In Liebe, Jana!
Ein Skandal und große
Gefühle in Regensburg
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86646-374-5
© 2018 MZ-Buchverlag in der Battenberg Gietl Verlag GmbH, Regenstauf
Die Autorin lässt in diesen Roman ihre persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen einfließen. Dieses Buch ist dennoch Fiktion. Die Charakterisierung der Personen sowie die Worte, das Verhalten und die Gefühle, die ihnen zugeschrieben werden, entstammen der Vorstellungskraft der Autorin und spiegeln nicht jene lebenden Personen wider. Die Handlung steht weder für das wirkliche Geschehen noch soll das Erzählte ein Urteil über die Fakten, Menschen und Orte in diesem Buch darstellen.
Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
www.mz-buchverlag.de
Alle Rechte vorbehalten!
Auch wenn es schon etwas frühlingshaft ist und die Sonne mit zaghaften Strahlen durch die Wolken spitzt, friert mich. Wahrscheinlich ist es die Mischung aus innerer Anspannung, einem Gefühl von ausgeliefert sein und Hilflosigkeit, die mich innerlich zittern lässt.
In dem großen Baum vor dem Gebäude mit den vergitterten Fenstern krächzt eine Schar Raben. Wie Galgenvögel sitzen sie hoch oben in dem Geäst der dicken Eiche und begutachten neugierig die kleine Truppe am Boden, die sich ihnen nähert. Krähen sind hoch intelligente, schöne und mutige Tiere, das wusste ich. Bei den Schamanen gelten sie als magische Krafttiere. Mir gefielen die schwarzen Vögel schon immer. Normalerweise hätte ich innegehalten und mir ihr außergewöhnliches Konzert angehört und es genossen, aber nicht heute.
Meine Kinder und ich besuchen meinen Mann im Hochsicherheitsgefängnis in Straubing. Bei dem Gefängnisbeamten in der Eingangshalle haben wir zwei Tafeln Schokolade und zwei Saftflaschen für Jonas gekauft. Die maximale Menge, die man pro Besuch erwerben darf. Wie bei jedem unserer Besuche werden wir von einer Justizvollzugsbeamtin und einem Beamten der Regensburger Kriminalpolizei über die verschiedenen Höfe geführt. Die Stimmung ist bedrückend. Türen werden geöffnet und gleich, nachdem wir durchgegangen sind, wieder verriegelt. Alle Fenster sind mit dicken weißen Gittern versehen, und man hat in gewisser Weise das Gefühl, als wäre man ein Statist in einem Krimi. Aber es ist echt, es ist unfassbar, unglaublich.
Ein riesiger Vierkanthof, auf dem auch die Krankenstation steht, ist unser Ziel. Der Innenhof des Karrees hat kleine Grünflächen, ein paar große Bäume und eine lange Straße. In dem letzten Gebäude, kurz vor der hohen Gefängnismauer, ist Jonas untergebracht. Linker Hand von uns befinden sich eine Schreinerei und weitere handwerkliche Einrichtungen. Es sind alles schlammfarbige Flachbauten und deswegen machen sie auf mich einen tristen Eindruck. Vor uns liegen noch etwa 50 Meter, die wir zurücklegen müssen, dann sind wir bei der Krankenstation, in der Jonas untergebracht ist. Die Kinder und ich sprechen miteinander, um unser Unwohlsein zu verbergen. Ich überlege noch, ob Gefangene hier einen Beruf erlernen können. Da kommen plötzlich vier Männer aus der Malerei. Sie haben Farbeimer in den Händen, zünden sich eine Zigarette an. Die Stimmung bei den uns begleitenden Beamten verändert sich. Ich habe das Gefühl, irgendetwas stimmt nicht. Mir stellt es die Gänsehaut auf und ich fürchte mich. Die Männer gehen auf einen Weg zu, der über den Hof in ein anderes Gebäude führt. Sie sind jetzt nur noch fünf Meter von uns entfernt. Mein Sohn geht ein paar Schritte vor uns. Die Männer schauen auf meine Tochter und mich. Sie mustern uns mit ihren Blicken. Die Beamten sind mittlerweile ganz nah zu uns aufgerückt. Sie schützen uns seitlich und von hinten. Ich überlege. Sind es Mithäftlinge? Sind es Handwerker? Ich fühle mich äußerst unwohl, sogar bedroht. Warum, kann ich nicht sagen. Ich habe eine riesengroße Angst um meine Kinder und mich selber. Die Männer unterhalten sich, drei biegen in den Weg ein. Einer bleibt bei aufgestapelten Kisten stehen und lacht. Meine Tochter wird mir später erzählen, dass sie dieses Lachen nie wieder vergessen wird.
Erich Fried
Ein Schuss – Jana zuckte alleine bei dem Gedanken daran schon zusammen. In gut einer Stunde wäre sie bereits auf der Strecke, sie musste sich sputen. Der Beginn des Benefizlaufes, den sie seit 15 Jahren mitlief, begann immer mit einem Knall aus der Pistole.
Die Bäume hatten schon ihre Blätter verloren. Ein paar Sonnenstrahlen tauchten Regensburg im späten Herbst 2015 noch einmal in ein goldenes Licht. Jana wollte ihren letzten Benefizlauf für dieses Jahr absolvieren. Sie schlüpfte in ihre Laufkleidung, legte ihren Brustgurt an, um ihre Zeit und die Herzfrequenz zu messen, und machte sich auf den Weg. Der Leukämielauf war für einen guten Zweck. Die Startgebühr zahlte sie gerne. Auf dem Weg hörte sie das regionale Radio. Die Nordic Walker waren schon auf der Strecke. Ihr Lauf begann um zwölf Uhr. Sie musste noch ihre Startnummer holen und dann würde ihr Mann Jonas Wolters, der Oberbürgermeister von Regensburg, den Startschuss geben. In den letzten Monaten hatte er viel gearbeitet. Der Flüchtlingsstrom war in allen Kommunen ein großes Thema. Wie sollten so viele Menschen, die nach Deutschland flohen, untergebracht werden? Auch die Regensburger Verwaltung stellte diese Aufgabe vor riesige logistische Probleme. Seit Jana ihn kannte, arbeitete Jonas viel und gerne. Sein Job machte ihm Spaß; was er tat, machte er mit Begeisterung. Sie hatte sich daran gewöhnt. Manchmal witzelte sie sogar darüber, dass sie quasi alleinerziehend sei, mit Anhang sozusagen. Jana und Jonas waren seit sechzehn Jahren glücklich verheiratet. Sie organisierte den Alltag und hielt ihm den Rücken frei, erzog die Kinder, und er verfolgte seine Karriere. Auch Jana war berufstätig, arbeitete Teilzeit und hatte ihren beruflichen Aufstieg für die Familie aufgegeben. Sie arbeitete gerne, hatte sich aber bewusst für Kinder entschieden und wollte diese Zeit – die so kostbar und kurz war – genießen. Durch ihren Arbeitgeber konnte sie Familie und Job gut vereinbaren. Sie genoss ihre Unabhängigkeit. Außerdem mochte sie ihre Arbeit und schätzte ihre Kollegen sehr. Nach der Wahl von Jonas zum Oberbürgermeister hatten viele ihr geraten, den Beruf an den Nagel zu hängen. Das wollte sie aber ganz bewusst nicht, sie sei dadurch „ausgeglichener“, meinte sie.
Es war eine halbe Stunde vor zwölf, als sie am RT-Gelände ankam. Sie hatte also noch genügend Zeit. Sie holte ihre Startnummer ab, befestigte sie an ihrer Laufjacke und beobachtete die ersten Nordic Walker, die durch das Ziel schritten. Aus dem Augenwinkel hatte sie Jonas bereits gesehen. Er war wie immer umringt von Parteigenossen und Medien. Seit seinem grandiosen Wahlsieg im März 2014 hatte er viele Freunde. Diese scharten sich gerne so nah wie irgend möglich um ihn, damit sie auch auf dem Foto in einer der Zeitungen waren. Jana, seine Frau, wollte nicht hingehen, um ihn zu begrüßen. Einerseits, weil sie nicht gerne im Mittelpunkt stand, und andererseits, weil der Leukämielauf für sie ihre ganz private Sache war. Keine Publicity-Veranstaltung, keine öffentliche Verpflichtung ihrerseits, sondern etwas nur für sie. Eine Unterstützung für Menschen, die Krebs hatten, eine Krankheit, die auch ihre Familie betroffen hatte und betraf. Sie stellte sich also etwas abseits und plauderte mit Kollegen und Freunden, die des Weges kamen. Kurz vor dem Start erblickte Jonas sie.
Am Morgen war er früh aus dem Haus gegangen und so hatte sie ihm gar nicht mehr erzählen können, dass sie den Benefizlauf machen würde. Jana lächelte ihren Mann an, winkte ihm kurz zu. Er hingegen starrte sie fast erschrocken an, so als ob er nicht damit gerechnet hätte, seine Frau hier anzutreffen. Irgendetwas war komisch, dachte sich Jana noch. Allerdings war es kurz vor dem Start und so verdrängte sie den Gedanken an die eigenartige Begegnung. Die Strecke verlief entlang der Donau, über die Kanalbrücke, vorbei am Gelände des Freien TuS bis hoch zur städtischen Sportanlage am Weinweg und wieder zurück. Es waren viele Teilnehmer, und es wurden jedes Jahr mehr. Jana lief ihr Tempo, ließ sich nicht anstecken von den anderen Joggern, die sie überholten. In ihre Gedanken vertieft, rannte sie im Mittelfeld weiter bis zum Ende. Sie hatte keinen sportlichen Ehrgeiz, lief aber gerne, um sich fit zu halten und essen zu können, was sie wollte. Am Ziel angekommen, stoppte sie ihre Zeit: 32 Minuten für fünf Kilometer. Es war nicht ihre Bestzeit, aber auch nicht die schlechteste. Zufrieden gönnte sie sich noch einen Becher Cola, eines ihrer täglichen Laster, und machte sich auf den Heimweg.
Während der Fahrt rief Jonas an. Er fragte sie: „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du den Leukämielauf heute machst?“ Jana antwortete ihm: „Du weißt doch, dass ich ihn jedes Jahr mitlaufe.“ Jonas hatte eine merkwürdige Stimmung, das spürte sie, konnte sich aber seine Verärgerung nicht erklären. Darum fragte sie: „Was ist los? Hattest du Ärger?“ Er erwiderte: „Jana, wir müssen sprechen. Ich habe jetzt noch ein paar Termine. Hast du um sechs Zeit? Ich würde dann kurz nach Hause kommen.“ „Klar“, sagte sie, „bis später, dito“. Jonas legte einfach auf. Jana wunderte sich. Dito war, seit sie sich kennen gelernt hatten, immer das Synonym für „ich liebe dich“. Sie hatten es sich aus dem Film „Ghost“ abgeschaut. Beide benutzten es, um sich voneinander zu verabschieden. Bei jedem Telefonat. Komisch.
Zuhause angekommen duschte sie erst mal ausgiebig, zog sich frische Kleidung an und erledigte dann die Hausarbeit. Luis, ihr Sohn, war wie immer am Fußballplatz um die Ecke. Ihre Tochter Elli hatte für den Nachmittag etwas mit Freundinnen ausgemacht. Jana genoss die Ruhe, und nachdem sie die Hausarbeit erledigt hatte, nahm sie ihren Krimi zur Hand und las. Als Kind hatte sie nicht gerne gelesen, aber vor ein paar Jahren im Urlaub fand sie Freude daran. Seitdem verschlang sie Bücher förmlich. Vertieft in ihre Lektüre bekam sie gar nicht mit, dass Jonas in der Wohnzimmertür stand. Als er sie ansprach, zuckte sie erschrocken zusammen. Sie lächelte ihn an, hoffte sie doch, seine miesepetrige Laune hätte sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Aber dem war nicht so. Mit ernster Miene bat er Jana in die Küche. Er machte Kaffee, fragte sie, ob er für sie auch einen machen sollte. „Ja, gerne“, antwortete sie, setzte sich an den großen Holztisch in der Küche und wartete, bis er zu reden anfing. Jonas sprach: „Jana, ich kann nicht mehr.“ Sie schaute verdutzt und erwiderte: „Was kannst du nicht mehr?“ Er wiederholte: „Ich kann nicht mehr.“ Sie wusste nicht, was er ihr mit dieser Aussage klarmachen wollte. Sie überlegte, kam zu dem Schluss, dass er den OB-Posten hinschmeißen wollte oder eine Auszeit davon brauchte. Er ackerte pro Woche weit mehr als 70 bis 80 Stunden, gönnte sich fast keinen Urlaub, und sie war felsenfest davon überzeugt, dass sich das über kurz oder lang auf seine Gesundheit auswirken würde. Jetzt war es also so weit. Burnout!
Jonas, der nichts von ihren Überlegungen mitbekommen hatte, setzte zu einem erneuten Versuch an, ihr die Situation zu erklären. „Jana, ich kann nicht mehr mit dir leben“, quetschte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. Aua, das saß. Wie ein Faustschlag, ohne Vorwarnung und ohne erkennbare Anzeichen. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwarz vor den Augen.
Es war als hätte man ihr den Boden unter den Füssen weggezogen. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Nein, das konnte nicht sein, es durfte nicht sein. Sie liebte Jonas, würde ihn immer lieben. Wollte mit ihm alt werden, ihre Enkelkinder zusammen mit ihm aufwachsen sehen. Sie war fassungslos. Ihr Magen drehte sich um. Am liebsten hätte sie laut geschrien.
Sie tat es nicht. Ihre Miene versteinerte sich, als sie anfing zu sprechen: „Warum, Jonas? Hast du jemand Neuen kennen gelernt?“ Jonas saß da, schaute zu Boden und dann in Janas Gesicht. Sie sah in seinem Gesicht, dass er den Schmerz, den er ihr gerade zugefügt hatte, in ihren Augen erkannte. Erneut senkte er den Blick, versuchte einen Brösel auf der Tischplatte zu entfernen und zischte ein kurzes „Nein“ hervor. Jana setzte erneut an: „Jonas, Männer trennen sich selten, ohne etwas in der Hinterhand zu haben.“ Das spiegelten ihr die vielen Erfahrungsberichte ihrer Freundinnen wider. Er versuchte noch immer, den mittlerweile imaginären Brösel vom Tisch zu wischen und schaute sie nicht an. Sie hatte das Gefühl, dass es ihn innerlich zerriss, so als wollte Jonas sie nicht verletzen. Aber sie spürte auch, es gab für ihn keinen anderen Weg. Jonas schwieg.
In Jana lief ihr ganz persönlicher Film ab. Die Anfänge ihrer Beziehung, das Kennenlernen, die heimlichen Treffen, weil Jana ihr Herz schon einem anderen Mann versprochen hatte. Jana war verlobt, als sie Jonas kennen lernte. Die Hochzeit mit ihrem damaligen Partner sollte im Jahr darauf stattfinden. Der Saal für die Feier nach der Trauung war gebucht, die Einladungskarten waren kurz vor dem Versandtermin. Hals über Kopf hatte Jonas sich in sie verliebt. Jana reizte seine zuweilen melancholische Art. Gemeinsam unternahmen sie eine Reise nach Wien, obwohl Jana in einer anderen Partnerschaft lebte. Jonas’ Werben um sie. Die Aufmerksamkeit, die er ihr schenkte. Die Komplimente, die er ihr machte. Seine Gewissheit, dass Jana die Richtige für ihn war. Der Kampf um Jana, den er praktisch schon verloren hatte, bevor er ihn anfing, und dann doch gewann. Jonas’ unendliche Freude, als sie sich für ihn entschied. Alles flimmerte durch ihren Kopf. Die Hochzeit, wie glücklich sie waren, als Jana ihr erstes Kind erwartete. Die Komplikationen während der Schwangerschaft. Die bangen Stunden, ob Luis gesund sein würde. Die zweite Schwangerschaft mit Elli, die gemeinsame Zeit mit den Kindern. Der Umzug in das gemietete Haus am Ziegetsberg. Wie sie gemeinsam liebevoll ihre vier Wände einrichteten. Mit viel Holz, alte Bauernmöbel gemischt mit modernen Accessoires. Wie sie den Garten umgestalteten und ihn kindgerecht ausstatteten, Blumen pflanzten und dabei miteinander lachten und Spaß hatten. Dann der erste Wahlkampf 2008, der kräftezehrende zweite 2014 und der fulminante Sieg von Jonas. Die Welle der Sympathie und die Hoffnung, die über die Stadt, ihre Bewohner und sie schwappte. All das zog an ihrem inneren Auge vorbei.
Und nun? Ende, aus, vorbei?
Jana stand vor einem Scherbenhaufen. Tief traurig nahm sie Abschied von ihrem Traum. Sie wollte nie die Frau des Oberbürgermeisters sein, das war ihr egal. Sie wollte seine Frau sein. Jonas war der Mann, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. Sie liebte seinen Humor, seine Fähigkeit zuzuhören, Dinge aufzunehmen und auf den Punkt zu bringen. Sie bewunderte ihn für seine Eloquenz, für seine Sturheit und die damit verbundene Durchsetzungskraft, auch wenn es sie manchmal rasend machte. Natürlich hatte sie nach sechzehn Jahren Ehe auch so manche Macke an ihm gefunden, aber wer hatte die nicht. Jana wollte ihn nicht verlieren, er war der Vater ihrer Kinder. Ihr Traum konnte doch jetzt nicht platzen wie eine Seifenblase. Sie fühlte sich furchtbar, sie weinte und konnte Jonas nicht verstehen.
Er saß noch immer auf seinem Platz. Regungslos. Sie sah ihm an, dass er ihren Schmerz spürte. Aber sie wusste auch, seine Entscheidung war gefallen. Sie kannte ihn. Jonas würde sie verlassen. Natürlich würde er sich um die Kinder und sie kümmern, da war sich Jana sicher. Er wollte, dass es ihnen gut ginge. Aber mit Jana leben, das konnte er nicht mehr. Sie ahnte, er hatte seinen Grund, den er ihr zu diesem Zeitpunkt aber nicht mitteilen wollte. Vielleicht war er zu feige. Eine Trennung war nie angenehm, und wenn man im Fokus der Öffentlichkeit stand noch weniger. Wollte er es ihr schonend beibringen? Auf später verschieben, bis sie den ersten Schock verdaut hätte?
Jana dachte an ihre Kinder. Wie würden Elli und Luis die Trennung der Eltern aufnehmen? Ihr wurde kalt und sie fror. Wie sollten Jonas und sie es ihren Kindern erzählen? Alleine bei dem Gedanken daran, fühlte sie sich schon schlecht. Das Wichtigste in Janas Leben waren ihre Kinder. Sie konnte und wollte ihnen diesen Schmerz nicht zufügen. Jana biss sich auf die Lippen. Der Kaffee, den Jonas gemacht hatte, war mittlerweile kalt. Trotzdem nahm sie einen Schluck davon. Er schmeckte schal. Alles um sie herum verschwamm unter den Tränen in ihren Augen. Sie hörte, wie die Kaffeemaschine ihr automatisches Spülprogramm startete, um sich abzuschalten. Die Waschmaschine im Keller piepste, um ihr anzuzeigen, dass die Kleidung nun sauber wäre. Aber all das nahm sie nur am Rande wahr.
Wann sollten sie es den Kindern sagen? Wann würde Jonas ausziehen? Gab es noch eine Chance für ihre Partnerschaft? Sollte sie versuchen, ihre Ehe zu retten? Hätte es einen Sinn? Oder wäre es besser, ihn ziehen zu lassen? Wie oft hatte sie ihren Freundinnen schon den Tipp gegeben: „Reisende sollte man nicht aufhalten.“ Loslassen, denn nur dann bestand die Chance einer freiwilligen Rückkehr. Die vielen Ratschläge, die sie anderen Menschen gegeben hatte, schwirrten durch ihren Kopf. Erst vor einiger Zeit hatte sie im Freundeskreis eine Trennung miterlebt. Dem Verlassenen hatte sie damals gesagt: „Mir ist klar, dass es dir jetzt furchtbar geht. Es tut weh, du bist gekränkt. Aber in einem halben oder vielleicht in einem Jahr, mit Abstand zu dem Ganzen, wirst du sehen, dass es einen Sinn hat. Achte darauf, keinen Rosenkrieg zu führen. Wascht nicht eure schmutzige Wäsche bei Freunden und Bekannten. Such dir eine Person deines Vertrauens, und da kannst du dich ausheulen, aber nicht im ganzen Freundeskreis. Ihr habt schließlich zwei gemeinsame Kinder, und an die solltet ihr beide denken.“ Mittlerweile war der Freund in seiner neuen Beziehung sehr glücklich. Bekam sogar noch mal Nachwuchs. Jana hatte sich sehr für ihn gefreut.
Jana musste oder sollte nun zumindest ihren eigenen Ratschlag befolgen. Besonders für die Kinder war es Janas Ansicht nach wichtig, dass Jonas und sie ein möglichst normales freundschaftliches Verhältnis zueinander aufbauten. Natürlich nicht sofort, aber mit einem gewissen Abstand und etwas Zeit würde es mit Sicherheit klappen. Trotzdem hatte Jana Angst vor der Veränderung.
Wie würde es sein, alleinerziehend? Der finanzielle Aspekt schoss ihr durch den Kopf? Würde sie aus dem Mietshaus ausziehen müssen? „Auch das noch“, dachte sie sich. Nein, das konnte sie Luis und Elli nicht antun. Jana würde alles versuchen, damit die Kinder nach der Trennung der Eltern wenigstens in ihrem sozialen Umfeld bleiben könnten. Hier fühlten sie sich wohl, alles andere würde hart genug für sie werden.
Als Jana vor die Tür gehen wollte, um die kühle, frische Oktoberluft einzuatmen und sich zu beruhigen, kamen Elli und Luis in die Küche. Die Kinder sahen das tränenüberströmte Gesicht ihrer Mutter und ihnen war klar, es musste etwas Schreckliches passiert sein. Bevor Jonas und Jana erklären konnten, was geschehen war, klingelte Ellis Handy. Jana erkannte, dass es Ellis beste Freundin war. Es war nicht zu überhören, wie sie lautstark fragte: „Stimmt es, dass deine Eltern sich jetzt auch trennen und dein Papa eine neue Frau hat?“
Die Kinder starrten Jana fassungslos an. „Spinnt die jetzt total?“ Elli schüttelte den Kopf. Jana senkte den Blick. Was sollte sie darauf antworten? Die Kinder begriffen sofort.
Ellis Augen füllten sich mit Tränen. Luis stand dicht neben ihr. In diesem Moment brach auch für sie ihre heile Welt zusammen. Jana nahm beide in den Arm. So standen sie eine Weile beieinander. Als Jonas versuchte dazuzukommen, schoben sie ihn zurück. Für die Kinder war klar: Er war schuld. Er hatte eine neue Frau. Er verließ ihre Mama, das gemeinsame Haus, ihre Familie.
Die Kinder und Jana saßen geschockt am Tisch, auch Jonas hatte sich vorsichtig wieder zu ihnen gesellt. Jeder hing seinen Gedanken nach. Zumindest war Jonas ehrlich zu ihr, dachte sich Jana. Er betrog sie nicht einfach, wie es andere Männer mit ihren Ehefrauen machten, um nebenher eine Geliebte zu haben. Er beendete die Beziehung zu ihr, um frei zu sein für eine neue Partnerschaft. Das ehrte ihn, auch wenn es Jana momentan furchtbar wehtat.
Ab und an schniefte einer, stand auf, holte Taschentücher und setzte sich wieder. Sprechen wollte niemand. Der Schmerz saß bei allen tief. Jana grübelte, an welchem Punkt Jonas und sie sich verloren hätten. Natürlich war sie eher selten bei öffentlichen Terminen mit dabei. Aber sie hatte nie das Gefühl, dass es Jonas störte oder er mehr von ihr erwartet hätte. Sie verbrachten seit der Wahl noch weniger Zeit miteinander. Jonas ging früh morgens und kam meistens erst zurück, wenn alle im Haus schon schliefen. Sie sprachen nicht mehr viel miteinander. Dinge wurden überwiegend am Telefon zwischen zwei Terminen abgeklärt. Jana erzählte Jonas immer weniger von ihrem Leben. Sie dachte, es wäre nicht interessant genug für ihn. Vielleicht hätten sie mehr reden müssen. Das wurde Jana jetzt bewusst. Ihr verstorbener Vater hatte ihr das mit auf den Weg gegeben. „Hört nie auf, miteinander zu sprechen, dann wird eure Ehe gut“, flüsterte er ihr damals bei der Hochzeit ins Ohr. Aber ihnen fehlte einfach die Zeit. Sie war nicht nur seine Ehefrau, sondern auch die Mutter seiner Kinder, seine Partnerin, seine Beraterin und seine Geliebte. Was hatte sie übersehen? Sie suchte Antworten auf ihre Fragen. War es einfach so, wie bei vielen anderen Paaren, man lebte nebeneinander her und plötzlich kam da eine andere Person – jemand zeigte Interesse, hörte dir wieder zu, fand dich attraktiv, man lernte sich kennen und in einer schwachen Stunde war es so weit – Jana konnte es sich vorstellen. Welche verheiratete Person kannte diese Situation nicht? Oder hatte Jonas eine Midlife-Crisis? Wollte er noch mal Schmetterlinge im Bauch? Aber eine Ehe, eine Familie dafür aufgeben? Sie fand den Sinn nicht.
Als alle sich halbwegs beruhigt hatten, versuchte Jana, ihren Kindern zu erklären, dass ihr Papa nur sie als Partnerin verlassen würde, Luis und Elli natürlich nicht. Beide Kinder waren aber alt genug, um die Folgen einer Trennung, die sie im Freundeskreis schon bei so vielen anderen Eltern erlebt hatten, richtig einzuschätzen. Fragen sprudelten aus ihnen heraus. „Warum?“, fragten sie Jonas. „Wer ist deine neue Frau? Wie lange wohnst du noch bei uns? Wie oft können wir dich sehen, wenn du nicht mehr hier bist?“ Jonas sagte nichts. Er biss die Zähne aufeinander. Jana konnte es in seinem Gesicht lesen. Sie erkannte, dass er fast körperliche Schmerzen verspürte, seine Kinder in diese familiäre Katastrophe geschickt zu haben. Als er das Leiden und das Schweigen nicht mehr länger aushielt, packte er ein paar Sachen und verließ das Haus.
Spät nachts, als die Kinder schliefen, schrieb Jana eine SMS an Alex. Mit ihm hatte sie eine jahrelange Beziehung, lange bevor sie ihren Mann heiratete. „Bist du noch wach?“, tippte sie in ihr Handy. „Ja“, kam kurz darauf die Antwort. „Können wir telefonieren? Oder bist du nicht im Land?“, schrieb sie in den Chat. Es dauerte keine Minute, da klingelte ihr Handy. „Jana, was ist los?“, erkundigte sich Alex bei ihr. Kaum verständlich stammelte Jana: „Jonas hat sich heute von mir getrennt“, und fing an zu weinen. „Mein Gott, Jana, das tut mir so leid“, versuchte Alex sie zu trösten. Geduldig hörte er sich Janas Geschichte an, zeigte Verständnis, fragte nach den Kindern, sprach beruhigend auf Jana ein. Über zwei Stunden telefonierten die beiden miteinander. Manchmal hatte Jana das Gefühl, sie könnte nicht mehr weitersprechen, weil es ihr die Kehle zuschnürte. Sie heulte, wie sie es noch nie in ihrem Leben getan hatte. Jana erzählte zum Teil mit stotternder, sich überschlagender Stimme und zwischendurch wurde sie von Heulkrämpfen unterbrochen. Alex hörte ihr zu, ließ sie sprechen und versuchte, seine vollkommen aufgelöste Ex-Freundin zu trösten. Am Ende des Gespräches war Janas Stimme heiser und sie klang nicht nur erschöpft und müde, sondern war es auch. Das Letzte, um das sie Alex bat, war, das Gespräch vertraulich zu behandeln. „Bitte erzähl auch deinem Vater nichts davon. Ich möchte nicht auch noch, dass in den nächsten Tagen etwas in der Zeitung darüber steht.“
George Washington
Es war mitten in der Nacht, vier Uhr morgens, um genau zu sein, und ich wurde vom Klingeln meines Telefons geweckt. Verschlafen tapste ich mit einer Hand auf meinem Nachttisch herum, um das laut läutende Teil zu finden. Meine Frau schlief tief und fest neben mir. Konnte es mein Arbeitgeber sein? Ich war Journalist bei der Regio-Press in Regensburg. Natürlich hatte ich oft außergewöhnliche Arbeitszeiten, aber um diese Uhrzeit rief selbst mein Chefredakteur nicht an. Rummel, Georg Rummel, meldete ich mich noch im Halbschlaf. „Papa“, hörte ich leise eine Stimme am anderen Ende der Leitung. Es war mein Sohn, der sich aus beruflichen Gründen seit zwei Wochen in Australien aufhielt. Er hieß Alex. Nach seinem Abitur wollte er sein Hobby erst einmal zum Beruf machen. Seit seiner Kindheit sprach er von nichts anderem. Als er die Chance bekam, nutzte er sie, vielleicht würde es ja klappen. Zumindest für eine gewisse Zeit, studieren konnte er später noch immer. Alex war Playing Pro oder, um es einfacher auszudrücken, Golf-Profi. Aus diesem Grund war er auf der ganzen Welt unterwegs, spielte Turniere und verdiente sein Geld als Sportler. Ich war mächtig stolz auf ihn. Er hatte eine feste Beziehung, seit fast vier Jahren, und lebte mit seiner Freundin zusammen. Das Mädel, wie ich sie heimlich nannte, arbeitete in Regensburg. Neben ihrem Beruf machte sie ein Abendstudium und zeitgleich den Bankfachwirt. Einerseits, weil sie sich beruflich weiterbilden wollte, und andererseits, weil Alex aufgrund seiner Karriere oft nicht im Land war. Die freie Zeit wollte sie sinnvoll nutzen. Wenn sie Urlaub hatte, flog sie Alex zu den jeweiligen Turnieren nach. Auch am Vortag war sie aufgebrochen, um mit Alex zwei Wochen in Australien zu verbringen.
Bei meinem Sohn am anderen Ende der Welt war es Nachmittag. Schlaftrunken fragte ich ihn: „Weißt du eigentlich, wie spät es bei uns ist?“ Meine nächste Frage schloss ich gleich an: „Hast du Jana schon vom Flughafen abgeholt?“ „Jana ist schon wieder abgeflogen“, erwiderte mein Sohn mit zitternder Stimme. „Abgeflogen?“, erkundigte ich mich bei ihm. „Jana hat Schluss gemacht mit mir, sie hat einen anderen“, brachte mein Sohn mit bebender Stimme hervor. Seine Antwort ließ mich auf einen Schlag wach werden.
Mittlerweile war die Beziehung zwischen meinem Sohn und Jana über 20 Jahre her. Beide hatten ihr Glück bei anderen Partnern gefunden, waren verheiratet und hatten Kinder. Trotzdem pflegten sie ein freundschaftliches Verhältnis zueinander. Wann immer sie sich trafen, sprachen sie über die Verrücktheit von Jana, die 24 Stunden nach Australien flog, die langjährige Beziehung zu meinem Sohn beendete und den nächsten Flieger wieder zurück in Richtung Heimat nahm. Sie erinnerten sich an die schöne gemeinsame Zeit. An die Reisen, durch die ganze Welt, und zwischenzeitlich lachten sie beide über die Tragödie, die Jana damals ausgelöst hatte.
Alex hatte seine Sportlerlauf bahn aufgegeben, aber ich arbeitete noch immer für die hiesige Regio-Press als Journalist. Eigentlich am liebsten für den Sportteil unserer Zeitung. Aber ab und an auch im Boulevard. Insbesondere, wenn mich die Personen interessieren. Und Jana interessierte mich in diesem Fall aus ganz persönlichen Gründen. Ich erinnerte mich gerne zurück an die Zeit, als sie an der Seite meines Sohnes war. Sie war ein tolles junges Mädchen, hübsch, mit weiblichen Rundungen. Brünettes leicht gewelltes Naturhaar. In einer Fülle, die ich bis dahin noch nicht oft gesehen hatte. Auch ohne Schminke – denn sie schminkte sich im Gegensatz zu anderen jungen Damen fast nie – war sie eine schöne junge Frau. Sie hatte keine Modell-Figur, aber eine ansprechende, und sie hatte Manieren. Meine Frau und ich hatten insgeheim gehofft, sie würde mal unsere Schwiegertochter werden. Aber leider hat es nicht geklappt.
Viele Jahre waren seitdem ins Land gezogen. Etliches war passiert und meine Pensionierung stand in ein paar Jahren an. Im Ruhestand wollte ich auch reisen, mir die Welt anschauen. Die vielen schönen Orte, von denen mir mein Sohn erzählt hatte und die ich bisher fast ausschließlich von seinen Fotos kannte. Gemeinsam mit meiner Frau wollte ich die entlegensten Ecken der Erde erkunden. Italien kannte ich bereits, denn bevor ich Journalist wurde, war ich im Einkauf für Modedesigner tätig. Florenz, Mailand und Turin waren sozusagen meine zweite Heimat gewesen. Städte, die ich aufgrund meiner früheren Tätigkeit oft besuchte, kannte ich sie doch wie meine Westentasche.
Mein Faible für Kleidung, das ich als Einkäufer entwickelt hatte, war mir auch in meinem Alter nicht abhandengekommen. Ich legte natürlich – nach wie vor – viel Wert auf mein Äußeres. Für mein Alter attestierte man mir, würde ich gut aussehen. Immer schick gekleidet, eher ein nordischer Typ, helles, mittlerweile etwas ergrautes Haar. Groß, gut gebaut, bis auf den Bauchansatz, der zu meinem Bedauern von Jahr zu Jahr an Umfang zunahm. Nein, ich war nicht dick, aber man konnte die Wölbung unterhalb meiner Rippen mittlerweile deutlich erkennen. Es lag vielleicht an der guten italienischen Küche, der ich nicht abgeneigt war. Aber im Alter ist das halt so, Essen setzt eben an. Für einen 62-Jährigen – würde ich sagen – sah ich noch ganz gut aus.
In all diesen Gedanken versunken ging ich durch die sogenannte nördlichste Stadt Italiens und überlegte mir, wie es Jana nach der Trennung von ihrem Mann wohl gegangen war. Ich hatte sie schon länger nicht mehr gesehen und dachte gerade in letzter Zeit oft an sie. Die Schlagzeilen in der Zeitung waren damals groß: „Wolters trennt sich von seiner Ehefrau“, lautete die Titelseite auf einer wöchentlich erscheinenden Zeitung. Mein Verlagshaus hatte nur eine kleine Randnotiz gebracht. In der Redaktion hatten wir beschlossen, nicht groß über die Trennung zu berichten. Die Kollegen im Verlagshaus und ich waren der Meinung, es sei zu privat. Darüber war ich sehr froh, konnte ich mich doch in Jana hineinversetzen. Mein nächster Termin war erst in einer Stunde, und so dachte ich weiter über Jana und ihren Lebensweg nach.
Meine Frau und ich waren fast Nachbarn der Familie Wolters. Nachdem Jana ihren Mann Jonas Wolters kurz vor der Jahrtausendwende geheiratet hatte, zogen sie in das Mietshaus in der Siedlung am Ziegetsberg im Süden von Regensburg, ein paar Straßen von unserer Wohnung entfernt.
Sie mochten diese Gegend, im Grünen und trotzdem stadtnah. Der Garten war nicht groß, reichte ihnen aber. Jonas und Jana pflegten den Garten gemeinsam und waren froh, nicht eine größere Fläche bearbeiten zu müssen. Ihr Haus war funktionell eingerichtet. Es war gemütlich, nicht wie aus dem Katalog; sie hatten ihren ganz eigenen Stil verwirklicht. Kurz nach ihrer Hochzeit kam ihr Sohn Luis zur Welt, zwei Jahre später ihre Tochter Elli. Jana liebte ihre Kinder und genoss es, Mutter zu sein. Trotzdem arbeitete sie nach der Geburt beider Kinder halbtags wieder in ihrem Beruf. Sie hatte viel Zeit in ihre Ausbildung gesteckt, sich alles auf dem zweiten Bildungsweg erarbeitet. Zuerst in der Hauptschule, später hatte sie ihren Realschulabschluss nachgemacht, für eine kurze Zeit im elterlichen Betrieb gejobbt, um dann eine Lehre zur Bankkauffrau abzuschließen. Sie bildete sich weiter, hängte den Bankfachwirt und ein Abendstudium in Betriebswirtschaft an. Das Studium hatte sie damals angefangen, als sie mit meinem Sohn liiert war, deswegen kannte ich ihren beruflichen Werdegang. Ihr Mann Jonas Wolters arbeitete als Geschäftsführer eines Unternehmens im Kulturbereich. Zusätzlich engagierte er sich in einer Partei. Für diese war er auch schon längere Zeit im Stadtrat. Er war ambitioniert, wollte etwas verändern – ein Macher-Typ. Es war sein Traum, in seiner Heimatstadt ein politisches Amt zu übernehmen, am besten das des Oberbürgermeisters. Jonas war ein guter Redner, auf den ersten Blick wirkte er zwar auf manche Menschen arrogant, er war es aber nicht. Spätestens nach ein paar Worten mit ihm wusste man, er kann zuhören, er nahm die Probleme anderer ernst und versuchte, sie zu lösen. Neben der Politik war Jonas Wolters große Leidenschaft der Fußball. Früher hatte er selbst in jeder freien Minute gespielt und auch sein Sohn Luis spielte mittlerweile. Das war eine Leidenschaft, die mich mit Jonas und Luis verband.