image

Gerald Jampolsky
&
Diane Cirincione

Was uns das
Leben lehrt

Inspirierende Lebensgeschichten, die unser Innerstes berühren

Aus dem Englischen von Andreas Zantop

image

Hinweis

Die Autoren dieses Buches erteilen keinen ärztlichen Rat in irgendeiner Form, sie befürworten auch keine bestimmte Technik zur Behandlung irgendwelcher körperlicher oder medizinischer Probleme ohne Konsultation eines Arztes. Die Absicht der Autoren ist es lediglich, den Lesern allgemeine Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihnen bei ihrer Suche nach emotionalem und spirituellem Wohlbefinden behilflich zu sein. Für etwaige körperliche oder geistige Unannehmlichkeiten, die durch Verwendung der in diesem Buch enthaltenen Informationen auftreten könnten, können weder die Autoren noch der Verlag haftbar gemacht werden.

Alle Rechte vorbehalten.

Außer zum Zwecke kurzer Zitate für Buchrezensionen darf kein Teil dieses Buches ohne schriftliche Genehmigung durch den Verlag nachproduziert, als Daten gespeichert oder in irgendeiner Form oder durch irgendein anderes Medium verwendet bzw. in einer anderen Form der Bindung oder mit einem anderen Titelblatt als dem der Erstveröffentlichung in Umlauf gebracht werden. Auch Wiederverkäufern darf es nicht zu anderen Bedingungen als diesen weitergegeben werden.

Copyright © 2008 by Gerald G. Jampolsky and Diane V. Cirincione

Titel der Originalausgabe: Finding Our Way Home. Inspirational Stories That Ignite Our Spiritual Core

Copyright © 2010 der deutschten Ausgabe: Verlag »Die Silberschnur« GmbH

ISBN: 978-3-89845-318-9
eISBN: 978-3-89845-883-2

1. Auflage 2018

Übersetzung: Andreas Zantop

Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstraße 1 · D-56593 Güllesheim

www.silberschnur.de · E-Mail: info@silberschnur.de

Widmung

Das Leben hat uns mit wunderbaren
Freunden auf der ganzen Welt gesegnet,
die uns und das Werk, zu dem wir uns
aufgerufen fühlen, lieben. Dazu zählen
auch zwei Paare, nämlich Ted und Vada Stanley
sowie Larry und Joyce Stupski, und wir
widmen ihnen dieses Buch mit Liebe und
Dankbarkeit und von Herz zu Herz.

Das Schreiben dieser Seiten wurde besonders
von Vada und Larry angeregt, die uns
schon mehrmals vorgeschlagen hatten,
ein Buch zu verfassen, das ausschließlich
aus Geschichten über Menschen und
Geschehnisse besteht, die uns geholfen haben,
unser Leben zu formen. Zu unserer
großen Freude hat uns dies selbst weitergeholfen,
unseren Weg nach Hause zu finden.

image

Inhalt

Vorwort: Wegweiser zum Frieden

Zum Geleit

Einführung

Wie wir uns kennenlernten

Ein Kurswechsel

Die Golden Gate Bridge

Mohnkörner

Altes Unrecht ungeschehen gemacht

Die Angelrute

Angst als Lebensweise

Angst ist nie die Antwort

Bernadette

Wie sich ein Kind den Tod vorstellt

Groll und Ärger loslassen

Die Öffnung meines Herzens

Mein Rückspiegel

Warum bin ich hier?

Der grüne Wagen

Kalligraphie als Lehrer der Stille

Ein Gefängnis muss nicht unbedingt aus Mauern bestehen

Schuldig in Japan

Eine Botschaft von “oben”

Wo Liebe ist, ist auch ein Weg

Ein Reiseführer

Sich freimachen vom Schubladendenken

Valentinstag

Meine Arbeitssucht

Intuitives Wissen

Keil Cove

An der Küste

Unsere Enkelkinder

Meine familiären Wurzeln

Ein leeres Blatt Papier

Averys ansteckende Lebenslust

Tu es trotzdem!

Im Iran

Tonga – Paradies der Einfachheit

Panik im Opernhaus

Eine neue Einkaufs-“Strategie”

Als ich es zum ersten Mal wusste

Meine Legasthenie

Nicht gut genug

Mein Freund, der Scotch

Bobbys weise Worte auf dem Sterbebett

Himmlische Zeitplaner

Jessicas Weisheit

Ein Freund und Lehrer

Geben heißt empfangen

Wunder in Belfast

Angst vor einer Operation

Eine Veränderung der Wahrnehmung

Die heilende Kraft des Lachens

Lehrer der Liebe

An Wunder glauben

Ein Häufchen Zucker

Einlegesohlen der besonderen Art

Attitudinal Healing und die Polizei

Das AIDS-Poster

Eine Geschichte von Vergebung und Heilung

Die Lehrerin der Vergebung

Mitgefühl entwickeln, wo keines vorhanden ist

Schuldgefühle im Elternhaus

Wie meine Ex-Frau und ich uns vergaben

Dankbarkeit

Eichen, Redwoods und leere Hände

Freundschaft

Der inneren Stimme vertrauen

Jemandem gefallen oder jemanden lieben?

Herausforderungen mit Liebe begegnen

Nach unseren wahren Überzeugungen handeln

Der Zitronenbaum

Nachwort

Anhang: Was ist Attitudinal Healing?

Danksagung

Über den Autor

Vorwort
Wegweiser zum Frieden

Nur wenige Autoren beherrschen die Kunst, spirituelle Geschichten zu schreiben – Geschichten, die mit rückhaltloser Ehrlichkeit erzählt werden sollten, ein wirklich hilfreiches Konzept aufzeigen und eine Veränderung auf der Herzebene anregen sollten.

Viele veröffentlichte Geschichten wirken etwas moralisierend und ein bisschen zu leicht dahingesagt, so dass man ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität infrage stellt. Als Folge davon rufen sie eher Widerstand als Akzeptanz hervor, und so kann es dann leider passieren, dass der Leser eigentlich hervorragende spirituelle Ratschläge verwirft.

In Was uns das Leben lehrt haben nicht nur einige, sondern ausnahmslos alle Geschichten einen spirituellen Inhalt. In der Romanliteratur wäre dies nichts Ungewöhnliches, doch hier wird eine Fülle von beeindruckenden Erfahrungen und Einsichten aus dem wirklichen Leben präsentiert, wie sie bisher nicht existierte. Dazu kommt, dass die Erzählungen von Jerry und Diane weder allzu glatt noch oberflächlich sind und auch keine moralischen Appelle enthalten. Vielmehr greifen die beiden auf die alte hawaiianische Tradition des “Geschichtenerzählens” zurück und präsentieren ihre Erzählungen auf freundliche und vertraute Weise – so als ob zwei gute Freunde beschlossen hätten, ihre meistgeschätzten Erfahrungen mit anderen zu teilen –, und wir fühlen uns von dieser Geste tief berührt.

Jede Geschichte enthält eine klare geistige Botschaft oder Orientierungshilfe. Zusammen sind sie gewissermaßen ein Kurs in Weisheit, und die Wirkung dieser Geschichten auf uns Leser wird mit fortschreitender Lektüre stärker und tiefer. Egal, um welches Thema es geht – Alkoholismus, Lernen zu lachen, Selbsthass, Heilen des Körpers oder unsere Ansichten zu Leben und Tod –, durch alle Geschichten zieht sich ein einfühlsames Mantra spiritueller Schlüsselkonzepte: Anderen zu vergeben bedeutet, uns selbst zu vergeben; Lieben heißt, das Göttliche zu kennen; unsere Einstellungen und Sichtweisen zu verändern bedeutet, die Welt zu verändern; den Geist zu beruhigen führt zu innerem Frieden, und Freude zu verbreiten bedeutet, ein wiedergeborenes Kind Gottes zu sein.

Dieses Buch ist so unterhaltsam wie konkret und lehrreich. Welche Methode wäre besser geeignet, uns die Augen zu öffnen, als diese: tiefsinnige Weisheiten auf kurzweilige und unterhaltsame Art präsentiert! Bei der Lektüre dieser Geschichten ließ ich jede mit Wohlbehagen auf mich einwirken, während ich zu nächtlicher Stunde im weichen Gras lag und die Sternbilder über mir am Himmel bewunderte, eines nach dem anderen. Unweigerlich fühlte ich mich sanft in den sternenübersäten Himmel emporgehoben. Wenn Sie Was uns das Leben lehrt mit der Achtsamkeit und Offenheit lesen, die dieses Buch verdient, werden Sie ein Gefühl des Einsseins mit dem Himmel spüren, der uns alle umgibt.

Hugh Prather
Bestsellerautor von Notes to Myself

image

Zum Geleit

Wir haben das große Glück und Privileg, die Hälfte des Jahres auf Hawaii verbringen zu können. Zu den vielen wundervollen Dingen, die wir von den Bewohnern dieser zauberhaften Insel mit ihrer kulturellen Vielfalt gelernt haben, gehört auch das talking story, das “Geschichtenerzählen”.

Die Hawaiianer erinnern uns immer wieder daran, dass das Leben aus mehr besteht als Hast, Hetze, Terminen und Geschäften. Die Inselbewohner nehmen sich im täglichen Leben viel Zeit, sich gegenseitig Geschichten zu erzählen. Zwei oder mehr Menschen treffen sich zum Beispiel auf dem Markt, am Strand, bei Freunden oder wo auch immer sie gerade Zeit für ihre Erzählungen haben. Auf den Inseln haben selbst Nicht-hawaiianer die alte Tradition des “Geschichtenerzählens” erlernt, wenn sie sich zusammenfinden.

Das Erzählen von Geschichten ist eine Art und Weise, wie Herzen miteinander kommunizieren. Durch sie teilt man seine eigenen Lebenserfahrungen mit anderen, und sie dienen als Mittel, sich mit anderen zusammenzutun und zu verbinden. Diese Herzverbindungen sind nicht nur eine wirkungsvolle Methode, sich gegenseitig kennen zu lernen; sie können auch auf subtile Weise tiefgreifende Lernerfahrungen ermöglichen. Wir glauben, dass wirkliche Heilung erfolgen kann, wenn wir unsere von Herzen kommenden Geschichten miteinander teilen und aus ihnen lernen.

Diese Seiten enthalten einige Geschichten, die wir auf unserer spirituellen Reise erlebt haben. Ein Großteil davon sind unsere persönlichen Erfahrungen, andere handeln von Menschen, die unser Leben auf tiefgreifende Weise beeinflusst haben. Sie sind eine Chronik – der Abgründe, in die wir gefallen sind, der Gipfel, die wir erklommen haben, und der Umwege, die wir auf unserer Reise gemacht haben. Wir schreiten nicht immer geradlinig voran …

In diesen Geschichten erwähnen wir oft Orte, die wir zu jener Zeit als “Zuhause” bezeichnet haben, während wir durch all die Jahre voranschritten. Unsere Leben befinden sich weiterhin “in Arbeit”, während wir gleichzeitig unser Bestes geben, uns daran zu erinnern, dass unser wahres Zuhause spiritueller Natur ist – das Zuhause der Liebe, das wir eigentlich nie verlassen haben und das immer in uns wohnt.

Unser Wunsch ist, dass diese Geschichten Sie dazu inspirieren werden, Ihre eigenen von Herzen kommenden Geschichten mit anderen zu teilen – in der Hoffnung, dass wir dadurch alle mehr Licht in eine oft dunkle Welt bringen.

image

Einführung

Heutzutage sind viele von uns in einem angstvollen Glaubenssystem gefangen, das uns suggeriert, dass wir in einer gefährlichen Welt leben, dass es dort draußen Feinde gibt, die bestraft werden müssen, und dass es auf unserem Lebensweg unabdingbar ist, uns und unsere Familie an die erste Stelle zu setzen. Als Folge davon machen wir uns Sorgen um die Zukunft, versuchen, so viele Besitztümer wie möglich zu erlangen und an ihnen festzuhalten, und geben uns dem Glauben hin, dass es etwas außerhalb von uns geben muss, das uns irgendwann die erwünschte Sicherheit und immerwährendes Glück beschert. Es ist ein Glaubenssystem,

• das Kriege als unvermeidlich betrachtet und davon ausgeht, dass dauerhafter Frieden unmöglich sei;

• das andere Menschen nicht als gleichwertig ansieht;

• das der Ansicht ist, es sei einfach nur “Pech”, dass so viele Menschen Hunger leiden und in Armut leben, und dass wir eigentlich nichts dagegen tun können;

• in dem Menschen angesichts der hohen Rate von Morden, Selbstmorden, Scheidungen und Missbräuchen körperlicher, geistiger und psychischer Art nur mit den Schultern zucken;

• in dem wir glauben, dass unser Festhalten an Groll und anderen unversöhnlichen Gedanken uns das geben wird, was wir wirklich wollen.

Doch heute stellen immer mehr Menschen fest – selbst wenn sie finanziell und beruflich erfolgreich sind –, dass Geld und materielle Errungenschaften ihnen nicht zu dem Glück verholfen haben, von dem sie dachten, es würde sich durch das “Streben nach Erfolg” in dieser Welt von selbst einstellen. Und sie spüren immer noch dieselbe Angst: Egal, wie viele materielle Besitztümer sie anhäufen – die Welt ist für sie immer noch ein äußerst gefährlicher und furchterregender Ort.

Viele von uns fangen dann irgendwann an, ihre Ziele im Leben infrage zu stellen und spüren, dass es noch etwas Größeres geben muss als das, was wir täglich erleben. Früher oder später fragen wir uns: Was ist der Sinn meines Lebens? Bin ich auf dem richtigen Weg, oder trotte ich wie so viele andere in dieselbe unglückliche Richtung? Welches Ziel versuche ich zu erreichen, und was möchte ich dort finden?

Warum fühlen sich so viele von uns verloren, allein, besorgt, ängstlich und verwirrt? Könnte es sein, dass wir irgendwie vom Weg abgekommen und den Wegweisern unseres Egos gefolgt sind – und somit das Bewusstsein über unsere eigene Spiritualität verleugnet haben?

Es ist unsere Überzeugung, dass jeder von uns sich auf einer spirituellen Reise befindet, selbst wenn es uns nicht bewusst ist und wir andere Ziele verfolgen. Wir fühlen uns dann unglücklich und zerrissen, denn wir haben unterwegs vergessen, was wir in unserem innersten Wesenskern eigentlich sind: Liebe.

Nach unserer Auffassung ist der Lebensweg eines jeden Menschen eine spirituelle Reise, die uns zu einem Bewusstsein führt, das aus reiner, bedingungsloser, immerwährender Liebe besteht. Wir finden unseren Weg zurück zu unserer Quelle, dem Zuhause der Liebe, von dem wir beide mittlerweile glauben, dass wir es eigentlich nie verlassen hatten.

Auch wenn uns unser Wunsch, einen spirituellen Lebensweg zu beschreiten, klar und bewusst ist, sehen wir uns doch jeden Tag Herausforderungen und Umständen gegenüber, die bestimmte Aspekte unseres Seins dazu veranlassen, uns oder andere zu bewerten und zu beurteilen. Was sich nun verändert hat, ist, dass wir schneller erkennen, wenn wir vom Weg abgekommen sind, und dass wir jederzeit die freie Wahl haben, auf den Weg der bedingungslosen Liebe zurückzukehren. Sobald wir uns wieder daran erinnern, dass der Sinn unseres Lebens darin besteht, uns in den Dienst der Liebe zu stellen, anderen zu helfen und durch Praktizieren von Vergebung sowohl unseren Groll als auch unsere Urteile über andere loszulassen, wird der weitere Weg einfacher, die Richtung klarer und das Ziel – innerer Frieden – erreichbar.

Dies ist kein Buch über Religion oder Theologie, sondern eine Sammlung von Geschichten, die die tagtägliche Anwendung universeller spiritueller Prinzipien veranschaulichen – etwas, das wir gern als “praktische Spiritualität” bezeichnen. Wenn Sie mit dem Wort “Gott” aus irgendeinem Grund Probleme haben, können Sie gern Ihren eigenen Begriff an seine Stelle setzen: unendliche Intelligenz, universelles Prinzip, göttliche Quelle, höhere Macht oder natürliche Verbindung – oder denken Sie einfach an ein Bewusstsein, das aus reiner, bedingungsloser, immerwährender Liebe besteht.

image

Jerry: Ich wuchs in Long Beach, Kalifornien, auf. Als Kind lebte ich mit der ständigen Angst vor dem Zorn Gottes, und im Alter von sechzehn Jahren hatte ich mich völlig von der Idee einer höheren Macht losgesagt, als ein guter Freund von mir bei einem Autounfall ums Leben kam. Ich konnte einfach nicht glauben, dass es einen Gott gäbe, der dies zuließ. Ich stürzte mich daraufhin zunächst in die Arbeit und dann in den Alkohol. Jahrzehntelang war ich, was man einen “militanten Atheisten” nennen könnte – bis ich im Alter von fünfzig Jahren eine Art “spirituelles Erwachen” erfuhr: Ich erkannte das Einssein der Menschheit und eine universelle Präsenz, die überall in der Welt vorhanden ist.

Da ich in meinem Elternhaus mit so vielen Ungewissheiten und Ängsten aufgewachsen war, fragte ich mich oft, wie es wohl wäre, in einem Umfeld zu leben, in dem es weder Schmerz noch Kampf gäbe – wo ich mich sicher fühlen könnte.

Wenn ich auf meine erste Lebenshälfte als Forscher, Professor und Psychiater für Kinder und Erwachsene zurückblicke, kann ich sehen, wie ich zahlreiche Umwege eingeschlagen habe, die mich von Gott und einem spirituellen Leben weggeführt haben. Doch diese Umwege haben mich schließlich dorthin geführt, wo ich heute bin.

Diane: Ich wuchs in der New Yorker Bronx und auf Long Island auf. Ich liebte meine Familie und fühlte mich von ihr geliebt. Mein Vater hatte jedoch ein launisches und sprunghaftes Temperament, und oft endeten Konflikte in häuslicher Gewalt. Ich fühlte mich oft verängstigt und irgendwie unsicher, war bestrebt, die Friedensstifterin in der Familie zu sein, hatte damit aber keinen Erfolg. Auch ich fragte mich häufiger, wie es wohl wäre, in einem Umfeld zu leben, in dem es nur Liebe und Frieden gäbe und wo niemand auch nur im Traum daran dächte, einer anderen Person Schmerz zuzufügen.

Mit fortschreitendem Alter wurde ich dann zum Workaholic – was mich natürlich davon ablenkte, meinen Weg nach Hause zu finden. Meine Arbeit diente als Fluchtmechanismus, der mich zu beschäftigt hielt, als dass ich mich den ungelösten Konflikten aus meiner Kindheit stellen konnte. Ein Beispiel: Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich drei Unternehmen gleichzeitig leitete, und viele Jahre lang hatten ich und mein Partner einen 12- bis 14-Stunden-Arbeitstag, sieben Tage die Woche. Es war abzusehen, dass die ungelösten Konflikte aus meiner Kindheit nicht dadurch verschwinden würden, dass ich sie unter einem Berg Arbeit begrub. Stattdessen traten sie in meinen Beziehungen immer wieder an die Oberfläche, und ich brauchte Jahre, um sie zu erkennen und mich schließlich durch sie hindurchzuarbeiten. Nach Abschluss meines Magisters und meiner Promotion in klinischer Psychologie mit Schwerpunkt auf häuslicher Gewalt verstand ich diese speziellen Dynamiken in einer Familie viel besser, auch wenn ich die Arbeit an meinem persönlichen Wachstum letztendlich selbst leisten musste.

Im Gegensatz zu Jerry wuchs ich in einem Umfeld auf, wo ich mich Gott nahe fühlte, mich aber immer wieder durch meine Ängste von diesem Bewusstsein abspaltete.

image

Wir sind beide der Überzeugung, dass – auch wenn wir sehr unterschiedliche Lebenswege hatten – wir doch beide auf der Suche nach dem friedvollen Ort in unserem Innern waren, an dem es durch das Praktizieren von Vergebung letztendlich nur Liebe gibt. Zunächst erschien uns dies wie ein Fantasiegebilde aus unserer Kindheit. Dieses Buch beschreibt einen Teil unserer gemeinsamen Reise und unsere Lernprozesse, die wir auf der Suche nach diesem friedlichen Zuhause durchlaufen haben. Dabei haben wir beide festgestellt, dass dieses Zuhause nicht etwas Äußerliches ist, sondern vielmehr in jedem von uns zu finden ist.

Wir lernten uns 1981 kennen, und zweieinhalb Jahre später begannen wir auf Wunsch vieler Menschen, rund um die Welt zu reisen, um Vorträge und Workshops zu den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des sogenannten Attitudinal Healing abzuhalten. Bei diesem Verfahren geht es um die Erkenntnis, dass es nicht andere Menschen, äußere Umstände oder Geschehnisse aus unserer persönlichen Vergangenheit sind, die in uns Ärger und Groll auslösen, sondern vielmehr unsere Gedanken, Einstellungen und Urteile zu diesen Menschen, Umständen oder Geschehnissen. Wir können die Vergangenheit nicht mehr ändern, doch durch Anwendung der Prinzipien des Attitudinal Healing können wir unseren Geist und unser Herz in der Gegenwart heilen, uns aus der Opferrolle lösen, unsere Wahlmöglichkeiten im Leben vervielfachen und uns für Frieden statt Konflikt und Liebe statt Angst entscheiden.

Im Jahre 1990 heirateten wir. Uns beiden war von Beginn an klar, dass unser Zusammentreffen kein Zufall war … Nein, wir waren spirituelle Partner und Lehrer füreinander. Indem wir Seelenfrieden zu unserem einzigen Ziel machen, versuchen wir, unser Bestes zu geben und “beiseitezutreten”, um uns von Gott auf unserem Weg leiten zu lassen, während wir bei allem, was wir denken, sagen und tun, nach Harmonie und Integrität streben. Dies gelingt uns nicht immer, doch wir schreiten auf unserer Reise weiter in diese Richtung voran.

Auf unserem Lebensweg haben wir Menschen aller Altersstufen sowie aus den unterschiedlichsten Kulturen und Gesellschaftsschichten kennen gelernt; einige von ihnen werden in diesem Buch erwähnt. Sie waren unsere Lehrer des Lebens, der Liebe und der Vergebung heraus. Jeder dieser Menschen hat unsere Herzen auf seine einzigartige Weise berührt und uns dadurch geholfen, unseren Weg nach Hause zu finden. Wir sind dankbar dafür, unsere und ihre Geschichten nun mit Ihnen teilen zu können, und wir hoffen, dass Sie dies inspirieren wird, Ihre eigenen Lebensgeschichten als Wegweiser aufzufassen, da sie Ihnen ebenfalls einen Weg nach Hause aufzeigen wollten und wollen.

Jerry Jampolsky und Diane Cirincione

image

Wie wir uns kennenlernten

– Jerry –

Meine Beziehung zu Diane begann schon viele Monate, bevor wir uns das erste Mal persönlich trafen. Zu jener Zeit hatte sie ihre Stellung in einer Firma gekündigt und war fast ausschließlich damit beschäftigt, bei der Leitung von drei Unternehmen behilflich zu sein. Gewöhnlich arbeitete sie zwölf bis vierzehn Stunden in ihrem Büro – das sich, wie mein eigenes, in Tiburon, Kalifornien, befand.

Zwei Jahre vor unserem ersten Zusammentreffen machte Diane eine zutiefst spirituelle Erfahrung, als sie durch die helle Morgensonne für einige Zeit geblendet war, worauf sie begann, ihre Gedankengänge zu Papier zu bringen. Im Februar 1981 erhielt Diane eine komplexe innere Botschaft: Sie sollte “der Person, die mit Kindern arbeitete, die im Sterben lagen, etwas geben”. Intuitiv wusste sie, dass dieses “Etwas” ihre Notizen und Aufzeichnungen waren. Da sie zum Thema “Tod” bis dahin nur einen Text verfasst hatte, beschloss sie, dass sie dem Mann, der kürzlich ein neuartiges Zentrum für die Arbeit mit unheilbar kranken Kindern eröffnet hatte, diesen Text zukommen lassen wollte. Sie dachte, dass dies vielleicht hilfreich sein könnte.

Früh am darauffolgenden Sonntagmorgen fand Diane meine Adresse im Telefonbuch, steckte ihr Essay mit einer kurzen Begleitnotiz in einen Briefumschlag und warf ihn in meinen Briefkasten. Sie hatte weder eine innere Weisung erhalten, der Notiz ihren Namen hinzuzufügen, noch hatte sie den Brief unterschrieben.

Etwa zwei Stunden später erhielt sie einen Anruf von einem alten Freund, der sie zum Continuum Event in San Francisco einladen wollte – eine Reihe von Vorträgen zu den Themen Sterben, Tod und Leben nach dem Tod. Ihr Freund plante dort auch ein Treffen mit Dr. Kenneth Pelletier, dessen Werke Diane gelesen hatte und bewunderte – und so nahm sie die Einladung an.

Obwohl ich meinen Briefkasten am Samstagnachmittag geleert hatte, spürte ich am Sonntagmorgen in mir einen seltsamen Drang, noch einmal hineinzuschauen. Zu meiner großen Überraschung fand ich einen unfrankierten Brief, den jemand persönlich eingeworfen haben musste. Diese Person hatte es vorgezogen, ihn nicht zu unterschreiben, was darauf schließen ließ, dass sie keine Antwort darauf erwartete – etwas, was mir sehr seltsam erschien.

Das Essay war ein wundervolles Werk und berührte mich tief, und da er sich mit Sterben und Tod befasste, steckte ich ihn in meine Manteltasche und machte mich auf den Weg nach San Francisco, wo ich zu genau diesem Thema einen Vortrag halten sollte. Ich war ungefähr zur Hälfte durch meinen Vortrag durch, als ich beschloss, den Anwesenden den Brief laut vorzulesen, was sehr positiv aufgenommen wurde. Ich wusste nicht, dass die Autorin im Publikum saß. Und Diane ihrerseits hatte nicht gewusst, dass ich bei dieser Veranstaltung als einer der Vortragsredner eingeplant war, und da sie für sich keine innere Weisung erhielt, sich mir vorzustellen, tat sie es nicht und fuhr nach meinem Vortrag wieder nach Hause.

Viele Monate später erzählte sie mir, dass sie sich – als sie an dem Tag im Publikum saß – gefragt hatte: “Was soll das bedeuten, dass ich hier heute in diesem Saal sitze, und dieser Mann liest dem Publikum meine Worte vor?” Die eindeutige Antwort, die sie darauf erhielt, war, dass ihre Werke nicht nur für sie selbst, sondern auch für andere von Bedeutung waren und einen Wert hatten.

Fast sechs Monate vergingen, bevor Diane eine weitere innere Botschaft empfing, nämlich mir alle von ihr verfassten Essays zukommen zu lassen. Sie schenkte dieser Weisung jedoch keine Beachtung … Dann, am 20. August 1981, fuhr sie morgens um 6.30 Uhr zu ihrer Arbeitsstelle, als ihr Auto plötzlich streikte – mitten auf der Main Street und genau vor dem Eingang des Center for Attitudinal Healing. Diane spürte den starken Wunsch, keinen weiteren Versuch zu unternehmen, den Wagen noch einmal anzulassen; stattdessen beschloss sie, ihre innere Stimme nicht länger zu ignorieren und auszusteigen. Zunächst war sie sich unsicher, wohin sie gehen sollte; dann beschloss sie, zum Hafen hinunterzugehen, und fand sich kurz darauf vor einer blau gestrichenen Tür mit einem Regenbogen darauf. Sie klopfte an. Später sagte sie mir, dass sie sich in jenem Moment innerlich hin- und hergerissen gefühlt hat: Ihr Kopf beurteilte ihre Handlungen als “vollkommen verrückt”, doch vom Bauch her “wusste” sie, dass es richtig war, was sie tat.

Als ich die Tür öffnete, durchzuckte es uns beide. Monate später erzählte mir Diane, dass sie in dem Moment, als ich die Tür öffnete, ein sehr helles Licht wahrnahm, das die Luft mit einem goldenen Dunst füllte. Gleichzeitig rückten alle Geräusche für sie weit in den Hintergrund, und sie konnte mich kaum hören, als ich fragte, was sie wolle.

Eine innere Stimme lenkte ihre Worte, als sie antwortete: “Ich habe hier diese Aufzeichnungen, die ich mit Ihnen teilen soll.”

Zu jenem Zeitpunkt war ich gerade mitten im Gespräch mit einer Person in meinem Büro. Ich bat Diane deshalb, in einer Stunde noch einmal wiederzukommen, wenn ich Zeit für eine Pause hätte. Als sie wiederkam, verbrachten wir insgesamt etwa zwanzig Minuten Zeit, und mein Herzschlag setzte in dieser Zeit einige Male aus … Es war 7.45 Uhr an jenem Morgen, und Diane, die auf dem Weg zu ihrem Büro war, um einige Aufräumarbeiten zu erledigen, war etwas schmuddelig gekleidet und hatte ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Doch irgendwie strahlte sie eine faszinierende Balance zwischen äußerer und innerer Schönheit aus, die alles übertraf, was ich in dieser Hinsicht bisher erlebt hatte. Diese Erfahrung hatte auf irgendeine Weise etwas Atemberaubendes – eine verblüffende Empfindung von uralter Vertrautheit, ein Gefühl, als ob wir uns zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort schon einmal getroffen hatten. Es war, als kämen zwei Seelen zusammen, die sich schon viele Male zuvor kennen gelernt hatten. Und es schien, als ob das ganze Büro durch die Energien zwischen uns erhellt wurde.

Dies war eine schwierige und chaotische Zeit in meinem Leben. Die Stimme meines Egos meldete sich unaufhörlich; ihm war sehr wohl bewusst, dass der Zaun, den ich sorgfältig um mein Herz gezogen hatte, für einen kurzen Moment ein Loch aufwies. Mein Ego wollte nicht nur dieses Loch reparieren, sondern den Zaun sogar noch höher ziehen – und es griff sogar auf “spirituelle Argumente” zurück, um mich in Gefangenschaft zu halten.

Mein Selbstgespräch lief ungefähr folgendermaßen ab: “Du bist endlich auf einem spirituellen Weg. Das Letzte, was du jetzt brauchst, ist eine neue ‘besondere Beziehung’ zu einer schönen Frau, die über zwanzig Jahre jünger ist als du. Hör auf mit deinen Fantasien. Wenn sich dies zu einer romantischen Beziehung entwickelt, führt es dich weg von deinem Ziel. Bau also nicht noch mehr Hindernisse auf.”

Als ich dagegen Einwände erhob, unterbrach mich mein Ego: “Wie oft muss ich es dir denn noch sagen: Egal, was passiert – deine Beziehungen zu Frauen werden immer in einem Fehlschlag enden. Beziehungen mit allzu viel Nähe sind immer danebengegangen, und sie werden es auch weiterhin tun. Am Ende erleidest du doch wieder nur Verletzungen – und sie wirst du auch verletzen. Sie kam zu dir, um dich um Hilfe bei ihren Aufzeichnungen zu bitten, nicht um eine persönliche Beziehung mit dir zu beginnen. Vergiss deine Einsamkeit – das ist dein Schicksal. Sei objektiv und hilfsbereit, aber bitte verabrede dich nicht weiter mit ihr.”

Doch eine andere kleine Stimme in mir sagte, dass Diane tatsächlich ein Geschenk sei und in mein Leben getreten war, um mir beizubringen, dass der Weg heim zu Gott darin bestünde, einer engen persönlichen Beziehung zu gestatten, sich zu einer heiligen Beziehung zu entwickeln. All diese Stimmen in mir gaben mir das Gefühl, schon fast meinen gesunden Menschenverstand zu verlieren. Doch ich verabredete mich noch einmal mit Diane, und bei unserem nächsten Zusammentreffen versuchte ich, objektiv zu sein und eine gewisse emotionale Distanz zu wahren – doch innerlich war ich vor Angst fast wie versteinert. Ich wollte unbedingt das Richtige tun und nicht wieder Schmerzen und Kummer erleiden. Wir trafen uns von da an weiter in meinem Büro.

Einige Monate später raffte ich schließlich all meinen Mut zusammen und lud Diane zu einem Mittagessen ein. Damals ahnte ich noch nicht, was für eine einflussreiche Lehrerin sie in den darauffolgenden Jahren für mich werden würde, und die erste Lektion begann genau an jenem Tag. Als ich wie selbstverständlich nach der Restaurantrechnung griff, um sie zu begleichen, fragte sie mich mit ruhiger Stimme, was ich da täte. Ich antwortete ihr, dass ich unser Essen bezahlen wolle. Sie fragte mich, warum ich auch ihr Essen zu bezahlen beabsichtige. Ich antwortete ihr, dass ich eigentlich immer für Restaurantrechnungen aufgekommen wäre und annahm, es auch dieses Mal zu tun. Sie schlug daraufhin vor, dass unsere Freundschaft viel tiefer gehen und eine viel größere Erfolgschance haben würde, wenn sie ihren Anteil an der Rechnung bezahlte und ich meine Annahmen auf sich beruhen ließe – und wir von dort aus weitermachten.

In den darauffolgenden fünfundzwanzig Jahren haben wir uns immer wieder gegenseitig geholfen, all unsere Annahmen und Betrachtungen gründlich anzuschauen und zu hinterfragen, und als Folge davon haben wir enorme Wachstumsschritte gemacht. Diane ist immer noch meine hochgeschätzte Lehrerin, meine beste Freundin, meine Gattin und mein spiritueller Partner.

image

Da unsere Egos mit unseren früheren Fehlern beschäftigt sind, raten sie uns, nie irgendwelche Risiken einzugehen und auf gar keinen Fall unseren Herzen zu vertrauen. Doch eine unvorhergesehene Begegnung mit einem anderen Menschen kann sich als regelrecht umwälzend für das Leben herausstellen und sogar dazu führen, dass wir unseren spirituellen Seelengefährten finden. Im Zweifel müssen wir auf unsere Herzen hören.

image

Ein Kurswechsel

– Diane –