Claudia Donno
Kikki Krümel und die Hexenkönigin
Das Buch:
Der Koboldkönig hat die Moorhexen verzaubert. Als Strafe dafür, dass sie einen verbotenen Zauber angewendet haben. Dieser hat dazu geführt, dass nur noch die Stimmen der vermissten Hexen im Wald anwesend sind. Diese sind ausgerechnet in das Haus des Koboldkönigs eingezogen und lassen ihn nicht mehr schlafen. Er droht damit, alle einzufangen und sie ans Ende der Welt zu verbannen. Wird es Kikki und ihren Freundinnen gelingen, das Unglück abzuwenden?
Die Autorin:
Claudia Donno lebt mit ihrer Familie in der Schweiz. Seit 2002 nimmt das Schreiben einen wichtigen Teil in ihrem Leben ein. Daraus sind Geschichten in den Bereichen Kinder, Fantasy, Horror, Krimi und Satire entstanden, die bei verschiedenen Verlagen veröffentlicht wurden.
http://donno.ch/nariel/fset_autorin.html
Claudia Donno
Roman
Kikki Krümel und die Hexenkönigin
Claudia Donno
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Ellados 3, 8549 Polemi, Cyprus
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Satz: at bookshouse Ltd.
Druck und Bindung: bookwire GmbH
Printed in Germany
ISBNs: 978-9963-53-996-3 (Paperback)
978-9963-53-997-0 (E-Book .pdf)
978-9963-53-998-7 (E-Book .epub)
978-9963-53-999-4 (E-Book Kindle)
www.bookshouse.de
Urheberrechtlich geschütztes Material
1. Moorhexenfrühstück
2. Aufbruch zur Hexenschule
3. Magische Schönheitstipps
4. Der freche Geist
5. Der nächtliche Besucher
6. Besuch bei Strunk
7. Die Verwandlung
8. Wo sind alle?
9. Die Suche
10. Der Verdacht
11. Luzia
12. Eine heiße Spur
13. Der Handel
14. Das magische Buch
15. Altes Hexenwissen
16. Der Zauber
17. Die Hexenkönigin
18. Alles wie neu
19. Ende gut, alles gut?
Kapitel 1
Moorhexenfrühstück
Kikki hüpfte auf einem Bein durch die winzige Stube in ihrem Haus, das gut verborgen mitten im Wald stand.
Ihre Freundin Florina saß im Schaukelstuhl und schaute ihr zu. »Ich kann nicht glauben, dass wir morgen wieder in die Hexenschule gehen. Es kommt mir vor, als wären wir erst da gewesen.«
»Stimmt auch. Es sind noch keine vier Monate her seit dem letzten Mal.« Kikki grinste. Sie sah, wie Florina aus dem Fenster in ihren Garten blickte.
»Das Leben als Hexe ist toll.«
»Ich weiß.« Kikki blies sich eine ihrer Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihr Besen kam auf sie zu und stupste sie sanft am Arm an. »Oh, du bist wohl müde.«
Besen nickte.
»Geh schon mal schlafen. Wir kommen bald nach.«
Besen nickte erneut und ging in die kleine Schlafkammer. Dabei gab er ein Geräusch von sich, das wie ein Gähnen klang.
»Magst du etwas essen?«
»Ich bin hungrig wie ein Wolf.« Florina stand vom Schaukelstuhl auf und ging in die kleine Küche. Sie öffnete mehrere Türen eines Regals. »Es ist kein Brot da.«
»Daran lässt sich leicht was ändern.« Kikki hob ihren Zauberstab und sprach:
Essen, komm hierher,
mir zu gehorchen ist nicht schwer.
Frisches Brot und ein paar Kekse
das wünscht sich diese Hexe!
Es vergingen keine fünf Minuten, da erschien auf ihrem runden Holztisch ein noch warmes Brot. Kurz darauf tauchte mit einem leisen »Plopp« eine große Packung Schokoladenkekse auf.
In der Vorratskammer musste Kikki nicht lange suchen, bis sie das Glas mit ihrer Lieblingsmarmelade fand. Der klebrige Aufstrich, eingekocht aus Baumharz und Rinde, schmeckte einfach köstlich. Sie nahm es aus dem Regal und kehrte zum Tisch zurück.
Florina und sie aßen das ganze Brot auf. Dazu tranken sie ihren geliebten Froschaugentee.
»Wir sollten schlafen gehen. Morgen müssen wir früh los.« Kikki tätschelte ihren vollen Bauch.
»Oh, ja. Ich bin auch müde.« Florina gähnte.
Nachdem sie die Zähne geputzt hatten, schlüpften sie in das Holzbett mit der rot-weiß karierten Bettdecke.
Lakritz, Kikkis schwarzer Kater, sprang zu ihnen auf die Matratze und legte sich in ihre Mitte.
»Du kannst kommen«, sagte Kikki zu Esmeralda, die auf dem Bettpfosten hinter ihr saß.
Die alte, haarige Spinne ließ sich nicht zweimal bitten. Sie seilte sich an einem Spinnenfaden vom Pfosten ab und krabbelte in Kikkis Haare. Dort würde sie die ganze Nacht verbringen.
Schon um neun Uhr in der Früh wachte Kikki auf. Leise stieg sie aus dem Bett und wanderte in ihrem Häuschen umher. Die beiden Besen, die neben der Tür lehnten, schliefen friedlich.
Die junge Hexe brühte sich einen frischen Froschaugentee auf und blickte aus dem Fenster.
Eine dicke Schneeschicht bedeckte ihren Kräutergarten. Die Äste der Bäume hatten sich unter der Last der weißen Pracht nach unten gebogen. Da es noch Stunden dauern würde, bis sie bei der Oberhexe sein mussten, beschloss Kikki, etwas Unordnung in die Stube zu bringen. Es gab fast nichts Schlimmeres für Waldhexen, als in ein aufgeräumtes Haus zurückzukehren.
Froschaugen und Fledermauskot,
etwas Staub täte hier Not!
Zufrieden sah sie zu, wie sich auf sämtliche Ablageflächen eine dünne Staubschicht setzte.
Elfenglitzer und Firlefanz,
ich wünsch mir einen vertrockneten Blumenkranz!
Ein Kranz aus vertrockneten Blumen erschien auf ihrem Schaukelstuhl. Kikki nahm ihn hoch und freute sich über die Blätter, die zu Boden fielen, als sie ihn zu dem eingeschlagenen Nagel trug, der an der Wand neben der Tür hing.
Danach schob sie den bunten Teppich unter dem Schaukelstuhl zusammen, sodass er schöne Wellen bildete. Als Nächstes hängte sie Bilder an den Wänden etwas schiefer hin, sodass ihre Ecken schräg nach unten hingen.
Mit den Büchern in ihrem wackligen Holzregal baute sie einen schiefen Turm. »Schon viel besser«, sagte sie.
Da fiel ihr Blick auf die Einmachgläser, die überall in der kleinen Küche herumstanden. Sie waren so schmutzig, dass man kaum noch sah, was sich in ihnen befand. Dabei war es enorm wichtig, auf die eingemachten Kräuter zu schauen. Man musste sie richtig beschriften und die Gläser gut verschließen.
Schon etliche Male war es vorgekommen, dass eine Hexe die falschen Zutaten zusammengemischt hatte, was bei einem Zaubertrank schlimme Folgen haben konnte.
Kikki trug die Gläser zum Tisch und leerte sie aus. Danach wusch sie die Einmachgläser so lange aus, bis sie wieder glänzten.
Als sie fertig war, füllte sie diese wieder auf, was aber nicht so einfach war, denn die Fledermauszähne waren nicht von Mäusezähnen zu unterscheiden, die getrocknete Ginsterwurzel hatte dieselbe Farbe wie der getrocknete Löwenzahn. Die Krähenfüße waren im gleichen Maß gebogen wie die Rabenfüße.
Nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig war, setzte sich Kikki erschöpft in ihren Schaukelstuhl. Sie schloss die Augen und merkte nicht, wie sie in den Schlaf glitt.
Vier Stunden später wurde sie von ihrem Besen geweckt. Er stupste sanft gegen ihre Schulter.
Als sie die Augen öffnete, deutete er mit seinem Besenstiel auf den Herd. Mit einem leisen Knurren tat er kund, dass er Kaffee wollte.
Kikki streckte ihre steifen Glieder. »Ist ja gut. Ich komme.« Sie strich dem Besen über den Stiel und stand auf.
Mit Schrecken fiel ihr ein, dass sie kein Kaffeepulver mehr hatte, geschweige denn frisches Brot, auf das sie ihre selbst gemachte Baumrindenmarmelade streichen konnte. Florina und sie hatten gestern alles aufgegessen. »Hühnermist«, schimpfte sie. »Das geht ja gar nicht.« Wie zur Bestätigung begann ihr Magen zu knurren.
Sie nahm ihren Zauberstab zur Hand.
Feine Dinge kommt zu mir,
damit ich essen kann, das gönn ich mir!
Brot soll es sein, Kaffee und Marmelade,
damit ich keinen Hunger zu leiden habe!
Mit einem Zischen erschienen vor ihr auf dem Tisch ein verschimmeltes Brot, eine hellgrüne Tasse mit abgestandenem Kaffee und eine schleimige, dunkle Paste, die in ein Einmachglas gefüllt war. Auf der vergilbten Etikette war das Wort »Hühneraugenarmelade« zu lesen.
»Das kommt von den Moorhexen! Wie konnte das passieren?« Fragend blickte sie auf ihren Zauberstab, doch er gab ihr keine Antwort.
Kikki starrte auf die herbeigezauberten Dinge auf ihrem Tisch. »Kein Wunder, dass sie Moorhexen grüne Gesichter haben, bei dem, was sie essen«, sagte sie zu Besen.
Besen gab ein zustimmendes Summen von sich.
*
In einem kleinen Steinhaus, weit entfernt in einem anderen Teil des Waldes, blickte Ragna, die Moorhexe, verdutzt auf ihre leeren Hände.
Ihr grünes Gesicht war starr vor Schreck. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie ein Brot vor sich gehabt, auf das sie ihre Lieblingsmarmelade streichen wollte. Sogar ihr abgestandener Kaffee von vorgestern war plötzlich verschwunden.
Ungläubig blickte sie neben sich auf den Boden, doch da waren die gesuchten Dinge auch nicht.
»Wenn ich diejenige erwische, die mir mein Frühstück weggehext hat, wird sie es noch bitter bereuen!« Wütend stapfte sie aus ihrem Haus und wusch ihr Gesicht im nahe gelegenen Moor. »Ich muss mir etwas einfallen lassen, um diejenige zu bestrafen.«
Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte und zu ihrem Haus zurückkehrte, hinterließ sie eine grünliche Schleimspur.
*
Zwei Stunden später waren alle acht Waldhexen im Haus der Oberhexe versammelt. Sie saßen gemeinsam am runden Tisch in der hinteren Ecke der Stube und tranken frisch aufgebrühten Froschaugentee.
Kikki liebte dieses Haus, dessen Größe die Oberhexe mit einem Zauberspruch verändern konnte. Hier gab es fünf Katzen, eine riesige Küche und noch zwei weitere Stockwerke.
Im ersten Stock schlief die Oberhexe. Darüber lag der Dachstock, der vollgestellt war mit Hunderten von magischen und nicht magischen Gegenständen, die Hexen in ihrem Leben brauchten.
Die siebzehnjährige Isolde, die neben Kikki saß, war damit beschäftigt, sich kleine Kieselsteine aus ihren ungekämmten braunen Haaren zu zupfen.
»Weshalb hast du so viele Steine auf deinem Kopf?«, wollte Kikki wissen.
»Das kommt daher, weil ich gestern versucht habe, einen schmalen Gehweg vor mein Haus zu zaubern, was aber gründlich misslungen ist. Anstatt einen Weg zu bilden, fielen die Kieselsteine wie Regentropfen vom Himmel. Du solltest mal mein Bett sehen. Ich konnte kaum schlafen, so viele Steine sind im Schlaf aus meinen Haaren und Kleidern gefallen. Man könnte meinen, sie wären von der Decke geregnet.«
»Ach du Schande.« Kikki machte große Augen. »Das war bestimmt nicht sehr bequem.«
»Das kannst du laut sagen«, jammerte Isolde.
Die Oberhexe kam aus der Küche und hielt ein Schreiben in der Hand, das ziemlich sicher von den Moorhexen stammte. Schleimige Fäden tropften vom grauen Papier hinunter. Sie blieb neben dem Tisch der versammelten Hexen stehen. »Guten Morgen, miteinander.«
»Guten Morgen, Oberhexe«, antworteten die Hexen am Tisch.
Die Oberhexe hielt das schleimtriefende Papier näher vor ihr Gesicht. »Dieses Schreiben lag vor dreißig Minuten vor meiner Haustür. Eine Anschuldigung wird uns von den Moorhexen gemacht. Am besten ist es wohl, wenn ich es euch vorlese: Ihr frechen Waldhexen, steht da in der Überschrift. Auch wenn ihr das Kesselrennen in der Silvesternacht gewonnen habt und ihr noch drei Jahre lang bestimmen dürft, was gezaubert wird, ist es euch noch lange nicht erlaubt, uns Dinge zu stehlen.
Denn nichts anderes als das ist geschehen. Heute Morgen ist diese schreckliche Tat von einer von euch, oder vielleicht sogar von mehreren Waldhexen, begangen worden. Einer unserer ehrbaren Frauen wurde das Frühstück gestohlen, und das, während sie gerade ihre Brotscheiben bestreichen wollte. Eine ungeheuerliche Frechheit! In dem geschilderten Fall wurde außerdem eine Tasse Kaffee und ein Glas Hühneraugenmarmelade weggehext.
Dies ist ein Vergehen, das wir nicht verzeihen können. Also erwarten wir von euch eine angemessene Entschuldigung, um das wiedergutzumachen. Falls das nicht geschieht, müsst ihr mit einer Strafe rechnen. Dann, wenn ihr es am wenigsten erwartet! Böse Grüße – die Moorhexen!
Und?« Die Oberhexe schaute prüfend in die Runde. »Hat eine von euch etwas zu sagen?«
Kikki saß stocksteif da. Ihr Gesicht verriet nicht das Geringste, ihre Kleider hingegen schon. Ihr weiter, geflickter Rock wand sich um ihre Beine und die Schuhspitzen ihrer Stiefel bogen sich nach unten. Ihr Hut hüpfte ihr vom Kopf und verzog sich schleunigst in eine der Zimmerecken.
»So ist das also!«, meinte die Oberhexe. »Kikki, was hast du dazu zu sagen?«
Kikki schwieg. Als sich die Oberhexe vor ihr hinstellte und sie dem durchdringenden Blick der kleinen Frau nicht mehr ausweichen konnte, antwortete sie: »Ich hatte bloß Hunger.«
»Deshalb zettelst du einen Streit mit den Moorhexen an?«
Isolde, Trixi, Fauna, Irmgard und Vallera rutschten mit ihren Stühlen vom Tisch weg, um einen möglichst großen Abstand zwischen sich und Kikki zu bringen. Aber vor allem zwischen sich und die Oberhexe. Das war jedoch überhaupt nicht nötig, denn die befürchtete Standpauke blieb aus.
»Das nächste Mal pass bitte etwas besser auf, bevor du einen Zauberspruch loslässt«, sagte die Oberhexe.« Sie kratzte sich nachdenklich am Kopf. »Die Moorhexen sind wütend. Das ist nicht gut, so kurz vor unserer gemeinsamen Zeit in der Hexenschule. Wie können wir sie wieder besänftigen? Hat eine von euch einen Vorschlag?«
Irmgard, die kleine Hexe mit den blonden Haaren, die wie ein Turm aufgesteckt waren, hob eine Hand.
»Ja?«, fragte die Oberhexe.
»Du könntest Kikki zu den Moorhexen schicken, damit sie sich bei ihnen entschuldigt.«
»Auf keinen Fall«, sagte Isolde. »Die werden Kikki nicht so leicht davonkommen lassen. Bestimmt haben sie schon was ausgeheckt, um sie zu bestrafen, wenn sie den Diebstahl des Frühstückes gesteht.«
»Du hast recht«, meinte die Oberhexe.
»Wie wäre es damit?«, fragte Vallera. »Kikki soll eine Woche lang für die Moorhexen die Wäsche waschen.«
Irmgard, Isolde, Fauna, Kikki, Trixi und die Oberhexe begannen schallend zu lachen. Nur Florina blieb stumm und beobachtete die anderen.
»Schlechte Idee«, erwiderte die Oberhexe. »Wer von euch Hexen im letzten Jahr seine Kleider gewaschen hat, soll die Hand heben!«
Keine der Hände wurden nach oben gestreckt.
»Eben«, meinte die Oberhexe. Sie strich sich durch ihre schwarzen stoppeligen Haare. Sei es drum, etwas wird mir schon einfallen, wenn die Moorhexen verlangen sollten, dass Kikki für diesen unabsichtlichen Diebstahl bestraft werden soll. Nun denn. Bevor wir losfliegen, unterschreibt ihr alle bitte diese Erklärung.«
»Was für eine Erklärung?«, wollte Kikki wissen. Sie las die Zettel, die plötzlich auf dem Tisch lagen.
Regeln für den Besuch der Hexenschule
Hiermit bestätigt die unterzeichnende Schülerin, dass sie:
Nachdem alle unterschrieben haben, sogen die Papiere mit einem leisen Zischen die schwarze Tinte in sich auf und verwandelte die Unterschriften in goldene Buchstaben.
»So, das hätten wir.« Die Oberhexe blickte in die Runde. »Kann es losgehen? Habt ihr alles dabei? Auch eure extra warmen Mäntel und Handschuhe für den Flug zur Hexenschule?«
»Mist.« Kikki merkte, wie ihre Wangen zu glühen anfingen. »Die Mäntel und Handschuhe liegen noch bei mir zu Hause auf dem Schaukelstuhl«, flüsterte sie Florina ins Ohr.
»Oh.« Florina blickte betreten drein. »Daran hätte ich auch denken können. »Tut mir leid.«
»Kein Problem. Dann hexe ich sie hierher.«
Kikki stand auf und ging nach draußen vor die Tür, damit die Oberhexe nicht bemerkte, dass sie die Mäntel vergessen hatte. Sie nahm ihren Zauberstab in die Hand und sagte:
Zwei Mäntel und vier Handschuhe fehlen mir,
fliegt schnell zu mir, ich brauche euch hier!
Aus ihrem Zauberstab schoss ein hellgrünes Licht und verschwand zwischen den Bäumen. Zufrieden grinste Kikki. Es würde bestimmt nicht lange dauern, bis die gewünschten Sachen hier waren.
»Ich leiste dir Gesellschaft.« Florina war ihr unbemerkt nach draußen gefolgt.
»Ach, das ist lieb. Bald sind unsere Mäntel hier. Wirst schon sehen.«
Gemeinsam warteten sie auf ihre Mäntel. Dabei beobachteten sie die tanzenden Schneeflocken, die vom Himmel fielen.
Zehn Minuten später kamen zwei Mäntel und vier Handschuhe auf sie zugeflogen und klatschten vor ihren Füßen in den Schnee.
»Na endlich«, sagte Kikki, um dann große Augen zu machen. »Verhext und zugenäht, wie konnte das passieren?«
»Was denn?«
»Die gehören nicht uns. Guck!«
»Bei allen Spinnen, du hast recht!«, sagte Florina.
Hinter ihnen ging die Tür auf, und die Oberhexe trat zu ihnen. »Was tut ihr hier?«
»Ähm, Mäntel herbeihexen«, sagte Kikki.
»Aha. Hast du deinen wohl schon wieder vergessen? So wie jedes Jahr?«
»Ja«, gab Kikki zu. Sie hoffte, die Oberhexe würde wieder in ihr Haus zurückkehren, aber das tat sie nicht.
»Wem gehören die?«, fragte sie stattdessen, als sie auf die beiden Mäntel und die vier Handschuhe blickte. »Kikki Krümel, sag jetzt bloß nicht, du hast dich schon wieder verhext. Die gehören doch eindeutig den Moorhexen.« Sie deutete auf die grauen, mit Flicken übersäten Mäntel, an denen grüne Moosflecken zu sehen waren.
»Es war keine Absicht. Ehrlich. Ich wollte nur meine und Florinas Sachen hierherhexen.«
»Das ist dir gründlich misslungen.« Die Oberhexe kniff ihre Augen zusammen. Es wird Zeit, dass du wieder die Schulbank drückst. Mit deiner Hexerei bringst du uns in Bedrängnis. Was glaubst du, was die Moorhexen sagen, wenn sie bemerken, was du schon wieder angestellt hast? Erst stiehlst du ihr Frühstück und nun auch noch ihre Mäntel.«
»Tut mir leid«, sagte Kikki aufrichtig.
»Damit du etwas lernst, verbiete ich dir, sobald wir in der Hexenschule sind, zwei Wochen lang das Zaubern.«
Kikki zog hörbar die Luft ein. Für ihr Empfinden war die Strafe, nicht mehr zaubern zu dürfen, das Schlimmste, was sich eine Hexe vorstellen konnte. Bedeutete es doch, man musste selbst kochen und Essen besorgen. Hinzu kam, dass man den Moorhexen dadurch völlig schutzlos ausgeliefert war.
»Wenn du meinst«, sagte Kikki. »Ich habe heute wohl echt Mist gebaut.
»Das hast du. Ich meine es nicht böse«, sagte die Oberhexe nun etwas freundlicher. »Ich will nur keinen unnötigen Ärger mit den Moorhexen. Es ist nur zu deinem Besten.« Sie schwang ihren Zauberstab und deutete auf die beiden Mäntel und die Handschuhe.
Fliegenmist und Schneckenschleim,
schnell, fliegt wieder in euer Daheim!
Die Kleidungstücke erhoben sich aus dem Schnee und flogen davon. Die Oberhexe nickte zufrieden. »Dann hoffen wir mal, die Moorhexen haben ihr Fehlen nicht bemerkt.« Sie deutete mit ihrem Zauberstab in die Richtung, wo Kikkis Haus stand.
Jetzt, gleich und sofort,
ich will Kikkis und Florinas Handschuhe und Mäntel an diesem Ort!
Der Zauber flog davon, um kurz darauf mit den gewünschten Dingen zurückzukehren.
Kapitel 2
Aufbruch zur Hexenschule
Im Haus der Oberhexe wurden die letzten Vorbereitungen getroffen.
Die Taschen und Koffer standen bereit. Die fünf Katzen der Oberhexe, Kikkis Kater Lakritz und Faunas Kröte Lukas waren gefüttert und in ihren Käfigen.
»Habt ihr alles eingepackt?«, fragte die Oberhexe. »Fauna, hast du all deine Bücher?«
Die Hexe mit dem schmalen Gesicht und den braunen Haaren nickte. »Ja, Oberhexe.
»Und, du Vallera?«
»Ich habe alles dabei«, sagte die Älteste unter ihnen.
»Sehr schön. Trixi?«
»Ich habe auch alles.
»Isolde?«
»Ich auch.«
»Gut«, bemerkte die Oberhexe. Danach befragte sie noch Kikki, Florina, Irmgard und sich selbst. Als alles zu ihrer Zufriedenheit war, meinte sie: »Na los, brechen wir auf, bevor es dunkel wird.«
Die Koffer und Taschen der Hexen wurden auf ihren Besen festgebunden. Dann verließen sie das Haus.
Der starke Schnellfall vom Morgen hatte den ganzen Waldboden bedeckt. Nur vereinzelt war noch hier und dort etwas Grün zu sehen.
Die Oberhexe verschloss mit einem Schlenker ihres Zauberstabs die Tür. Der Schlüssel kam auf sie zugeflogen und landete eigenständig in ihrer Manteltasche. »Es geht los. Steigt auf eure Besen.«
»Endlich«, meinte Isolde.
»Wurde auch Zeit«, fügte Irmgard an.