Die Geschichte der Weimarer Republik kann nicht als bloße Vorgeschichte des Dritten Reiches begriffen werden, und viele der in ihr gefällten sozial- und strukturpolitischen Entscheidungen wirken bis in unsere Gegenwart fort. Während es in der Wirtschaftswunderphase der Bundesrepublik als selbstverständlich galt, unter dem Stichwort »Bonn ist nicht Weimar« die Nichtidentität der Zweiten deutschen Republik mit ihrem Weimarer Vorläufer hervorzuheben, ist inzwischen ein größeres Verständnis für die spezifischen Probleme der Weimarer Republik aufgekommen, das sich nicht zuletzt auf die Vergleichbarkeit der wirtschaftlichen Krisenlagen bezieht, wenngleich das ökonomische Niveau der Bundesrepublik um ein Mehrfaches höher liegt als dasjenige Weimars.
Unsere Darstellung ist daher von dem Bemühen bestimmt, die wirtschaftlichen Faktoren und finanzpolitischen Probleme der Republik in ihrer engen Verschränkung mit dem politisch-parlamentarischen Prozeß darzustellen und zugleich die Konvergenz unterschiedlicher Politikfelder, insbesondere die Wechselwirkung zwischen innerer und äußerer Politik, anschaulich zu machen. Wir sind uns bewußt, daß der Bereich von Kunst und Kultur, der der Weimarer Epoche den Namen der »Goldenen Zwanziger Jahre« eingetragen hat, demgegenüber nur andeutungsweise berücksichtigt wird, zumal sich dessen Entwicklung nicht synchron zum politischen Geschehen vollzieht und nur an bestimmten Nahtstellen, wie der Phase der Hyperinflation, zur Deckung mit ihm gelangt.
Gegenüber der häufig gewählten Methode, die jeweiligen Gegenstandsbereiche – Verfassung, Parteien, Verbände, Kommunalpolitik und außerparlamentarische Bewegungen einerseits, Kunst und Kultur, Bildungswesen und Schule, Wohnungsbau und Gesundheitswesen, Sozialpolitik und Rechtsordnung, Familienpolitik und Geschlechterbeziehungen andererseits – in eigenen Abschnitten zu behandeln, wurde der Versuch gemacht, sie unter dem Primat der politischen Geschichte in eine narrative Darstellung zu integrieren. Dabei liegt der Akzent darauf, das politische Handeln der Akteure in Wechselwirkung zu den determinierenden ökonomischen, administrativen, sozialen und ideologischen Strukturen zu schildern und den politischen Prozeß begreiflich zu machen, der sich nicht in den vielfältigen Vorgaben erschöpft.
Dem Kenner der Geschichte der Weimarer Republik wird nicht entgehen, daß der Darstellung in mehrfacher Beziehung eigenständige Interpretationen zugrunde liegen, die über den bisherigen Forschungsstand hinausgehen. In jedem Falle ist der Versuch durchgehalten, diesen bei unserer Schilderung der Entstehung und des Niederganges der Weimarer Republik zu integrieren, wenngleich es nicht eben leicht ist, die noch immer anwachsende Flut der Spezialpublikationen zu diesem Bereich zu bewältigen.
Die Fertigstellung des Buches wäre ohne eine großherzige Einladung in das Wissenschaftskolleg zu Berlin 1984/85 nicht möglich gewesen, und der damalige Lektor, Herr Wolfram Mitte, hat sich ein unverzichtbares Verdienst um die Textherstellung erworben. Von der Vielzahl von Kollegen, denen ich aktive Hilfe und fachliche Ratschläge verdanke, möchte ich Professor Thomas Childers, Professor Larry E. Jones, Professor Peter Krüger, Professor Reinhard Rürup und nicht zuletzt Professor Bernd Weisbrod nennen. Von den vielen, die mir geholfen haben, erwähne ich Herrn Bert-Oliver Nolte und Herrn Achim Brünger, die bei der Erstellung der Literaturhinweise behilflich waren, desgleichen meine Bochumer Mitarbeiter Frau Renate Held, Herrn Armin Nolzen und Herrn Dirk Pöppmann sowie meine Sekretärin, Frau Karin Kaschade, voller Dankbarkeit. Schließlich danke ich dem Propyläen Verlag, der dem Autor gegenüber eine sprichwörtliche Geduld bewiesen hat.
Bochum, den 15. Januar 1998
Hans Mommsen