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© für die Originalausgabe und das eBook: 2018 nymphenburger in der F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung GmbH, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten.

Das aramäische Vaterunser mit freundlicher Genehmigung des Verlags Hans-Jürgen Maurer, Frankfurt. Quelle: Rocco A. Errico: Das aramäische Vaterunser.

Umschlaggestaltung: STUDIO LZ, Stuttgart

Umschlagmotiv: shutterstock

eBook-Produktion: VerlagsService Dietmar Schmitz GmbH, Heimstetten

ISBN 978-3-485-02974-2

Alle, welche dich suchen, versuchen dich.

Und die, so dich finden, binden dich

an Bild und Gebärde.

Ich aber will dich begreifen,

wie dich die Erde begreift;

mit meinem Reifen

reift

dein Reich.

Rainer Maria Rilke

 

 

 

 

 

 

Für die Anregungen und die Unterstützung

bei der Arbeit an diesem Buch bedanke ich mich

ganz herzlich bei Roland, Ursula, Robert, Oliver, Vincent, Klaus und Elisabeth

Inhalt

Widmung

»Aber noch mehr ist er Mutter«

Danke!

Beten und Staunen

Zu wem beten wir eigentlich?

Das Vater- und Mutterunser

Das Gebet in aramäischer Sprache und meine freie Interpretation der Sätze

Das Gebet in der Meditation des Vereinigten Chakra

Weiterführende Literatur

Widmung

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich freue mich, dass Sie mein Buch in Händen halten. Bevor Sie weiterlesen, möchte ich gerne einiges, was vielleicht irritieren könnte, vorab klären.

Auch in diesem Buch werde ich wieder überwiegend die weibliche Anrede verwenden. Bitte fühlen Sie sich aber als männlicher Leser genauso angesprochen.

Jesus nenne ich (hebräisch) »Jeshua«, wie schon in meinen letzten Büchern. Jeshua wurde in seiner aramäischen Muttersprache Eschoo gerufen. Die Bedeutung von Eschoo ist: Gott heilt.

Die aramäische Schreibweise des Gebets sowie die wörtlichen Übersetzungen habe ich von Rocco A. Errico übernommen, aus seinem Buch »Das aramäische Vaterunser« bzw. der Lern-CD »Das aramäische Vaterunser zum Selbstlernen«.

Meine freien Interpretationen der einzelnen Sätze sind im zweiten Teil des Gebets absichtlich nicht als Bitten formuliert, sondern eher als Zustandsbeschreibungen. Die Formulierungen sind so gewählt, dass man sich dankbar vorstellen kann, dass alles bereits zum Besten gerichtet sei. Es heißt also zum Beispiel nicht: »Unser tägliches Brot gib uns heute«, sondern: »Es ist immer genug Nahrung für uns alle da.«

Dabei handelt es sich um eine geistige Technik. Man reist quasi in eine mögliche Zukunft, in der immer genug Nahrung für uns alle da ist, und holt diesen Zustand mit der Kraft der Sprache in die Gegenwart. Man stellt sich dabei auch voller Dankbarkeit vor und spürt mit allen Sinnen, wie das ist, wenn wirklich genug Nahrung für alle da ist. Diese Technik erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche mögliche Zukunft tatsächlich verwirklicht.

Die Kunst des Schreibens ist eine stille Kunst. Mit dabei in der Stille ist unsichtbar immer eine Leserin und ein Leser, also Sie. Als Schreiberin bin ich ganz und gar abhängig von Ihrem Interesse. Wenn ich nicht die Hoffnung hätte, dass wenigstens ein Mensch sich für die Gedanken interessiert, die ich auf den nun folgenden Seiten darlege, dann würde ich die notwendige Disziplin und Anstrengung für das Werk wahrscheinlich nicht aufbringen können.

Vor vielen Jahren hörte ich einmal eine unvergessliche Predigt unseres Dorfpfarrers. Er predigte die Liebe. Zu diesem Zweck nahm er das Wort »Liebe« auseinander, zerlegte es in die einzelnen Buchstaben und fand dann für jeden Buchstaben ein erklärendes Wort. Aus diesem kleinen Buchstabenspiel bastelte er dann eine eindrückliche Ansprache.

Das ging in etwa so:

L – wie »Liebe ist miteinander leben«

I – wie »Liebe ist füreinander Interesse haben«

E – wie »Liebe ist erotisch«

B – wie »Liebe ist Beisammensein«

E – wie »Liebe ist seit ehedem schon immer da«

Von den Gedanken des Priesters zu den fünf Buchstaben ist mir eigentlich nur das »Interesse« bis heute in Erinnerung geblieben. Damals wünschte ich mir so sehnlich, es gäbe jemanden, der sich wirklich für meine innersten Gedanken und Gefühle interessiert. Mir schien, als gäbe es niemanden. Vielleicht war ich blind und konnte gar nicht sehen, wer ein echtes Interesse an mir hatte. Vielleicht konnte ich mich aber auch nicht angemessen ausdrücken. Aus der tiefen Sehnsucht nach der Liebe und nach diesem »Sich-füreinander-Interessieren« ist dann irgendwie der Wanderstab auf meinem Lebensweg geworden. Ich habe gelernt, meine Gedanken einigermaßen verständlich zu transportieren, und ich habe Menschen gefunden, die daran interessiert sind. Das ist wunderbar!

Ich danke Ihnen also von Herzen für Ihr Interesse! Denn aus Ihrem Interesse spricht die Liebe – unsere gemeinsame Liebe zum Leben und seinen Geheimnissen.

Ich widme dieses Buch Ihnen. Sie haben es aufgeschlagen und lesen die ersten Seiten. Ich habe es wirklich für Sie geschrieben!

»Aber noch mehr ist er Mutter«

Niemand von uns weiß, wie viele Predigten über das »Vaterunser« gehalten und wie viele Aufsätze dazu verfasst wurden. Man könnte meinen, es sei doch schon alles gesagt und geschrieben, was es über das einzige Gebet zu sagen gibt, welches Jeshua uns hinterlassen hat.

Natürlich habe ich wie die meisten von uns das Vaterunser in der Schule auswendig gelernt. Ich bin katholisch erzogen worden, und das Gebet zu lernen, war Teil der Vorbereitung zur Erstkommunion. In meiner Jugend habe ich mich dann von der Institution Kirche abgewandt und alles, was dazugehört, stark infrage gestellt. Einzig die Mutter Maria, Sinnbild der Weiblichkeit in einer durch und durch männlichen Kirche, blieb mir auch in dieser Zeit als Sympathieträgerin erhalten. »Wenn es dich nicht gäbe, dann hätte ich überhaupt nichts mehr …«, so sagte ich einmal im Geist zur Madonnenstatue auf dem Hohen Peißenberg. Die Statue blickte still und stumm vom Altar auf mich herab.

Der von der Kirche arrangierte Blick von unten, »von uns Sündern«, nach oben, »zur Unbefleckten«, schafft eine Distanz, die ich nicht unbedingt als angemessen empfinde. In meiner inneren Welt führe ich eine lebendige Kommunikation mit spirituellen Wesen, und ich meine, dass es die Mutter Maria bedauert, wenn sie nicht auf Augenhöhe mit uns sein kann, auch wenn es sich »nur« um die symbolische Begegnung mit einer Statue handelt. Das hat nichts mit mangelndem Respekt zu tun. Man kann auch auf Augenhöhe respektvoll miteinander umgehen. Aber dieses Distanzschaffen der Kirche von »denen da unten« zu »denen da oben« ist eine archetypisch männliche Sache. Bei manchen Gelegenheiten mag es ja Sinn machen, eine hierarchische Ordnung zu installieren, wo es oben und unten, Erste und Letzte gibt – bei der Fußball-Weltmeisterschaft meinetwegen.

Aber das ist nicht immer gut. Oft ist es doch die archetypisch weibliche Sache, die besser funktioniert. Dann findet man im Miteinander im Kreis zu Lösungen. Auf Augenhöhe eben. Eine eher weibliche Sozialstruktur würde zum Beispiel eine Gemeinwohl-Ökonomie bevorzugen, wo angemessen die Bedürfnisse der Vielen berücksichtigt werden anstelle des Raubtier-Kapitalismus, wo die Gier von wenigen bedient wird und wo es darum geht, wer der reichste Mann der Welt ist.

Das weibliche Prinzip, die »Mutter Gottes«, die Urmutter, spielt nach meiner Auffassung in unserem Gebet eine wichtige Rolle. Gleich im ersten aramäischen Wort erscheint sie. Awuun: Das bedeutet Vater und Mutter in einem. Übrigens hat Papst Johannes Paul I. wenige Tage nach seiner Ernennung am 10. September 1978 in der Angelus-Ansprache von Gott als Vater gesprochen und sagte dabei wörtlich »… aber noch mehr ist er Mutter!«. Grammatikalisch ist der Satz eigentlich ein Unding. Andererseits ist er ein wahres Kunstwerk! »Aber noch mehr ist er Mutter!« Nur 18 Tage später war Johannes Paul I. ein toter Mann. Ein seltsamer Zufall. Als der Papst tot aufgefunden wurde, hielt er Papiere der Vatikanbank in Händen, und die Umstände seines Todes wurden nie so recht aufgeklärt.

Etwas Licht in die Finanzgeschäfte des Vatikans hat dann erst knapp 40 Jahre später der jetzige Papst Franziskus gebracht. Ob er auch dem Weiblichen im Göttlichen mehr Anerkennung verschaffen will, bleibt abzuwarten. In einem Interview kurz nach seiner Wahl sprach er immerhin vom »weiblichen Genius«, von dem er sich mehr verantwortliche Tätigkeit wünscht, sogar in seiner eigenen Kirche. Die Möglichkeit von zukünftigen katholischen Priesterinnen sei damit aber ausdrücklich nicht gemeint.

Danke!

An dieser Stelle passt es, mich ganz besonders bei den Autoren zu bedanken, die mich inspiriert haben, Jeshuas Gebet immer wieder neu anzuschauen und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Als Erster tauchte vor etwa zehn Jahren Neil Douglas-Klotz in meiner Welt auf, mit seinem Buch »Das Vaterunser«. Fasziniert durfte ich erfahren, dass Jeshuas aramäische Muttersprache sehr vielschichtig und vieldeutig ist und überhaupt nicht einfach zu übersetzen. In meinem ersten Buch »Alte Heilgebete« habe ich denn auch das letzte Kapitel Neil Douglas-Klotz und seiner Interpretation des Gebets gewidmet.

Als Nächstes wollte ich unbedingt das Gebet in der aramäischen Urform sprechen können und kaufte die Lern-CD von Rocco Errico. Später dann auch das dazugehörige Buch »Das aramäische Vaterunser«, und meine Faszination wuchs und wuchs.

Bei den Recherchen zu diesem Buch entdeckte ich schließlich noch George M. Lamsa (1892–1975), der über zehn Jahre lang, bis zu seinem Tod, der Lehrer und Mentor von Rocco Errico gewesen ist. Lamsas großes Anliegen war es, die christlichen Kirchen davon zu überzeugen, dass die Evangelien zuerst in aramäischer Sprache aufgeschrieben worden sind, der Sprache von Jeshua und seinen Anhängern. Lamsa berichtete, dass noch heute sehr alte Abschriften der ursprünglichen Evangelien existieren, die Peschitta-Rollen. Er gab zu bedenken, dass die Lehren beliebter Persönlichkeiten stets zuerst in der jeweiligen Landessprache verfasst werden, in der Umgangssprache der Leute. Das gilt natürlich auch für die »Heiligen Schriften« und für unser Gebet, das ein Teil davon ist.

Lamsa war als ältester Sohn in ein christlich-syrisches Nomadenvolk hineingeboren worden. Seine Muttersprache, das galiläische Aramäisch, war noch reich an Redewendungen, die sich während 2000 Jahren nicht verändert hatten. Lamsa war von seiner Mutter in einem uralten Ritual Gott geweiht worden und richtete sein Leben – trotz vieler Hindernisse – darauf aus. In Gesprächen mit seinen amerikanischen Zeitgenossen stellte er später fest, dass zahlreiche Redewendungen der Bibel wörtlich genommen werden und der eigentliche Sinn nicht verstanden wird. Nach dreißig Jahren Forschung und Arbeit legte Lamsa schließlich 1957 seine Übersetzung der Bibel aus dem altaramäischen Peschitta-Text vor. Die »Lamsa-Bibel« brachte ihm höchste Anerkennung, und er war beim Zweiten Vatikanischen Konzil als Gesandter des Patriarchen der Ostkirchen mit dabei.

Dennoch ist auch heute noch die offizielle Version, dass die Evangelien zuerst in griechischer Sprache verfasst wurden. Aus dem Griechischen wurden sie ins Lateinische und schließlich in alle anderen Sprachen übersetzt. Die Bibel ist ja bekanntlich das meistübersetzte literarische Werk der Weltgeschichte.