GEMÜSE, GETREIDE UND HÜLSENFRÜCHTE
SABICH, SARMA UND MEHR
›Barak Yehezkeli – Burek – »Der neugierige Koch«
›Kobi Rubin – Taxifahrer und Foodblogger – »Der Navigator«
›Shira Petel und Shiri Assa – Shaffa – »Die ›Nicht–Geschäftsfrauen‹«
›Ariel Rosenthal – HaKosem – »Der Zauberer«
›Heela Harel – Künstlerin und Wiederverwerterin – »Die urbane Pflanzensammlerin«
NENIS GRUNDBAUKASTEN
WAS WIR IMMER ZU HAUSE HABEN
›Zack Bar – Restaurant Port Said/Teder Group – »Die Trendsetter«
›Ronit Vered – Haaretz – »Die Journalistin«
›Asaf Doktor – Dok – »Der Purist«
FISCH
AUS DEM MITTELMEER AUF DEN TISCH
›Yael und Keren Stellegofen – Habanot Ohevot Ochel – »Die Künstlerinnen«
›Saado Zeinab und Gili Sassower – »Der Fischer und der Schriftsteller«
›Maoz Alonim und Itai Hargil – HaBasta – »Die Epikureer«
›Ruti Broudo – R2M – »Die Ästhetin«
FLEISCH
VON SHAWARMA BIS CURRY
›Yaron Kestenbaum und Jonathan Borowitz – M25 – »Die ethischen Fleischesser«
›Arie Habshush – Arie Habshush Spices Herbs Ltd – »Der Gewürzhändler«
›Elram Shrefler – Azura Tel Aviv – »Der Traditionsbewusste«
›Mati Landstein – Mati Matalon 41 – »Der Überlebenskünstler«
SÜSSES
FRÜCHTE, EIS UND ZUCKRIGES GEBÄCK
›Aner Zalel – Dallal Bakery – »Der Philosoph«
›Benny Briga – Café Levinsky 41 – »Der Alchemist«
›Naama Szterenlicht, Aviram Katz, Jessy Bodec – »Die Sommeliers«
Mein Name: Haya Molcho
Ich bin: Die Seele der Firma
Mein Lieblingsplatz in Tel Aviv: Shuk HaCarmel – der Carmel Market
Mein Lieblingsessen: Auberginen aus dem Holzofen (S. 36)
Meine Tel-Aviv-Story: Das meistverwendete Wort während der Produktion des Buches war »Yalla« – kurz für: Wir müssen fertig werden!
Mein Name: Elior Molcho
Ich bin: General Manager, Projektmanager und verantwortlich für das Personalmanagement
Mein Lieblingsplatz in Tel Aviv: Teder (S. 96)
Mein Lieblingsessen: Sabich (S. 84)
Meine Tel-Aviv-Story: Ich habe eine tolle Zeit mit meiner Familie in Israel verbracht – dort, wo der Ursprung unserer Küche liegt. Ich freue mich, dass auf diesem Weg noch mehr Leute die tollen Seiten Tel Avivs zu sehen bekommen.
Mein Name: Nuriel Molcho
Ich bin: PR- & Marketingleiter sowie Fotograf dieses Buches
Mein Lieblingsplatz in Tel Aviv: Der Markt von Jaffa zum Frühstücken und die Promenade für Spaziergänge im Sonnenuntergang.
Mein Lieblingsessen: Sabich (S. 84), ein klassisches Street-Food-Gericht. Für mich beinhaltet jeder Bissen den vollen Geschmack Israels – ich bestelle es immer mit viel Amba und Zhug.
Meine Tel-Aviv-Story: Ich hab es am meisten genossen, viel Zeit in Tel Aviv zu verbringen. Oft reise ich nur schnell ein und wieder aus. Diesmal konnte ich mich einleben und richtig zu Hause fühlen.
Mein Name: Ilan Molcho
Ich bin: CEO & CFO
Mein Lieblingsplatz in Tel Aviv: Port Said (S. 96)
Mein Lieblingsessen: Oktopussalat mit Sellerie, Orangen und Kartoffeln
Meine Tel-Aviv-Story: Am meisten habe ich die Spontaneität geliebt. Als wir an einem der letzten Tage eine kleine Party in der Küche organisiert haben, hat jeder ein paar Freunde eingeladen. Diese Freunde haben weitere Freunde mitgebracht. Plötzlich standen 200 Menschen vor der Küche und haben bis 3 Uhr früh mit uns gefeiert. So soll es sein. Chaotisch, sympathisch, gute Menschen, gutes Essen, viel Tanzen.
Einfach BALAGAN!
Mein Name: Nadiv Molcho
Ich bin: Ein »N« in NENI und Filmemacher
Meine Lieblingsplatz in Tel Aviv: Bell Boy und Frishman Beach
Mein Lieblingsessen: Pita Shawarma
Meine Tel-Aviv-Story: Ich habe die ganzen Interviews und auch behind the scenes gefilmt – so ist der Buch-Trailer entstanden.
Die Stimmung einer jeden Stadt entsteht durch die Erinnerungen und Träume der Menschen, die in ihr leben, durch ihre Hoffnungen, Sorgen, Erfolge und Chancen, ebenso wie durch Klänge und Düfte – das gilt ganz besonders für Tel Aviv. Schon im Namen findet sich viel Poesie: »Tel« erinnert an alte Hügel, an Überreste von Jahrtausenden, »Aviv« steht für Frühling und Neuanfang. An kaum einem Ort ist das Mosaik, aus dem sich das Stadtbild zusammensetzt, so vielfältig und voller Kontraste wie hier. In Tel Aviv trifft sich die Welt, hier vereinen sich Kulturen, Traditionen und neue Impulse.
Wir haben uns für dieses Buch gemeinsam auf eine Entdeckungstour durch Tel Aviv gemacht; wir lieben das Zusammenspiel von regionalen kulinarischen Wurzeln und neuen Ideen, die wir hier ganz besonders spüren. Auf den Märkten Tel Avivs herrscht lautes Treiben, jemenitische, türkische und irakische Angebote existieren nebeneinander, in den Restaurants wird die Mischung der kulinarischen Einflüsse aus der ganzen Welt auf den Tisch gebracht. Streetfood ist allgegenwärtig und vereint Menschen durch die einladende Geste, Essen in die Hand gereicht zu bekommen. In dieser lebendigen Gemeinschaft haben wir Gesprächspartner gefunden, die mit uns offen über ihr Leben gesprochen haben.
Zwei Wochen lang haben wir im Rhythmus der Stadt gelebt. Alle Gerichte wurden hier gekocht, die Zutaten auf den Märkten frisch eingekauft, unsere Interviewpartner an den Orten, an denen sie leben und arbeiten, getroffen. Wir durften einen arabischen Fischer der achten Generation, der mit seinem jungen jüdischen Kollegen die besten Restaurants der Stadt beliefert, auf seinem Trawler besuchen. Wir waren mit einem bloggenden Taxifahrer unterwegs. Wir wurden in einer traditionellen Bäckerei von usbekischen Einwanderern genauso willkommen geheißen wie in einer stilvollen Patisserie, die ebenso auch in Paris zu finden sein könnte. In all dem fanden wir etwas von der Eigenheit dieser wunderbaren Stadt und haben historische und soziologische Einblicke in die kulinarischen Traditionen und neuen Trends erhalten.
Tel Aviv ist auch die Stadt, in der Haya geboren und aufgewachsen ist. Aus ihren ersten Kindheitsjahren erinnert sie sich besonders an die farbenfrohen Straßenstände, auf denen sich Sabres, Kaktusfrüchte, auf einem Bett von Eisblöcken als süße Erfrischung türmten. Oder an Tiras, Maiskolben, die über offenem Feuer am Strand gegrillt wurden. Erinnerungen an frühe Jahre in Tel Aviv sind auch bei Samy, Hayas Ehemann und lange Jahre berühmter Pantomime, noch sehr lebendig. Vor achtzig Jahren wuchs er im trockengelegten Sumpf an der Grenze zu Jaffa auf, sah, wie die »Weiße Stadt« auf der anderen Seite entstand. Er erinnert sich an den Geruch der Erde am Schabbat, als die Straßen mit Wasser besprenkelt wurden, an die Wellen der Einwanderer, die seit über sechzig Jahren ihre eigene Kultur und Küche mitbringen. In den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts kamen viele Menschen aus Deutschland und dem übrigen Europa, später aus dem Jemen, Irak und anderen arabischen Ländern, dann aus Russland und Äthiopien. Jede Gruppe brachte auch ihre Künstler, Sänger, Schauspieler nach Tel Aviv. Heute sendet die Stadt künstlerische Impulse in die ganze Welt. So ist und bleibt dieser Ort eine unversiegbare Inspirationsquelle; immer wieder kehren wir hierhin zurück.
Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen NENI und den Menschen aus Tel Aviv, die wir beschreiben. Wir sind spontan, risikofreundlich, neigen zur Improvisation und verwerten ständig neue Erfahrungen. Das NENI ist ein Familienunternehmen: 2009 gründeten wir unser erstes Restaurant am Wiener Naschmarkt; die Anfangsbuchstaben der Vornamen aller vier Söhne Hayas – Nuriel, Elior, Nadiv, Ilan – bilden das Wort NENI. Mit dem NENI kam eine besondere und unverwechselbare kulinarische Note nach Wien, eine unbekümmerte Mischung aus mediterraner und levantinischer Esskultur. Wir alle steuern unsere Talente zum Unternehmen bei und sind im ständigen Austausch miteinander. Mittlerweile ist NENI eine europaweite Marke mit Restaurants, einer Kochschule, einer eigenen Produktlinie – und Kochbüchern. Bei aller Expansion sind wir jedoch eine ungezwungene Gruppe von Menschen geblieben, die die enge Zusammenarbeit und den Austausch von Ideen schätzt.
Während unserer Zeit in Tel Aviv besuchten wir Restaurants und die Menschen dahinter. Dabei waren Leidenschaft und Kreativität unsere Auswahlkriterien. Wir portraitieren »klassische« Restaurants, stellen aber auch einen weiteren, immer größer werdenden Trend in dieser Stadt vor: Restaurants und Arbeitsplätze, die den traditionellen Definitionen trotzen. Pop-ups, gegründet von jungen Menschen, die kein Geld für die Renovierung und Aufrechterhaltung eines großen Gastraumes haben, vielleicht auch nicht bereit sind, ihr Privat- und Familienleben den harten Gesetzen der Gastronomie zu opfern. Stattdessen eröffnen sie Restaurants auf Zeit, in der eigenen Wohnung, als Bestandteil einer Kulturveranstaltung oder als Gemeinschaftsprojekt mit anderen Köchen und Köchinnen. Manchmal entwickelt sich daraus mehr und das Restaurant bleibt dauerhaft an einem Ort, manchmal ziehen die Protagonisten weiter zum nächsten Projekt. Allen gemeinsam ist jedoch die Hingabe und Leidenschaft für das, was sie tun. Auch wir waren Teil dieser neuen Szene und durften im Burek (S. 24) unser Restaurant auf Zeit eröffnen.
Nachdem alle Gerichte gekocht und fotografiert waren, alle Interviews geführt und alle Orte besucht, haben wir die Menschen, die an diesem Buch beteiligt waren, eingeladen, um gemeinsam mit ihnen zu feiern und ihnen zu danken: Freunde, Familienmitglieder und diejenigen, die so bereitwillig ihre Küchen und Herzen geöffnet, sich für uns Zeit genommen haben und die wir für dieses Buch portraitieren durften. Das Burek platzte an diesem Abend aus allen Nähten, Essen wurde geteilt, Menschen trafen einander zum ersten Mal, neue Ideen entstanden, es gab Musik und Drinks bis spät in die Nacht.
Niemand musste hier besonders zum Reden ermutigt werden – sobald Menschen gemeinsam an einem Tisch sitzen, wird nicht nur das Essen geteilt, sondern auch Ideen, Geschichten, Meinungen und Rezepte. Es wurde gekocht, gebacken, verkostet und sich humorvoll über das Leben Gedanken gemacht. Das ist das Lebensgefühl, das wir für euch in diesem Buch eingefangen haben und in euer Zuhause bringen wollen. Und wir glauben, dass Tel Aviv, diese sich ständig ändernde Stadt, auf ganz besondere Art in den Rezepten, Geschichten und Erinnerungen ihrer Bewohner erkennbar wird.
Guten Appetit!
B’tai Avon!
HAYA, NURIEL, NADIV, ILAN & ELIOR
Für 4 Personen zum Frühstück oder als leichte Mahlzeit
Für die eingelegten Karotten:
O 10 Karotten (ca. 500 g)
O 2 Zweige Dill
O 1 Zweig Koriander
O 2 Knoblauchzehen
O 300 ml Tafelessig
O 1 getrocknete rote Chilischote, ersatzweise 1 Prise Chiliflocken
O 50 g Zucker
O 1 TL Meersalz
O ½ TL schwarze Pfefferkörner
O 6 Kardamomkapseln
O ½ TL Koriandersamen
Für die Knoblauchcreme:
O 1 Knoblauchzehe
O 1 Schalotte
O 100 g Crème fraîche
O 1 EL Zitronensaft
O ½ TL Meersalz
Für die Avocados:
O 2 Avocados
O 1 EL Limettensaft
O ½ TL Meersalz
O 1 EL Olivenöl
O 2 EL Kürbiskerne
O 4 Scheiben Challa (S. 247)
Karotten schälen. Mit einem Sparschäler in feine Streifen schneiden und in ein großes Einmachglas schichten. Dill- und Korianderblätter dazugeben.
Knoblauch schälen und fein hacken. Essig, Chili, Zucker, Salz, Pfeffer, Kardamom, Koriander, Knoblauch und 250 ml Wasser in einem Topf aufkochen und köcheln lassen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Karotten mit dem heißen Sud übergießen. Geschlossen bei Raumtemperatur über Nacht stehen lassen.
Am nächsten Tag für die Knoblauchcreme Knoblauch und Schalotte schälen und fein hacken. Alle Zutaten vermischen und abschmecken.
Avocados halbieren und entkernen. Mit einem Löffel halbmondförmige Stücke aus dem Fruchtfleisch ausstechen. Mit Limettensaft, Salz und Olivenöl marinieren.
Kürbiskerne in einer kleinen Pfanne ohne Fett knusprig rösten. Challa toasten, dann mit der Knoblauchcreme bestreichen. Die Scheiben halbieren und je eine Hälfte mit Avocadostücken und Karottenstreifen belegen. Mit Kürbiskernen bestreuen und die zweite Brothälfte darauflegen.
HAYAS TIPP:
KAROTTEN LASSEN SICH GUT AUF VORRAT EINLEGEN UND SIND IN EINEM GESCHLOSSENEN GLAS IM KÜHLSCHRANK BIS ZU 1 MONAT HALTBAR.
Bis heute besteht das Frühstück von Haya und ihrem Mann Samy aus einer Avocado und gutem Sauerteigbrot. Die Avocado ist eine Zutat, die den Geschmack von Hayas Kindheit in Israel in sich trägt. Das eingelegte Gemüse und der Knoblauch hingegen sind in Rumänien allgegenwärtig. Hayas Großmutter legte dort Jahr für Jahr Gurken, Paprika, Blumenkohl, Rüben und Kohl ein. Bei jeder Mahlzeit standen die großen Gläser auf dem Tisch. Dieses Sandwich verbindet Konsistenzen (cremig und knusprig), Geschmäcker (die leichte Süße der Avocado, die Säure der Karotten und die Schärfe des Knoblauchs) und Hayas israelische Erinnerungen mit ihren rumänischen Wurzeln. Es steht auch auf der NENI-Frühstückskarte und ist ein absoluter Renner.
Für 4 Personen als Vorspeise beim Grillen im Freien
Für die Chilibutter:
O 125 g Butter
O 1 große scharfe rote Chilischote
O 25 g Muscovado-Zucker
O 4 Maiskolben mit Blättern
O Meersalz
O 1 Handvoll Basilikum
Butter in einem kleinen Topf schmelzen. Chili entkernen und mit dem Zucker mit dem Pürierstab oder im Standmixer zu einer Paste pürieren. Die geschmolzene Butter hinzufügen und so lange mixen, bis eine cremige, glatte Masse entsteht.
Maiskolben mit den Blättern in einen großen Topf geben und mit reichlich Wasser bedecken. Salzen, zum Kochen bringen und ca. 30 Minuten garen.
Mais aus dem Wasser nehmen und abtropfen lassen. Anschließend auf einem Holzkohlengrill oder über offener Flamme dunkelbraun rösten.
Blätter vom Mais lösen und die Kolben mit Chilibutter bestreichen. Basilikum in feine Streifen schneiden und über den Mais streuen.
HAYAS TIPP:
ICH SERVIERE DIE CHILIBUTTER AUCH GERNE ZU STEAKS UND GEBE SOGAR EIN WENIG DAVON IN SCHOKOLADENKUCHEN – FÜR EINEN EXTRA-KICK!
In Tel Aviv wird Mais – auf Hebräisch Tiras – oft am Strand in großen, breiten Töpfen über offenem Feuer zubereitet. Die Blätter bleiben dabei an den Kolben und werden erst später abgelöst. Aus diesem Grund schmeckt der Mais besonders gut. Und der Duft ist unverwechselbar! Nach dem Umzug von Hayas Familie nach Bremen waren es neben den Menschen auch viele Zutaten aus Israel, die Haya in Deutschland vermisste. Bei jedem ihrer Besuche in Tel Aviv empfingen Familienmitglieder und Freunde Haya am Flughafen deswegen mit Mais und den ebenso geliebten Kaktusfrüchten. Mittlerweile werden die gegrillten Maiskolben auch im Tel Aviv Beach in Wien serviert – ganz ursprünglich über offenem Feuer zubereitet.
Burek
»Der neugierige Koch«
Dicht aneinandergereihte niedrige Schuppen – die meisten davon einstöckige Werkstätten für Handwerker –, enge Gassen voller Graffiti in einem Viertel, das zu einem kreativen urbanen Zentrum geworden ist: Das ist Florentin. Bei unserem Besuch scheint die Sonne durch die Straßen, das Licht erzeugt mit den bunten Graffitis und der überall gegenwärtigen Kunst eine ganz besondere Stimmung. Wir gehen an einer Tischlerwerkstatt vorbei und gelangen zur Ha Nagarim Street 14. Auf einer mit Blumen bewachsenen Terrasse steht ein langer Tisch neben einem etwas heruntergekommenen Klavier. Der Geruch der Holzspäne vermischt sich mit dem von frischen Kräutern.
Wir betreten eine hohe Werkhalle, die früher das Studio einer berühmten israelischen Künstlerin war. Die Halle beherbergt jetzt eine geräumige offene Küche mit modernsten Geräten. Auf den Arbeitsplatten warten Gewürze und frisches Gemüse auf ihre Verarbeitung. Wunderschöne alte Schüsseln und Geschirr aus Emaille stapeln sich auf Tischen vom Flohmarkt, an der Rückwand stehen Regale mit prämierten israelischen Weinen. Burek ist ein einzigartiges Restaurant, in dem private Veranstaltungen gebucht werden können und Köche ein Forum zum Austausch und Experimentieren finden; hier sind schon viele neue Projekte entstanden. An je einem Abend in der Woche verwandelt sich die Halle in ein erstklassiges Restaurant, in dem Küchenchef und Gründer Barak Yehezkeli zu Tisch bittet und wo die Gäste inmitten der Kochstationen Platz nehmen können. Es ist ein wunderbarer Platz, um Freunde zu treffen, neue Gerichte auszuprobieren, die romantische Atmosphäre des Viertels zu genießen. Auch wir durften einen Abend lang gemeinsam mit Barak Gastgeber sein.
Diese großartige Location war genau das, was wir als Standort in Tel Aviv gesucht hatten. Sie diente uns als Basis, hier entstanden die Gerichte für dieses Buch. Zwei Wochen waren wir nahezu Tag und Nacht im Burek – es war unser Zuhause. Von der Planung und den täglichen Einkäufen mit Baraks Team auf den Märkten bis hin zur großen Abschlussparty: Alles passierte hier. Haya, Elihay und Adrian haben Rezepte geschrieben und gekocht, Nuriel setzte alles für die Fotos ins rechte Licht, jeden Abend kamen wir hier zusammen, um die neuen Gerichte gemeinsam zu genießen. Unsere Bekanntschaft mit Barak wurde ein halbes Jahr später zu einer tiefergehenden Freundschaft. Für seine mehrteile Kochdokumentation über israelische Köchinnen und Köche, die außerhalb des Landes erfolgreich sind, kam er mit einer israelischen Filmcrew nach Wien, um Haya in ihrem Element zu filmen.
Barak, der Burek zusammen mit seinem Partner Jonathan Bergman gegründet hat, ist ein aufmerksamer, ruhiger und charmanter Mann. In einer Stadt, in der sich die meisten Menschen lautstark Gehör verschaffen, agiert er bedacht und umsichtig. Wir finden zum Gespräch einen Platz auf der Galerie über der Küche, unter uns werden Fisch und Spargel gegrillt, der Duft von karamellisierten Zwiebeln steigt auf. In einer anderen Ecke werden die nächsten Termine und Einkäufe für das Shooting am nächsten Tag geplant.
Wie die meisten Menschen, die wir in Tel Aviv besucht haben, erzählt Barak zunächst von seinen Wurzeln: Seine Vorfahren kamen aus Buchara in Usbekistan, aus Kurdistan und Spanien. In einer Ecke steht der Schaukelstuhl, auf dem seine Mutter ihn stillte: »Essen ist die erste Verbindung zu einem anderen Menschen im Leben eines Babys.« Die Speisen seiner Kindheit in Haifa sind wichtiger Teil seiner Identität, die ganze Familie kochte immer gern. Er erzählt uns von seiner kurdischen Großmutter, die ihm jeden Samstag einen frisch gebackenen goldgelben Hefezopf, Challa, mit Essiggurken zum Frühstück auf den Tisch stellte. Beinahe ebenso oft gab es Sofrito – ein langsam geschmortes Gericht aus Rindfleisch und Kartoffeln, klassisches »Slow Food«. Sogleich entsteht eine lebhafte Diskussion über den Namen dieses Gerichts, es hat mit der italienischen Basis aus kurz sautiertem Knoblauch, Karotten, Zwiebeln und anderem Gemüse, die wir gemeinhin als »Soffrito« kennen, nichts zu tun.
»Kochen braucht Chuzpe.«
Baraks Vater war Künstler, studierte Maschinenbau und arbeitete international im Verkauf. Er nahm seinen Sohn mit auf viele Reisen und erklärte ihm die Welt auch anhand der unterschiedlichen Speisetraditionen. Bis heute hat sich Barak sein lebhaftes Interesse an verschiedenen Kulturen bewahrt. Nach dem Militärdienst und Ingenieurstudium am prestigereichen Technion suchte er eine neue Aufgabe. Er verbrachte ein Jahr in Indien und erinnert sich an Orte, an denen es nur Joghurt und Paneer gab, er selbst Käse und Gnocchi herstellte und Zucchiniblüten als Zutat für Tempura entdeckte. Er reiste nach Thailand, um dort eine Woche einen Strand zu reinigen – und landete stattdessen in der Küche eines Strandrestaurants. Noch immer auf der Suche fand er sich eines Tages zusammen mit seiner Freundin mitten im Winter von Boston wieder – in Flipflops! Dort machte er seine ersten professionellen Erfahrungen in einem französischen Restaurant, wodurch sich ihm wiederum eine andere Welt der Kochkunst öffnete. Seine Freizeit verbrachte er mit der Lektüre von Kochbüchern in Bibliotheken.
Von Boston zog Barak weiter nach Tel Aviv. »Tel Aviv ist nicht Israel – es ist ein Platz für Menschen mit großer Neugier, eine neue Welt, ein Ort der Freiheit.« Die Israelis hier empfindet er als sehr direkt, innovativ und unerschrocken. Sie bewegen sich in Grenzbereichen, lernen schnell und haben den Mut zu Fehlern. Barak fand schnell Arbeit, weil er »geschickt mit einem Küchenmesser umgehen konnte«. Die Freundin, die ihn auf seiner Weltreise begleitete, ist seit 20 Jahren seine Frau.
Tel Aviv ist oft hektisch, aber in der Küche geht es Barak ruhig und gelassen an. Sein Credo lautet: »Es gibt keine israelische Küche.« Einflüsse aus der ganzen Welt treffen zusammen, in den letzten 20 Jahren gab es viele neue Anregungen. Im Burek steht es den Köchen frei, gegen alle herkömmlichen Regeln zu verstoßen. »Kochen braucht Chuzpe«, sagt Barak, »es kann ruhig frech und sehr persönlich sein.«
Leidenschaft, Liebe und Geduld sind die Begriffe, mit denen Barak uns seine Kochkunst beschreibt. Es ist ihm wichtig, sich aller Handlungen bewusst zu sein: Gesten und Bewegungen zählen, auch die Verbindung zur Natur, zu den Zutaten. »Ein Gericht, das du jeden Tag zubereitest, wird sich trotzdem immer ändern.« Es ist wichtig zu wissen, woher eine Kartoffel stammt, wann sie geerntet und wie sie gelagert wurde. Er schwärmt von einem kleinen Kürbis aus Jericho, der nur mit Regenwasser gegossen wird, und so seinen einzigartigen Geschmack erhält. Barak weiß genau, wo er auf den Märkten und in der Natur finden kann, wonach er gerade sucht. Er verwendet regional geerntetes Gemüse, lässt Beeren nur dann sammeln, wenn sie richtig reif sind.
Im Burek wird die Verbindung, die beim Essen zwischen Menschen entsteht, zelebriert. »Ich will den Leuten zusehen, wie sie in ihr Essen beißen«, sagt Barak lächelnd. Hier treffen sich Köche, Freunde und Gäste, es gibt keine voneinander getrennten Bereiche. Abends spielen Kinder gegenüber auf dem städtischen Spielplatz Fußball, die engen Gassen von Florentin mit ihren Graffitis verschmelzen im Halbdunkel mit den modernen Hochhäusern im Hintergrund. Umgeben von dieser Atmosphäre verstehen wir, was Barak meint, wenn er sagt: »Essen hat eine Seele.«
Für 4 Personen als Vorspeise oder leichte Hauptspeise
Für den Frikeh:
O 120 g Frikeh
O 1 EL Olivenöl
O 1 TL Meersalz
Für die Artischocken:
O 4 große Artischocken
O Saft einer Zitrone
O 100 g kleine Schalotten
O 5 Knoblauchzehen
O 5 EL Olivenöl
O 1 TL Chiliflocken
O 400 ml Gemüsebrühe (S. 109)
O 20 g Petersilie
O 60 g Butter
O Meersalz
O schwarzer Pfeffer
O 25 g Pekannüsse
O 50 g Parmesan
Frikeh in einer Schüssel mit kaltem Wasser von Hand gut waschen. Sich auf dem Wasser absetzenden Schaum abschöpfen. Frikeh danach in einem Sieb abtropfen lassen.
Olivenöl in einem Topf erhitzen, Frikeh dazugeben und gut umrühren, sodass die Körner rundum von Öl überzogen sind. 180 ml Wasser und Salz hinzufügen und aufkochen. Abgedeckt ca. 20 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen, bis der Frikeh gar und das Wasser komplett aufgesaugt ist.
Währen der Frikeh gart, Artischocken putzen. Den Großteil des Stängels und die oberen zwei Drittel der Blätter mit einem Brotmesser abschneiden. Artischocken mit der Schnittfläche nach unten auf ein Brett legen und die äußeren harten Teile rundherum großzügig abschneiden. Anschließend die Artischockenböden mit einem kleinen Messer sorgfältig von allen übrig gebliebenen harten, dunkelgrünen Teilen befreien. Das »Heu« aus dem Inneren mit einem kleinen Löffel oder Messer vorsichtig ausschaben. Zitronensaft (bis auf 1 EL) in eine Schüssel mit Wasser geben und die Artischockenböden sofort darin einlegen, damit sie sich nicht verfärben.
Schalotten schälen und vierteln. Knoblauch schälen und in feine Scheiben schneiden. Olivenöl in einer Pfanne erhitzen. Artischockenböden und Schalotten darin 5–8 Minuten goldbraun anbraten. Knoblauch und Chiliflocken hinzufügen und 1 weitere Minute braten. Mit Brühe ablöschen und die Flüssigkeit bei starker Hitze um die Hälfte einkochen.
Petersilienblätter abzupfen, grob hacken und mit Butter und 1 EL Zitronensaft unter die Artischocken rühren. Weiter reduzieren, bis die Sauce eindickt und sämig wird. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Pekannüsse in einer Pfanne ohne Fett rösten und in grobe Stücke hacken. Parmesan fein hobeln.
Artischockenböden auf Tellern anrichten. Frikeh mit zwei Löffeln zu Nocken formen und auf die Artischocken setzen. Mit der Sauce beträufeln und mit Nüssen und Parmesan garnieren.
In Palästina war und ist Frikeh eine Möglichkeit, auch die grünen, unreifen Weizenkörner zu verarbeiten. Sie werden geerntet, auf dem Feld aufgehäuft, am Abend angezündet und über Nacht glimmen gelassen. Der hohe Feuchtigkeitsgehalt verhindert, dass die Körner verbrennen; sie werden langsam geröstet. Am nächsten Tag wäscht man die Asche ab, die Körner werden im Ganzen wie Reis verwendet oder zu Mehl vermahlen. Frikeh schmeckt nussig und leicht rauchig und ist besonders im östlichen Mittelmeerraum sehr beliebt. Mittlerweile findet man ihn auch auf den Speisekarten von London oder New York.
Für 4–6 Personen als Hauptspeise
Für den Frikeh:
O 500 g Frikeh (Story S. 30)
O 25 ml Olivenöl plus Öl zum Beträufeln
O ½ TL Kreuzkümmelsamen
O 2 EL Meersalz