ISBN: 978-3-99074-030-9
1. Auflage 2018, Marchtrenk, Österreich
© 2018 Verlag federfrei
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Umschlagabbildung: © milosz_g, fotolia.com
Sämtliche Personen dieses Romans, ihre Namen und ihre Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch auszugsweise - nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
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Langsam verblasste der blutrote Himmel über dem Zickenwald. Die Sonne war untergegangen. Die Dunkelheit der Nacht floss über den Hackenberg und verbarg den kleinen Weiler Zicken, der zwischen den Ortschaften Rehgraben und Brunnergraben lag. Der Tag der Sommersonnenwende war wolkenlos und heiß zu Ende gegangen.
»Es ist fast zehn Uhr«, stellte Peter Drabits fest. Er stand auf, streckte sich und trat aus dem Wohnzimmer hinaus auf den schmalen Balkon. Mitte fünfzig, von kleiner, aber sportlicher Gestalt hatte er früh die Haare verloren. Der kahle Kopf und das faltige Gesicht ließen ihn älter erscheinen. Die blauen Augen bewegten sich in ständiger Unruhe, als würden sie alle Gegenstände der Umgebung abtasten. Eine große, schwarze Warze befand sich oberhalb des rechten Auges auf der Stirn. Die dicke, knollenförmige Nase hatte er von seiner Mutter geerbt. Angestrengt schaute er zur gegenüberliegenden Seite des Tales. Oben an den Gipfeln der Hügelkette hob sich der dunkle Umriss der Villa des Architekten Steiner gegen den noch hellen Himmel im Westen ab. Unten in der Finsternis leuchteten zwei Fenster eines Hauses herüber.
»Thea ist wieder gestürzt«, meinte er wenig erfreut und kam ins Wohnzimmer zurück. Seine Lebensgefährtin Irmgard Zeiler saß bei Tisch, addierte konzentriert eine Zahlenkolonne und gab keine Antwort. Das Brett einer beendeten Partie Scrabble lag vor ihr.
»Wer hat gewonnen?«, fragte er, obwohl es ihn nicht interessierte.
»Du«, antwortete sie, nachdem sie die Rechnung abgeschlossen hatte. Sie nahm die quadratischen Steine mit den aufgedruckten Buchstaben vom Spielbrett und steckte sie in einen Beutel. Irmgard war schlank. Sie gönnte sich nicht viel, nicht beim Essen und anderen Menschen noch weniger. Zwei dunkelbraune, kleine Augen beherrschten ihr ovales Gesicht. Das schwarze Haar fiel dicht und glatt über ihre Schultern. Obwohl sie im gleichen Alter wie Peter war, wirkte sie wesentlich jünger.
»Es brennt noch Licht bei Thea«, meinte er in fragendem Ton.
Die Blicke der beiden begegneten einander und nach kurzem Zögern forderte Irmgard ihn auf: »Geh hinüber und schau nach!«
»Los!«, befahl er mehr ihr als sich selbst, seufzte tief und gab ihr einen Kuss, der länger ausgefallen wäre, wenn sie ihn nicht sanft, aber bestimmt von sich weggedrückt hätte.
»Geh nur! Es ist deine Tante«, sagte sie streng, lächelte ihn aber dabei an. »Bis bald.«
»Hoffentlich«, antwortete er.
Mit großen, schnellen Schritten eilte Peter die Zufahrt zu seinem Haus hinunter zur Straße, welche die Ortschaften Brunnergraben und Rehgraben miteinander verband. Den kleinen Lichtkegel der Taschenlampe richtete er direkt vor sich auf den Boden. Der Asphalt strahlte die untertags gespeicherte Wärme ab. Noch war die nächtliche Luft heiß. Nur ein Windhauch, der talabwärts wehte, schaffte Abkühlung.