Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe
© 2018 arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, 80801 München
Alle Rechte vorbehalten
Text: Sarah Welk
Cover- und Innenillustrationen: Anne-Kathrin Behl
Lektorat: Ulrike Hübner
Die Autorin wird vertreten durch die Autoren- und Projektagentur
Gerd F. Rumler, München
ISBN eBook 978-3-8458-2931-9
ISBN Printausgabe 978-3-8458-2197-9
www.arsedition.de
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Cover
Titel
Impressum
Wie ich mir überlege, wen ich zu meinem Geburtstag einlade, und so richtig knallwütend werde
Wie ich mir selber einen Zahn rausgezogen habe
Wie wir der Zahnfee einen Brief geschrieben haben
Wie wir zusammen in den Spaßpark gegangen sind
Wie wir einen Klingelstreich machen und rausfinden wollen, ob Frau Motz eine Hexe ist
Leseprobe aus dem Band "Lasse in der ersten Klasse"
Weitere Titel
Ich bin Lasse und sechs Jahre und elf Monate und drei Wochen alt und nächste Woche habe ich Geburtstag. 6 + 11 + 3 ist übrigens 20.
Das weiß ich, weil ich natürlich auch schon zur Schule gehe, und da rechnen wir immer plus und minus, aber noch nicht mal und geteilt. Das machen wir erst in der Zweiten.
Aber ich werde nicht 20, das ist ja klar.
Das wäre ja wohl ein bisschen lustig, wenn jemand, der 20 ist, noch in die erste Klasse geht.
Da würde meine Lehrerin Frau Kastanienkötter sich aber wundern. Also in echt werde ich natürlich sieben.
Zu meiner Geburtstagsfeier will ich alle Kinder aus meiner Klasse einladen. Nur nicht Nico und Nadja, das sind nämlich Ärgerkinder.
Wenn Nadja zum Beispiel hinter mir geht, macht sie immer meinen Schulranzen auf, und das will ich überhaupt nicht, weil der dann ausleiert.
Und Nico hat mir einmal meinen neuen Raketenkugelschreiber weggenommen, den hat Opa mir geschenkt, und mit dem schreiben sogar echte Astronauten, wenn sie im Weltall rumfliegen.
Aber das habe ich dann Frau Kastanienkötter gesagt, und da musste Nico mir meinen Stift zurückgeben und außerdem auch noch ein Entschuldigungsbild für mich malen.
In meiner Klasse sind außer mir noch 23 andere Kinder, und 23 minus zwei sind 21. Deshalb muss ich jetzt 21 Raketenbilder malen. Die will ich nämlich vorne auf die Einladungskarten kleben.
Ich kann richtig gute Raketen. Wenn ich groß bin, werde ich Astronaut oder ganz vielleicht auch Maler.
Die ersten Bilder werden super. Aber das Malen dauert ganz schön lange, mir tut sogar schon ein bisschen der Po weh vom Sitzen. Irgendwie habe ich jetzt gar nicht mehr so viel Lust, und deshalb mache ich ein bisschen Krikelkrakel.
Rica kriegt aber auf jeden Fall eine Rakete, weil sie ja meine beste Freundin ist. Die male ich auch noch knallrot an, weil Rot ist nämlich Ricas Lieblingsfarbe.
Und weil sie auch gerne Ritter mag, zeichne ich neben die Rakete noch den Chef-Astronauten, der auch ein Ritter ist. Er hat keine Rüstung an, sondern einen Raumanzug, das ist ja klar, und in der Hand hält er ein Schwert.
Jetzt muss Mama nur noch hinten den Text draufschreiben, wann die Kinder kommen sollen und solche Sachen, und schon bin ich fertig. Mama sagt bestimmt, dass ich das auch schon selber kann. Aber dann werde ich Nein sagen, weil mir das nämlich zu lange dauert.
„Mama!“, rufe ich. „Komm mal schnell!“
Aber Mama antwortet nicht. Das ist komisch, weil sie nämlich gerade im Badezimmer ist. Und das Badezimmer ist direkt neben meinem Zimmer, und deshalb kann sie mich auf jeden Fall hören.
„MAMA!“, schreie ich jetzt richtig laut. „Du sollst kommen!!!“
Aber es passiert immer noch nichts, und deshalb renne ich zur Badezimmertür und drücke die Klinke nach unten. Doch die Tür geht nicht auf, weil sie nämlich abgeschlossen ist.
„Mama, Mama, Mama!“, rufe ich jetzt, und dabei drücke ich im Takt auf die Klinke und trete unten immer abwechselnd mit beiden Füßen so ein bisschen ans Holz.
„Sag mal, Lasse, spinnst du?“, höre ich Mamas Stimme von drinnen. „Hörst du bitte SOFORT auf damit?“
Sie klingt ein bisschen dumpf, aber auch irgendwie sauer.
„Mama!“, rufe ich. „Aber das ist ein Notfall!“
Ich höre auf, mit den Füßen gegen das Holz zu hauen, weil vielleicht geht die Tür sonst kaputt. Stattdessen klopfe ich lieber.
Da höre ich endlich ein Rauschen und kurz darauf reißt Mama die Tür auf.
„Kann ich vielleicht EINMAL in Ruhe ins Bad gehen?“, fragt sie und stemmt die Hände in die Hüften. „Nur ein einziges Mal?“
„Aber du musst meine Einladungskarten schreiben“, antworte ich und lege den Kopf dabei schief.
Dann strecke ich meinen Arm aus und halte ihr meine Raketenbilder direkt vor den Bauch.
Die schöne Karte für Rica habe ich extra ganz obendrauf getan, damit Mama sie gleich sieht und staunt. Vielleicht will sie die sogar an den Kühlschrank hängen, weil sie mir so gut gelungen ist, aber das geht natürlich nicht, weil dann Rica ja nicht zu meiner Feier kommen würde.
Und Mama staunt wirklich. Ihre Augen werden ganz groß und sie zeigt mit dem Finger auf Ricas Superrakete mit dem Ritterastronauten.
„Sag mal, Lasse?“, fragt sie dann. „Wie viele Einladungskarten sind das denn?“
Ich halte den Stapel noch ein bisschen höher, fast unter Mamas Nase. Aber Mama guckt gar nicht mehr richtig hin, sondern schaut mir stattdessen direkt ins Gesicht.
„Lasse, ich habe dich etwas gefragt“, sagt sie.
„Einundzwanzig!“, antworte ich stolz.
„Hasi“, sagt Mama. „Du wirst sieben. Also darfst du sieben Kinder einladen. Und nicht einundzwanzig.“
Ich gucke Mama an. Vielleicht war das ja ein Witz.
Manchmal machen Erwachsene das, dann sagen sie irgendwas, aber in echt meinen sie was anderes, und dann ist das lustig.
Aber Mama lacht überhaupt nicht.
„Und außerdem“, sagt Mama. „Nächste Woche sind Herbstferien. Da fahren ganz viele Kinder in Urlaub. Und deshalb machen wir den Kindergeburtstag sowieso erst, wenn in zwei Wochen die Schule wieder anfängt.“
„Mama“, sage ich, und dabei klingt meine Stimme so ein bisschen zittrig, obwohl ich das gar nicht will. „Aber ich muss alle Kinder aus meiner Klasse einladen. Weil sonst ist es nämlich überhaupt kein richtiger Geburtstag. Rica darf auch immer alle einladen.“
„Du bist aber nicht Rica“, antwortet Mama. „Und jetzt ist Schluss.“
Wenn Mama „Und jetzt ist Schluss“ sagt, heißt das, dass sie nicht mehr weiter mit mir redet, sondern dass sie einfach bestimmt. Und das darf sie eigentlich überhaupt nicht, weil ich nämlich selber über mich bestimme.