Kein Buch der Welt kann auf all das Antworten geben, was Hunde sich so ausdenken. Selbst die am besten trainierten Hunde der Welt kommen manchmal nach Jahren völlig unvermittelt auf die unsinnigsten Ideen. Und ich verspreche ihnen: Sie können dabei sehr kreativ sein. Doch was immer Ihr Hund sich plötzlich ausdenken mag: Es ist niemals »der blöde Hund« oder »die blöde Trainingsmethode«. Viel häufiger haben Sie (unbewusst) etwas verändert. Vielleicht haben Sie auch bestimmte Schwachpunkte lange nicht mehr trainiert. Oder Sie waren längere Zeit über beim Spazierengehen mit Ihren Gedanken ganz woanders.
Wenn Sie sich bei allen unerwünschten Verhaltensweisen Ihres Hundes in Zukunft nicht mehr auf das Problem konzentrieren, sondern darauf, die Lösung zu suchen, macht Ihr Hund Ihnen nicht nur mehr Spaß, Sie werden auch viel kreativer in der Erziehung und beim Training. Nichts von dem, was Ihr Hund »anstellt«, macht er mit Absicht und Vorsatz. Er will auch nicht Ihre oder seine Grenzen testen, indem er an der Leine zieht, nicht gehorcht oder Ihnen ausweicht, wenn Sie versuchen, ihn anzuleinen. Wahrscheinlich traut er einfach Ihrer Stimmung nicht so ganz, oder Ihre Körpersprache ist nicht eindeutig. Oder er kennt die Grenze noch nicht, die Sie gerade setzen. Oder das Kommando.
Hunde planen nicht, uns auflaufen zu lassen oder sich über uns lustig zu machen. Sie wissen auch nicht ganz genau, was sie getan haben. Alles, was Hunde zeigen, ist eine direkte Reaktion auf unser Verhalten. Das ist einerseits blöd und anstrengend, weil es von uns verlangt, uns dauernd selbst zu beobachten. Andererseits ist es vielleicht die beste Chance, die wir bekommen, um bessere Menschen zu werden. Ganz ohne Therapeuten.
Ihr Hund kam bisher immer fröhlich angerannt, wenn Sie ihn gerufen haben, um ihn anzuleinen, aber jetzt klappt das plötzlich nicht mehr? Hierfür kann es mehrere Gründe geben:
Haben Sie sich in letzter Zeit vielleicht zu oft als »Spielverderber« gezeigt und Ihren Hund vor allem dann angeleint, wenn er gerade etwas wirklich Wichtiges zu tun hatte? Dann üben Sie das Anleinen wieder etwas öfter mit Keksbelohnung und zu banaleren Anlässen, nicht wenn Sie ihn aus einem Spiel mit einem Freund oder einem Gebüsch mit Grillabfällen herausholen müssen. Das Anleinen muss wieder ritualisiert und vom Hund als unspektakuläre Handlung abgespeichert werden.
Ihre Stimmung ist gereizt, weil Sie Ihren Hund vielleicht schon hundertmal gerufen haben? Bei diesem genervten Tonfall hat er vermutlich Hemmungen, nahe an Sie heranzukommen. Sorgen Sie für eine ruhige, entspannte Stimmung und Stimme, wenn Sie Ihren Hund rufen. Dann wird er auch kommen.
Haben Sie beim Anleinen nach dem Hund gegrapscht? Das löst bei vielen Hunden einen Fluchtreflex aus. Leinen Sie ihn wieder ruhig an und bieten Sie ihm einen Keks fürs Herankommen.
Hauen Sie ihm beim Anleinen unbewusst immer den Karabiner einer anderen Leine auf die empfindliche Schnauze? Achten Sie darauf, dass Sie ihm nicht versehentlich wehtun.
Freuen Sie sich möglicherweise wie wahnsinnig, wenn er zu Ihnen kommt? Ich habe schon oft erlebt, dass ein Hund dieses Tamtam unangemessen findet und seinen Menschen deshalb meidet, obwohl er eigentlich gerne kommen würde. Sagen Sie einfach nichts, wenn er kommt, und leinen Sie ihn nur ruhig an.
Sie haben einen neuen, jungen Hund, der den älteren ständig anspielt? Kein Wunder, dass der genervt ist und versucht, durch Ziehen an der Leine Abstand zwischen sich und den Jungspund zu bekommen. Unterbinden Sie die Avancen des Junghundes.
Vielleicht hatten Sie in letzter Zeit sehr viel um die Ohren und einfach andere Prioritäten, als sich mit aller Ruhe Ihrem Hund zu widmen? Wir Menschen sind nicht jeden Tag gleich, nicht jeden Tag ausgeglichen und auch nicht jeden Tag gerecht. Möglicherweise waren Sie in letzter Zeit beim Spaziergang zu oft am Handy, und die Spaziergänge mit Ihrem Hund fanden zwar zusammen, aber nicht gemeinsam statt. Gehen Sie wieder mit einem Plan spazieren und trainieren Sie ein bisschen.
Möglicherweise gehen Sie mit anderen Leuten spazieren, deren Hunde weniger ruhig ausgebildet wurden als Ihr eigener. Überprüfen Sie dann, ob Sie unterbewusst die Kommandos oder Taktiken dieser Leute übernommen haben (Sagen Sie zum Beispiel plötzlich »Hier!« statt »Zu mir!«? Lassen Sie Ihren Hund neuerdings absitzen, um ihn anzuleinen?). Das hieße, dass Sie plötzlich die Spielregeln geändert haben, ohne das mit Ihrem Hund abzusprechen. Das unbewusste Übernehmen einer anderen Diktion passiert viel schneller, als man glaubt: Weil ich in einem englischen Internat aufgewachsen bin, in dem Flüche mit Geldstrafen belegt waren, kam mir nie etwas Schlimmeres über die Lippen als »Zum Donnerwetter«. Als ich zurück nach Deutschland kam, machten sich die Leute lange Zeit darüber lustig – bis meine Tante irgendwann etwas pikiert feststellte, dass ich nun den gleichen Wortschatz hätte »wie alle«.
Falls Sie in letzter Zeit zu viele Belastungen hatten, haben Sie vielleicht wieder angefangen, gedankenlos an der Leine zu zuppeln oder zu rucken – die ganzen kleinen Dinge, die Sie sich vorher mühevoll abtrainiert hatten. Wenn wir Stress haben, fallen wir häufig wieder in alte Verhaltensmuster zurück und gehen nicht mehr selbstreflektiert spazieren. Erinnern Sie sich daran, welche Übungen Ihnen anfangs geholfen haben, und wiederholen Sie das Training.
Wenn Ihr Hund an der Leine plötzlich wieder ausfallend wird, liegt es möglicherweise daran, dass er gerade zwei Wochen in der Hundepension oder bei den Schwiegereltern war. Heißt: Er hatte Stress, weil Sie nicht da waren. Wiederholen Sie »Ihre« Übungen, damit er sich wieder an Ihre Rituale erinnert.
Nicole Munninger lebt im Saarland. Seit 1994 arbeitet die gelernte Fotografin hauptsächlich für Industrie und Werbung in den Bereichen Architektur, Porträt und Reportage. Tiere, insbesondere Hunde, waren schon immer Teil ihres Lebens und somit die liebsten Fotomodelle.
Bei den Shootings setzt sie auf DAS Foto, welches den Charakter eines Hundeindividuums ausmacht. Daraus entwickelten sich zahlreiche Auftragsarbeiten.
Danke, danke, danke, danke an Inga Böhm-Reithmeier für die vielen guten Gespräche, ihre Großzügigkeit, ihre Ideen, ihren Humor und ihre große Lust, sich auch noch mit den kleinsten Nischenthemen im Bereich Hund auseinanderzusetzen.
Dank an Pedi Matthies von www.hundenerd.de, die mir das einzige Geschirr zur Verfügung gestellt hat, das wirklich in Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten entstanden ist, und unzerstörbare Leinen, die man sich um die Hüfte hängen kann, wenn man zu viele Leinen halten muss.
Dank auch an Marion Abendroth von www.souleashes.de für die schönen, sehr besonderen Halsbänder und Leinen, die so angenehm und leicht zu tragen sind.
Nicht zuletzt auch Dank an Christine Schmidt, die bei www.hund-natuerlich.de exakt die Fettlederleinen hat, die man braucht – in allen Längen und Breiten.
Die Journalistin und Autorin Katharina von der Leyen liebt Hunde, seit sie denken kann. Ihr Berufsleben gestaltete sich immer als Spagat zwischen Lifestyle und Hunden: Nach einem Praktikum bei Erik Ziemen zog sie für eine Anstellung bei der australischen »Vogue« nach Sydney, kündigte aber bald, um lieber im dortigen Zoo zu arbeiten. Sie lebte in New York und Los Angeles, um über das dortige Film- und Glitzer-Leben zu berichten, und arbeitete dann ein Jahr als Cowgirl auf einer Ranch in New Mexico. Hunde begleiteten sie immer und überallhin und zeigten ihr, wie die Welt aus ihrer Sicht aussieht. Katharina von der Leyen lebt heute auf einem Hof in Bayern mit ungefähr neun Hunden. Sie hat noch nie einen Hund getroffen, den sie nicht mochte.
Arce, José: José Arce’s Welpenbuch. Gräfe und Unzer Verlag
Böhm, Inga/von der Leyen Katharina: Leinen los! Gräfe und Unzer Verlag
Böhm, Inga/von der Leyen Katharina: Die zweite Chance. Hunde mit Vergangenheit. Kosmos Verlag
Jones, Dr. Renate: Aggression bei Hunden. Kosmos Verlag
Löckenhoff, Ursula: Dogwalk. Gemeinsam unterwegs – Ideen für eine glückliche Mensch-Hund-Beziehung. Kosmos Verlag
Rugaas, Turid: Calming Signals – die Beschwichtigungssignale der Hunde. Animal learn
Von der Leyen, Katharina: Welpen Praxisbuch. Gräfe und Unzer Verlag
Der Hund. Deutscher Bauernverlag GmbH, www.derhund.de
Partner Hund. Gong Verlag, Ismaning, www.partner-hund.de
Verband für das deutsche Hundewesen e.V. (VDH)
Westfalendamm 174
44141 Dortmund
www.vdh.de
Österreichischer Kynologenverband (ÖKV)
Siegfried-Marcus-Straße 7
A-2362 Biedermannsdorf
www.oekv.at
Schweizerische Kynologische Gesellschaft (SKG)
Brunnmattstraße 24
CH-2007 Bern
www.skg.ch
www.lumpi4.de
www.leyen-hundefutter.de
In unserer Vorstellung vom idealen Spaziergang kommt nur selten der Hund an der Leine vor. Allerdings kommt darin auch nur in den seltensten Fällen Rehwild vor, Verkehr oder läufige Hündinnen. Will sagen: Die ideale Vorstellung deckt sich nun einmal nicht mit der Realität. In der nämlich können wir nicht mit Hund ohne Leine leben – ist leider so. Noch dazu gibt es mittlerweile mehr Städte mit Leinengesetzen als Städte, in denen man auf den gesunden Menschenverstand der Bürger setzt, die weder ihre Hunde noch ihre Mitmenschen unnötigen Gefahren oder Ängsten aussetzen möchten.
Dass Hunde lernen müssen, anständig an der Leine zu gehen, ist heutzutage keine Frage mehr. Da, wo ich wohne zum Beispiel, gibt es so viel Wild, dass selbst für meine hochwohlerzogenen, gut trainierten Superhunde (etwas anderes kann man sich als Hundebuchautor auch praktisch nicht leisten) Spaziergänge ganz ohne Leine praktisch unmöglich sind. Und wer wie ich acht bis neun Hund an der Leine führen muss, achtet sehr darauf, dass die Hunde entspannt und locker an dieser laufen. Alles andere wäre bestenfalls fahrlässig, schlimmstenfalls selbstmörderisch.
Auch wenn Gasthunde bei mir zu Besuch sind, frage ich die Besitzer immer, ob ihre Hunde leinenführig sind. Wenn sie es nicht sein sollten, muss ich mit ihnen üben, bevor ich sie zusammen mit allen anderen Hunden zum Spaziergang mitnehme. Denn wenn innerhalb meiner Kleingruppe einer zieht, bringt er den ganzen Laden durcheinander – und mich ins Wanken. Bisher haben alle Hundebesitzer, ohne rot zu werden, behauptet, ihr Hund ginge gut an der Leine. Das deckt sich zwar nicht mit meinen Erfahrungen, aber entweder sind Hundebesitzer grundsätzlich sehr leidensfähig, oder sie betrachten ihren Hund durch die rosarote Brille der Liebe und merken einfach nicht, dass ihr Hundespaziergang einer Übung mit einem Kutschpferd gleicht. Jedenfalls konnte eigentlich kein einziger meiner Besuchshunde an der lockeren Leine gehen, wenn wir erwartungsvoll unseren ersten gemeinsamen Spaziergang starteten. Das wundervollste Argument, das ich hierzu je hörte, war: »Doch, der kann an der Leine gehen. Aber eine Leine von zwei Metern ist ihm eben zu kurz.«
Ich brauche nur wenige Tage, um Hunden das höfliche Gehen an der Leine beizubringen, weil dies zu meinen absoluten Prioritäten gehört. Die Leine bleibt locker. Mir würde es gar nicht einfallen, mit einem Hund spazieren zu gehen, der mich durch die Gegend zieht, als wäre ich eine Dose an der Stoßstange von Frischverheirateten. Weil meine innere Haltung diesbezüglich so klar ist, übernehmen auch fremde Hunde das sehr schnell. Natürlich haben sie auch meine Hunde, die ihnen mit gutem Beispiel zur Seite gehen.
Alle der angewandten Übungen in diesem Buch beziehen sich auf die Erfahrungen mit meinen eigenen und fremden Hunden, die mich in den vergangenen 40 Jahren auf Spaziergängen begleitet haben. Es waren völlig unterschiedliche Hunde, vom Chihuahuamischling oder Lhasa Apso über Weimaraner, Deutsch Drahthaar, Akita, Barsoi und Pudel bis hin zu Collie oder Schäferhund. Ich habe dabei nie gebrüllt oder geschrien, nie an der Leine geruckt und dieselbige auch immer am liebsten vom Hund abgemacht. Aber ich weiß auch, dass der Freilauf nicht funktioniert, wenn der Hund nicht gelernt hat, höflich an der Leine zu gehen – und umgekehrt. Es ist immer ein Zusammenspiel von Kommunikation, Achtung und Respekt voreinander.
Es gibt immer einzelne Exemplare (Hunde wie Menschen), die noch ganz andere Trainingsideen brauchen. Kein Buch der Welt kann alle Probleme lösen, dafür sind Hunde (und die dazugehörigen Menschen) viel zu kreativ im Aufstellen neuer Verhaltensweisen, die keiner braucht und die erst noch gelöst werden wollen. Aber genau hierin liegt auch der Trick: Wenn wir aufhören, auftretende unerwünschte Verhaltensweisen bei unserem Hund als »Problem« zu empfinden, sondern als interessante Aufgabe wahrnehmen, die es zu lösen gilt, haben wir praktisch schon gewonnen. Betrachten Sie Ihren Hund als wandelndes Sudoku, das macht Ihr Leben leichter und spannender. Hundeprobleme haben gegenüber Problemen mit Menschen einige Vorteile: Die Verhaltensauffälligkeiten unserer Vierbeiner lassen sich gewöhnlich leichter und besser lösen, denn sie sind meistens verhältnismäßig leicht nachzuvollziehen. Außerdem werden Hunde nicht alkohol- oder drogensüchtig, und sie müssen Ihren Hund auch nicht von seinen Freunden fernhalten, weil die einen schlechten Einfluss auf ihn ausüben. Die Antwort auf alle vermeintlichen und richtigen Probleme Ihres Hundes sind in den meisten Fällen Missverständnisse zwischen Ihnen und ihm – das hört man zwar nicht gerne, aber das dürfte meistens kein Problem sein.
Bleiben Sie positiv und gut gelaunt. Es sind nur einige wenige Dinge, die Ihr Hund von Ihnen braucht und erwartet. Sie müssen keine neuen Theorien und Methoden erfinden, sonder nur alles, was Sie mit ihm anfangen, auch zu Ende führen. Bleiben Sie in Kommunikation mit Ihrem Hund, machen Sie ein »Miteinander« aus Ihren Spaziergängen mit ihm und werden Sie aufmerksamer für die kleinen Kommunikationsprobleme, die auftreten, bevor sie zu großen Problemen werden. Das ist auch nicht anders als in allen anderen Beziehungen auch. Und nicht zuletzt deshalb sind Hundebesitzer häufig beziehungsfähiger als »normale« Menschen: Sie haben reflexhaft gelernt, auftretende Probleme genau anzusehen, einen Schritt zurück zu machen und zu überprüfen, an welcher Stelle sie losgingen – und was daraufhin schieflief.
Schauen Sie sich an, mit wem Sie es bei Ihrem Hund zu tun haben, und richten Sie sich danach. Ein verträumter, trödeliger Hund mit Konzentrationsschwierigkeiten muss anders geführt werden als eine hoch motivierte Sportskanone mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Ameise. Achten Sie auf Ihre eigene Stimmung: Macht es für Ihren Hund Sinn, sich in Ihrer Nähe aufzuhalten? Oder sind Sie angespannt und gereizt, sodass es eigentlich besser für ihn wäre, Ihnen aus dem Weg zu gehen? Das ist übrigens noch so etwas , was Hunde einem so großartig und ganz frei von Bewertung beibringen: im Umgang mit ihnen (und anderen) mehr Selbstreflektion einzubringen. Näher als durch unseren Hund werden wir der Erleuchtung nicht kommen.