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Zum Buch

Mit seiner beliebten Kolumne »Früher war alles schlechter« zeigt Guido Mingels den SPIEGEL-Lesern jede Woche aufs Neue, warum es der Welt trotz Kriegen, Krankheiten und Katastrophen immer besser geht. Ob er die Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria betrachtet (die auf dem Rückzug sind), die Häufigkeit von Fahrraddiebstählen oder Teenagerschwangerschaften (die ebenfalls zurückgehen) oder den weltweiten Zugang zu Toiletten (den rund um den Globus immer mehr Menschen haben) – anhand einer Fülle überraschender Beispiele und vieler einprägsamer Grafiken beweist Guido Mingels auch in seinem neuen Kolumnenband, dass es keinen Grund für die verbreitete Weltuntergangsstimmung gibt.

Zum Autor

Guido Mingels, 1970 in Luzern geboren, hat Germanistik, Linguistik und Philosophie in Bern und Frankfurt a. M. studiert und ist seit Sommer 2018 der San Francisco-Korrespondent des SPIEGEL. Zuvor hat er für verschiedene deutschsprachige Medien gearbeitet, darunter »Geo«, »mare« und den »Tagesspiegel« und war stellvertretender Redaktionsleiter des Magazins des »Tagesanzeigers« in Zürich sowie später dessen New-York-Korrespondent. Von 2012 bis 2018 war er Reporter und stellvertretender Leiter des Gesellschaftsressorts des SPIEGEL in Hamburg. Seit 2016 veröffentlicht er dort die beliebte Kolumne »Früher war alles schlechter«, das gleichnamige SPIEGEL-Buch bei DVA wurde 2017 ein Bestseller.

Guido Mingels

Früher war alles schlechter 2

Neue Fakten, warum es uns
trotz Kriegen, Krankheiten und Katastrophen
immer besser geht

Mit Grafiken von
Michael Walter

und Beiträgen von
Uwe Buse, Maik Großekathöfer, Barbara Hardinghaus, Maren Keller, Dialika Neufeld, Claas Relotius, Alexander Smoltczyk, Jonathan Stock, Takis Würger und Bernhard Zand

Deutsche Verlags-Anstalt

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Die Infografiken dieses Buches sind von 2017 bis Sommer 2018 erstmals im SPIEGEL erschienen und wurden, ebenso wie die Begleittexte, für das Buch überarbeitet.
Copyright © 2018 Deutsche Verlags-Anstalt, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München, und
SPIEGEL-Verlag, Hamburg, Ericusspitze 1, 20457 Hamburg
Umschlag: Büro Jorge Schmidt, München
Umschlagmotiv: DER SPIEGEL, Hamburg
Gestaltung und Satz: DVA / Andrea Mogwitz
Gesetzt aus der Adobe Garamond
ISBN 978-3-641-23255-9
V002
www.dva.de

Inhalt

Vorwort

1 Umgang mit Tieren

2 Malaria

3 Zufriedenheit

4 Namensvielfalt

5 Abtreibungen

6 Fitness im Alter

7 Meerwasserentsalzung

8 Globales Kindermaximum

9 Theaterinszenierungen

10 Ebola

11 Fremdsprachenkompetenz

12 Zugang zu Toiletten

13 Morde an Kindern

14 Binationale Ehen in Deutschland

15 Europas Staaten im Krieg

16 Zeit mit Kindern

17 Zahl der Vereine

18 Unfälle an Bahnübergängen

19 Mütter im Teenageralter

20 Lebenserwartung

21 Arbeitsunfälle

22 Schulbildung

23 Arbeit in der Landwirtschaft

24 Geldüberweisungen von Migranten

25 Kindesmissbrauch

26 Afrikanische Geburtenraten

27 Fahrradbestand

28 Brandtote

29 Stadtluft

30 Jugend und Alkohol

31 Wasserverbrauch

32 Fußball

33 Sauberes Wasser

34 Frauen und Macht

35 125 Jahre Rolltreppe

36 Müttersterblichkeit

37 Mord und Totschlag

38 Wohlstand in China

39 Autoklau

40 Kleinstaaterei

41 Gemüsekonsum

42 Schulbildung für Mädchen

43 Tischmanieren

44 Scheidungshäufigkeit

45 Öffentliche Entschuldigungen

46 Kalorien pro Kopf

47 Krebsmortalität

48 Fahrraddiebstähle

49 Verbreitung von Handys

50 Alkohol am Steuer

51 Genitalverstümmelung

52 Hygiene

53 Skihelme

54 Zugang zu Elektrizität

55 Schusswaffenkriminalität

56 Sozialausgaben

57 Blitztote

58 Abhängigkeit von Entwicklungshilfe

59 Demokratie / Autokratie

60 Kohlefördermaximum

61 Todesopfer bei der Bundeswehr

62 Tankerunglücke

63 Familiengröße

Quellen

Dank

Vorwort

Sagen, was gut ist

Es gab kürzlich einen hübschen Cartoon, der im Netz rumging: Eine Frau und ein Mann gehen missmutig die Straße entlang, und sie sagt zu ihm: »Mein Bedürfnis, gut informiert zu sein, kollidiert derzeit mit meinem Bedürfnis, nicht den Verstand zu verlieren.«

So geht es vielen Menschen. Auf allen Kanälen erreichen uns Bilder und Nachrichten aus einer Welt, die aus den Fugen zu geraten scheint. Internet, Zeitungen und Fernseher umstellen die Öffentlichkeit fast lückenlos mit schlechten Nachrichten. Es gibt Krieg in Syrien, im Jemen, im Sudan, Terroristen töten Unschuldige in Nizza, in Paris, in Berlin. Menschen verhungern, Krankheiten wüten, Naturkatastrophen brechen los, Flüchtlinge ertrinken im Mittelmeer. In den USA dreht Donald Trump jeden Tag das Rad der Zivilisation ein Stück zurück, die Briten verlassen Europa, die Türkei wird zur Diktatur umgebaut, geopolitische Ordnungen wanken. Kein Wunder, dass die Gegenwart, auch in Deutschland, stark von Ängsten geprägt ist: Angst vor politischen Umwälzungen, vor Migranten, vor dem sozialen Abstieg, vor drohenden neuen Kriegen. Vor unsicheren Zeiten.

Aber diese Perspektive offenbart nur einen Teil der Wirklichkeit. Es ist die Diagnose des Augenblicks, und sie beschränkt sich auf das, was schiefgeht.

Das dunkle Bild der Welt, das die Medien zeichnen, ist deshalb oft eindimensional, es fehlt ihm zum einen an zeitlicher Tiefe, es fehlt die Antwort auf die Frage: An welchem Punkt welcher langfristigen Entwicklung stehen wir hier? Wie sah die Sache vor einem, vor zehn, vor 50 Jahren aus? Zum anderen fehlt es an inhaltlicher Breite, weil der öffentliche Diskurs sich auf das Scheitern konzentriert und kaum jemand vom Gelingen spricht, von Lösungen, vom Erfolg. Wir suchen das Haar in der Suppe und übersehen dabei die Suppe selbst.

Dieses Buch, der zweite Sammelband der wöchentlichen SPIEGEL-Rubrik »Früher war alles schlechter«, handelt vom langfristigen Fortschritt des Menschen und stellt seine Erfolgsgeschichten in kurzen Texten und illustrativen Grafiken dar. Denn so sieht es auf der Welt in Wahrheit aus: Die Gesundheit verbessert sich, in vielen Ländern auf dramatische Weise. Die Lebenserwartung steigt. Die Kindersterblichkeit sinkt, fast überall. Der Wohlstand nimmt zu, auch fast überall. Die Geburtenraten nehmen ab, ebenso wie die Müttersterblichkeit. Die Armut wird weniger, sie ist in den letzten 50 Jahren stärker zurückgegangen als in den 500 Jahren davor. Die Bildung verbessert sich, vier von fünf Menschen können heute lesen und schreiben. Die Kriegstoten werden weniger, die Mordraten sinken, die Gewalt nimmt ab. Krankheiten verschwinden, Impfquoten steigen. Der Wald wächst. Der Hunger schwindet. Die Arbeitszeit schrumpft. Es gibt weniger Opfer von Naturkatastrophen, weniger Aids-Tote und weniger arbeitende Kinder. Immer mehr Menschen haben Zugang zu sauberem Trinkwasser, zu Elektrizität, zum Internet, zu Mobilfunk. Immer weniger Menschen sind der Ansicht, dass Frauen ihren Männern untertan sein sollen, dass Homosexualität des Teufels ist, dass Kinder geschlagen werden dürfen, dass Tiere keine Rechte haben. Die Deutschen trinken weniger Alkohol, rauchen weniger, bringen sich seltener um und verunglücken seltener auf der Straße.

Das ist alles ziemlich beeindruckend und Anlass zu Freude und Hoffnung. Aber leider ist der Mensch mit schlechten Nachrichten viel besser zu erreichen als mit guten. »Aus Gründen, die ich niemals verstanden habe«, so hat die amerikanische Ökonomin Deirdre McCloskey einmal verwundert festgestellt, »lieben es die Leute, wenn man ihnen sagt, dass die Welt zum Teufel geht.« Es liegt ein böser pessimistischer Zirkel vor, aus dem schwer zu entkommen ist: Die Nachfrage nach schlechten Nachrichten, oder unsere menschliche Schwäche dafür, ist groß, ist mächtig – und darauf hat sich das Angebot eben eingestellt. »Bad news sells«, so lautet das noch immer wichtigste Gebot nicht nur der Medien, sondern des gesamten Gesellschaftsgesprächs. So scheitern Medien, Politik und Öffentlichkeit gemeinsam an einer umfassenden, also einer realistischen Darstellung der Wirklichkeit. Wir machen uns alle gegenseitig die Welt mies, weil wir es nicht anders wollen.

Die »Washington Post« hat sich vor einiger Zeit einen neuen Leitspruch unter ihr Logo geschrieben, »Democracy Dies in Darkness«, eine Kampfansage an die Feinde der Aufklärung in der Trump-Ära. Das ist, auch wenn es etwas pathetisch klingt, gut so, denn es ist notwendig. Aber der Satz von der Demokratie, die in der Dunkelheit stirbt, verschleiert gleichzeitig, dass es oft die Medien selbst sind, die für mangelnde Sichtbarkeit sorgen: indem sie weite Teile der Wirklichkeit gar nicht erst ins Bild rücken. Damit sind nicht die dunklen Ecken der Realität gemeint, da wird hingeleuchtet, und das braucht es auch. Gemeint sind die hellen Flächen. Da, wo es gut ist, und wo der Fortschritt weitergeht. Also da, wo die meisten Menschen leben.

Die Unfähigkeit oder der Unwille, über Fortschritte und Lösungen zu berichten, sind eine Form der Lüge: Es ist die Lüge des unvollständigen Bilds. Das ist nicht die »Lügenpresse«, wie sie die AfD und die Pegidisten und die Trumps und Erdoğans der Welt verschreien. Es gibt keine Lügenpresse, jedenfalls nicht in reifen Demokratien wie Deutschland. Es gibt kein planvolles Wegschauen von echten Problemen in den Medien, kein strategisches Verschweigen. Und es gibt bestimmt keine Unterrepräsentiertheit von Problemen in der öffentlichen Debatte. Aber was es gibt, ist ein Mangel an Informationen über positive Entwicklungen.

In der »New York Times« haben David Bornstein und Tina Rosenberg, zwei Autoren des NYT-Blogs »Fixes«, der sich mit Lösungen für soziale Probleme beschäftigt, diese schwere informationelle Schieflage mitverantwortlich gemacht für den Aufstieg Donald Trumps. »Jahrzehntelang«, so schreiben Rosenberg und Bornstein, »hat der Journalismus durch seinen permanenten Fokus auf Probleme und vermeintlich unlösbare Missstände den Boden bereitet, auf dem Trumps Saat aus Unzufriedenheit und Unbehagen aufgehen konnte.« Dieser Vorwurf gilt natürlich auch diesseits des Atlantik, und man darf ihn ruhig breiter adressieren als nur an die Presse: Auch Machthaber und Machtaspiranten, auch Behördensprecher, auch Wissenschaftler, Talkshowgäste, Internetkommentatoren, Interessenvertreter von Vereinen, Verbänden und Kirchen, Kulturschaffende, selbst Nachbarn am Zaun beim Schwatz nähren gern giftige Gerüchte, suchen wunde Stellen, schlagen dauernd wegen irgendetwas Alarm im ewigen menschlichen Gerangel um Aufmerksamkeit.

Bitte nicht falsch verstehen: Der kritische Blick auf die Verhältnisse ist notwendig, er ist unerlässlich, er ist eine Bedingung für den Fortschritt. Aber durch die ungeheure Dominanz dieser negativen Perspektive entstehen Zerrbilder der Realität.

Wie dem entgegenwirken? Es ist ganz einfach, es ist sehr schwer: Nötig ist eine alternative, eine zusätzliche Interpretation des alten Mottos des SPIEGEL-Gründers Rudolf Augstein, das heute im Foyer des SPIEGEL-Gebäudes hängt, in stählernen Lettern auf Stein: »Sagen, was ist«. Zu häufig, zu ausschließlich wird der Satz auf allen Seiten verstanden als »Sagen, was schief läuft« oder »Vermuten, was demnächst schiefgehen könnte«. Aber wer heute sagen will, was ist, muss auch sagen, was gut ist. Muss sagen, was besser geworden ist und warum. Muss sagen, was früher schlechter war.

Nämlich fast alles.

Früher war alles schlechter 2

1 Umgang mit Tieren

Wir sind auch nur Trockennasenaffen