Ronald Richter
Behandlungspflege 2018/19
Kommentar und 60 Praxisfälle zu §37 SGB V und den Richtlinien zur Verordnung Häuslicher Krankenpflege
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ISBN 978-3-86630-737-7
Ronald Richter
Behandlungspflege 2018/19
Kommentar und 60 Praxisfälle zu §37 SGB V und den Richtlinien zur Verordnung Häuslicher Krankenpflege
Inhalt
Vorwort
Kapitel 1: Zum Umgang mit dem gesetzlichen Anspruch – Der Mythos der Wirtschaftlichkeit
1.1 Der gesetzliche Anspruch
1.2 Grundstruktur: Die Rechtsnormen-Pyramide
1.3 Das Wirtschaftlichkeitsgebot
Kapitel 2: Die gesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege
2.1 Der gesetzliche Anspruch
2.2 Die Arbeit mit diesem Buch
2.3 Arbeitserleichterung: Die häufigsten Ablehnungsgründe der Krankenkassen und die rechtliche Bewertung
Kapitel 3: Wie kommt der Versicherte an seine gesetzlichen Leistungen?
3.1 Darf sich der Versicherte die Leistung selbst beschaffen?
3.2 Dürfen die gesetzlichen Krankenkassen ihre Versicherten verpflichten, nur Eigeneinrichtungen mit der Pflege zu beauftragen?
3.3 Muss jeder Krankenpflegedienst für die Erbringung der Leistungen nach § 37 SGB V zugelassen werden?
3.4 Gibt es für die Krankenkassen eine Frist bei der Prüfung zum Abschluss des Vertrages?
3.5 Kann die Zulassung verweigert werden, weil die PDL oder stellvertretende PDL “nur” examinierte Altenpflegerin ist?
3.6 Kann ein Pflegedienst ohne Zulassung (ordnungsgemäß) erbrachte Leistungen abrechnen?
3.7 Wird immer eine ärztliche Verordnung benötigt, um häusliche Krankenpflege abrechnen zu können?
Kapitel 4: Die Genehmigung der ärztlichen Verordnung und die 3-Tage-Vorlagefrist
4.1 Muss eine ärztliche Verordnung genehmigt werden? – Der Genehmigungsvorbehalt
4.2 Muss die Genehmigung der Krankenkasse innerhalb einer bestimmten Frist vorliegen oder gibt es eine Genehmigungsfiktion?
4.3 Was tun, wenn die Genehmigung versagt wird? – Kann der Pflegedienst die erbrachten Leistungen abrechnen?
4.4 Muss die 3-Tages-Vorlagefrist bei jeder neuen Verordnung eingehalten werden?
4.5 Darf ein Pflegedienst mit einem Versorgungsvertrag im Bundesland A auch die Versorgung von Versicherten einer „ortsfremden AOK“ in seinem Einzugsgebiet übernehmen? Gilt die Zulassung für die häusliche Krankenpflege bundesweit und für alle Kassen?
4.6 Steht dem Pflegedienst ein Zinsanspruch zu, wenn die Krankenkassen nicht pünktlich zahlen? – Wenn ja, in welcher Höhe?
Kapitel 5: Was ist Behandlungspflege?
5.1 Wie wird der Pflegebegriff unterteilt?
5.2 Was sind krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen?
5.3 Welche Ansprüche der häuslichen Krankenpflege werden unterschieden?
5.4 Welche Voraussetzungen hat der Anspruch der Krankenhausvermeidungspflege?
5.5 Wann ist Krankenhausbehandlung eigentlich geboten, aber nicht ausführbar?
5.6 Wann liegt eine Krankenhausvermeidungspflege vor?
5.7 Welchen Inhalt hat der Anspruch auf Krankenhausvermeidungspflege nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V?
5.8 Welche Voraussetzungen bestehen bei der Sicherungspflege des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V?
5.9 Welche Voraussetzungen müssen für den Anspruch auf „Unterstützungspflege“ des § 37 Abs. 1a Satz 1 SGB V vorliegen?
5.10 Für welche Dauer kann die Leistung der Unterstützungspflege verordnet werden?
5.11 Welche Voraussetzungen bestehen bei der Kurzzeitpflege des § 39c SGB V?
5.12 Die Ansprüche auf häusliche Krankenpflege im Überblick:
Kapitel 6: Gibt es einen Leistungsort für die Behandlungspflege?
6.1 Wo darf Behandlungspflege erbracht werden? – Gibt es einen Leistungsort?
6.2 Häusliche Krankenpflege in Wohngemeinschaften
6.3 Muss eine WfbM Pflegepersonal für die Behandlungspflege vorhalten?
6.4 Ist häusliche Krankenpflege in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe möglich?
6.5 Ist einfache (einfachste) Behandlungspflege immer von stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu erbringen?
6.6 Ist die Behandlungspflege im Rahmen der für die Eingliederungshilfe bewilligten Fachleistungsstunden zu erbringen?
6.7 Ist häusliche Krankenpflege auch in vollstationären Pflegeeinrichtungen möglich?
6.8 Ist häusliche Krankenpflege in Einrichtungen der Tages- und Kurzzeitpflege zu Lasten der Krankenkasse möglich?
6.9 Haben Wohnungslose einen Anspruch auf „häusliche“ Krankenpflege?
Kapitel 7: Die Konkretisierung der häuslichen Krankenpflege durch die HKP-Richtlinie
7.1 Wie wird die Behandlungspflege konkretisiert? – Dürfen die HKP-Richtlinien den gesetzlichen Anspruch einschränken?
7.2 Ist das Leistungsverzeichnis der HKP-Richtlinie abschließend?- Können Pflegedienste gegen den Gemeinsamen Bundesausschuss klagen?
7.3 Wer darf verordnen? – Ist eine Verordnung häuslicher Krankenpflege durch einen Stationsarzt im Krankenhaus möglich?
7.4 Wie hat die Verordnung zu erfolgen?
7.5 Hat die Verordnung eine festgelegte Dauer? – Muss es immer das Quartal sein? Darf die Erst-Verordnung 14 Tage überschreiten?
7.6 Darf die Krankenkasse eine ärztliche Verordnung befristen (also teilweise genehmigen und teilweise ablehnen)?
7.7 Gilt eine generelle Befristung der Ansprüche auf häusliche Krankenpflege auf 4 Wochen?
7.8 Müssen die Krankenunterlagen (Wund-, RR- und andere Protokolle) nach Aufforderung an die Krankenkassen herausgegeben werden? – Das Ende des sog. „Umschlagsverfahren“!
7.9 Kann der Pflegedienst einen Aufwendungsersatz für die Übersendung von Kopien der Pflegedokumentation an den MDK verlangen?
7.10 Sind Änderung und rückwirkende Verordnung durch den Vertragsarzt zulässig?
7.11 Hat der Pflegedienst eine Beratungspflicht gegenüber seinem versicherten Kunden zum Inhalt der ärztlichen Verordnungen?
7.12 Muss der ambulante Pflegedienst das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen der verordneten häuslichen Krankenpflege prüfen?
7.13 Wann verjähren Rückforderungsansprüche der Krankenkassen?
Kapitel 8: Sind Angehörige oder Nachbarn zur Übernahme der häuslichen Krankenpflege verpflichtet?
8.1 Kann die Krankenkasse die Nachbarin zur häuslichen Krankenpflege verpflichten?
8.2 Muss die gewerblich tätige Pflegekraft die häusliche Krankenpflege mit erledigen?
Kapitel 9: Die besonderen Leistungsarten
9.1 Intensivpflege – Was ist „reine“ Grundpflege? – Gelten zur Abgrenzung der Grund- und Behandlungspflege die „Drachenflieger“-Urteile I und II immer noch?
9.2 Ist eine 24-Stunden-Intensivpflege in einem angemieteten Zimmer einer Seniorenresidenz möglich?
9.3 Ist die allgemeine Krankenbeobachtung im Rahmen der häuslichen Krankenpflege verordnungsfähig?
9.4 Welche Besonderheiten hat die fachpsychiatrische häusliche Krankenpflege?
9.5 Gibt es einen allgemeinen Anspruch auf eine ambulante Palliativversorgung neben der „speziellen ambulanten Palliativversorgung (SAPV)“?
Kapitel 10: Die Anlage der HKP-Richtlinie
10.1 Muss der Pflegedienst die Prophylaxen – ohne entsprechende Verordnung und Bezahlung – leisten?
10.2 Ist das An- und Ablegen des Gilchristverbandes häusliche Krankenpflege?
10.3 Ist das ärztlich verordnete An- und Ablegen eines Stützkorsetts von der Krankenkasse zu leisten?
10.4 Gehört der Verbandwechsel bei einem suprapubischen Katheter zur Behandlungspflege?
10.5 Wo werden chronische und schwer heilende Wunden therapiert?
10.6 Die „never ending“ story: Kompressionsstrümpfe und häusliche Krankenpflege – Neu ab Kompressionsklasse I
10.7 Kann häusliche Krankenpflege zur Verabreichung nicht verschreibungspflichtiger Medikamente verordnet werden?
10.8 Gehören die Kosten der notwendigen Begleitung eines Schulkindes zur häuslichen Krankenpflege oder zur Eingliederungshilfe?
10.9 Zur Abgrenzung der Hilfe bei der Inhalation von der Medikamentengabe
10.10 Zur Abgrenzung der Medikamentengabe vom Stellen der Medikamente
Kapitel 11: Die Zuzahlung des Versicherten
Kapitel 12: Private Krankenversicherung
12.1 Gelten die Voraussetzungen des § 37 SGB V auch in der privaten Krankenversicherung?
12.2 Gelten die personellen Voraussetzungen auch für Leistungen in der privaten Krankenversicherung?
Häusliche Krankenpflege-Richtlinie
Autor
Regelungen der HKP-Richtlinie in Praxisfällen erläutert
§ |
Seite |
§ 1 |
|
§ 1 Abs. 1 |
196 |
§ 1 Abs. 2 |
120, 134 |
§ 1 Abs. 3 |
– |
§ 1 Abs. 4 |
138 |
§ 1 Abs. 5 |
– |
§ 1 Abs. 6 |
125, 134 |
§ 1 Abs. 7 |
123, 133 |
§ 2 |
|
§ 2 Abs. 1 |
45 |
§ 2 Abs. 2 |
– |
§ 2 Abs. 3 |
93 |
§ 2a |
96 |
§ 2a Abs. 1 |
98 |
§ 2a Abs. 2 |
102 |
§ 2b |
103 |
§ 2c |
104 |
§ 3 |
|
§ 3 Abs. 1 |
146 |
§ 3 Abs. 2 |
146 |
§ 3 Abs. 3 |
173 |
§ 3 Abs. 4 |
161 |
§ 3 Abs. 5 |
– |
§ 3 Abs. 6 |
143 |
§ 3 Abs. 7 |
114 |
§ 4 |
|
§ 4 Abs. 1 |
187 |
§ 4 Abs. 2 |
189 |
§ 4 Abs. 3 |
189 |
§ 4 Abs. 4 |
190 |
§ 4 Abs. 5 |
192 |
§ 4 Abs. 6 |
194 |
§ 4 Abs. 7 |
194 |
§ 5 |
|
§ 5 Abs. 1 |
148 |
§ 5 Abs. 2 |
150 |
§ 5 Abs. 3 |
153 |
§ 6 |
|
§ 6 Abs. 1 |
51, 60 |
§ 6 Abs. 2 |
51, 54 |
§ 6 Abs. 3 |
– |
§ 6 Abs. 4 |
– |
§ 6 Abs. 5 |
– |
§ 6 Abs. 6 |
61, 62, 64, 72 |
§ 7 |
|
§ 7 Abs. 1 |
163 |
§ 7 Abs. 2 |
147 |
§ 7 Abs. 3 |
147 |
§ 7 Abs. 4 |
162 |
§ 7 Abs. 5 |
116,144 |
§ 8 |
|
§ 8 Abs. 1 |
– |
Vorwort
Die Behandlungspflege kommt nicht zur Ruhe. § 37 SGB V wurde zwischenzeitlich vom Bundesgesetzgeber weiter konkretisiert und dabei sowohl die Unterstützungspflege (der neue Abs. 1a) und die Palliativversorgung (der neue Abs. 2a) eingefügt. Im April 2018 hat der Gemeinsame Bundesausschuss die HKP-Richtlinie weitgehend neu gefasst und dabei nicht nur die Dreiteilung der Ansprüche in Krankenhausvermeidungs-, Sicherungs- und Unterstützungspflege vorgenommen, sondern auch das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe ab Klasse I der Behandlungspflege zugeordnet. Dazu gibt es viele neue bedeutende Urteile hinsichtlich des Anlegens des Gilchristverbandes sowie der Orthesen, zur Behandlungspflege in Einrichtungen der Eingliederungshilfe und vieles mehr.
Anlass für uns, das Buch in der fünften Auflage komplett neu zu schreiben. Mit vielen Checklisten, vor allem aber mit konkret abgedruckten Ablehnungsschreiben der Krankenkassen soll die Bearbeitung der Verordnungen häuslicher Krankenpflege erleichtert werden. Der Umfang ist auf 60 Fälle erweitert, um weiter Orientierung und Rechtssicherheit zu geben.
Sollte dies alles nicht helfen, so ist das Widerspruchsverfahren zu betreiben. Um dies rechtssicher und ressourcenschonend führen zu können, arbeiten die HÄUSLICHE PFLEGE und RICHTERRECHTSANWÄLTE Hand in Hand. Mit www.hp-widerspruch.de wollen wir ein Modul schaffen, das den betroffenen Versicherten, aber auch den ambulanten Pflegediensten hilfreich zur Seite steht.
An diesem Buch hat wieder das bewährte Team zusammengearbeitet. Frau Sabrina Schmidt war für die Einarbeitung der Änderungen zuständig, die Textkontrolle hat meine Frau, Inka Richter, übernommen. Beiden danke ich sehr herzlich. Ebenso danke ich für die vielen Anregungen, die mich erreichten, besonders förderlich waren die gemeinsamen Veranstaltungen und die vielen Gespräche mit Andreas Heiber. Auch ihm danke ich sehr herzlich für die kollegiale Unterstützung.
Gesetzestext, Literatur und Rechtsprechung sind auf dem Stand vom 30.04.2018. Ich freue mich über Ihre Anregungen, Hinweise und möglicherweise neue Problemlagen. Sie erreichen mich unter
RICHTERRECHTSANWÄLTE
ronald.richter@richter-rae.de
Hamburg, im Juli 2018
Ronald Richter
Kapitel 1: Zum Umgang mit dem gesetzlichen Anspruch – Der Mythos der Wirtschaftlichkeit
INFO
Im Folgenden Abschnitt wollen wir die ersten Grundprinzipien kennenlernen, sodass die Bearbeitung der Verordnungen häuslicher Krankenpflege einem strengen logischen Aufbau folgt, der die Prüfung erleichtert und damit eine wichtige Management-Aufgabe der leitenden Pflegekräfte ist. Außerdem die Frage beantworten, warum sich einige immer wieder gehörte Ablehnungsgründe als Schein-Argumente oder Mythen darstellen.
Der Gesetzgeber hat den gesetzlichen Anspruch auf Häusliche Krankenpflege zwischenzeitlich in 9 Absätzen des § 37 SGB V [beziehen Sie die Absätze 1a und 2a mit ein!] geregelt, wobei im engeren Sinn noch § 39c SGB V hinzugezählt werden müsste. Die Anwendung scheint daher allein aufgrund der Masse an gesetzlichen Informationen und Regelungen vordergründig undurchschaubar, zumindest aber schwierig. Derart komplexe1 Systeme sind – will man sich dahinter nicht mit einem Aufstöhnen über die ausufernde Bürokratie verstecken – nicht gewollt. Die eigentliche Management-Aufgabe besteht darin, die bestehenden, klaren Grundsätze anzuwenden, die hinter jeder gesetzlichen Struktur liegenden Muster zu erkennen oder schlicht die Prüfung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu vereinfachen.
Die tägliche Arbeit wird dadurch weiter erschwert, dass neben die gesetzlichen Normen weitere Regelungen, beispielsweise die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, Gemeinsame Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, Aussagen von Gutachterinnen und Gutachtern des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) und vieles mehr hinzutreten. Dazu kommt die Rechtsprechung der Instanzengerichte und des Bundessozialgerichts in Auslegungsfragen, die Konkretisierungen und Antworten liefern soll und dabei so manches Mal eine Frage löst und drei neue Fragen stellt.
Dass das tägliche Geschäft – von regelmäßig auftretenden Ablehnungswellen der Krankenkassen in den nachfolgend erörterten Fragen abgesehen – trotzdem weitgehend reibungslos läuft und die Versicherten versorgt werden, grenzt dann fast schon an ein Wunder. Es sind weiterhin Rechtsfragen und Praxisprobleme offen und neue Fragen kommen ständig hinzu. Diesen Fragen wollen wir uns in diesem Buch stellen.
1.1 Der gesetzliche Anspruch
§ 37 SGB V:
(1) 1 Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. 2 § 10 der Werkstättenverordung bleibt unberührt. 3 Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. 4 Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. 5 In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.
(1a) 1 Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. 2 Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.
(2) 1 Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. 2 § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. 3 Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben. 4 Die Satzung kann bestimmen, daß die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. 5 Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. 6 Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. 7 Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. 8 Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.
(2a) 1 Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. 2 Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. 3 § 37b Abs. 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.
(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.
(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.
(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.
(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.
(7) 1 Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. 2 Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.
Die Erbringung der Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung und (später) der sozialen Pflegeversicherung wird seit dem Inkrafttreten des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.6.18832 beherrscht durch das sog. Sachleistungsprinzip. Danach haben die Sozialleistungsträger – also auch die Krankenkassen – die gesetzlich geregelten Leistungen für die Versicherten, sieht man von den Ausnahmeregelungen für reine Geldleistungen ab, grundsätzlich als Natural- oder Sachleistungen zu gewähren und können sich nicht darauf beschränken, ihren Versicherten die Kosten der Inanspruchnahme medizinischer oder pflegerischer Leistungen zu erstatten. Diesem Grundsatz können auch die wenigen Ausnahmevorschriften, wie die allgemeine Kostenerstattungsregelung des § 13 SGB V, die Kostenerstattung der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs. 4 SGB V oder die Kostenerstattung in der Haushaltshilfe nach § 38 Abs. 4 SGB V nichts anhaben. Der Grundsatz hat zwischenzeitlich in § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V ausdrücklich Eingang gefunden hat.
Sachleistungsprinzip
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V:
Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen.
Entscheidend ist, dass der Sozialleistungsträger verpflichtet wird, (privatrechtlich organisierte) Dritte in die Erbringung der gesetzlichen Leistungen einzubinden, da die Sozialleistungsträger die Sach- und Dienstleistungen typischerweise nicht selbst erbringen können bzw. – von Ausnahmen abgesehen – nicht erbringen dürfen (Ausnahme in § 140 SGB V). Die Krankenkasse gewährt die Leistung, indem sie dem Versicherten eine Pflegekraft stellt.3 Damit entsteht die typische Dreiecksbeziehung zwischen Versicherten, Krankenkasse und Pflegedienst.
Die Krankenkasse darf den Anspruch auf häusliche Krankenpflege, abgesehen vom Ausnahmefall des § 37 Abs. 4 SGB V, nicht durch Geldzahlungen abgelten.4 Zur Gewährung der häuslichen Krankenpflege beschäftigen die Krankenkassen eigene Pflegekräfte oder setzen auf vertraglicher Grundlage andere geeignete Personen, Einrichtungen oder Unternehmen ein (§ 132a Abs. 4). Der Abschluss des Rahmenvertrages über die Leistung umfassender häuslicher Krankenpflege kann davon abhängig gemacht werden, dass die Leitungskräfte des Leistungserbringers wie nach §§ 72, 71 SGB XI eine staatlich anerkannte Ausbildung für einen Pflegeberuf absolviert haben.5 Doch kann im Einzelfall auch etwas anderes vertraglich vereinbart werden, um andere therapeutische Leistungen für die Versicherten zur Verfügung zu stellen.6
Konkretisiert wird der gesetzliche Sachleistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege – wie alle anderen Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten – durch eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege – HKP-Richtlinie). Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses haben normativen Charakter und sind als untergesetzliche Regelungen des Leistungserbringungsrechts verbindlich.7 Allerdings enthalten die HKP-Richtlinien keinen abschließenden Leistungskatalog („Anlage“ zur HKP-Richtlinie). Der Gemeinsame Bundesausschuss ist nicht dazu ermächtigt, entgegen höherrangigem Gesetzesrecht des SGB V notwendige Leistungen aus dem Leistungsspektrum des § 37 SGB V auszuschließen.8 Jede Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ist daher mit einer sog. Öffnungsklausel versehen. Die Versicherten haben daher auch Anspruch auf solche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die nicht in das Verzeichnis oder die Anlage der HKP-Richtlinie aufgenommen worden sind, aber den gesetzlich geregelten Anforderungen entsprechen, insbesondere medizinisch-pflegerisch notwendig und wirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V sind.9 Die von einigen Krankenkassen in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebrachte sog. Geltungsanordnung des § 91 Abs. 6 SGB V greift dabei zu kurz.
§ 91 Abs. 6 SGB V:
Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses […] sind für die Träger nach § 91 Abs. 1 Satz 1 SGB V, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.
Natürlich sind die Regelungen der HKP-Richtlinie für die Versicherten und die ambulanten Pflegedienste oder Sozialstationen verbindlich, doch dürfen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ungeachtet dieser Geltungsanordnung nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Da § 37 SGB V keine Einschränkung der ärztlichen Verordnungsmöglichkeiten kennt, dürfen die Richtlinien keine solchen Einschränkungen regeln.10 Wie dies rechtstheoretisch funktioniert, erläutert die sog. Rechtsnormen-Pyramide.
1.2 Grundstruktur: Die Rechtsnormen-Pyramide
Die gesetzlichen Normen stehen nicht beziehungslos oder gleichrangig nebeneinander, sondern folgen einer strengen Struktur. Relevant sind dabei ohnehin nur Regelungen mit „Norm-Charakter“, da diese für und gegenüber jedermann und jederfrau gelten. Um ein möglichst widerspruchsfreies, einheitliches Rechtssystem zu gewährleisten, bedarf es einer Normenhierarchie, eines Systems der Über- bzw. Unterordnung verschiedener rechtlicher Regelungen. Lässt man zunächst einmal die überstaatlichen und zwischenstaatlichen Rechtsquellen außer Betracht, so verläuft die bundesstaatliche Rangordnung wie folgt:
Bundesrecht – Landesrecht – autonomes Recht
Daraus folgt, dass Bundesrecht dem Landesrecht vorgeht (Art. 31 GG ordnet dies mit den Worten an: „Bundesrecht bricht Landesrecht.“) und staatliches Recht dem autonomen Recht der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen. Die Krankenkassen sind als „Körperschaften des öffentlichen Rechts“ in dieses System eingebunden. Wichtig aber: Die Krankenkassen dürfen kein „eigenes Recht“ schaffen, wenn diese Regelungen gegen das staatliche Recht, etwa das SGB V verstoßen. Daher gilt immer das Bundesgesetz SGB V! Innerhalb der jeweiligen Rechtskreise verläuft die Rangordnungsreihe nun folgendermaßen:
Verfassung – Gesetz – Verordnung – Satzung
Auch die Überlegenheit der Verfassung (Bundes- oder Landesverfassung) gegenüber den niederrangigen Normen lässt sich dem Grundgesetz entnehmen (Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 1 Abs. 3 GG). Die Höherrangigkeit der Gesetze gegenüber den Verordnungen ergibt sich aus Art. 80 Abs. 1 GG, wonach jede Rechtsverordnung eben einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Die Normenhierarchie wird auch im Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes verdeutlicht. Dieser Grundsatz besagt, dass das Parlamentsgesetz allen anderen Rechtsquellen (mit Ausnahme des Grundgesetzes) vorgeht, insbesondere den Rechtsverordnungen und Satzungen. Die Krankenkassen sind mithin in zweierlei Hinsicht verpflichtet, nämlich einerseits nicht vom Gesetz abzuweichen bzw. nicht gegen dieses zu handeln, andererseits enthält der Vorrang des Gesetzes aber auch das Gebot, das Gesetz zur Anwendung zu bringen. Im Schaubild markiert der Balken die Grenze: Alle unterhalb des Balken liegenden Mitteilungen sind reine Meinungsäußerungen, die ohne gesetzliche Anbindung oder Rechtsgrundlage keinerlei Wirkung entfalten.
Rechtsnormen
BEISPIEL 1
Die Satzung einer Krankenkasse enthält die Formulierung, dass für die sog. Sicherungspflege des § 37 Abs. 2 SGB V neben der Behandlungspflege auch die Grundpflege übernommen werden kann.
Rechtsgrundlage für diese Leistung zugunsten des Versicherten ist dann § 37 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit der Satzung der Krankenkasse. Die gesetzliche Regelung in § 37 Abs. 2 SGB V eröffnet die Möglichkeit für die Krankenkasse, die Satzungsregelung zu erlassen.
BEISPIEL 2
Die Satzung einer Krankenkasse enthält eine Formulierung, dass Pflegelaien (Familienangehörige, Nachbarn) für die Übernahme der notwendigen Pflege eine „Aufwandsentschädigung“ erhalten.
Eine solche Regelung wäre rechtswidrig, sodass die Tätigkeit eines ambulanten Pflegedienstes nicht mit der Begründung der Übernahme durch Laien-Pflegekräfte abgelehnt werden dürfte, da das SGB V keine Eröffnung für eine solche Vorgehensweise vorsieht. Viel schwerwiegender dürfte sein, dass sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin der Krankenkasse bei derartigen Zahlungen an Laien-Pflegekräfte dem strafrechtlich verfolgbaren Vorwurf der Unterschlagung von Geldern der Versichertengemeinschaft aussetzen könnten, da § 27 SGB V alle gesetzlichen Ansprüche eines Versicherten abschließend aufzählt.11 Nicht dort geregelte Leistungen sind (gesetzlich) nicht vorgesehen und möglich. Das SGB V kennt (im Gegensatz zum § 37 SGB XI) ein „Pflegegeld“ nicht!
Das Schaubild verdeutlicht eine weitere Grundstruktur des Rechts: Von oben nach unten, also vom Grundgesetz (GG) über das von Bundestag und Bundesrat erlassene (formelle) Bundesgesetz (SGB V) bis zu den Regelungen in den Richtlinien zur Verordnung häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie) werden die Regelungen konkreter, enthalten also detaillierte Informationen. Aber: Die darunter liegenden Regelungen dürfen die obere Norm nicht einschränken.
ACHTUNG
Beachte:
Die jeweils unteren Ebenen dürfen die höherrangigen Normen nur konkretisieren, nicht aber einschränken!
BEISPIEL 3
Da der Begriff der „Behandlungspflege“ in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V offen benutzt wird und nur der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin eine Konkretisierung in Form der Behandlungsentscheidung [„zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung“] vornimmt, ist eine Ablehnung der Verordnung häuslicher Krankenpflege mit dem Hinweis, dass die vom Arzt bestimmte Verrichtung nicht in der Anlage der HKP-Richtlinie beschrieben wird, rechtswidrig. Die Anlage der HKP-Richtlinie dient lediglich der Orientierung. Zur Lösung der HKP-Richtlinie durch die sog. Öffnungsklausel kommen wir später.
1.3 Das Wirtschaftlichkeitsgebot
Natürlich steigen auch die Ausgaben der Krankenkassen für Behandlungspflege und häusliche Krankenpflege, wie alle anderen Ausgaben für Gesundheit, bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit. Dafür können viele Gründe, beispielsweise der demografische Aufbau unserer Bevölkerung, das DRG-System in den Krankenhäusern mit einem Abbau der durchschnittlichen „Verweildauern“ für jede Art der stationären Krankenhausversorgung oder die vom Gesetzgeber in den Pflege stärkungsgesetzen I – III12 energisch vorangetriebene Ambulantisierung der gesamten Pflege genannt werden.
Ausgaben für Behandlungspflege und Häusliche Krankenpflege
Ausgaben für einzelne Leistungsbereiche der GKV 2016 in Mrd. Euro
Im Verhältnis aber der anderen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nimmt sich das Budget der häuslichen Krankenpflege weiterhin eher bescheiden aus und macht ledig 2,55 % der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Immerhin sind dies aber 5.700.000.000,00 € (5,7 Mrd €) und damit von der Höhe her vergleichbar mit knapp der Hälfte der Verwaltungsaufgaben der gesetzlichen Krankenkassen.
Daher ist auch das von einigen Sachbearbeitern der Krankenkassen zur Begründung von Ablehnungen, Befristungen oder Teilgenehmigungen herangezogene Wirtschaftlichkeitsgebot in diesem Zusammenhang völlig verfehlt und kann keine Ablehnung einer ärztlichen Verordnung rechtfertigen. Das in den §§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V geregelte Wirtschaftlichkeitsgebot meint etwas völlig anderes als etwa der dem Sozialhilferecht entstammende Begriff der „Sparsamkeit“ und ist auch nicht im Zusammenhang mit der in § 71 SGB V geregelten Beitragssatzstabilität zu sehen. Auch wenn der Irrglaube oder Mythos kaum ausrottbar erscheint, Wirtschaftlichkeit hat nichts mit „Sparen bei den Leistungen“ zu tun und schon gar nichts mit dem Kampfbegriff der „Zwei-Klassen-Medizin“. Wirtschaftlichkeit meint lediglich einen Bezug zwischen Aufwand und Ertrag. Wir dürften uns einig sein, dass kaum eine andere medizinische Maßnahme eine so günstige „Aufwand-Ertrag“-Relation bietet wie die häusliche Krankenpflege.
§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V:
Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.
Entscheidend ist innerhalb der Prüfung, welche Leistung der Arzt oder die Ärztin verordnen darf und welche die Krankenkasse des Versicherten finanzieren muss, die Zweckmäßigkeit. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen nicht alle möglichen Leistungen übernehmen, sondern nur die nachweisbar erfolgversprechenden Therapien. Geleistet wird also von den Krankenkassen innerhalb des Kanons der evidenzbasierten Medizin. Dabei soll die Förderung der Gesundheit der Versicherten (§ 1 Satz 1 SGB V) und die Therapiemöglichkeiten nach dem Stand der Wissenschaft mit Rücksicht auf den medizinischen Fortschritt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) vergütet werden. Die Begriffe der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit sind als unbestimmte Rechtsbegriffe voll gerichtlich überprüfbar.13
Wenn also die Häusliche Krankenpflege finanziell mit einem Anteil von nur 2,55 % am Ausgaben-Budget der gesetzlichen Krankenversicherung nur von untergeordneter Bedeutung ist, warum werden dann mit großem Verwaltungs- und Bürokratieaufwand die Verordnungen nicht nur stichprobenartig, sondern flächendeckend geprüft? Andreas Heiber hat dafür eine schlüssige Begründung gefunden:
Für die Häusliche Krankenpflege und mithin deren Ausgaben ist eine Abteilung innerhalb jeder Krankenkasse zuständig und verantwortlich. Während aber die Ausgaben für die Kosten der Krankenbehandlung in den Jahren 2012–2016 insgesamt um 21,5 % gestiegen sind – für die Arztleistungen um 27 % und für die Krankenhäuser um 17 % –, beträgt der Anstieg bei der Häuslichen Krankenpflege 46 %! Da wird dann bei der zuständigen Abteilungsleiterin nachgefragt, warum diese Kostensparte „aus dem Ruder läuft“. Im Massengeschäft ist dann die Nichtoder Teilgenehmigung das Mittel der Wahl. Dabei gibt es eine plausible Begründung für die „Kostenexplosion“: Der Kostenanstieg kann allein mit der Ausweitung der Intensivpflege erklärt werden. Eine Medikamentengabe fällt eigentlich nicht ins Gewicht. An dieser Stelle wäre eine weitere Aufklärung sinnvoll.
Ausgabenanstieg von 2012 bis 2016
1 lateinisch cum plectilis = „zusammengeflochten“; Komplexität wird als Eigenschaft eines Systems, dessen Gesamtverhalten selbst dann nicht eindeutig beschrieben werden kann, wenn man vollständige Informationen besitzt, erklärt.
2 RGBl. 1883, 73
3 BSG, Urt. v. 26.3.1980, 3 RK 47/79 = BSGE 50, 73
4 BSG, Urt. v. 14.7.1977, 3 RK 60/75 = BSGE 44, 139
5 BSG, Urt. v. 21.11.2002, B 3 KR 14/02 R = BSGE 90, 150
6 BSG, Urt. v. 17.3.2005, B 3 KR 35/04 R = BSGE 94, 205 – Bewegungsübungen für bettlägerige Versicherte
7 BSG, Urt. v. 20.3.1996, 6 RKa 62/94 = BSGE 78, 70
8 BSG, Urt. v. 17.3.2005, B 3 KR 35/04 R = BSGE 94, 205; bestätigt: BSG, Urt. v. 25.2.2015, B 3 KR 11/14 R = BSGE 118, 122
9 BSG, Urt. v. 26.1.2006, B 3 KR 4/05 R – Dauermessung des Blutzuckers
10 BSG, Urt. v. 10.11.2005, B 3 KR 38/04 R; erläuternd: LSG Sachsen, Beschl. v. 13.11.2014, L 1 KR 260/14 B ER
11 Ist eine solche Vorgehensweise „von oben“ angeordnet, so sieht § 12 Abs. 3 SGB V inzwischen eine persönliche, finanzielle Haftung des Vorstandes bzw. eines Vorstandsmitgliedes der Krankenkasse vor. Da es sich dann um eine Vorsatztat handeln dürfte, übernimmt auch die D&O-Versicherung des Vorstandes den Schadensausgleich nicht: „Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.“
12 dazu ausführlich: Richter, Die neue soziale Pflegeversicherung – PSG I – III, 2017
13 BSG, Urt. v. 24.11.1983, 8 RK 6/82
Kapitel 2: Die gesetzlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege
INFO
Wir lesen den Gesetzestext und lernen jetzt die Grundvoraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege kennen und stellen fest, dass diese zu 99,9 % gegeben sind, sodass die allermeisten Ablehnungen und alle Befristungen der Verordnungen häuslicher Krankenpflege durch die Krankenkassen rechtswidrig sind. Für die „Waffengleichheit“ stellen wir die 10 Hauptablehnungsgründe vor und zeigen, wo in diesem Buch die Argumente für deren Rechtswidrigkeit ausführlich erläutert werden.
2.1 Der gesetzliche Anspruch
Der gesetzliche Anspruch des Versicherten liest sich so klar und einfach, dass noch vor wenigen Jahren – meist bis zur Einführung der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung – die Leistungen entsprechend der ärztlichen Verordnung vom Pflegedienst oder der Sozialstation einfach ohne weitere Prüfungsschritte erbracht und zu den vereinbarten Sätzen mit den Krankenkassen abgerechnet wurden. Die leidgeprüfte Praxis jedoch weiß, dass heute hinter jeder Silbe des Gesetzestextes eine Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Krankenkassen lauern kann. Daher ist der erste Schritt zur Durchsetzung des gesetzlichen Anspruches regelmäßig bereits mit dem Lesen des Gesetzestextes getan.
§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V:
Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, … als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.
Die Grundvoraussetzungen der häuslichen Krankenpflege sind denkbar einfach zu prüfen: Anspruchsberechtigt können für alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur Versicherte sein. Ferner setzt der Anspruch auf häusliche Krankenpflege das Vorliegen einer Krankheit voraus. Das Prüfungsschema zeigt das folgende Schaubild:
Für die mit der Prüfung der Voraussetzungen zuständige Pflegefachkraft sind die Voraussetzungen mit einem Blick zu erfassen. Für den Nachweis der Versicherteneigenschaft reicht die Versicherungskarte des Kunden aus oder der Eintrag der Versicherungsnummer durch die verordnende Arztpraxis auf dem Verordnungsformular 12 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Die Krankheit des Kunden wird durch die im ICD-10 Code verschlüsselten Diagnosen des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin für die Sachbearbeiter der Krankenkassen ausreichend begründet. Wie wir später noch erörtern werden, gilt ein weiter Krankheitsbegriff, umfasst also jede Erkrankung, die den allgemeinen Krankheitsbegriff erfüllt, neben den körperlichen auch die psychischen Erkrankungen.14 Der Nachweis dieser beiden Voraussetzungen findet sich auf dem Verordnungsformular 12 an folgenden Stellen:
Allgemeine Voraussetzungen
Nachweis der allgemeinen Voraussetzungen
Nicht gesondert zu prüfen ist die Voraussetzung, dass häusliche Krankenpflege nur gewährt werden kann, wenn der Versicherte in ärztlicher Behandlung steht. Gemeint ist damit die ambulante Behandlung, die in der Regel durch an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärztinnen und Ärzte (§ 95 SGB V) erfolgt. Ohne ärztliche Tätigkeit in Form der ärztlichen Verordnung ist häusliche Krankenpflege ohnehin nicht denkbar, sodass kein eigener Prüfungsschritt erforderlich ist. Ausnahmsweise sind auch Stationsärzte in den Krankenhäusern für eine auf sieben Tage begrenzte Übergangszeit im Anschluss an die Krankenhausbehandlung zur Verordnung häuslicher Krankenpflege berechtigt, auch dies werden wir noch ausführlich besprechen. Die ambulante ärztliche Behandlung wird also von der häuslichen Krankenpflege begleitet, so wie bei der stationären Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) die pflegerische Betreuung zur medizinischen Behandlung hinzutritt.15
Der Leistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege setzt neben der ärztlichen Verordnung die Genehmigung der Verordnung durch die Krankenkasse des Versicherten voraus:
§ 27 Abs. 3 Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä):
Die von dem Versicherten durch Vorlage der ärztlichen Verordnung beantragte Leistung bedarf der Genehmigung der Krankenkasse. Über ihre Entscheidung hat die Krankenkasse den behandelnden Vertragsarzt zu unterrichten, sofern die verordnete Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange gewährt wird.
Eine Bindung der Krankenkasse an den Inhalt der Verordnung besteht, soweit die verordneten Maßnahmen erforderlich sind. Hat der Sachbearbeiter der Krankenkasse Zweifel an der Erforderlichkeit, so ist mit der Prüfung dieser medizinischen Frage der MDK zu beauftragen.16 Dieser prüft die Erforderlichkeit der verordneten Maßnahme. Auch zu dieser entscheidenden Stelle im Genehmigungsverfahren an späterer Stelle mehr.
Der Antrag auf die Genehmigung der Verordnung häuslicher Krankenpflege an die Krankenkasse des Versicherten findet sich im oberen Teil der Rückseite des Verordnungsmusters 12 und ist vom Versicherten oder seinem Bevollmächtigten zu unterschreiben:
Der gesetzliche Anspruch formuliert also lediglich drei positive Anspruchsvoraussetzungen – dazu kommt noch das negative Tatbestandsmerkmal des § 37 Abs. 3 SGB V („eine im Haushalt lebende Person“ – dazu später ausführlich mehr), mehr nicht! Und schon gar nicht steht im Gesetz die folgende Formulierung, die aber der herrschenden Praxis näher zu kommen scheint: „Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie … als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn der MDK oder die … [Bitte tragen Sie hier diejenige Krankenkasse ein, mit der Sie derzeit die meisten Probleme haben!] es will.“
Antrag auf Genehmigung [Rückseite]
Praxistipp: Entscheidend ist das Ergebnis der Prüfung: Sind die genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt und trifft die negative Tatbestandsvoraussetzung zu, so hat der Versicherte einen Anspruch auf die ärztlich verordnete Leistung. Die Krankenkasse hat dann keinerlei Ermessen, ob sie die Leistung erbringen will oder nicht – SIE MUSS!
2.2 Die Arbeit mit diesem Buch
Im Folgenden sollen die Grundlagen der gesetzlichen Ansprüche auch im Lichte der Auslegung durch die Gerichte geklärt und in den systematischen Zusammenhang gestellt werden. Das Buch soll als Arbeitsbuch sowohl den Zusammenhang darstellen als auch Detailfragen aufklären helfen und so als Nachschlagewerk die tägliche praktische Arbeit erleichtern. Daher enthält der Fußnotentext auch vor allem Entscheidungen des Bundessozialgerichts und dabei vor allem solche, die Eingang in die amtliche Sammlung (Entscheidungen des Bundessozialgerichts – „BSGE“) gefunden haben und deshalb besondere Beachtung finden sollen, um Ihnen in den partnerschaftlichen Auseinandersetzungen mit den Krankenkassen Argumente an die Hand zu geben.
Folgende Fragen stehen weiterhin im Vordergrund:
– Wie kommt der Versicherte zu seinem gesetzlichen Anspruch?
– Können die Richtlinien zur Verordnung häuslicher Krankenpflege den gesetzlichen Anspruch des Versicherten verkürzen?
– Was ist Behandlungspflege?
– Darf der Krankenversicherungsträger selbst in die ärztliche Verordnung eingreifen?
– Darf der Krankenversicherungsträger die Herausgabe von Pflegedokumentationen oder anderen Unterlagen verlangen?
– Darf die Krankenkasse den Verordnungszeitraum generell verkürzen oder befristen?
– Muss eine Pflegeperson Behandlungspflege leisten?
– Kann ein Vertrag zwischen einem Pflegedienst und dem Krankenversicherungsträger den gesetzlichen Anspruch des Versicherten einschränken?
– Darf der Pflegedienst für seine Patienten das Widerspruchsverfahren durchführen?
Diese und andere Fragen sollen im Kontext der gesetzlichen Regelungen so praxisnah wie möglich beantwortet werden. Um jedoch das juristische Problembewusstsein zu schärfen, ist die direkte Mitarbeit am Gesetzes- oder Richtlinientext notwendig. Daher ein Ratschlag in eigener Sache: Bitte lesen Sie jeweils die konkrete Passage der behandelten Norm, auch wenn Sie meinen den Paragrafen bereits zu kennen. Dabei benutzen Sie bitte die jeweils aktuelle Gesetzesfassung. Ein alter Gesetzestext hat lediglich historischen Wert, auch wenn er mit Lesezeichen und Unterstreichungen versehen von früheren Mühen kündet. Sollten Sie die Gesetzestexte im Internet einsehen wollen, so nutzen Sie bitte die Seite „Gesetze-im-Internet“ des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz.
Ähnliches gilt auch für die Urteile. Um das Auffinden zu erleichtern, sind sämtliche Urteile mit dem Datum und dem Aktenzeichen angegeben. Google findet dann regelmäßig einen Urteilsabdruck zum kostenlosen Download bzw. zumindest zur Ansicht.
2.3 Arbeitserleichterung: Die häufigsten Ablehnungsgründe der Krankenkassen und die rechtliche Bewertung
Die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Krankenkassen erhalten inhaltliche Vorgaben („interne Dienstanweisungen“) für die Prüfung der ärztlichen Verordnungen häuslicher Krankenpflege. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, denn diese übliche Vorgehensweise garantiert eine effiziente Bearbeitung und eine gleichmäßige Entscheidungspraxis. Problematisch ist aber, dass die Vorgaben häufig „nicht ganz falsch“ (und damit die Entscheidungen rechtswidrig) sind, aber den Kern der gesetzlichen Vorgaben und höchstrichterlichen Entscheidungen nicht treffen. Viele anonymisierte Entscheidungsbeispiele in diesem Arbeitsbuch künden von den Problemen, die regelmäßig nicht auf einer fehlerhaften Rechtsanwendung der konkreten Sachbearbeiterin beruhen, sondern auf (bewusst) falschen Vorgaben aus den Zentralen der Krankenkassen. Das nebenstehend abgedruckte Erläuterungsblatt aus dem Gebrauch einzelner Krankenkassen für die 10 wichtigsten Ablehnungsbegründungen zeigt die Probleme in der Praxis:
In gebotener Kürze soll auf jeden Ablehnungsvorschlag unter Hinweis auf die ausführliche Behandlung in diesem Arbeitsbuch eingegangen werden.
1.1 „Die Verordnung wird verspätet eingereicht.“ Die Ablehnung ist nach der Rechtsprechung und insbesondere der Bundes-Rahmenempfehlung nur richtig, wenn die ärztliche Verordnung letztlich abgelehnt wird. Wird die Verordnung genehmigt, ist eine Ablehnung bzw. Nicht-Zahlung der Leistungen bis zur „verspäteten“ Vorlage der Verordnung vertrags- und rechtswidrig. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 4.3.
1.2 „Die Erstverordnung übersteigt einen Zeitraum von 14 Tagen.“ § 5 Abs. 1 Satz 2 HKP-Richtlinie spricht in von „soll“, daher ist diese Ablehnungsanordnung viel zu restriktiv und damit rechtswidrig. Es kommt auf den Einzelfall an, den die Sachbearbeiterin prüfen muss. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 7.5.
1.3 „Es fehlt eine Begründung zur Durchführbarkeit.“Kapitel 8.1
1.4 „Es liegt Pflegebedürftigkeit vor.“ Die festgestellte Pflegebedürftigkeit mindestens des Pflegegrades 2 ist lediglich relevant für die sog. Unterstützungspflege des § 37 Abs. 1a SGB V. Daneben ist die Behandlungspflege verordnungsfähig. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 5.9.
2.1 „Es besteht keine medizinische Indikation für die Leistung/Maßnahme.“ Falsch und damit bereits Ansatz rechtswidrig: Das Leistungsverzeichnis hat keine „untergesetzliche Rechtswirkung“, sondern dient allein der Beschreibung der Normalfälle. Alles andere legt der Gemeinsame Bundesausschuss mit der Öffnungsklausel des § 1 Abs. 4 HKP-Richtlinie in die Hände des behandelnden Arztes. Die generelle Verweigerung verstößt gegen die grundgesetzlich geschützten Grundrechte des Versicherten! Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 7.1.
Informationen/Hinweise zu häuslicher Krankenpflege
2.2 „Dauer und Häufigkeit wurden geändert.“ und
2.3 „Die Leistung ist kein Bestandteil der häuslichen Krankenpflege.“ Die Öffnungsklausel des § 1 Abs. 4 HKP-Richtlinie legt die grundgesetzlich geschützte Therapiefreiheit in die Hände des behandelnden Arztes. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 7.1.
2.4 „Der Anspruch auf Krankenhausvermeidungspflege besteht nicht/ nicht mehr:“ Für die Verlängerung der Verordnung über 28 Tage hinaus sind – nach ärztlicher Verordnung – die Krankenkassen zuständig. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 7.7.
2.5 „Der Nachweis in Form eines Maßblattes bzw. der Wunddokumentation fehlt.“ Die sich aus diesen Hinweisen ergebende Forderung verstößt offensichtlich gegen die Geheimhaltungspflicht von Sozialdaten. Eine typische strafrechtliche Anstiftungshandlung. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 7.8.
2.6 „Der Medikamentenplan fehlt.“ siehe 2.1 – 2.3. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 10.10.
2.7 „Eine andere Leistung wird als ausreichend angesehen.“ siehe 2.3. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 10.6.
3.1 „Die Leistung/Maßnahme wird befristet.“ Für eine Nebenbestimmung eines Verwaltungsaktes, also eine Befristung, bedarf es einer gesetzlichen Regelung. Nur dann ist eine Befristung rechtmäßig. Ausführliche Beschreibung dazu: Kapitel 7.6.
14 BSG, Urt. v. 26.3.1980, 3 RK 47/79 = BSGE 50, 73
15 BSG, Urt. v. 20.4.1988, 3/8 RK 16/86 = BSGE 63, 140
16 BSG, Urt. v. 30.3.2000, B 3 KR 23/99 R = BSGE 86, 101