Hast du dich schon mal gewundert, warum es Regeln gibt, die scheinbar nur für Mädchen gelten? Willst du gerne mehr über Bodyshaming, Selfcare und Gleichberechtigung erfahren? Findest du Mädchen und Frauen, die ihr eigenes Ding durchziehen, spannend? Dann bist du hier genau richtig!
Mit jeder Menge Listicles, Tipps und natürlich ganz viel Girlpower
Julia Korbik wurde 1988 im Ruhrgebiet geboren und lebt heute als freie Journalistin und Autorin in Berlin. Sie schreibt vor allem über Popkultur und Politik aus feministischer Sicht. Korbik hat in Deutschland und Frankreich Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Journalismus studiert. 2014 erschien »Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene«, 2017 »Oh, Simone! Warum wir Beauvoir wiederentdecken sollten«. Korbik ist nicht nur überzeugte Feministin, sondern auch überzeugte Europäerin: Mit dem Team von cafebabel.com zeigt sie, wie junge Leute Europa täglich leben.
Mehr über Julia Korbik: https://juliakorbik.com/
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Viel Spaß beim Lesen!
at the time, you are searching. seeking in every corner and pocket of the world for who you are. take your time, baby girl. there’s no rush to get there. you will sow each of these chapters in the land that you become. you will see bits and pieces of them scattered into the skin you grow into. you don’t have to figure everything out now. time will reveal itself. i promise you.1
BRIEF DER SÄNGERIN SOLANGE KNOWLES AN IHR TEENAGER-ICH
Ich bin in den 1990er-Jahren aufgewachsen, was mir an manchen Tagen vorkommt, als sei es erst gestern gewesen – und an anderen, als seien seither mindestens hundert Jahre vergangen. Es war das Jahrzehnt, in dem Klassiker wie Jurassic Park und Notting Hill in die Kinos kamen, Grunge in Form von Nirvana und Pearl Jam zur angesagten Musikrichtung wurde und Buffalo-Schuhe mit Plateausohlen ein absolut notwendiges modisches Accessoire waren (meine Mutter weigerte sich – leider oder vielleicht auch zum Glück –, mir derart hässliche Schuhe zu kaufen). Und dann war da noch das Lied der deutschen Sängerin Lucy van Org alias Lucilectric. Es hieß Mädchen und der Text ging so:
»Komm doch mal rüber Mann und setz dich zu mir hin / Weil ich ’n Mädchen bin, weil ich ’n Mädchen bin / Keine Widerrede Mann, weil ich ja sowieso gewinn, weil ich ’n Mädchen bin.« »Mädchensein«, so die Botschaft, ist was ziemlich Tolles. Mädchen sind stolz darauf, nehmen sich, was sie wollen, und haben damit stets Erfolg. Ich wollte gerne so sein wie das von Lucilectric besungene Mädchen: frech, unerschrocken, selbstbewusst. Heute bin ich älter (auf jeden Fall) und weiser (zumindest ein bisschen) und denke mir: Mh, das im Song beschriebene Mädchen ist vielleicht doch etwas … eindimensional? Mädchen sind ja vieles, aber das sicher nicht!
Mädchen und jungen Frauen, das hast du bestimmt schon gehört, steht heutzutage die Welt offen. Es geht ihnen nicht schlechter, sondern sogar besser als den Jungs: Sie machen die besseren Schul- und Uni-Abschlüsse, können ihr Leben nach eigenen Vorstellungen gestalten und alles erreichen, was sie wollen. Zumindest theoretisch. Denn praktisch ist das Mädchensein und Frauwerden immer noch mit vielen Schwierigkeiten verknüpft. Du hast es wahrscheinlich schon gemerkt: Das Vorhaben, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ist oft schwieriger in die Tat umzusetzen als gedacht. Und woran liegt das? An den hartnäckig bestehenden Ungleichheiten zwischen Mädchen und Jungen, zwischen Frauen und Männern. Ja, die Frauenbewegung hat viel erreicht und in den letzten Jahrzehnten hat sich das Leben für Mädchen und Frauen in Deutschland generell verbessert: Sie haben mehr Rechte erhalten, mehr Autonomie gewonnen, sie sind emanzipiert. Mädchen- oder Frausein, so schallt es aus allen Ecken, ist etwas Tolles, etwas, auf das man stolz sein kann und soll!
Aber sie sind eben immer noch da, die kleinen und großen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Viele davon fallen im Alltag gar nicht auf, weil wir so an sie gewöhnt sind; wie zum Beispiel die Vorstellung davon, was ein »richtiges« Mädchen oder eine »richtige« Frau ausmacht, wie diese auszusehen und sich zu verhalten hat. So wirst du mit der Botschaft konfrontiert, dass Mädchensein zwar toll ist und sich dir beinahe unendliche Möglichkeiten bieten – aber eben nur, wenn du dem entsprichst, was in unserer Kultur und Gesellschaft als »richtiges« Mädchen gilt. Botschaften, die Mädchen tagtäglich zu hören bekommen, sind widersprüchlich und konfus, sie schaffen Verunsicherung und ein Gefühl der Unzulänglichkeit. In diversen Lebensbereichen haben Mädchen und junge Frauen häufig keine echte Wahl, veraltete Denkmuster und Rollenbilder engen sie ein oder behindern sie völlig. Auch wenn sie sich theoretisch frei entfalten können: Praktisch wissen Mädchen und junge Frauen nicht unbedingt, wie sie das bewerkstelligen sollen.
Und hier kommt das Buch ins Spiel, welches du in den Händen hältst. Es will eine Mischung aus Wegweiser und Ratgeber sein; es will nicht vorschreiben, sondern Lust aufs Selberdenken machen, aufs Fragenstellen und Ausprobieren. Es will dir Mut machen, deinen eigenen Weg zu gehen und deinen Blick öffnen für all die Zwänge, Normen und Erwartungen, von denen du als Mädchen so umgeben bist. Es will dich anregen, darüber nachzudenken, was das eigentlich heißt: Mädchensein – und dir dabei helfen, deinen eigenen, ganz persönlichen Platz in der Welt zu finden. Deshalb ist dieses Buch voller Geschichten von inspirierenden Mädchen und Frauen, die ihr Ding gemacht haben bzw. machen, und das oft gegen große Widerstände. Es gibt jede Menge Hinweise wie Listen und Info-Boxen, in denen du Themen noch einmal kompakt aufbereitet findest. Im Anhang findet sich ein umfangreiches Verzeichnis mit interessanter Literatur, Filmtipps und Internetadressen – zum Weiterlesen, Weiterinformieren, Weitergucken.
Wahrscheinlich wirst du am Ende dieses Buches etwas verwirrt sein und das Gefühl haben, du hättest dieses Mädchensein immer noch nicht richtig begriffen. Keine Panik! Die Wahrheit ist: So ganz wirst du den Dreh wohl nie raushaben, es gibt schließlich nicht die eine Art, ein Mädchen zu sein. Ernsthaft, ich bin 30 und habe manchmal den Eindruck, diese Sache mit dem Frausein überhaupt nicht zu kapieren! Doch dann fällt mir ein, dass ich ich bin, und mich nicht stumpf danach richten muss, was von Frauen (in meinem Alter) erwartet wird. Das gilt auch für dich: Du bist ein Mädchen, ja, aber vor allem bist du du! Dieses Buch mag How to be a girl heißen – es ist aber keine Anleitung. Denn was das Girl ausmacht, das entscheidest ganz allein du.
PS: Noch ein kleiner Hinweis zur Schreibweise: Ich verwende das Sternchen, schreibe also »Freund*innen« statt »Freunde und Freundinnen« oder gar nur »Freunde« – so fühlen sich alle angesprochen. In Deutschland wird oft das generische Maskulinum verwendet, das heißt, nur die männliche Schreibweise (»Taxifahrer« oder »Doktoren«), wenn eigentlich männliche und weibliche Personen gemeint sind. Irgendwie ganz schön unfair gegenüber all denen, die nicht männlich sind. Das * macht sichtbar, dass hier nicht nur vom männlichen Teil der Bevölkerung die Rede ist.
Wenn du im Internet das Schlagwort »Mädchensein« in eine Suchmaschine eingibst, landest du schnell bei zwei Artikeln, in denen ausführlich erklärt wird, wie das geht. In denen erklärt wird, wie du ein perfektes2, ein gutes Mädchen3 wirst. Da gibt es jede Menge Ratschläge wie: »Halte alles sauber« oder: »Pflege deine Haut«. Aha! Das ist es also, was Mädchensein ausmacht? Sauberkeit und Pfirsichhaut? Bevor du jetzt panisch in den Spiegel starrst und dich fragst, ob deine Pickel dich irgendwie »unmädchenhaft« machen, atme einmal tief durch. Denn Mädchensein beschränkt sich nicht auf ein paar Faktoren wie Sinn für Sauberkeit oder die Beschaffenheit der Haut. Bleibt trotzdem die Frage: Was ist denn ein Mädchen? Was macht ein Mädchen aus? Was macht dich aus? Ja, genau dich, die du dieses Buch in den Händen hältst!
Gute Frage, schwierige Frage. Eine Frage, an der Wissenschaft und Philosophie sich seit Jahrhunderten die Zähne ausbeißen: Wer bin ich? Und wie werde ich ich? Es geht um Persönlichkeit, um Identität. Mittlerweile gibt es eine Fülle an Theorien darüber, welche Faktoren die Entwicklung und Persönlichkeit einzelner Menschen beeinflussen: Gene, die Tatsache, wann und wo man geboren wurde, welche Erfahrungen man wie früh oder spät im Leben gemacht hat, das familiäre und soziale Umfeld … Letztendlich kann sich die Wissenschaft aber nur darauf einigen, dass wohl alle diese Faktoren eine Rolle spielen. Wie groß ihre jeweilige Rolle ist, darüber wird weiter gestritten.
Weitestgehend Einigkeit herrscht allerdings darüber, dass Kindheit und Jugend enorm wichtig für die persönliche Entwicklung sind. Soll heißen: Eine wichtige Phase hast du schon hinter dir, die nächste steht jetzt an. Oder du steckst mittendrin. Du bist kein Kind mehr, sondern beinahe eine Erwachsene. Das klingt toll und fühlt sich manchmal gut an – oft genug aber auch nicht. Denn Erwachsenwerden kann richtig anstrengend und verwirrend sein, kann wehtun und Fragen aufwerfen. Familie, Umfeld und Gesellschaft machen es dir nicht unbedingt leichter: Von allen Seiten wirst du mit Forderungen und Erwartungen konfrontiert, wird dir eine stets andere Version des Mädchens präsentiert, das du sein sollst.
Und du? Bist morgens schon mit der Auswahl deiner Klamotten überfordert und weißt wahrscheinlich selbst noch nicht, wer du eigentlich bist und warum alle anderen die Sache so viel besser hinbekommen? Das Gefühl, irgendetwas falsch zu machen, nicht das Richtige zu fühlen, zu erleben und nicht richtig auszusehen, bekommst du vor allem, wenn du dich mit anderen vergleichst. Zum Beispiel mit den hübschen Mädels in Highschool-Serien. Der Trick dabei ist: Die Schauspielerinnen selbst sind schon erwachsen. Sie spielen nur pubertäre Mädchen! Professionelles Make-up und ideale Beleuchtung sorgen außerdem dafür, dass die vermeintlichen Teenies auf dem Bildschirm oder der Leinwand super aussehen, während du frustriert an einem Pickel herumkratzt. Also, bevor fiktionale Charaktere bei dir eine Identitätskrise auslösen, mach dir bewusst: Die angeblich 16-Jährige in der Serie ist in Wahrheit schon 26. Was erzählt wird, ist eine fiktive Geschichte – nicht die Realität. Die Realität, das bist du, das ist dein Leben und deine Identität.
Aber was ist das eigentlich: Identität? Identität entsteht auf verschiedene Weisen. Sie bildet sich einerseits, indem du dich von anderen abgrenzt: So will ich nicht sein! Sie bildet sich andererseits aber auch dadurch, dass du dazugehören willst, zum Beispiel zu einer bestimmten Gruppe: So will ich sein! Ich beispielsweise wollte mit 12 oder 13 unbedingt eine Schlaghose haben, weil alle Mädchen eine hatten. (Hey, diese Hose ist jetzt wieder im Trend!) Allerdings konnte ich mich nicht dazu durchringen, bei der Klassenfahrt nach Langeoog wie die anderen coolen Mädchen heimlich zwischen den Dünen zu rauchen – mein Bedürfnis, dazuzugehören, war groß, aber meine Überzeugung, dass Rauchen irgendwie eklig ist, eben auch. Eigentlich ist die Pubertät, allgemein angesiedelt zwischen dem 10. und 18. Lebensjahr, die beste Zeit, um Sachen einfach mal auszutesten und verschiedene Identitäten anzuprobieren wie Kleidungsstücke. Jung bist du schließlich nur einmal und die anderen sind im Chaos der Hormone genauso auf der Suche wie du selbst. Tatsächlich ist die Pubertät kein glitzerndes Disneyland, in der an jeder Ecke neue, aufregende Möglichkeiten warten. Im Gegenteil: Oft fühlst du dich überfordert und allein, verstehst dich und deinen Körper nicht. Du wirst langsam zu jemandem – aber zu wem? Du fragst dich, wo dein Platz in der Welt ist, wo du hingehörst, sehnst dich danach, endlich erwachsen zu sein und ernst genommen zu werden. Gleichzeitig hast du Angst vor der Selbständigkeit. Hinzu kommt, dass du mit den unterschiedlichen Erwartungen, die an dich gerichtet sind, nicht richtig umgehen kannst. Viele dieser Erwartungen haben damit zu tun, dass du ein Mädchen bist. Denn gerade Mädchen wird ständig klargemacht, wie sie aussehen, sich verhalten und leben sollen. Das hat verschiedene Gründe: Frauen mussten sich ihre Rechte erst erkämpfen, sie galten Jahrhunderte, ach, Jahrtausende lang weniger als Männer. Frauen, so sah man(n) es, waren Männern sowohl körperlich als auch geistig unterlegen. Deshalb waren sie den Männern untergeordnet und damit das auch so blieb, mussten Frauen kontrolliert werden – sie wurden in ein enges Korsett an Erwartungen und Verhaltensregeln gequetscht. Zwar haben Frauen sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend daraus befreit, so ganz losgeworden sind sie es aber noch nicht (mehr dazu kannst du in Teil III lesen). Mädchen und Frauen immer wieder daran zu erinnern, wie sie sich ihrem Geschlecht entsprechend zu verhalten haben, ist eine Möglichkeit, sie kleinzuhalten. Auch heute.
Für viele Eltern ist es eine große Beleidigung, wenn ihrem Baby das falsche Geschlecht zugeordnet wird: »Das ist aber ein niedlicher Junge!« – »Bitte? Das ist ein Mädchen!« Wir gehen nun mal davon aus, dass sich das Geschlecht vor allem aufgrund äußerer Merkmale feststellen lässt. Wir gucken uns bei Menschen den Körperbau, die Frisur, die Kleidung oder Hautfarbe an und ordnen den betreffenden Menschen dann einer bestimmten Kategorie zu, zum Beispiel »weiblich«, »männlich«, »deutsch« oder »erwachsen«. Ich wurde früher immer für einen Jungen gehalten – einzig und allein deshalb, weil ich kurze Haare hatte. Dabei hätte ich gerne lange Haare gehabt, sie wuchsen aber nicht so richtig. Trauma!
Sehr wahrscheinlich wurde dir beigebracht, dass das Geschlecht eine biologische Tatsache ist, etwas, womit man auf die Welt gekommen ist. Du hast eine Vagina, also bist du ein Mädchen. Klingt einfach und logisch, ist es aber nicht. Tatsächlich wird das Geschlecht nicht nur durch biologische Faktoren bestimmt, sondern auch durch kulturell-gesellschaftliche. Das heißt, die Gesellschaft, dein persönliches Umfeld und deine Erziehung beeinflussen, was für dich ein Mädchen oder eine Frau, einen Jungen oder einen Mann ausmacht. Ob du beispielsweise Fußball »männlich« findest oder Schuhekaufen »weiblich«. Dieses »soziale Geschlecht« wird »Gender« genannt, in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht »Sex«. Achtung: Die Tatsache, dass es ein Gender gibt, bedeutet nicht, dass die Biologie gar keine Rolle spielt. Sie bedeutet, dass Biologie eben nicht alles ist und schon gar kein Schicksal. Viele Dinge tun wir vor allem deshalb, weil sie von uns – als Mädchen, als Frau, als Junge, als Mann – erwartet werden.
Im Biologie-Unterricht hast du vermutlich gelernt, dass es nur zwei Geschlechter gibt: männlich und weiblich. Das stimmt so nicht: In der Realität gibt es viele Geschlechter, und das ist mittlerweile auch in der Biologie anerkannt.4 So gibt es zum Beispiel intersexuelle Menschen, die nicht eindeutig dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können – aufgrund genetischer, hormoneller oder anatomischer Faktoren. Facebook bietet mittlerweile bei den Profileinstellungen über 60 verschiedene Geschlechtsoptionen an! Zwar haben die meisten Menschen eine klare Geschlechtsidentität, das heißt, sie wissen (instinktiv), welchem biologischen Geschlecht sie angehören, und identifizieren sich damit – doch das trifft nicht auf alle zu. Manche Menschen haben kein eindeutiges Geschlecht oder möchten sich nicht festlegen. Du merkst schon, das Thema ist gar nicht so simpel und Biologie längst nicht alles, was hier zählt. Letztendlich ist Geschlecht auch ein Lernprozess: Du lernst, ein Mädchen, eine Frau zu sein.
lange Haare (auf keinen Fall zu kurz!)
figurbetonte Röcke, Kleider, Schuhe mit hohen Absätzen, BHs
Lippenstift oder Ähnliches, Mascara, Lidschatten, etc. – aber nicht zu viel!
enthaarte Beine, Achseln, Geschlecht … eigentlich komplett haarlos, bis auf die Augenbrauen und die Haare auf dem Kopf
eine Vorliebe für Hobbys wie Reiten, Malen, Ballett, Geige …
großes Interesse an Jungs
eine zurückhaltende Art, nicht zu laut oder auffällig
freundliches, sympathisches Auftreten
eher hohe, »mädchenhafte« Stimme
Lieblingsfarben: Pink und Rosa
schlecht in Mathe und Physik, gut in Deutsch und Kunst
DAS KLEINE LGBTI-ALPHABET5
CISGENDER: bezeichnet Menschen, deren Geschlechtsidentität ihrem biologischen Geschlecht entspricht, also dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde
GENDER: bezeichnet das soziale Geschlecht, in Abgrenzung zu -> sex
INTERGESCHLECHTLICHKEIT/INTERSEXUALITÄT: bezeichnet Menschen, deren angeborene Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig in die Kategorien männlich/weiblich passen, sei es genetisch, hormonell oder anatomisch
LGBTI: bezeichnet Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Körpers von der (heterosexuellen) Norm abweichen; die Buchstabenkombination kann variieren, so ist z.B. auch LGBTQ (Q für Questioning, also unentschieden) geläufig
QUEER: (deutsch: seltsam, komisch) ein Sammelbegriff sowie eine Eigenbezeichnung für und von Menschen, die nicht der heterosexuellen Geschlechternorm entsprechen
SEX: bezeichnet das biologische Geschlecht, in Abgrenzung zu -> gender
TRANS: Oberbegriff für Identitäten, die über die gesellschaftlich definierten Geschlechternormen hinausgehen; kann bedeuten, dass eine Person sich zwischen verschiedenen Geschlechtern bewegt oder sich gar keinem Geschlecht zuordnet
TRANSSEXUELL: Bezeichnung für Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren. Für Transsexuelle gibt es die Möglichkeit der Geschlechtsangleichung durch Hormonbehandlungen und chirurgische Eingriffe, nicht alle Transsexuellen entscheiden sich jedoch dafür.
Es gibt haufenweise Klischeevorstellungen, wie Mädchen und Frauen, Jungen und Männer zu sein haben. Diese sogenannten Geschlechterstereotype schreiben Personen aufgrund ihrer erkennbaren Geschlechtszugehörigkeit (meistens äußere Merkmale wie Gesichtsbehaarung, Figur oder Stimme) bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen zu. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Begründung und dem Erhalt von Ungleichheiten. Das ist nämlich das Fiese an der Biologie: Sie wird gerne benutzt, um bestimmte Verhaltensweisen oder Tatsachen zu erklären oder sogar Privilegien von Jungen und Männern zu rechtfertigen. Wenn Frauen beispielsweise »von Natur aus« besser kochen und putzen können, ist es sinnvoll, dass sie sich genau darum kümmern. Und wenn Männer »von Natur aus« handwerklich veranlagt sind, können sie besser das Auto reparieren. Oder: Weil Mädchen ordentlicher sind, kannst du den Tisch abräumen, während dein Bruder am PC zocken darf. Aus unterschiedlichen biologischen Gegebenheiten werden Schlüsse auf das jeweilige Verhalten der Geschlechter gezogen, à la: typisch Mann, typisch Frau. Das führt letztendlich zur Entstehung von Geschlechterrollen, die auf einem vermeintlich angemessenen und »natürlichen« Verhalten der Geschlechter basieren. Dabei gibt es dieses »natürliche« Verhalten nicht, weshalb die auf Klischees aufgebauten Rollen oft absoluter Blödsinn sind. Nicht jede Frau kann kochen und nicht jeder Mann Autos reparieren. Nicht jedes Mädchen hat eine schöne Schrift und nicht jeder Junge ist gut in Mathe. Kochen oder reparieren sind Fähigkeiten, die man lernen kann – egal, welches Geschlecht man hat. Punkt.
TECH-GIRLS
Eines der verbreitetsten Stereotype in Bezug auf Mädchen und Frauen lautet: sie interessieren sich gar nicht für Wissenschaft und Technik. Dass das nicht stimmt, beweisen Mädchen wie Gitanjali Rao. Mit nur 11 Jahren entwickelte die Amerikanerin 2017 ein Gerät, mit dem sich Bleispuren im Wasser feststellen lassen. Für diese Erfindung erhielt sie den Titel »America’s Top Young Scientist« sowie 25.000 US-Dollar Preisgeld. Warum gerade dieses Gerät? Weil Gitanjali über die Medien erfuhr, dass in der Stadt Flint im amerikanischen Bundesstaat Michigan viele Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser hatten – das Wasser war durch Blei vergiftet. Gitanjali beschloss zu helfen. Ihr Gerät ist praktisch, klein und leicht anzuwenden.
Ähnlich erfindungsreich sind die Mädchen des afghanischen Roboter-Teams: Die sechs Schülerinnen bauten ihren Roboter für einen internationalen Wettbewerb in zwei Wochen, weil die Bauteile zu spät kamen – ihre Konkurrenz hatte vier Monate Zeit. Das war nicht das einzige Hindernis: Der Wettbewerb fand in den USA statt und den Afghaninnen wurde zunächst die Einreise verweigert. Das sorgte für einen internationalen Aufschrei, der den Mädchen die Genehmigung und somit die Teilnahme am Wettbewerb bescherte. Erfinderinnen hält eben nichts auf!
Dummerweise haben Geschlechterrollen ganz schön viel Einfluss. Sie schreiben dir vor (oder versuchen es zumindest), wie du als »richtiges« Mädchen zu sein hast. Die Vorstellungen sind tief in uns verankert und wir halten uns oft an sie, obwohl sie gar nicht unserem Charakter und unseren Wünschen entsprechen. Weil sie sich irgendwie normal anfühlen, so, als gäbe es keine Alternative. Natürlich kannst du dich gegen diese Rollenbilder wehren. Das ist aber gar nicht so einfach, schließlich wird dir andauernd gezeigt, was richtig und was falsch ist – in der Schule, in den Medien, beim Einkaufen. Ein Beispiel: Jungs dürfen laut werden, brummig, unfreundlich. Weil sie eben Jungs sind, und Jungs so was machen. Wenn du als Mädchen hingegen mal schlecht drauf bist, unfreundlich oder verärgert, heißt es schnell: »Sei doch nicht so zickig!«. Gemocht zu werden ist für viele Mädchen wahnsinnig wichtig – weil ihnen das anerzogen wird. Dass sie gefallen, immer freundlich lächeln und am besten nirgendwo anecken sollen.
Ob glattrasierte Beine oder eine Vorliebe für Pink: Irgendwo scheint es ein geheimes Buch zu geben, in dem all die Regeln und Vorschriften für Mädchen festgehalten sind. Anders könnten sich traditionelle und altmodische Geschlechterrollen doch gar nicht halten, oder?
Die Wahrheit ist, dass die meisten Menschen mehr oder weniger aktiv am Erhalt mitarbeiten. Sie wollen nicht auffallen, zumindest nicht negativ, sondern dazugehören. Indem sie sich so verhalten, wie es ihnen ihre Geschlechterrolle vorschreibt, passen sie sich an und bieten keine Angriffsfläche.