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Impressum

 

www.vahlen.de

 

ISBN 978-3-8006-5216-7

 

© 2018 Verlag Franz Vahlen GmbH
Wilhelmstraße 9, 80801 München

Satz: Jung Crossmedia Publishing GmbH, Lahnau
Umschlaggestaltung: Ralph Zimmermann - Bureau Parapluie
eBook‐Produktion: datagroup int. SRL, www.datagroup.ro

Dieser Titel ist auch als Printausgabe beim
Verlag und im Buchhandel erhältlich.

VInhaltsverzeichnis

Vorwort zur Neuübersetzung der deutschen Ausgabe

Kapitel 1 Der Zwang zum Wachstum

Ist Innovation eine Black Box?

Die Kräfte, die einen formenden Einfluss auf Innovationen haben

Grundlage der Vorhersagbarkeit ist eine gute Theorie

Kurzfassung dieses Buches

Kapitel 2 Wie können wir unsere stärksten Konkurrenten schlagen?

Das Modell disruptiver Innovationen

Disruption im realen Leben: Wie die Elektrostahlwerke die integrierten Stahlwerke auf den Kopf stellten

Die Rolle evolutionärer Innovationen beim Wachstum

Disruption ist ein relativer Begriff

Ein disruptives Geschäftsmodell ist eine wertvolle Anlage des Unternehmens

Zwei Arten von Disruptionen

Gestaltende Ideen, um disruptiv zu werden: Drei Lackmus-Tests

Anhang: Kurzbeschreibung der disruptiven Strategien der Unternehmen in Abbildung 2-4

Kapitel 3 Welche Produkte wollen die Kunden kaufen?

Pomp und Gloria der Marktsegmentierung

Wie man die bedingungsbasierte Segmentierung disruptiv nutzen kann

Innovationen, die die Disruption aufrechterhalten

Warum werden Märkte falsch segmentiert?

Bevormunden Sie Ihre Kunden nicht mit neuen Aufgaben!

Kapitel 4 Wer sind die besten Kunden für unsere Produkte?

Disruptionen auf dem neuen Markt: Drei Fallbeispiele

Warum ist es so schwierig, gegen Konsumzurückhaltung zu konkurrieren?

VIFür Kunden auf dem neuen Markt braucht man oft disruptive Vertriebskanäle

Kapitel 5 Wie findet man die richtige Unternehmensarchitektur?

Integrieren oder auslagern?

Produktarchitektur und Schnittstellen

Wettbewerb mit interdependenten Architekturen in einer noch nicht ausgereiften Branche

Übererfüllung der Anforderungen und die Modularisierung

Vom interdependenten zum modularen Design – und zurück

Treibende Kräfte hinter der Reintegration

Angleichung der Architekturstrategie auf die Bedingungen in der Branche

Wie man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist

Kapitel 6 Wie man die Entwicklung hin zum Massenprodukt vermeidet

Kernkompetenz und der Teufelskreis der Renditemaximierung

Ausreichend gut, nicht gut genug und der Markenwert

Die Zukunft der Automobilindustrie aus dem Blickwinkel dieses Modells

Anhang: Das Gesetz von der Erhaltung attraktiver Gewinne

Kapitel 7 Ist Ihr Unternehmen zu disruptivem Wachstum fähig

Ressourcen, Prozesse und Werte

Die Verlagerung der Unternehmensfähigkeiten

Die Auswahl der richtigen Organisationsform für neue disruptive Geschäftsfelder

Zur Schaffung neuer Kompetenzen

Akquisition von Ressourcen, Prozessen und Werten

Die Kosten von Fehlern

Kapitel 8 Der Prozess der Strategieentwicklung

Zwei Prozesse der Strategieformulierung

Die entscheidende Rolle der Ressourcenallokation bei der Strategieentwicklung

Eine Veranschaulichung der Ressourcenallokation im Strategieprozess: Der Fall Intel

Abgleich des Strategieprozesses mit dem Stadium der Geschäftsentwicklung

VIIDie Steuerung verschiedener Strategieprozesse: eine rare und knifflige Kunst

Die Rolle des Managements im Prozess der Strategieentwicklung

Kapitel 9 Es gibt eine gute und eine schlechte Finanzierung

Der Teufelskreis, der auf unangemessenes Wachstum zurückgeht

Der Ausweg aus dem Dilemma

Potenzielle Hinweise auf Stagnation mithilfe von Mustererkennung ausmachen

Investieren Sie rechtzeitig!

Auch gutes Wagniskapital hat seine Tücken

Kapitel 10 Die Rolle des Topmanagements auf dem Weg zu neuem Wachstum

Das Zusammenspiel zwischen Evolution und Disruption

Eine Theorie zur Einbeziehung des Topmanagements

Es ist wichtig, sich einzumischen

Kann jeder Topmanager disruptives Wachstum steuern?

Der Wachstumsmotor: Verankerung der Fähigkeit zur Disruption in einem Unternehmensprozess

Nachwort Den Staffelstab übergeben

Sie meinen, Theorien wären nichts für Sie?

Danksagung

The Innovator's Solution

Warum manche Unternehmen
erfolgreicher wachsen als andere

Clayton M. Christensen
Michael E. Raynor

Aus dem Amerikanischen übersetzt von
Matthias Reiss

Mit einem Vorwort von
Kurt Matzler

Zum Inhalt

Wenn dies ein Buch für Seefahrer wäre, würde es voller Seiten mit Diskussionen über das Segeln mit oder gegen Gezeiten und Strömungen sein und darüber, wie man Segel setzt, um die aktuellen Winde gut zu nutzen. Durch ein solches Buch würde es einfach werden, zu erkennen, dass, wo und wann Sie starten sollen, wenn man die Richtung bedenkt, in die diese Kräfte Sie tragen wollen.

Wie in der Seefahrt soll Ihnen dieses Buch es leichter machen, eine gute Ausgangsposition zu finden. Denn die ist für die Erfolgswahrscheinlichkeit wichtig, insbesondere wenn man die Richtung der im Wettbewerb auftretenden technologischen und gewinnorientierten Kräfte berücksichtigt, die auf Sie einwirken. Mit dieser Sichtweise kann man die Herausforderung leichter angehen, neue, wachstumsstarke Unternehmen zu gründen. Dies bedeutet, dass Sie sich bei der Gründung eines neuen Unternehmens keine genauen Vorstellungen über die Details Ihrer Strategie machen müssen, bzw. nicht hellseherisch vorhersagen müssen, wie sich die Technologie entwickeln wird. Vielmehr müssen Sie sich in erster Linie auf die richtigen Ausgangsbedingungen konzentrieren.

Wenn Sie vom richtigen Ausgangspunkt aus starten, dann werden sich die Entscheidungen, die zum Erfolg führen, von selbst ergeben. Um diese Entscheidungsmöglichkeiten auszuschöpfen, müssen Sie ein Geschäftsmodell schaffen, dessen Ressourcen, Prozesse und Werte diese Kräfte, wie beim Segeln, so gut nutzbar machen können, dass sie zum Erfolg beitragen und Sie nicht in die falsche Richtung abdriften lassen.

Zu den Autoren

Clayton M. Christensen ist Professor für Business Administration an der Harvard Business School. Er ist Berater zahlreicher Regierungen und Unternehmen sowie Aufsichtsratsmitglied bei Franklin Covey und Tata Consultancy Services. Im Jahr 2000 gründete er zusammen mit weiteren Partnern das Beratungsunternehmen INNOSIGHT.

Michael E. Raynor ist Direktor bei Deloitte Services LP und berät Führungskräfte in den weltweit führenden Unternehmen in einer Vielzahl verschiedener Branchen. In seinen Kundenprojekten und Forschungen untersucht er die Herausforderungen von Unternehmensstrategie, Innovation und Wachstum.

287Danksagung

Ich habe einen Großteil des letzten Jahrzehnts damit verbracht, über zwei Fragen nachzudenken. Die erste davon lautet: Es lässt sich leicht erklären, warum schlecht geführte Unternehmen scheitern; aber auch viele der erfolgreichsten und am besten geführten Firmen in der Geschichte haben ihre Führungsposition verloren. Warum ist es so schwer, erfolgreich zu bleiben? Im meinem Buch mit dem Titel The Innovator’s Dilemma habe ich zusammengefasst, wie man dieses Rätsel lösen könnte. Es sind nicht nur Managementfehler, die zum Scheitern führen. Zu Misserfolgen können auch bestimmte Vorgehensweisen führen, die von essenzieller Bedeutung für den Erfolg eines Unternehmens sind – wie etwa auf die Bedürfnisse der besten Kunden einzugehen und sich auf Investitionen zu konzentrieren, bei denen die Profitabilität am attraktivsten ist.

Die zweite Frage beschäftigte sich vor allem mit der Chance, die sich durch folgendes Dilemma ergibt: Nehmen wir einmal an, ich hätte mir vorgenommen, ein Unternehmen zu gründen, das bedeutend und erfolgreich werden und am Ende die Unternehmen zu Fall bringen könnte, die jetzt Branchenführer sind. Wie könnte ich das machen? Wenn es tatsächlich vorhersagbare Gründe dafür gibt, warum Firmen ins Taumeln geraten, könnten wir vielleicht Führungskräften helfen, ebenjene Ursachen des Scheiterns zu vermeiden, und sie darin unterstützen, die Entscheidungen zu treffen, die in vorhersagbarer Weise zu erfolgreichem Wachstum führen. Das sind Lösungen für Innovatoren, und so lautet auch der Titel unseres ersten Buchs: The Innovator’s Solution.

Die Schwierigkeiten, die bei dieser wissenschaftlichen Untersuchung auftauchen, überstiegen schnell meine Fähigkeiten. Und ich war auf einige außergewöhnliche Menschen angewiesen, die mir dabei halfen, dieser Suche bis zum Ende nachzugehen. Michael Raynor, der mir von dem Tag an hilfreich zur Seite stand, an dem er als Doktorand an der Harvard University begann, war ein ungewöhnlicher Kollege. Man würde seinen Intellekt unterbewerten, wenn man seine Auffassungsgabe, mit der er die Künste, die Geisteswissenschaften, den philosophischen Diskurs und die Geschichte interdisziplinär miteinander verbindet, als „scharf“ bezeichnen würde. Ich vertraute darauf, dass ich die Lücken in den Belegen für meine Thesen und in der Logik meiner Argumentation aufdecken und schließen würde, indem ich meine ungenau ausgearbeiteten Ideen aus dem Blickwinkel der unterschiedlichen akademischen Disziplinen betrachtete, die Michael Raynor mit seinem Verstand beherrschte. Deswegen bat ich ihn, mir als Koautor zur Seite zu stehen. Er hat es geschafft, diese Arbeit mit seinen Pflichten als 288Ehemann, Vater und Leiter der Forschungsabteilung bei Deloitte Consulting in Einklang zu bringen und gleichzeitig zwischen Toronto und Boston zu pendeln. Ich habe eine große Hochachtung davor, wie er selbstlos, bescheiden und beharrlich an etwas pfeilt, damit diese Ideen die richtige Form bekommen. Er ist zu einem großartigen Freund geworden.

Scott Anthony, Mark Johnson und Matt Eyring haben alle weitaus einträglichere Karrieren aufgegeben oder auf später verschoben, um mir bei dieser Kraftanstrengung zu helfen. Als mein wichtigster Forschungsassistent leitete Scott Anthony unseren Stab von Rechercheuren. Er schrieb wichtige Fallstudien, half mir dabei, anderen Personen komplizierte Begriffe näherzubringen und sie ihnen zu erklären. Er überarbeitete jede Fassung dieses Buchs und verbesserte sie. Mithilfe unserer Firma Innosight verwandelten Mark Johnson und Matt Eyring diese Konzepte in praktische Werkzeuge und Prozesse, um Führungskräften dabei zu helfen, bedeutsame und erfolgversprechende Geschäftsfelder aufzubauen – und dadurch brachte er mir bei, wie man unsere Erkenntnisse über eine Schnittstelle mit der Realität von Führungskräften verbinden kann. Meine Büroleiterin Christine Gaze und meine Forschungspartner Sally Aaron, Mick Bass, Will Clark, Jeremy Dann, Tara Donovan, Taddy Hall, John Kenagy, Michael und Amy Overdorf, Nate Redmond, Erik Roth und David Sundahl haben mich darin unterstützt, die riesige Menge interessanter Ideen, Möglichkeiten für Nachforschungen und Publikationen sowie Unterstützungsanfragen zu bewältigen, die täglich im Büro eintreffen und beantwortet werden müssen. Sie haben uns akribisch geholfen, für jeden Einsatzzweck die richtigen Daten, die richtige Logik und die richtige Sprache zu finden.

Der Harvard Business School und meinen dortigen Kollegen bin ich zutiefst verpflichtet. Die aufschlussreiche Forschung der Professoren Clark Gilbert und Steve Spear ist für mich von hohem Wert gewesen. Unsere Fakultät – und dazu gehören Kent Bowen, Joseph Bower, Hank Chesbrough, Kim Clark, Tom Eisenmann, Lee Fleming, Frances Frei, Alan MacCormack, Don Sull, Richard Tedlow, Stefan Tomke, Michael Tushman und Steve Wheelwright – hat einen prägenden Einfluss auf unser Verständnis der Wissenschaft gehabt – und das trifft auch auf die Professoren Rebecca Henderson, Paul Carlile, James Utterback und Eric von Hippel vom Massachusetts Institute of Technology sowie auf die Professoren Robert Burgelman von der Stanford University und Stuart Hart von der University of Northern California zu. Der außerordentliche Nutzen der Fallstudienmethode des Lehrens in Harvard besteht in Folgendem: Man kann Fragen, auf die man die Antwort nicht kennt, in ein Seminar einbringen. Die Studierenden sollen im Kontext einer Fallstudie die Fragen beantworten. Dann kann man zuhören und kann von einigen der intelligentesten Menschen auf der Welt etwas lernen. Ich möchte meine Zuneigung und meine Dankbarkeit gegenüber meinen Studierenden dafür zum Ausdruck bringen, dass sie sich täglich so gut vorbereiten, um einander und ihrem Dozenten auf so viele unterschiedliche 289Weisen etwas beizubringen. Es handelt sich um ein Lernsystem, das seines Gleichen sucht.

Ich habe auch einige der fähigsten Denker und Führungskräfte in Unternehmen weltweit um Rat gebeten: Matt Verlinden und Steve King von der Firma Integral, Geoffrey Moore von der Chasm Group, Tony Ulwick von Strategyn, Crawford del Prete von IDC, Andy Grove von Intel, Ken Dobler von Johnson & Johnson, Dan Carp und Willy Shih von Kodak, Dennis Hunter von Applied Materials, Michael Putz von Cisco, Chris Rowen von Tensilica, Bill George von Medtronic, Meir Weinstein von EMC, Michael Packer und Kelly Martin von Merill Lynch, Mark Ross von Cypress Semiconductor sowie Ron Dollens, Ginger Graham und Rod Nash von Guidant. Von allen habe ich etwas gelernt.

Am stärksten bin ich aber meiner Familie verpflichtet. Meine Kinder Matthew, Ann, Michael, Spencer und Katie haben durch ihre eigene Arbeit und Ausbildung mein Verständnis hinterfragt, genutzt und verbessert. Meine Frau Christine ist der klügste Mensch, den ich je kennengelernt habe. Was Klarheit und Vollständigkeit betrifft, geht sie keine Kompromisse ein. Ihre Sprache und ihr Intellekt haben jedes einzelne Konzept in diesem Buch geprägt – und das ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass sie einen Großteil ihrer Ratschläge am Ende eines langen Tages gibt, der jeweils von den Belastungen der Mutterrolle und ihrem selbstlosen Dienst für andere Menschen geprägt war. Mir und jedem, dem sie täglich begegnet, bringt sie Liebe und Sonnenschein entgegen.

Die akademische Welt kann für einige eine Sphäre sein, in der man in Einsamkeit nach etwas strebt. Ich dagegen habe das seltene Glück, in einer Gemeinschaft selbstloser, bescheidener, kluger und intellektuell mutiger Männer und Frauen zu arbeiten, die als Gruppe einen substanziellen Fortschritt geschaffen haben. Und dieser Fortschritt ist in diesem Buch zusammengefasst. Ich bin dankbar dafür, in der Lage gewesen zu sein, meine Rolle bei dieser Kraftanstrengung zu spielen.

Clayton M. Christensen

Boston, Massachusetts

Wie Clayton Christensen möchte ich den vielen Menschen meinen Dank aussprechen, die uns mit ihren Erfahrungen und Talenten geholfen haben. Ohne ihre Bereitschaft, Teil unseres Lernprozesses zu sein, wären weder dieses Buch noch unsere jeweiligen Karrieren möglich gewesen.

Der Handlungsspielraum, der mir bei Deloitte Research zugestanden wurde, ist, soweit ich weiß, ohne Parallele in der Beratungsbranche. Das Unternehmen ist darüber hinausgegangen, einfach nur meine eigenwilligen Vorhaben zu tolerieren, von denen dieses Buch gewiss eine ist; es hat mich aktiv 290dazu ermutigt. Dadurch wurde die Erkundung einer unterschiedlichen Art und Weise, Wissen zu schaffen und es anderen mitzuteilen, ermöglicht. Zu Dank verpflichtet bin ich insbesondere Ann Baxter, der Leiterin von Deloitte Research, und Larry Scott, dem Leiter von Deloitte Consulting’s Strategy and Operations Practice, für ihre Förderung meiner Versuche, den Ball ins Rollen zu bringen, sowie zahlreichen anderen Personen bei Deloitte Consulting und Deloitte Touche für ihre begeisterte Unterstützung, die diesen Schwung aufrechterhalten und vorangetrieben hat.

Diese wenigen Sätze sind eine der seltenen Gelegenheiten, die ich haben werde, um der Nachwelt meine geistige Verpflichtung gegenüber Clayton Christensen zum Ausdruck zu bringen. In meiner Zeit als Doktorand an der Harvard Business School hatte ich meinen ersten Kontakt mit seiner Arbeit. In seinen Publikationen fand ich die seltene Kombination von theoretischer Eleganz, intellektueller Strenge, kreativer Datenauswertung und Relevanz für Führungskräfte. Als ich das Buch The Innovator’s Dilemma gelesen habe, hatte ich wie so viele andere das Gefühl, dass ich plötzlich ein viele klarere Sicht auf die Dinge hatte und dass das, was ich zuvor nur in Umrissen gesehen hatte, wenn überhaupt, plötzlich ins rechte Licht gerückt worden ist. Clayton Christensens Arbeit ist für mich zu einem Standard geworden, nach dem ich ständig strebe, und so ist es wirklich eine Ehre, dass ich die Möglichkeit hatte, zur kontinuierlichen Entwicklung und Ausarbeitung dieser Ideen beizutragen. Im Verlauf meiner Doktorarbeit wurde mir das Glück zuteil, Clayton Christensen als Lehrer zu haben. Während unserer gemeinsamen Arbeit an diesem Buch ist er für mich zu einem Mentor, einem Kollegen und einem Freund geworden.

Das Ende habe ich mir für die eine Person aufgehoben, der ich am meisten Dank schulde: meiner Frau Annabel. Ihre vorbehaltslose Liebe und Unterstützung waren ein Ansporn für mich – während der Jahre meiner Doktorarbeit, während der unvermeidlichen Abwesenheiten, die zu einer Karriere als Berater dazugehören, während meiner intensiven Beschäftigung mit dem einen oder anderen Projekt (aber am meisten mit dem hier vorliegenden Buchprojekt) und während der vielfältigen anderen Herausforderungen, die sich aus meinem selbstgewählten exzentrischen Weg ergaben. Ohne sie könnte ich meinen Träumen nicht nachgehen. Ohne sie und ohne unsere Tochter Charlotte wurde ich keinen Wert darin sehen, sie weiter zu verfolgen.

Michael E. Raynor

Mississauga, Ontario

1Vorwort zur Neuübersetzung der deutschen Ausgabe

Kaum jemand hat die Theorie und Praxis des Strategischen Managements und der Innovation so stark und so nachhaltig beeinflusst wie der Harvard Professor Clayton Christensen. Mit seinem 1997 erschienenen Buch „The Innovator’s Dilemma“ prägte er den Begriff der Disruption – ein Phänomen, das in der gesamten Industriegeschichte zu beobachten ist, ein sich erstaunlich stabiles und immer wieder abzeichnendes Muster des Scheiterns, das den Untergang etablierter Unternehmen bei bahnbrechenden Innovationen erklärt, eine Theorie, die ihren festen Platz in der Strategie- und Managementlehre gefunden hat. Das Buch „The Innovator’s Dilemma“ wurde schnell zum Beststeller, der Economist listete es unter die wichtigsten Managementbücher überhaupt und Steve Jobs bezeichnete dieses Buch als jenes, das ihn maßgeblich beeinflusste.

In der nun neu aufgelegten deutschen Ausgabe des Folgewerkes „The Innovator’s Solution“ beschreiben Clayton Christensen und sein Koautor Michael Raynor wie Unternehmen disruptive Innovationen erfolgreich selbst entwickeln und vermarkten können. Der Zeitpunkt für diese Neuauflage kann wohl nicht besser sein. Disruption wurde in den Führungsetagen unserer Unternehmen zum festen Begriff. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erhob ihn vor einiger Zeit sogar zum Managementwort des Jahres: „‚Disruption‘ ist immer und überall. Alles und jedes wird ‚disrupted‘ … kein Meeting in Banken, Handel oder Industrie ohne Disruption“.

Start-ups werden im Silicon Valley gegründet – und nicht nur dort – mit dem Ziel, ganze Branchen zu zerstören. Der ehemalige CISCO-Chef John Chambers prognostizierte, dass 40 Prozent der heutigen Unternehmen aufgrund der Digitalisierung in zehn Jahren verschwunden oder bedeutungslos sein werden – trotz aller Renovierungsbemühungen. Mit atemberaubender Geschwindigkeit verändern neue Technologien das gesamte Wirtschaftsgefüge. Die digitale Transformation übertrifft alles Dagewesene an Entwicklungen hinsichtlich Schnelligkeit, Reichweite und systemischer Wirkung. Dazu eröffnet die Kombinatorik einzelner Technologien ungeahnte neue Möglichkeiten: Das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, Algorithmen, Rechnerleistung, Robotik, 3D-Druck, Sensorik, Big Data, Blockchain usw. und deren Kombinationen führen in vielen Branchen zu vollkommen neuartigen Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen. Die Herausforderungen sind gewaltig. Viele der digitalen Veränderungen sind disruptiv. Sie verändern Branchen grundlegend. Neue Geschäftsmodelle lösen alte ab – in immer kürzeren Zeitabständen. Viele Unternehmen haben damit ihre Schwierigkeiten. Sie unterschätzen die Dynamik, sie reagieren zu langsam. 2Und sie halten zu lange an ihren bestehenden Geschäftsmodellen fest. In der Regel sind es Neueinsteiger und Start-ups, deren disruptive Geschäftsmodelle Branchen verändern oder gar überflüssig machen. Die digitale Transformation erfordert es, das gesamte Geschäftsmodell neu zu denken. Noch nie haben sich so viele Innovationschancen für neue Produkte und vor allem für neue Geschäftsmodelle ergeben. Und noch nie war es so einfach, mit anderen Unternehmen und Partnern aus der ganzen Welt zu kooperieren, gemeinsam Neues zu schaffen und dabei auch große etablierte Unternehmen auszuhebeln.

Kein Manager kann es sich leisten den Begriff der Disruption nicht zu kennen, kein Manager kann es sich leisten, nicht zu wissen, wo die Gefahren liegen und wo die Chancen sind. Unternehmen, die im Zeitalter der digitalen Disruption überleben wollen, müssen sich damit auseinandersetzen – entweder als Angreifer oder als Angegriffener.

Führungskräfte müssen erkennen, welche neuen Technologien und Geschäftsmodelle disruptives Potenzial haben. Sie müssen erkennen, dass disruptive Innovation andern Mustern folgt. Sie müssen erkennen, dass gängige Managementmethoden und -prinzipien bei disruptiven Entwicklungen versagen, sogar zu falschen Entscheidungen führen.

Das Buch, das Sie in den Händen halten, hilft Ihnen dabei. Es hilft Ihnen besser zu verstehen, welchen Gesetzmäßigkeiten Disruption folgt, es hilft zu erkennen, wo die Barrieren liegen und wie diese überwunden werden und es hilft Ihnen, die notwendigen Schritte zu setzen um disruptive Entwicklungen einzuleiten und die Chancen dieser neuen Zeit zu nutzen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und ich verspreche Ihnen viele spannende Einsichten!

Kurt Matzler

Professor für Strategisches Management an der Freien Universität Bozen und der Universität Innsbruck

Partner von IMP Consulting

3Kapitel 1 Der Zwang zum Wachstum

Die Finanzmärkte zwingen Führungskräfte in Unternehmen unerbittlich dazu, zu wachsen und immer schneller zu wachsen. Ist es möglich, diesem Auftrag gerecht zu werden? Setzen die Innovationen, die die Wachstumsanforderungen der Investoren befriedigen, nicht voraus, dass man Risiken eingeht, die für ebendiese Investoren inakzeptabel sind? Wie gelangt man aus dieser Zwangslage heraus?

Dies ist ein Buch darüber, wie man in Unternehmen neues Wachstum schaffen kann. Wachstum ist wichtig, denn Unternehmen schaffen durch profitables Wachstum Shareholder Value. Es gibt jedoch überzeugende Belege dafür, dass das Vordringen in neue Wachstumsbereiche mit enormen Risiken verbunden ist, wenn das Kerngeschäft eines Unternehmens erst einmal ausgereift ist. Etwa jedes zehnte Unternehmen ist in der Lage, ein Wachstum aufrechtzuerhalten, das sich in einer überdurchschnittlichen Steigerung der Aktionärsrenditen über mehrere Jahre hinweg niederschlägt.1 Zu oft führt schon der Versuch zu wachsen dazu, dass das gesamte Unternehmen zusammenbricht. Folglich befinden sich die meisten Führungskräfte in einer Situation, in der sie nicht gewinnen können: Die Kapitalmärkte verlangen nach mehr Wachstum, aber man weiß nicht recht, wie sie wachsen sollen. Wachstum mit der falschen Methode anzustreben, kann schlimmer sein als gar kein Wachstum.

Wenden wir uns einmal AT&T zu. Im Zuge der staatlich verordneten Veräußerung der regionalem Telefondienste im Jahr 1984 entwickelte sich AT&T vor allem zu einem Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen für Ferngespräche. Die Vereinbarung zur Neugliederung der Branche gab dem Unternehmen die Freiheit, in neue Geschäftsfelder zu investieren. Deshalb begann das Management fast sofort damit, nach Möglichkeiten für Wachstum und Shareholder Value zu suchen, die durch Wachstum entstehen.

Der erste Versuch in diese Richtung ergab sich aus der weit verbreiteten Ansicht, dass Computersysteme und Telefonnetze zusammenwachsen würden. AT&T versuchte zunächst, eine eigene Computerabteilung aufzubauen, um sich an dieser Schnittstelle zu positionieren, musste aber Verluste von 200 Millionen Dollar pro Jahr hinnehmen. Anstatt sich von einem Geschäft zurückzuziehen, das sich von außen als unangreifbar erwiesen hatte, entschied sich das Unternehmen 1991, ein noch größeres Risiko einzugehen, und erwarb National Cash Register (NCR), den damals fünftgrößten Computerhersteller, für 7,4 Milliarden Dollar. Das erwies sich nur als Anzahlung: AT&T verlor weitere 2 Milliarden Dollar, um die Akquisition in Gang zu bringen. AT&T gab diese Wachstumsvision schließlich 1996 auf 4und verkaufte NCR für 3,4 Milliarden Dollar. Dies war nur etwa ein Drittel dessen, was das Unternehmen in den damals günstig erscheinenden spekulativen Kauf investiert hatte.

Aber das Unternehmen musste wachsen. Selbst als die Übernahme von NCR scheiterte, suchte AT&T nach Wachstumschancen bei Technologien, die näher an seinem Kerngeschäft lagen. In Anbetracht des Erfolgs der Mobilfunkdienste, den mehrere seiner abgespaltenen lokalen Telefongesellschaften erreicht hatten, kaufte das Unternehmen 1994 McCaw Cellular, damals der größte nationale Mobilfunkanbieter in den Vereinigten Staaten, für 11,6 Milliarden Dollar. Insgesamt gab AT&T schließlich 15 Milliarden Dollar für sein eigenes Mobilfunkgeschäft innerhalb des wachstumsärmeren Festnetzunternehmens aus und entschied sich im Jahr 2000 dafür, eine gesondert gehandelte Aktie für das Mobilfunkgeschäft auf den Markt zu bringen. Der Wert dieses Geschäftszweigs wurde mit 10,6 Milliarden Dollar beziffert. Das waren etwa zwei Drittel der Investitionen, die AT&T in das Unternehmen getätigt hatte.

Doch dieser Schachzug ließ die Aktie des Festnetzbereichs von AT&T genau dort verharren, wo sie am Anfang gestanden hatte; und die Firma war gezwungen zu wachsen. So begann sie 1998 mit der Strategie, das lokale Telefongeschäft mit Breitbandtechnologie neu zu erfinden. Durch die Übernahme von TCI und MediaOne zu einem Gesamtpreis von 112 Milliarden US-Dollar wurde AT&T Broadband zum größten Kabelnetzbetreiber der Vereinigten Staaten. Schneller als vorhersehbar erwiesen sich die Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Integration als unüberwindbar. Im Jahr 2000 stimmte AT&T zu, die Kabelvermögenswerte an Comcast für $ 72 Milliarden zu verkaufen.2

In einem Zeitraum von wenig mehr als zehn Jahren hatte AT&T mehr als etwa 50 Milliarden Dollar vernichtet und sogar noch mehr Shareholder Value vergeudet – all dies in der Hoffnung, Shareholder Value durch Wachstum zu schaffen.

Dummerweise ist AT&T kein Sonderfall. Denken Sie etwa an die Cabot Corporation, den weltweit größten Hersteller von Industrierußen. Hier handelt es sich um einen Gemisch von Stoffen, dem Produkte wie Reifen ihre wichtigsten Eigenschaften verdanken. Das Geschäft mit diesen Produkten lief lange Zeit sehr gut, aber die Kernmärkte sind nicht so schnell gewachsen. Um Wachstum zu erzeugen, mit dem Shareholder Value geschaffen wird, starteten die Führungskräfte von Cabot in den frühen Achtigerjahren aggressive Wachstumsinitiativen mit hoch entwickelten Materialien; dazu erwarb man eine Reihe von Firmen für vielversprechende Spezialmetalle und Hightech-Keramiken. Diese dienten als Werkbänke, auf denen das Unternehmen neue Prozess- und Materialtechnologien zum Einsatz bringen wollte; sie entstanden in den eigenen Labors und waren das Ergebnis von Forschungsarbeiten, die Cabot am MIT gefördert hatte.

5Die Wallstreet hieß diese Investitionen begeistert willkommen und trieb den Aktienkurs des Unternehmens auf das Dreifache des Niveaus, auf dem es vor diesen Initiativen vor sich hin gedümpelt hatte. Aber als die Verluste, die Cabot durch die Investitionen in diesen Branchen entstanden waren, begannen, die Gewinne des gesamten Unternehmens zu schmälern, ging der Aktienkurs an der Wallstreet wieder nach unten. Obwohl sich der gesamte Markt zwischen 1988 und 1991 gut behauptet hatte, fielen die Aktienkurse von Cabot auf weniger als die Hälfte ihres Werts. Zu Beginn der Neunzigerjahre wurde unter dem Druck, die Gewinne wieder sprudeln zu lassen, eine neue Geschäftsführung eingesetzt, die die neuen Arbeitsbereiche aufgeben und sich auf das Kerngeschäft konzentrieren sollte. Als die Rentabilität von Cabot wieder zunahm, stieg der Aktienkurs des Unternehmens an der Wallstreet auf das Doppelte. Das Problem bestand natürlich darin, dass diese Wende das neue Management nicht besser dastehen ließ als seine Vorgänger: Man suchte verzweifelt nach Wachstumsmöglichkeiten in gesättigten Branchen mit begrenzten Aussichten.3

Wir könnten noch viele Beispiele für ähnliche Versuche von Unternehmen anführen, eine Grundlage für neues Wachstum zu schaffen, nachdem das Kerngeschäft gesättigt war. Sie folgen einem allzu ähnlichen Muster. Wenn sich das Kerngeschäft der Sättigung nähert und die Investoren nach neuem Wachstum verlangen, entwickeln Führungskräfte scheinbar clevere Strategien, um das zu schaffen. Obwohl sie aggressiv investieren, gelingt es mithilfe ihrer Pläne nicht, das erforderliche Wachstum schnell genug anzukurbeln; die Investoren verkaufen dann die Aktie, das Management wird entlassen, und die Wallstreet belohnt das neue Team von Führungskräften schlicht dafür, dass es den früheren Status quo wiederherstellt: ein profitables, aber nur langsam wachsendes Kerngeschäft.4

Selbst expandierende Unternehmen sind mit einer Variante des Zwangs zum Wachstum konfrontiert. Ganz gleich, wie schnell sich die Tretmühle des Wachstums dreht, es ist nicht schnell genug. Der Grund dafür: Die Investoren haben eine nervtötende Tendenz, den gegenwärtigen Wert des Aktienkurses eines Unternehmens gegen das abzuzinsen, was sie als Wachstumsrate des Unternehmens erwarten. Selbst wenn also das Kerngeschäft eines Unternehmens kräftig wächst, besteht die einzige Möglichkeit, wie die Führungskräfte den Aktionären künftig eine Rendite bieten können, die den Marktdurchschnitt risikobereinigt übertrifft, in Folgenden: Das Unternehmen muss schneller wachsen, als es die Aktionäre erwarten. Veränderungen der Aktienkurse werden nicht nur stark von der Richtung des Wachstums beeinflusst, sondern auch großenteils durch unerwartete Veränderungen im Bezug darauf, wie rasch sich die Erträge und der Cashflow des Unternehmens verändern. Das heißt: Da ist ein Unternehmen, dem man vorhersagt, dass es um 5% wächst, und das tatsächlich um 5% wächst, und ein anderes Unternehmen, dem man vorhersagt, dass es um 25% wächst, und das diese Wachstumsrate von 25% auch liefert. Für künftige 6Investoren bringen beide Unternehmen in der Zukunft eine bezogen auf den Markt durchschnittliche risikobereinigte Rendite.5 Ein Unternehmen muss eine Wachstumsrate bieten, die aufgrund des Marktes vorhersagbar ist, nur um zu verhindern, dass der Aktienkurs fällt. Um seinen Aktienkurs in die Höhe zu treiben, muss es eine höhere Wachstumsrate erzielen als vorhergesagt. Hier handelt es sich für jede Führungskraft, deren Ziel es ist, das Aktienvermögen zu steigern, um eine schwere, immer spürbare Belastung.6

Doch die Situation ist eigentlich noch viel problematischer. Diese gerissene Horde von Investoren zinst nicht nur die erwartete Wachstumsrate der bestehenden Geschäftsfelder eines Unternehmens auf den gegenwärtigen Wert seines Aktienkurses ab, sondern auch das Wachstum aus neuen Geschäftsfeldern, die erst noch aufgebaut werden müssen und von denen sie erwarten, dass das Team der Führungskräfte in der Lage sein wird, sie künftig zu entwickeln. Wie viel Wachstum der Markt aus noch unbekannten Quellen erwartet, beruht gewöhnlich auf dem bisherigen Geschäftsverlauf. Wenn das Unternehmen den Markt in der Vergangenheit bereits mehrfach mit seinen Fähigkeiten, neue Geschäftsfelder zu erschließen, beeindrucken konnte, ist die entsprechende Komponente des Aktienkurses natürlich ein bedeutsamerer Faktor. Wenn die vorherigen Versuche, solche neuen Geschäftsfelder zu erschließen, nicht von Erfolg gekrönt waren, ist der erwartete Cashflow aus dem altbekannten, bewährten Stammgeschäft ausschlaggebend für die Marktbewertung.

In Tabelle 1-1 kann man sehen, wie ein Beratungsunternehmen die Aktienkurse einiger ausgesuchter Fortune 500-Unternehmen analysiert. Bezogen auf den Aktienkurs zum 21. August 2002 des jeweiligen Unternehmens ist der Anteil dargestellt, der sich auf unterschiedliche Komponenten zurückführen lässt. Es werden die Erträge aus vorhandenen Geschäftsfeldern den Erträgen gegenübergestellt, von denen die Investoren erwarten, dass sie durch neue Investitionen zustande kommen.7 Dell Computer erzielte 2002 den höchsten Anteil seines Gesamtwachstums aus zukünftigen Investitionen: Lediglich 22 Prozent des Aktienkurses von 28,05 Dollar kamen durch Zuwächse aus den derzeitigen Geschäftsfeldern zustande. Dagegen zeigte sich in einer Kurskomponente von 78 Prozent das Vertrauen der Anleger darauf, dass Dell es schaffen würde, riesige neue Gewinnquellen zu erschließen. 66 Prozent der Marktbewertung von Johnson & Johnson und 37 Prozent der Bewertung von Home Depot beruhten auf Wachstumserwartungen aus Investitionen, die erst noch getätigt werden mussten. Bei diesen Konzernen erwartete man in der Zukunft hohe Erträge. Dagegen basierten bei General Motors nur 5 Prozent des Aktienkurses auf den Erwartungen gegenüber künftigen Investitionen. Obwohl diese Zahl die Fähigkeit des ehemaligen Managements von General Motors, neue Wachstumsfelder zu erschließen, nicht gerade positiv erscheinen lässt, bedeutet sie auch, dass sich der Kurs, wenn das derzeitige Management seine Aufgabe besser erfüllt, durchaus stattlich entwickeln könnte.

7Tabelle 1-1: Einfluss der Erwartungen auf den aktuellen Aktienkurs (Stand 21. August 2002)

Rang in der Fortune 500-Liste

Unternehmen

Aktienkurs

Einfluss auf die Bewertung:

Zukünftige Geschäfts-
felder

Derzeitige Geschäfts-
felder

53

Dell Computer

28,05$

78%

22%

47

Johnson & Johnson

56,20$

66%

34%

35

Procter & Gamble

90,76$

62%

38%

 6

General Electric

32,80$

60%

40%

77

Lockheed Martin

62,16$

59%

41%

 1

Wal-Mart Stores

53,88$

50%

50%

65

Intel

19,15$

49%

51%

49

Pfizer

34,92$

48%

52%

 9

IBM

81,93$

46%

54%

24

Merck

53,80$

44%

56%

92

Cisco Systems

15,00$

42%

58%

18

Home Depot

33,86$

37%

63%

16

Boeing

28,36$

30%

70%

11

Verizon

31,80$

21%

79%

22

Kroger

22,20$

 3%

87%

32

Sears Roebuck

36,94$

 8%

92%

37

AOL Time Warner

35,00$

 8%

92%

 3

General Motors

49,40$

 5%

95%

81

Philipps Petroleum

35,00$

 3%

97%

Quelle: CSFB/HOLT; Analyse von Deloitte.

Die größte Herausforderung bei der Absicherung von Wachstum besteht aber vielleicht in Folgendem: Wenn ein Unternehmen erst einmal stagniert, ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass es in der Lage ist, das Wachstum wieder anzukurbeln. Zu dieser Schlussfolgerung kommt jedenfalls die bemerkenswerte Studie Stall Points, die das Corporate Strategy Board 1998 veröffentlicht hat.8 Darin wurden 172 Unternehmen analysiert, die es geschafft hatten, zwischen 1955 und 1995 auf der Fortune-Liste der 50 größten Unternehmen zu bleiben. Nur 5 Prozent dieser Unternehmen konnten in der Zeit, in der sie auf der Liste waren, ein reales inflationsbereinigtes Wachstum von über 6 Prozent aufrechterhalten. Die anderen 95 Prozent erreichten einen Punkt, ab dem das Wachstum ausblieb – mit einer Entwicklung, die dem Wachstum des Bruttosozialprodukts (BSP) entsprach oder darunter lag. Es ist angesichts unserer Erwartung, dass alle Wachstumsmärkte irgendwann gesättigt und voll entwickelt sind, nachvollziehbar, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt zum Stillstand kommt. Beängstigend ist jedoch, 8dass von all diesen Unternehmen, deren Wachstum aufgehört hatte, nur 4 Prozent in der Lage waren, ihr Wachstum wieder anzukurbeln, selbst wenn die Wachstumsquote nur 1 Prozent über dem BSP-Wachstum lag. Anders ausgedrückt: Wenn das Wachstum erst einmal ausgeblieben war, stellt es sich als nahezu unmöglich heraus, es neu anzukurbeln.

Die Kapitalmärkte bestraften diese stagnierenden Unternehmen gnadenlos. 28 Prozent von ihnen verloren über 75 Prozent ihrer Marktkapitalisierung. 41 Prozent der Unternehmen mussten mit ansehen, wie ihr Marktwert in Zeiten der Stagnation um 50 bis 75 Prozent sank, und 26 Prozent der Unternehmen verloren zwischen 25 und 50 Prozent ihres Werts. Die übrigen 5 Prozent verloren weniger als 25 Prozent ihres Börsenwerts. Dies ließ natürlich den Druck auf das Management zunehmen, das Wachstum erneut anzukurbeln – dies machte es nur noch schwieriger, Erfolge zu erreichen. Die Manager können sich dem Diktat des Wachstums nicht entziehen.9 Doch die Erfolgschancen sind erschreckend gering, zumindest wenn man sich an dem ausrichtet, wie es in der Vergangenheit war.

Ist Innovation eine Black Box?

Warum ist es so schwer, Wachstum zu erreichen und es aufrechtzuerhalten? Eine weitverbreitete Antwort ist, die Führungskräfte dafür verantwortlich zu machen, dass sie es versäumt haben, neues Wachstum zu generieren – was so viel bedeutet wie, dass fähigere und in stärkerem Maße vorausschauende Personen Erfolg hätten haben können. Der Ansatz, das Problem zu lösen, indem man eine bessere Führungskraft findet, könnte glaubwürdig sein, wenn es sich bei Fehlschlägen in Bezug auf die Wiederankurbelung des Wachstums um isolierte Ereignisse handelt. Eine Studie nach der anderen kommt jedoch zu dem Schluss, dass rund 90 Prozent aller börsennotierten Unternehmen seit einigen Jahren nicht mehr in der Lage sind, einen Wachstumskurs aufrechtzuerhalten, bei dem überdurchschnittliche Aktionärsrenditen erzielt werden.10 Es sei denn, wir glauben, dass der Pool an Managementtalenten in etablierten Unternehmen aus dem Tal der Ahnungslosen stammt, in dem 90 Prozent der Führungskräfte unterdurchschnittlich begabt sind. Dann muss es eine grundlegendere Erklärung dafür geben, warum die überwiegende Mehrheit der guten Führungskräfte nicht in der Lage war, das Problem des evolutionären Wachstums zu lösen.

Eine zweite, häufig angeführte Erklärung für die Unfähigkeit von Unternehmen, Wachstum aufrechtzuerhalten, ist, dass ihre Führungskräfte risikoscheu werden. Aber die Fakten widerlegen auch diese Erklärung. Unternehmensleiter setzen oft das ganze Geld für eine Innovation ein, um die Zukunft von Milliardenunternehmen zu sichern. IBM investierte alles für den Großrechner System 360 und gewann. DuPont gab 400 Millionen Dollar 9für eine Anlage aus, um aus Kevlarfasern Reifen herzustellen. Und Corning riskierte Milliarden, um sein Glasfasergeschäft aufzubauen, und hatte große Erfolge damit. In jüngster Zeit verkaufte das Unternehmen viele seiner anderen Geschäftsbereiche, um mehr in die optische Telekommunikation zu investieren, und scheiterte grandios. Viele der Führungskräfte, die nicht in der Lage waren, ein anhaltendes Unternehmenswachstum zu schaffen, haben ein starkes Risikobewusstsein bewiesen.

Es gibt eine dritte, weithin akzeptierte Erklärung dafür, warum Wachstum so schwer zu erreichen ist, die unserer Meinung nach auch nicht stimmt: Die Gründung von Unternehmen mit neuem Wachstum ist dieser Auffassung nach einfach nicht planbar. Viele glauben, dass Erfolgschancen genau das sind, was das Wort besagt – nämlich Chancen – und dass sie klein sind. Viele der klügsten Köpfe im Bereich des Managements haben die Annahme akzeptiert, dass die Schaffung von Wachstum riskant und unberechenbar ist. Sie haben deshalb alles daran gesetzt, Führungskräften dabei zu helfen, dass sie mit dieser Unkalkulierbarkeit umgehen können. Daraus ergeben sich Empfehlungen, wie man tausend Blumen blühen lässt. Man soll das Silicon Valley in die Unternehmen bringen, lieber früher als später scheitern und den Selektiondruck vorantreiben. Das sind alles Möglichkeiten, mit einer Unvorhersehbarkeit erfolgreicher Innovationen umzugehen, die sich angeblich nicht aus der Welt zu schaffen lässt.11 Die Struktur der Wagniskapitalbranche ist in der Tat ein Beleg für die weitverbreitete Überzeugung, dass wir nicht vorhersagen können, welche Unternehmen mit neuem Wachstum Erfolg haben werden. Ein häufig zitierter kluger Spruch in der Branche lautet, dass von zehn Investitionen – die alle in dem Glauben getätigt wurden, dass sie erfolgreich sein werden – zwei scheitern werden, sechs werden als Halbtote überleben, während zwei vom Elfmeterpunkt aus das entscheidende Tor schießen werden, auf dem der Erfolg des gesamten Portfolios beruht. Wegen dieses Glaubens daran, dass der Prozess der Öffnung neuer Geschäftsfelder unergründlich ist, haben nur wenige versucht, die Black Box zu öffnen, um den Prozess zu erforschen, durch den Unternehmen mit neuem Wachstum entstehen.

Wir können die Auffassung nicht akzeptieren, dass das Wachstum der meisten Unternehmen stagniert, weil die Erfolgschancen für das nächste Wachstumsgeschäft, das sie in Gang setzen, unglaublich gering sind. Die in der Vergangenheit erreichten Ergebnisse mögen in der Tat den Anschein erwecken, zufällig zu sein. Aber unserer Meinung nach liegt es daran, dass man den Prozess, wie Unternehmen mit neuem Wachstum geschaffen werden, noch nicht richtig verstanden hat. In diesem Buch wollen wir die Black Box öffnen und die Prozesse erkunden, die zu Erfolg oder Misserfolg in Unternehmen mit neuem Wachstum führen.

Um zu veranschaulichen, warum es wichtig ist, die Prozesse zu verstehen, die zu diesen Ergebnissen führen, sehen Sie sich einmal diese beiden Zahlenfolgen an:

10 1, 2, 3, 4, 5, 6

75, 28, 41, 26, 38, 64

Welche davon, würden Sie sagen, ist zufällig und welche ist vorhersehbar? Die erste Zahlenfolge sieht vorhersehbar aus: Die nächsten beiden Zahlen sollten 7 und 8 sein. Aber was wäre, wenn wir Ihnen sagen würden, dass es sich tatsächlich um die Gewinnzahlen für eine Lotterie handelte, die aus einer Trommel mit taumelnden Kugeln gezogen wurde, während die zweite die Abfolge von Staats- und Kreisstraßen ist, die man auf einer malerischen Tour an der Grenze zwischen den USA und Kanada auf dem Weg von Sault Ste. Marie (Ontario) nach Saxon (Wisconsin) nimmt? Aufgrund der Route, die durch die ersten sechs Straßen vorgegeben ist, lassen sich die nächsten beiden Zahlen – 2 und 122 – zuverlässig mithilfe einer Landkarte vorhersagen. Die Lektion: Man kann nicht allein anhand des Prozessergebnisses sagen, ob sich mithilfe des Prozesses, der diese Ergebnisse erzeugt hat, vorhersagbare Ergebnisse erzielen lassen. Man muss den Prozess selbst verstehen.

Die Kräfte, die einen formenden Einfluss auf Innovationen haben

Wie kann man den Innovationsprozess vorhersagbarer machen? Es bedeutet nicht, dass man lernen muss, vorauszusagen, was der Einzelne tun könnte. Vielmehr geht es darum, die Kräfte zu verstehen, die auf die Personen einwirken, die am Aufbau von Unternehmen beteiligt sind – Kräfte, die einen starken Einfluss darauf haben, wie sich Führungskräfte entscheiden und was sie nicht tun können.

Selten ist eine Idee im Kopf eines innovativen Mitarbeiters für ein neues Wachstumsgeschäft von vorne bis hinten durchdacht. Ganz gleich, wie gut ausgearbeitet ein Konzept oder eine Einsicht auch möglicherweise ist, beides muss ausgestaltet und bearbeitet werden, oft in bedeutsamer Weise, damit daraus ein Businessplan wird, der vom Unternehmen finanziell gefördert werden kann. Auf dem Weg dorthin stößt er auf eine Reihe von hochgradig vorhersehbaren Kräften. Führungskräfte als Individuen könnten in der Tat eigenwillig und unberechenbar sein, aber sie alle sehen sich mit Kräften konfrontiert, die in ihrem Wirkungsmechanismus, in ihrem Zeitplan und in ihrer Auswirkung auf den Charakter des Produkts und des Businessplans, den das Unternehmen letztlich zu implementieren versucht, ähnlich sind.12 Wenn man diese Kräfte versteht und steuert, kann man Innovationen vorhersagbarer machen.

Der Prozess und die Auswirkung dieser Kräfte bei der Umsetzung von Ideen in Businesspläne wird in einer Fallstudie der Big Idea Group (BIG) veranschaulicht, einem Unternehmen, das Ideen für neues Spielzeug zu finden 11versucht, entwickelt und vermarktet.13 In der Studie wird ein leitender Angestellter eines Spielwarenunternehmens mit einem Umsatz von Milliarden Dollar zitiert, der sich darüber beschwerte, dass es seit Jahren keine aufregenden neuen Spielwarenideen mehr gibt. Dann wird in der Fallstudie aufgezeigt, wie BIG dieses Problem – oder besser gesagt, diese Chance – angeht.