom Sattel aus kennengelernt hat.«
Diese Erklärung hielt Jim Tyree für ehrlich.
»Ich will«, fuhr Burwick fort, »offen mit Ihnen sprechen. Ich bin davon überzeugt, dass die Tage der freien Weide in Texas vorbei sind. Immer mehr Menschen werden in diesen Staat strömen, und die Großrancher, Überbleibsel aus vergangenen Tagen, werden immer mehr Macht und Einfluss verlieren.
Die Zukunft ...«
»Die Zukunft«, unterbrach ihn Jim Tyree, »gehört den Siedlern, weil sie in der Überzahl sind und bei der Gouverneurswahl ihre Stimmen für Jason Burwick abgeben werden.«
»Warum auch nicht? Schließlich bin ich in diesem Teil von Texas der einzige, der ihre Interessen vertritt. Was wäre schon dabei, wenn ich eines Tages Gouverneur von Texas würde? Ich hätte dann die Möglichkeit, die Leute, die mir zu diesem Amt verholfen haben, entsprechend zu belohnen. Und ich bin nicht kleinlich, wenn es darum geht, Freunden in den Sattel zu helfen. Schaffen Sie nur den Wagen mit tausend Flaschen Whiskey nach Paint Rock, und ich blättere Ihnen die genannte Summe auf den Tisch, Tyree.«
»Woher soll ich wissen, dass ich Ihnen vertrauen kann?«
»Das können Sie nicht wissen. Das Leben ist wie ein Pokerspiel«, antwortete Jason Burwick »Jeder macht seinen Einsatz und wartet ab, welches Blatt er bekommt. Aber ich bin das Herz-As in diesem Spiel. Wer auf mich setzt, kann nur gewinnen. Ich bin bereit, Ihnen tausend Dollar im voraus zu bezahlen. Sie können mit diesem Geld in Abilene Leute anwerben, die Sie und die Whiskeyfracht nach Paint Rock begleiten. Revolvermänner sind gegenwärtig billig in Texas.«
Jim dachte nach. Mit zwei Dollar in der Tasche konnte er nicht weit kommen. Aber mit tausend hätte er eine Chance, seine niedergebrannte Ranch wiederaufzubauen; Außerdem wollte er nicht vor Latimore fliehen. In seinem ganzen Leben war er noch vor keinem Gegner geflohen. Zwar traute er Burwick nicht einen Schritt weit, doch ein Mann in seiner Lage konnte nicht wählerisch sein. Dies war vielleicht die letzte Chance, die ihm das Schicksal bot.
»Sie würden mir also tausend Dollar im voraus und weitere tausend nach Ablieferung der Whiskeyfracht zahlen, wenn ich Ihrem Vorschlag zustimme?«, fragte er. »Aber woher wollen Sie wissen, dass ich nicht mit den ersten tausend Dollar auf Nimmerwiedersehen verschwinde und Ihren Whiskey in Abilene stehenlasse?«
»Wie ich schon sagte, das Leben ist ein Pokerspiel. Jeder, der daran teilnehmen will, muss seinen Einsatz machen. Die tausend Dollar sind mein Einsatz«, entgegnete Burwick. »Ich vertraue Ihnen, Tyree.«
»Den Whiskey aus Abilene hinauszuschaffen, wird vermutlich nicht besonders schwierig sein«, überlegte Jim laut. »Um so gefährlicher wird es sein, ihn nach Paint Rock hineinzubringen.«
»Sie sollen ihn gar nicht in die Stadt schaffen. Kennen Sie die Wasserlöcher von Coyote Springs? Bringen Sie den Wagen dorthin, dann werden meine Leute ihn übernehmen. «
»Und wo soll ich die Fracht abholen?«
»In Abilene gibt es eine Whiskeybrennerei, die einem gewissen Mitchell gehört. Er wird Ihnen nicht nur den Schnaps liefern, sondern auch eine Kutsche und sechs Pferde zur Verfügung stellen. Ihre Aufgabe ist es dann, die Fracht unversehrt hier abzuliefern. Und nun«, sagte Burwick, »kommen Sie mit in mein Office. Ich glaube, inzwischen ist es hinreichend ruhig auf der Frontstreet geworden, so dass man hinter heruntergelassenen Jalousien Licht machen kann, ohne dass einem gleich heißes Blei um die Ohren fliegt. Sie werden bemerkt haben, dass ich Sie an einem für solche Zusammenkünfte ungewöhnlichen Ort erwartet habe, Tyree. Das geschah, um eine Schießerei mitten in der Stadt zu verhindern, die unweigerlich ausgebrochen wäre, wenn man Sie mein Office hätte betreten sehen. Latimores Revolvermannschaft ist ein wilder Haufen, der auf niemanden Rücksicht nimmt. Ich wollte aber nicht, dass Unbeteiligte während eines Kampfes auf der Frontstreet verletzt oder getötet wurden. So habe ich es vorgezogen, Ihnen hier zu begegnen, wo es keine unerwünschten Zeugen gibt. Wer eine Rolle in der Politik spielen will, muss mancherlei Rücksichten nehmen. Cisco, gib Mr. Tyree seinen Revolver zurück.«
Der Colt wurde Jim von hinten ins Halfter geschoben. Burwick öffnete eine Tür und lächelte einladend. Die fünf Männer schritten durch einen finsteren Korridor ins Office. Dort wurden die Leinenjalousien vor den Fenstern heruntergezogen. Dann zündete Burwick den Docht einer Petroleumlampe an. Er ging zum Geldschrank, der in einer Ecke des Raumes stand, öffnete und schloss ihn wieder und trat mit einer Handvoll Geldscheinen zum Schreibtisch, auf den er im Lichtkegel der Lampe tausend Dollar in Hundert-Dollar-Noten zählte.
»Sind wir uns einig?«, fragte er und streckte Jim Tyree seine Rechte entgegen. Der zögerte einen Augenblick, doch dann schlug er in die dargebotene Hand ein.
»Gut, ich bringe Ihre Whiskeyladung von Abilene zu den Coyote Springs-Wasserlöchern. Ich werde schon einen Weg finden, der mich an Latimores Revolverschwingem vorbeiführt.«
»Das wäre zunächst alles, Tyree«, sagte Burwick. »Endgültig abgerechnet wird, wenn Sie die Wagenladung geliefert haben. Sehen Sie sich vor, damit Sie Ihr Leben und meine Whiskeyflaschen retten. Mit etwas Glück bedeutet unser Handel einen Neuanfang für Sie. Ich gebe Ihnen genau drei Tage Zeit, den Wagen zu den Coyote Springs zu schaffen.«
Lächelnd sah er zu, wie Jim Tyree die Banknoten zusammenrollte und in eine Tasche seiner Lederweste schob. Mit einer Kopfbewegung wies er den Mexikaner an, die Tür zu öffnen. Der warf einen lauernden Blick hinaus, dann nickte er Jim Tyree zu. Nachdem der das Office verlassen hatte, zog Burwick eine Zigarre hervor und entzündete sie am Docht der Petroleumlampe.
»Die Narren sterben niemals aus, Cisco«, sagte er. »Politik ist die Kunst des Möglichen. Aber um das Mögliche Wirklichkeit werden zu lassen, ist ein Politiker - oder einer, der sich anschickt, Politiker zu werden - auf Narren angewiesen. Und es heißt nicht umsonst, dass ein armer Narr zu den größten Torheiten neigt.«
Abilene war die größte Stadt in jenem Teil von Texas. Leute, die es wissen mussten, behaupteten, dass mehr als zweitausend Menschen dort lebten; Aber jetzt - im Morgengrauen, nach einer regnerischen Nacht - sah die Stadt schmutzig-lehmgelb und nicht sehr eindrucksvoll aus. Die Mauern der Ziegel und die Wände der Holzhäuser waren dunkel vor Nässe, die Straßen schlammig, und Nebel hing in der Luft. Die Hufe von Jims Pferd lösten sich bei jedem Schritt mit schmatzendem Laut aus dem nassen Erdreich, während er die Mainstreet entlang ritt.
Er suchte nach Mitchells Whiskeybrennerei. Jim war nicht in der Laune, sich lange in Abilene aufzuhalten. Er hatte einen harten, nächtlichen Ritt hinter sich, während ihm das Regenwasser knöchelhoch in die Stiefel gelaufen war. Er hatte sich nicht einmal eine Zigarette anzünden können, weil der Sturm jedes Mal, wenn er ein Streichholz angerissen hatte, die Flamme wieder ausblies. Würden zornige Flüche zu steinernen Wegzeichen, hätte Jim auf seinem nächtlichen Ritt wenigstens tausend davon hinterlassen.
Schließlich fand er Mitchells Whiskeybrennerei auf der rechten Seite der Mainstreet. Aber schon der erste Blick darauf sagte ihm, dass er zu spät gekommen war. Mitchells Gebäude lagen zwischen einem Mietstall und einem roten Ziegelhaus. Die Brennerei hatte ursprünglich aus drei Gebäuden bestanden. Nun war nur noch eines übrig. Die beiden anderen waren nur noch Aschenhaufen. Vom Mietstall stand nur mehr die der Brennerei abgewandte Front. Das Ziegelhaus stand nur deshalb noch, weil Ziegel nicht brennen. Aber die Seitenwand des Gebäudes war von schwärzlichen Rauch- und Flammenspuren gezeichnet. Am Straßenrand stand eine Gruppe von Männern, Neben ihnen zügelte Jim Tyree sein Pferd.
»Ich suche einen Mann namens Mitchell«, sagte er.
Einer der Männer blickte mürrisch zu ihm auf.
»Ich bin Mitchell. Was wollen Sie von mir?«
»Ich soll hier eine Fracht für Jason Burwick in Paint Rock abholen. Tausend Flaschen Whiskey. Man hat mir gesagt, Sie würden auch einen Wagen und ein Pferdegespann zur Verfügung stellen.«
»Die Kisten mit dem Whiskey sind heil geblieben. Sie befinden sich im Lagerhaus, auf das die Flammen nicht übergegriffen haben. Aber einen Wagen und Pferde kann ich ebenso wenig herbeischaffen wie den Mond«, sagte Mitchell mit bitterem Auflachen. »Das Feuer, das in der vergangenen Nacht ausbrach, hat sowohl den Pferdestall als auch die Wagenremise in Schutt und Asche gelegt.«
»Wenn nicht fünfzig Meilen zwischen hier und Paint Rock lägen, würde ich sagen, dass hier Latimores Leute am Werk waren«, bemerkte Jim.
»Da haben Sie verdammt recht, mein Freund«, entgegnete Mitchell. »Aber das lässt sich nicht beweisen; Und selbst wenn wir es beweisen könnten, würde dieser Umstand weder Wagen noch Pferde herbeischaffen. Überdies ist der US-Marshal nicht in der Stadt. Deshalb glauben Latimores Leute, hier freie Hand zu haben. Und soll ich Ihnen etwas verraten? Diese Revolverschwinger haben recht. Sie können hier tun und lassen, was sie wollen. Niemand stellt sich ihnen in den Weg. Ja, Latimores Macht reicht weit.«
»Wo kann ich einen anderen Wagen, ein Pferdegespann und vor allem ein paar Leute bekommen?«, fragte Jim.
»Was den Wagen und die Pferde angeht, so kann ich Ihnen, wie gesagt, nicht helfen. Aber wenn Sie Männer für eine Revolverarbeit suchen - dafür wirbt Burwick üblicherweise Leute an - dann versuchen Sie es im Last Chance-Saloon. Wenn Sie in dieser Stadt überhaupt Männer finden, die es wagen, sich mit Frank Latimore zu messen, dann dort. Aber seien Sie auf der Hut, denn es halten sich mindestens ein bis zwei Dutzend von Latimores Revolverschwingern in Abilene auf. Denen kommt eine Kugel leichter aus dem Revolverlauf als ein Wort über die Lippen.«
»Und wo finde ich den Saloon?«
»Den können Sie gar nicht verfehlen, wenn Sie jene Kneipe in der Stadt ausfindig gemacht haben, vor der keine Pferde mit dem Latimore-Brandzeichen angebunden sind«, lautete die schroffe Antwort,
»Wenn ich einen Wagen und ein Pferdegespann beschaffe, helfen Sie mir dann, die Kisten mit den Whiskeyflaschen aufzuladen?«
»Dieses Versprechen gebe ich Ihnen leichten Herzens«, sagte Mitchell über die Schulter, »denn in Abilene wird Ihnen niemand Wagen und Pferde leihen.«
Geh zum Teufel, dachte Jim. Er war so wütend, dass er am liebsten aus dem Sattel gestiegen wäre und Mitchell seine Antwort mit der Faust erteilt hätte. Aber dann sagte er sich, dass der Mann einfach Angst hatte, und dass Gewalt keine Antwort auf Furcht sein konnte.
Jim setzte seinem Braunen die Sporen an und ritt weiter. Seit seine Ranch niedergebrannt worden war, hatte er das Gefühl, sich durch einen schlimmen Traum hindurch zu bewegen. Er kam an einem Saloon vorbei, vor dem ein halbes Dutzend Pferde stand. Alle trugen das Latimore-Brandzeichen. Dann erreichte er einen zweiten Saloon. Die Pferde, die davor am Haltegeländer angebunden waren, waren in allen Gegenden von Texas gebrandmarkt worden.
Jim Tyree hob den Blick zum Ladenschild: Last Chance-Saloon. Nur wenige Männer waren um diese Tageszeit anwesend. Zwei standen an der Theke, vier ändere saßen an einem Spieltisch, an dem es um hohe Einsätze ging. Jim schüttelte sich. Die Kälte der Nacht saß ihm noch immer in den Knochen.
»Geben Sie mir einen Whiskey!«, sagte er zu dem Keeper. »Außerdem möchte ich eine Auskunft. Ich suche ein paar Leute für einen schnellen, gutbezahlten, aber gefährlichen Revolverjob.«
Der Barkeeper machte eine flüchtige Handbewegung, die auf jeden oder keinen der Anwesenden deuten mochte, stellte ein Glas auf die Theke und füllte es mit einem Schwung seines Handgelenks zur Hälfte.
Jim lehnte sich mit dem Rücken gegen den Tresen.
»Ich möchte ein paar Männer anwerben«, sagte er laut. »Ich zahle gutes Geld.«
»Gutes Geld zahlen alle, die Kampfgefährten suchen«, entgegnete der Mann neben ihm. »Sagen Sie uns lieber, gegen wen es gehen soll.«
»Gegen Frank Latimore. «
Der Mann, der die Frage gestellt hatte, trank sein Bier aus, stellte das leere Glas auf die Theke, warf eine Münze daneben und verließ den Saloon. Der zweite, der an der Theke stand, tat es ihm nach.
»In dieser Stadt scheint es nur reiche Männer zu geben, die nicht auf einen guten Verdienst angewiesen sind«, sagte Jim. .