Dieses E-Book enthält die beiden Bände der Max-Frisch-Biografie von Urs Bircher, die gedruckt unter den Titeln Vom langsamen Wachsen eines Zorns. Max Frisch 1911–1955 (1997) und Mit Ausnahme der Freundschaft. 1956–1991 (2000) erschienen sind.

Urs Bircher, geb. 1947, studierte Philosophie und Geschichte in Wien, Paris und Berlin. Dramaturg und Regisseur an verschiedenen deutschsprachigen Theatern und Präsident des Internationalen Theaterinstituts (ITI) Schweiz. Ab der Saison 2000/01 Intendant am Stadttheater Hildesheim. Am Schauspielhaus Zürich betreute er 1989 die Uraufführung des letzten Theaterstücks von Max Frisch, Jonas und sein Veteran (Theaterfassung von Schweiz ohne Armee? Ein Palaver). In zahlreichen Gesprächen während und nach der Produktion entstanden die Grundgedanken zu dessen Biographie.

Über dieses Buch

Eine Biographie über Max Frisch? Wie Dichtung und Wahrheit bestimmen bei diesem Autor? Wie die «Dorfschnüffelattitüde» (Frisch) vermeiden? Während vieler Gespräche mit Max Frisch hat Urs Bircher einen spannenden Ansatz gefunden: Max Frisch hat jede Lebensentscheidung, die ihm bevorstand, literarisch durchgespielt, um danach den gefundenen Weg einzuschlagen. So lag es nahe, Frischs Werk als ein einziges, großes Tagebuch zu lesen. Allerdings interessierten Bircher nicht ‹Schlüsseltexte›, sondern der künstlerische und intellektuelle Werdegang eines Menschen, der immer wieder in besonderem Maß sich selber befragt hat. Zum Vorschein gekommen ist ein Zeuge dieses Jahrhunderts, der, indem er sich zum Gegenstand von Literatur gemacht hat, dieses in seiner Entwicklung repräsentiert. Zum Vorschein kommen auch die heute relativ wenig bekannten frühen Jahre von Max Frisch, nicht zuletzt dank neu erschlossener Quellen.

Jahrgang 1911, beginnt Frisch künstlerisch da, wo die Avantgarde aufhört: im konservativen Antimodernismus. Mit seinem Schreiben und Denken ist er ein Kind desjenigen Geistes, der die Experimente der klassischen Moderne zum Abbruch gebracht hat. Nicht Asphalt beschäftigt ihn, sondern die «Erdfremdheit» des «überfeinerten» und «vergeistelten» Stadtmenschen. Seine frühe Poetik verbietet ihm die Verbindung von Kunst und Politik, während seine frühen Werke (erst recht) bürgerlich-konservative Ideologie der dreissiger Jahre wiederspiegeln. Aber im Gegensatz zur Mehrheit dieser bürgerlichen Elite – in die er auch einheiratet – beginnt Max Frisch sich während des Zweiten Weltkrieges aus dem national-konservativen Denken zu befreien und wird damit früh zu einem beispielhaften Intellektuellen für die später (wieder) anbrechende Liberalisierung der europäischen Gesellschaften. In einer packenden Darstellung zeigt Bircher, wie Frisch zu dem Frisch wurde, als der er berühmt geworden ist.

«Im ersten Band einer neuen Frisch-Biografie werden jetzt weitere Einzelheiten geliefert. Der Verfasser, Urs Bircher, Dramaturg am Schauspielhaus Zürich, wo er 1989 die Uraufführung des letzten Frisch-Stücks ‹Jonas und sein Veteran› betreute, war als junger Mann mit den Söhnen von Käte Rubensohn-Schnyder befreundet und ging im Hause ein und aus. So konnte er jetzt aus Briefen zitieren, die Frisch in den dreissiger Jahren an seine Freundin geschrieben hat und die bisher der Forschung unbekannt waren.» Der Spiegel, Hamburg

Vom langsamen Wachsen eines Zorns

Urs Bircher

Vom langsamen Wachsen eines Zorns

Max Frisch 1911–1955

Limmat Verlag

Zürich

Vorwort

Gefragt, worüber er schreibe, hätte Frisch sein Leben lang fast immer die Antwort geben können: Über mich. »Letzten Endes, wenn wir ehrlich sind, können wir nur von uns selbst aussagen«, notierte er als junger Journalist (Wir bauen eine Straße). Zwanzig Jahre später, im Stiller, reflektierte er skeptisch die Schwierigkeit, über sich selbst zu schreiben: »Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben.« Und weitere zwanzig Jahre danach, in Montauk, bilanzierte er: »Ich lebe nicht mit der eigenen Geschichte, nur mit Teilen davon, die ich habe literarisieren können. Es fehlen ganze Bezirke.« – »Ich habe mich in (meinen) Geschichten entblößt, ich weiß, bis zur Unkenntlichkeit.«

Mit dem Versuch, sein eigenes Ich zu literarisieren, befand sich Frisch in bester Gesellschaft. Das zwanzigste Jahrhundert ist das Jahrhundert der Ich-Literatur. Die Brüchigkeit des Ichs, das Zerbrechen von Ich-Identität, die Suche nach dem Selbst, die Auflösung des Individuums, die Beschädigung, Entwertung und Entfremdung des einzelnen – unter zahlreichen Titeln reflektierte die Literatur, was in der Wirklichkeit dieses Jahrhunderts mit atemberaubender Geschwindigkeit vor sich ging, nämlich die Marginalisierung des einzelnen, einmaligen und unverwechselbaren Menschen, wie ihn die Humanisten und Aufklärer zum Maß aller Dinge erhoben hatten. Voll bitterer Ironie konstatierte Günther Anders zur Jahrhundertmitte die »Antiquiertheit« eben dieses »Menschen«.

So konsequent Frisch sich selbst und sein Leben literarisierte, so konsequent verbarg er zugleich alles nur Autobiographische. Das wirkliche Leben des Schriftstellers, so seine Überzeugung, finde im Kopf statt: »Ein großer Teil dessen, was wir erleben«, schrieb er in Ich schreibe für Leser, »spielt sich in unserer Fiktion ab, das heißt, daß das wenige, das faktisch wird, nennen wir's die Biographie, die immer etwas Zufälliges bleibt, zwar nicht irrelevant ist, aber höchst fragmentarisch, verständlich nur als Ausläufer einer fiktiven Existenz. Für diese Ausläufer, gewiß, sind wir juristisch haftbar; aber niemand wird glauben, ein juristisches Urteil erfasse die Person.« Darüber hinaus war Frisch von der besonderen Anfälligkeit der Menschen zur biographischen Selbsttäuschung überzeugt. »Jeder Mensch erfindet sich eine Geschichte, die er dann, oft unter gewaltigen Opfern, für sein Leben hält, oder eine Reihe von Geschichten, die sich mit Ortsnamen und Daten durchaus belegen lassen, so daß an ihrer Wirklichkeit nicht zu zweifeln ist«, schreibt er in Unsere Gier nach Geschichten. Dieser Selbsttäuschung unterlag auch Frisch immer wieder.

Die beiden Tagebücher Frischs wurden berühmt als literarische Werke, Privates oder gar Intimes enthalten sie nicht. Viele Dokumente seines Lebens, private Briefe, Aufzeichnungen, Zeugnisse seiner Liebe zu einer Dichterin, mit der er jahrelang in leidenschaftlichen Widersprüchen verbunden war, ein journal intime zum Scheitern seiner zweiten Ehe u.a.m., sie ruhen, auf seinen Wunsch versiegelt im Safe und sollen erst im Jahr 2011 zugänglich werden.

Wer unentwegt über sich schreibt und sich zugleich unentwegt verheimlicht, muß ein gespaltenes Verhältnis zur Biographie haben. Frisch mißtraute Biographen. Ein einziges Mal verlor er im über zwanzigstündigen Gesprächsfilm mit Philippe Pilliod die Contenance: »Es ist das mit dem Autobiographischen so eine dilettantische, kunstfremde, kleinbürgerliche, langweilige Dorfschnüffelattitüde – hat er, oder hat er nicht? Eigentlich ganz unergiebig. Wird etwas exemplarisch, so ist es ganz egal, was daran autobiographisch ist.« Literatur ist Literatur, nicht camouflierte Biographie. Noch da, wo Frisch »Ich« schrieb – was nicht selten geschah – und einer Figur gar den eigenen Namen lieh, verstand er sie als Kunstfigur. Zuweilen allerdings gerieten die literarischen Verhüllungen so durchsichtig wie des Kaisers neue Kleider. Für die literarische Qualität eines Textes ist dies unerheblich, für seinen biographischen Zeugniswert nicht.

Ich las die Texte, einem Vorschlag Rolf Kiesers folgend,1 als ein einziges, großes Tagebuch im Sinne der Tagebücher Frischs, wobei ich die »Dorfschnüffelattitüden« zu vermeiden suchte. Den Schlüssel zu dieser Form der Lektüre gab Frisch selbst an die Hand: »Geben Sie jemand die Chance zu fabulieren, zu erzählen, was er sich vorstellen kann, seine Erfindungen erscheinen vorerst beliebig, ihre Mannigfaltigkeit unabsehbar; je länger wir ihm zuhören, umso erkennbarer wird das Erlebnismuster, das er umschreibt und zwar unbewußt, denn er selbst kennt es nicht, bevor er fabuliert«, hieß es 1964 in Ich schreibe für Leser.

Meine »biographische« Lektüre der wichtigsten Texte Frischs versucht also nicht herauszufinden, welche biographische mit welcher literarischen Figur, welche Lebensepisoden mit welchen Geschichten, welche biographischen Pikanterien mit welchen literarischen Anspielungen gemeint sein könnten. Ich las die Texte in erster Linie vor ihrem historisch-biographischen Hintergrund auf ihre Erfahrungsmuster hin.2 Die Leitfrage hieß stets: Warum schrieb Frisch in dieser Situation diesen Text in dieser Form? Dabei zeigten sich interessante Zusammenhänge. Zum Beispiel spielte Frisch in seinen Texten immer wieder Probleme seiner jeweiligen Lebenssituationen literarisch durch und versuchte sie anschließend gemäß dem literarischen Befund auch im Leben praktisch zu bewältigen. Literatur als Probehandeln, sozusagen.

Die Gliederung ergab sich aus dem gewählten Vorgehen. Die Kapitel verweisen auf wichtige Lebens- und Arbeitszäsuren. Dabei lassen sich – wie immer, wenn ein Kontinuum unterbrochen wird – gute Gründe für den Einschnitt anführen, wenn auch oft nicht minder gute dagegen. Man betrachte daher die Gliederung nicht statisch, sondern als Verschnaufpausen auf dem »laufenden Band« des Lebens.

Der erste Band betrachtet die Jahre 1911 bis 1955. Es ist die Zeit, in der Max Frisch sich vom konservativen Schweizerdichter zum linkskritischen, europäischen Intellektuellen entwickelt. Bislang unbekanntes Quellenmaterial eröffnet hier erstaunliche Einsichten. Der zweite Band behandelt die Jahre bis zum Tod 1991. Der Schriftsteller wird weltberühmt und zur umstrittenen moralischen Instanz im eigenen Land.

Die Sekundärliteratur zu Max Frisch übertrifft den Umfang seines Werks um ein Vielfaches. »Frisch fasziniert die Intellektuellen«, spottete Friedrich Dürrenmatt. »Sie finden bei ihm die Schwierigkeiten dargestellt, die sie auch haben, oder glauben, haben zu müssen.« Wozu also auch noch dieses Buch über Frisch?

Drei Gründe: Erstens, weil es keine Darstellung seines Lebens und Werks im historischen Kontext und für ein breites Publikum gibt. Die kleine Biographie von Volker Hage ist gut geschrieben, geht aber kaum auf die Werke und den Zeithintergrund ein und berichtet als Lebensgeschichte nur das, was Frisch selbst darüber geschrieben und erzählt hat. Dies trifft auch auf die Biographie von Karin und Lutz Tantow zu. Sie begeht darüber hinaus die Unanständigkeit, seitenweise Frischs eigenen Text zu paraphrasieren und als eigene Erkenntnisse auszugeben. Alle anderen Biographien, auch die literaturwissenschaftlich sorgfältig gearbeitete von Alexander Stephan, sind vergriffen und zehn Jahre und mehr veraltet.

Zweitens leben heute, betagt bis hochbetagt, noch einige Weggefährtinnen und -gefährten Frischs, deren persönlichen Erinnerungen und Dokumente sehr wertvoll sind. Für die frühen Jahre sind dies vor allem Frau Käte Rubensohn, seine erste große Liebe, Frau Trudy Frisch-von Meyenburg, die erste Gattin, und Hannes Trösch, der langjährige Mitarbeiter im Architekturbüro. Sie werden im Jahr 2011, wenn Frischs versiegelte Privata eröffnet werden, ihre kritischen Stimmen vermutlich nicht mehr erheben können.

Drittens war Frisch zwar berühmt, beliebt war er in weiten Kreisen – auch in linken – nicht. Sein politisches Engagement eckte an. Mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten und dem Tod Frischs wünschten manche ihn endgültig auf den Müll der Geschichte. Ihrem Wunsch soll mit diesem Buch widersprochen werden.

Das Buch hat viele »Mütter« und »Väter«. Besonders gedankt sei: Frau Käte Rubensohn-Schnyder. Ihr verdanke ich die wichtigsten Informationen zum jungen Frisch; ihrem Mann Dr. Fortunatus Schnyder für die Überprüfung des Textes, Frau Trudy Frisch-von Meyenburg und Hannes Trösch für die Gespräche, Kathrin Straub für die Mitarbeit an der Entstehung des Buchs und dem Max-Frisch-Archiv in Zürich. Gedankt sei auch dem Kuratorium für die Förderung des kulturellen Lebens des Kantons Aargau für die finanzielle Unterstützung.

Ronchamp, im Frühjahr 1997

»Vom langsamen Wachsen eines Zorns«

Ein Prolog zur Erinnerung

Am 4. April 1991, einen guten Monat vor seinem achtzigsten Geburtstag, starb Max Frisch. Er hatte den Ablauf der Totenfeier in der Kirche St. Peter in Zürich bis ins Detail geregelt. Kein Vertreter der »Religion« und keiner der »Macht« sollte das Wort ergreifen. Freunde sprachen Abschiedsworte. Da Frisch weder an ein Weiterleben der Seele noch an die Auferstehung glaubte, da ihm auch der Gedanke an eine Gedenkstätte zuwider war, ordnete er an, seine Leiche zu verbrennen und die Asche der Luft und der Erde zu übergeben.

Wenige Monate zuvor war Dürrenmatt gestorben – mit Max Frischs Tod ging eine Epoche der Schweizer Literatur zu Ende. Die Nachrufe waren zahlreich und kontrovers. Doch bald schon wurde es still um Frisch. Die Taschenbuchausgabe seiner Gesammelten Werke verschwand aus dem Handel, seine politischen Mahnungen gerieten in Vergessenheit. Max Frisch ein Unzeitgemäßer?

Jonas und sein Veteran

Als Dramaturg der Uraufführung von Frischs letztem Theaterstück Jonas und sein Veteran am 19. Oktober 1989 am Schauspielhaus Zürich und am Théâtre Vidy, Lausanne (Regie Benno Besson), führte ich ab Sommer 1989 zahlreiche Gespräche mit Max Frisch: Gespräche über das Stück und seine Themen, das heißt über den moralischen Zustand der Schweiz, über Sinn und Unsinn ihrer Armee, über die Zukunft des Landes. Diese Gespräche fanden eine zwanglose Fortsetzung bis wenige Tage vor seinem Tod. Vom Sterben sprach er selten, obschon er wußte, daß es kurz bevorstand. Und wenn, dann nur in Randbemerkungen: »Man bekommt ein ganz anderes Verhältnis zur Zeit«, oder: »Ich warte jeden Tag auf die Schmerzen, dann kommt das Morphium und dann …« Statt des Wortes die italienische Geste für va via. Aber auch gallenbittere Sätze haften in der Erinnerung: »Heute ist dieses Land zum Davonlaufen. Ich möchte eine Million abheben und verschwinden. Es liegt nicht an der Million, aber ich kann nicht mehr laufen.«3

Im Mai 1990 schenkte Frisch mir sein Buch Schweiz als Heimat mit der Widmung: »Vom langsamen Wachsen eines Zorns«. Als ich mich bedankte, ergänzte er: »Der Zorn ist schon fast ein Haß geworden.«

Als Achim Benning als neuer Schauspielhausdirektor im Sommer 1989 von Wien nach Zürich kam, war es für ihn selbstverständlich, Frischs Jonas und sein Veteran auf den Spielplan zu setzen. Ein neues Stück mit einem aktuellen Thema, geschrieben von einem weltberühmten Schweizer Autor mit einer besonderen Beziehung zum Schauspielhaus, inszeniert von einem der größten Schweizer Regisseure – solche Sternstunden sind am Theater selten. Benning war daher vom Widerstand überrascht, auf den sein Plan im Verwaltungsrat des Schauspielhauses stieß. Eine Gruppe konservativer Verwaltungsräte um die Herren Gilgen, Meng und Bieri versuchte das Stück, vor allem aber den geplanten Zeitpunkt seiner Uraufführung zu verhindern. Der Grund: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSOA) hatte eine Volksinitiative zur Armeeabschaffung lanciert, die wenige Wochen nach der Jonas-Premiere zur Abstimmung gelangen sollte. Jonas und sein Veteran, so das Argument der Gegner, sei eine unstatthafte politische Einmischung des Theaters in die Abstimmungskampagne. Frisch hat sich über solche Pressionen nicht gewundert, er kannte seine Landsleute, doch Wut sprach auch aus seinen Worten: »Da lernen Sie, wie die Freiheit der Kunst bei uns funktioniert. Wir brauchen keine Zensur.« Und er reagierte auf seine Weise, indem er größten Wert auf erstklassige künstlerische Arbeit legte. Jede Form politischer Polemik lehnte er ab, auch im Programmheft: »Das ist die Ebene unserer Gegner und auf diese Ebene lassen wir uns nicht hinab. Bedenken Sie, auch wir sind die Schweiz, und unsere Schweiz ist nicht repressiv, nicht aggressiv, nicht polemisch. Und das zeigen wir vor.«

Politische Kultur

Im Anschluß an einige Jonas-Vorstellungen fanden kontroverse Diskussionen zum Thema »Schweizer Armee – wozu?« statt. Ich telefonierte, schrieb Briefe und erhielt bemerkenswerte Absagen von prominenten Kaderleuten der Schweizer Armee. »Ich lasse mich für Schaukämpfe im Theater nicht mißbrauchen«, schrieb der ehemalige Brigadegeneral Gustav Däniker. Politiker sprangen in die Bresche. Vor vollem Theater zog der ehemalige Justizminister, Altbundesrat Rudolf Friedrich, vom Leder: »Jonas und sein Veteran«, verkündete er, »ist ein wortreiches, aber es ist ein ebenso seichtes Geplauder. Es ist Polemik, Verdächtigung, Gerücht, Lächerlichmachung, Sarkasmus bis zur banalen Primitivität. Da erscheint ein alter, ein verbrauchter, müder und resignierter Max Frisch, der sich vor einen fremden Karren hat spannen lassen. Aus einem ehemals großen Geist ist ein kleiner geworden. Sein geistiger Niedergang wird vordemonstriert. Max Frisch ist nicht faktisch, aber er ist geistig erledigt.«4 Später berichtete Frisch von infamen Telefonanrufen, zeigte mir anonyme Schmähbriefe. Die Feigheit solcher Attacken hat ihn immer von neuem empört.

Schließlich kam die Initiative »Schweiz ohne Armee« zur Abstimmung. Das Resultat – ein Drittel der Schweizer votierte für die Abschaffung – war auch für Frisch eine Riesenüberraschung. Anfänglich hatte er nämlich die Initiative abgelehnt, denn er prognostizierte eine Ablehnung durch das Volk, die so wuchtig ausfallen werde, daß auf Jahre hinaus jede Kritik an der Armee unmöglich würde. Erst allmählich ließ er sich von den GSOA-Initianten überzeugen und stieg schließlich mit dem Text Schweiz ohne Armee? Ein Palaver und einem selbst finanzierten Plakat aktiv in den Abstimmungskampf ein. Der Wille zum und die Lust am politischen Kampf hatten noch einmal über Skepsis, Alter und Krankheit gesiegt.

Fichenskandal und Kulturboykott

Wenige Tage nach dieser Abstimmung fiel in Berlin die Mauer, der kalte Krieg ging zu Ende. »Wir haben recht gehabt und wir haben es erlebt, daß wir recht hatten.« Frisch erhoffte sich nun auch für die Schweiz eine größere politische Toleranz. Doch schon im Frühjahr 1990 schickte er mir die Kopie eines Gutachtens vom »Stab der Gruppe Generalstabsdienste«, worin Strategien diskutiert wurden, den populären Schriftsteller in der Öffentlichkeit zu bekämpfen. Frischs Kommentar: »Das Gutachten kommt ins Archiv. Die Nachwelt soll auch was zum Lachen haben.« Zur selben Zeit zeigten sich die ersten Finanzengpässe im Budget des Schauspielhauses. Auf der Suche nach Sponsorengeldern gab es neue Erfahrungen mit der Kunstfreiheit. Niemand war gegen diese Freiheit, aber da und dort pochte man auf die Freiheit, gewisse sogenannte künstlerische Unternehmungen nicht unterstützen zu müssen … Jonas und seine Folgen.

Im Laufe des Jahres 1990 wurde auch das Ausmaß des sogenannten »Fichenskandals« offenkundig. An die 900 000 Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz waren in der Nachkriegszeit vom Verfassungsschutz wider Recht und Gesetz bespitzelt und auf Karteikarten – Fichen – erfaßt worden. Tausende von Schweizerinnen und Schweizern hatten Denunziantendienste geleistet. Der Schock und die Empörung erschütterte das politische Gefüge des Landes. Der Umfang des Denunziantensystems und das Fehlen jedes Unrechtsbewußtseins empörten Frisch: »Auf diesem Sumpfboden wächst jede Gemeinheit.« Zusammen mit zahlreichen anderen Kulturschaffenden unterzeichnete er den »Kulturboykott«, das heißt er verpflichtete sich, nicht an der 700-Jahr-Feier der Schweiz mitzuwirken, die für 1991 vorbereitet wurde. »Mit der Jubelfeier dieser Leute habe ich nichts zu tun. Ihre Schweiz ist nicht meine.« Er unterstützte die Einberufung eines gesamtschweizerischen Kultursymposiums, welches unter dem Titel Welche Schweiz braucht die Kultur? am 3. und 4. November 1990 im Schauspielhaus und in der Roten Fabrik Zürich stattfand. Nur sein schlechter Gesundheitszustand verhinderte eine persönliche Teilnahme.

Frisch war sich über den baldigen tödlichen Ausgang seiner Erkrankung im klaren. Er setzte alle Hebel in Bewegung, um Einsicht in seine Fiche zu bekommen. »Ich habe meinen Anwalt beauftragt, daß meine Akte nicht vernichtet wird, falls ich sie nicht rechtzeitig zu sehen bekomme. Ich betrachte es als Beweis für die politische und moralische Integrität, in der Fichenkartei registriert zu sein.« Als ihm schließlich die Unterlagen ausgehändigt wurden, staunte er über die zahlreich darin enthaltenen dilettantischen Fehler ebenso wie über den wiederholten Verfassungsbruch. Sein Kommentar: »Die Fichenaffäre zeigt immer deutlicher, daß der Bundesrat sich über Jahrzehnte hinweg nicht nur als Verfassungsbrecher, sondern geradezu als Verfassungsverbrecher betätigt hat.« Er versuchte einen Kommentar zu seiner Fiche zu verfassen, doch er fand den richtigen Ton nicht: »Erst habe ich mit Wut geschrieben, doch da kam ich mir so lächerlich vor, dann habe ich es mit Ironie versucht, doch indem ich die anderen lächerlich machte, fühlte ich mich auch nicht besser.«

Bitterkeit

Die Zürcher Stadtratswahlen vom Frühjahr 1990 beendeten eine vierzigjährige bürgerliche Vorherrschaft und brachten eine rot-grüne Koalition an die Regierung. Ein junger Sozialdemokrat wurde Stadtpräsident. Frisch setzte große Hoffnungen in diesen Wechsel. Doch die neue Regierung fand einen Schuldenberg vor und verkündete als erstes einen rigorosen Sparkurs – auch in der Kultur. Frisch hielt dies für kurzsichtig. Die Linken, meinte er, litten unter dem unsinnigen Zwang, den Bürgerlichen beweisen zu wollen, wie sparsam sie mit Geld umgehen könnten. Zwar gewänne man in diesem Land mit Kulturpolitik leider keine Wahlen, doch sei eine Politik ohne Kultur auf die Dauer nichts wert. Frisch signalisierte den neuen Machtverwaltern seine Bereitschaft zu Rat und Gespräch. Seine Signale wurden monatelang ignoriert. »Keine Reaktion ist auch eine Reaktion. Man erfährt so den Stellenwert der Kultur in der neuen Politik. Im Ausland schätzt man mein Wort, hier gelte ich wohl schon als alter Schwätzer.«

Frisch konnte sarkastisch sein, doch er war nie ein ›Extremist‹. Sein ganzes Denken, auch da, wo es der Sozialdemokratie nahestand, wurzelte tief in der europäischen Aufklärung, in den Wertvorstellungen eines liberalen, kulturverständigen Bürgertums. »Als es in die Geschichte eingetreten war, unser Bürgertum, und das war ja keine Geldwäscher-Connection, das weißt du hoffentlich, das waren Männer freien Sinns, Jonas, und die meinten ja tatsächlich Demokratie«, räsonniert der Großvater in Jonas und sein Veteran. Frischs Zorn, sein Fast-Haß, seine Bitterkeit, das waren nicht Folgen des Alters, der Krankheit und der Enttäuschung, sie waren Folgen zunehmender Einsicht in die Tatsache, daß die heutigen Nachfahren jenes gelobten Bürgertums ihre eigenen moralischen, politischen und kulturellen Werte verlassen, ja verraten und die Schweiz zu einem »internationalen Finanzplatz, der langsam zum Himmel stinkt« verödet hatten. Frischs Zorn und Bitterkeit waren die Kehrseite seiner politischen und künstlerischen Integrität.

Diese Integrität hat ihm, über sein schriftstellerisches Können hinaus, Respekt bei seinen Gegnern, Zuneigung und Vertrauen bei seinen Anhängern verschafft. Frisch war eine Instanz. Als wir im Oktober 1990 mit der Vorbereitung seines achtzigsten Geburtstags am 15. Mai 1991 begannen, dachten wir erst nur an eine Veranstaltung im Schauspielhaus. Gespräche mit Freunden in anderen Kulturorganisationen ergaben überall die spontane Bereitschaft, diesen Geburtstag gemeinsam zu gestalten. So entstand die Idee eines Max-Frisch-Tags in Zürich. Die ganze Stadt sollte ihren größten Dichter seit Gottfried Keller feiern. Frisch, der sich jede offizielle Feier verbat, freute sich über diese Pläne und arbeitete am Programm mit. Gefreut hat ihn auch, daß Achim Benning ihn am Geburtstag zum Ehrenmitglied des Schauspielhauses ernennen wollte, und er versprach lachend, sich Mühe zu geben, so lange zu leben. »Und wenn ich es nicht schaffe, feiert trotzdem.«

Frisch starb am 4. April 1991.

»Einer davon bin ich«

Erinnerungen an Kindheit und Jugend (1911–1932)

Familienchronik

Max Rudolf Frisch wurde am 15. Mai 1911 in Zürich geboren. »Unser Name ist nicht schweizerischen Ursprungs. Ein Großvater [Franz Frisch, 1838–1892], der als junger Sattler einwanderte, brachte ihn aus der österreichischen Nachbarschaft; in Zürich, wo es ihm anscheinend gefiel, heiratete er [1871] eine Hiesige, Naegeli mit Namen, Tochter einfacher Leute [Maria Luise Naegeli, 1850–1899, Glätterin aus Kilchberg]. Auch der mütterliche Stamm ist vermischt; dort war es ein Urgroßvater, der von Württemberg kam, namens [Gottlieb] Wildermuth [1836 in Zürich eingebürgert, Bäcker], und schon mit seinem Sohn, meinem Großvater also, fing es an: er nannte sich Maler, trug eine erhebliche Krawatte, weit kühner als seine Zeichnungen und Gemälde5 er heiratete dann eine Baslerin namens Schulthess, die nie ganz hat vergessen können, daß ihre Familie einmal eine eigene Droschke besessen hat, und leitete die Kunstgewerbeschule unserer Stadt. … Meine Mutter [Carolina Betty Wildermuth, 1875–1966], um einmal ins Weite zu kommen, arbeitete als Kinderfräulein im zaristischen Rußland, wovon sie uns öfter erzählt hat, und mein Vater [Franz Bruno, 1871–1932] war Architekt. Als Sattlerssohn hatte er sich keine Fachschule leisten können; die Kinder sollten es einmal besser haben.«6

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Max Frischs Mutter, Carolina Betty Frisch, geb. Wildermuth. Foto Max-Frisch-Archiv.

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Max Frischs Vater, Franz Bruno Frisch. Foto Max-Frisch-Archiv.

Max hatte zwei Geschwister: die zwölf Jahre ältere Halbschwester Emma Elisabeth aus des Vaters erster Ehe und den acht Jahre älteren Bruder Franz Bruno. Die Beziehung zu den beiden war unterschiedlich. 1975 vermerkte Frisch verwundert: »Im vergangenen Jahr ist meine Schwester gestorben. Ich bin betroffen gewesen, wie viel ich von ihr weiß; nichts davon habe ich geschrieben.«7 Der Bruder, promovierter Chemiker, wird im Werk des öftern als Beispiel des aufrechten Schweizers geschildert und war für den kleinen Max eine wichtige Bezugsperson: »Er wußte immer mehr, war immer diesen Sprung voraus, der stimulierend ist. Große Spannungen, glaube ich, gab es nicht … Er hat ein bißchen den Vater ersetzt.«8 – »Und Franz hatte für unsere Mutter zu sorgen.«9

Die Familie lebte in bescheidenen Verhältnissen. Frisch überlieferte manchen Notstand: Es fehlt der »Groschen« fürs Gas – »Der grüne Gas-Automat hat mich gelehrt: Was wir uns nicht leisten können, das kommt uns auch nicht zu.«10 Man sammelte Fallobst und Bucheckern, um Kaffee zu brauen. »Der Vater, als Architekt arbeitslos, versuchte sich als kleiner Makler. Wir hatten Kartoffeln im Keller. Auch die braunen Briketts, die ich aus dem Keller holte, reichten vorerst, wenn man nur die Wohnstube heizte. Meine Mutter, die sich dabei entsetzlich schämte als Tochter einer Familie Schulthess von Basel, stand Schmiere, wenn ich über die Zäune kletterte, um Fallobst zu sammeln. Eicheln zu sammeln im Wald machte mir mehr Spaß als der Eichel-Kaffee.« Der Vater »versteht sich nicht aufs Sparen – so müssen wir es lernen«. Als er starb, hinterließ er Schulden. Der Bruder stotterte sie ab, »um der Mutter die Schande zu ersparen«.11

Viele Schweizer Familien waren damals arm. Das war nichts Besonderes. Daß Armut als »Schande« empfunden wurde, verweist auf das geistige Klima in der Familie. Politisch dachte man konservativ. Der Vater hatte im Ersten Weltkrieg sein Auskommen als Architekt verloren und sah sich vom sozialen Abstieg bedroht. Im Generalstreik 1918 wetterte er »gegen den roten Mob, der damals auf die Straße ging, ja, sogar auf den Paradeplatz in Zürich: unbewaffnet«.12 Je drohender der eigene Abstieg, desto rigider die Abgrenzung nach unten. In Kreisen der Schweizer Baumeister galten Streiks als Aktionen von »ein paar brutalen, gewissenlosen, allen Verantwortlichkeitsgefühls barer Individuen«. Zum Generalstreik 1918 schrieb zum Beispiel die Schweizerische Arbeitgeber Zeitung, »daß wir in Zürich einen ausgewachsenen Großstadtpöbel besitzen, der nur durch Maschinengewehre und Handgranaten im Zaume zu halten ist«13 . Die Mutter, aus besserem Haus, vermittelte dem Sohn ein idealisiertes Bild des vorrevolutionären Rußland. »Rußland war für mich immer das Märchenland. Wie sie von den Wölfen erzählt hat! Wenn man krank war, durfte man das russische Album anschauen. So war Rußland: Mütterchen Rußland!«14

Die Beziehung des jungen Max zu den Eltern war ungleich. »Zum Vater eine schwache, eigentlich eine Nicht-Beziehung. Ich rede auch nie von meinem Vater. Dabei ist nicht etwa irgend etwas Fürchterliches zu überdecken. Es ist von meiner Seite eine Gefühlslücke.«15 Der Vater hatte sich wenig um den jüngsten Sohn gekümmert und war ihm auch keine Vorbildfigur.16 Stärker war die Bindung an die Mutter. Frisch hat bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr bei ihr gewohnt und für ihren Lebensunterhalt mitgesorgt. »Die Mutter war zentral. Aber ich glaube nicht, daß es eine Ödipus-Situation war.«17 – »Das Bild, das ich von meiner Mutter habe, ist eine Art Ikone«.18 Wie eine Ikone behandelte Frisch denn auch sein Leben lang ein oval gerahmtes Jugendfoto der Mutter. Er trug es von Wohnung zu Wohnung und hängte es jeweils an einen Ehrenplatz. In späteren Jahren war Caroline Frisch »eine sehr schwerfällige, dicke Frau, eine sehr gute Hausfrau, die wunderbar kochen konnte und backen, aber ein sehr einfaches Gemüt, sensibel und sehr ehrlich und konnte fabelhaft stricken.« Sie hatte offene Beine, die bestrahlt werden mußten, was teuer war und Frisch, der sie jeweils zur Therapie begleitete, viel Geld und Zeit kostete.19

Soweit die Familienchronik, wie Frisch sie überliefert hat. In seinem Bewußtsein sah Frisch sich als Sproß typisch kleinbürgerlicher Verhältnisse, Verhältnisse, an denen er litt und die ihm zugleich Fundus waren für seine Literatur.

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Der einjährige Max Frisch. Foto Ph. & E. Link, Zürich. Max-Frisch-Archiv/Stiftung für die Photographie Zürich.

Kleinbürgerliche Verhältnisse

Frischs Vorfahren waren als Handwerker Kleinbürger im soziologischen Sinn. Nach dem Scheitern der Revolution von 1848 emigrierten viele davon in die Schweiz, wo, im Unterschied zu Deutschland und Österreich, das liberal-fortschrittliche Bürgertum gesiegt und sich eine demokratisch-föderalistische Verfassung gegeben hatte. Die Einwanderer integrierten sich in das einheimische Kleinbürgertum und strebten nach oben. Gleichzeitig waren sie besonders abstieggefährdet, denn sie besaßen weder den Sippenrückhalt der Alteingesessenen noch die ökonomische Basis des Bürgertums. Ihre Kinder erlebten stürmische Zeiten. Die Kindheit der Eltern Frischs fällt in den Wirtschaftsboom der Gründerjahre. Der rasche Aufschwung von Industrie, Handel und Banken mit den damit verbundenen Krisen und konjunkturellen Einbrüchen erschütterte das traditionell bäuerliche Sozialgefüge der Schweiz bis in die Fundamente.

Rechts vom freisinnig-liberalen Bürgertum, das in langen Jahren der Macht korrupt geworden war, wuchs eine breit gefächerte konservative Opposition. Links vom Freisinn entstand mit der Industrialisierung die sozialdemokratische Bewegung. 1890 stellte die Sozialdemokratie ihren ersten Nationalrat. Auch diese politische Polarisierung destabilisierte die Schweiz. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges drohte das Land entlang der Sprachgrenzen auseinanderzubrechen: die deutsche Schweiz stand zum Deutschen Reich, die französische zu Frankreich.

Zu den innenpolitischen Spannungen traten außenpolitische. Seit der deutschen Reichsgründung war die Schweiz ein strategisch sensibel gelegener Kleinstaat, der wirtschaftlich von den umliegenden Großmächten abhing. Sie lavierte zwischen den aggressiven Blöcken, wobei die politische Moral des öftern auf der Strecke blieb.

Umbruchzeiten sind Zeiten der Angst. Besonders für kleinbürgerliche Schichten wird die Gefahr des Absturzes ins Proletariat zum Trauma. Fleiß und Leistungswille einerseits, Existenzangst und Versagensangst anderseits, Minderwertigkeitsgefühle nach oben, auf Distanz erpichter Blick nach unten, Autoritätshörigkeit und autoritäres Gehabe, all die typischen Merkmale des gespaltenen kleinbürgerlichen Sozialcharakters werden manifest. Frisch hat sie in seiner Jugend stark empfunden und später immer wieder exemplarisch beschrieben. Er fühlte sich selber davon tief geprägt. Seine lebenslangen Existenzängste, philosophisch mit Kierkegaard und Heidegger gedeutet, dürften ebenso im Grundstrom kleinbürgerlichen Denkens und Fühlens wurzeln wie seine Körperscham, seine Sexualnot, seine »Versagensängste«, seine »Hysterie«, seine »Unsicherheit, die aggressiv macht«, sein Bedürfnis nach »Selbstbezichtigungen«, seine »krankhafte Empfindlichkeit als Kehrseite der Selbstbezichtigung, die eine Kehrseite der Selbstherrlichkeit ist«. Die Liste dieser negativen Werte, die Frisch sich in der späten Erzählung Montauk zuschrieb, ließe sich beliebig verlängern. Und wenn auch Montauk ein Kunstwerk und kein Protokoll ist, so ist diese Selbstcharakterisierung, wie Zeitzeugen bestätigen, zugleich weitgehend authentisch.20

Kindheit und Jugend

Als Max zur Welt kam, wohnte die Familie an der Heliosstraße 31 in Zürich-Hottingen, einem von kleinen Leuten bewohnten Quartier am Fuß des großbürgerlichen Zürichbergs. Max fing beim Metzger Fliegen für den Laubfrosch, bestand Mutproben in der Kanalisation, um zur Bubenbande zu gehören,21 und spielte mit den Kriegskindern aus Wien, was nicht gerne gesehen wurde.22 Er sei, berichtete Frisch, kein großer Stubenhocker und Bücherwurm gewesen. Außer Onkel Toms Hütte und Don Quichote habe er damals kaum etwas gelesen. Er träumte von einer großen Karriere; allerdings nicht als Schriftsteller, sondern als Torwart. »Was mich unersättlicher begeisterte, war Fußball.«23 Diese Körperbetonung ist mit Vorbehalt zu lesen. Frisch war klein gewachsen, rundlich, und seine schlechteste Maturanote erhielt er im Turnen. »Sobald ihm sein Körper bewußt wurde, wurde er zum Clown«, erinnerte sich Peter Bichsel.24

Auf die Fußballbegeisterung folgte diejenige für das Theater. Der Besuch einer Räuber-Aufführung habe sie ausgelöst: »Sie wirkte so, daß ich nicht begriff, wieso Menschen, Erwachsene, die genug Taschengeld haben und keine Schulaufgaben, nicht jeden Abend im Theater verbringen … Eine ziemliche Verwirrung verursachte das erste Stück, wo ich Leute in unseren alltäglichen Kleidern auf der Bühne sah; das hieß ja nicht mehr und nicht weniger, als daß man auch heutzutage Stücke schreiben könnte.«25

Dieser Text, geschrieben 1948, mag eine Selbststilisierung des inzwischen erfolgreichen Bühnenautors sein. Aber er hatte, wenn die Erinnerung stimmt, ein reales Fundament. Frisch berichtete, er habe in der Pubertät einige (verlorengegangene) Stücke geschrieben. Unter anderem eine Ehekomödie – »Ich hatte noch nie ein Mädchen geküßt!« –, eine »Farce über die Eroberung des Mondes« und ein Stück mit dem Titel Stahl. »Es spielte, nur soviel weiß ich noch, auf dem nächtlichen Dach eines Hochhauses, am Ende raucht es aus allen Fenstern der Großstadt, ein gelblicher Rauch wie aus Retorten, und der Held, nobel wie er war, hatte keinen anderen Ausweg als den Sprung in die Tiefe.«26

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1919, mit seinem Bruder Franz Bruno. Foto Max-Frisch-Archiv.

Der sechzehnjährige Frisch schrieb das Stück auf einer »gemieteten Maschine droben im Estrich« und schickte es an Max Reinhard nach Berlin. Sieben Wochen später erhielt er einen »ausführlichen Bericht, den ich nicht begriff«, mitsamt »der Einladung, weitere Texte einzuschicken«.27 Als der Vater allerdings Wind von diesen literarischen Ambitionen bekam, mißbilligte er sie entschieden.28 Man darf diese Episode trotz der Empörung des jungen Max nicht zu schwer gewichten; welcher pubertierende Sohn fühlt sich nicht gekränkt, wenn der Vater die Bedeutung erster poetischer Ergüsse verkennt. Die Geschichte verweist jedoch auf Grundsätzliches. Im puritanisch-zwinglianischen Zürich hatte die Verachtung der Künste, insbesondere des Theaters, eine alte Tradition. Dem Ideal des strebsamen, frommen Bürgers, auf dessen Erfolg Gottes Segen ruhte, widersprach das anrüchige Tun der Komödianten. Bürgertugend und Theater schlossen sich aus. Frisch brauchte Jahrzehnte, um sich aus dieser Prägung zu lösen. Zerrissen zwischen Künstlerehrgeiz und Bürgersehnsucht und immer wieder heimgesucht von der Verzweiflung, sowohl als Künstler wie als Bürger zu versagen, fand er erst als reifer Mann ein selbstsicheres Verhältnis zu beiden Polen seiner Existenz. Wir werden seine Biographie bis in die Mitte der fünfziger Jahre immer wieder unter diesem Aspekt zu betrachten haben.

Drei Jahre vor dieser Stahl-Episode war Max ins kantonale Realgymnasium am Zürichberg eingetreten. Hier lernte er Werner Coninx, seinen wichtigsten Jugendfreund, kennen. Coninx war der Sohn einer sehr wohlhabenden Bürgerfamilie, die u.a. einen großen Verlag und die Zeitung Tages-Anzeiger besitzt. Werner und Max wanderten gemeinsam durchs Engadin, spielten Tennis, fuhren Ski – beides Upperclass-Sportarten zu jener Zeit. Werner öffnete Max auch geistige Welten; er kannte sich in Musik, Philosophie und Literatur aus. Doch nicht die künstlerische und geistige Avantgarde faszinierte ihn, Links-Hegelianer, Phänomenologen, Neutöner oder Surrealisten standen ihm fern. Coninx befaßte sich mit den Geistern, die im kultivierten Bürgertum damals bereits anerkannt waren, mit Spengler, Nietzsche, Schopenhauer, Bruckner, Mozart, Bach, mit Caspar David Friedrich, Corot, später mit Picasso und mit Hans Carossa, Gide, Strindberg.

Jahrzehnte später erlosch die Freundschaft ohne eigentlichen Bruch. Frischs Literatur verstörte und verärgerte Coninx. In Montauk erinnerte sich Frisch des Jugendfreunds über volle vierzehn Seiten: »Seine breiten Schultern; er ist sehr groß … In der Klasse war er immer der erste; kein Streber, er war intelligenter als die andern … Nach der Schule begleitete ich ihn nach Hause … Seine Eltern waren sehr reich. Das schien ihm aber unwichtig, kein Grund für Selbstbewußtsein … alles Oberflächliche war ihm zuwider. Er war ein philosophisches Temperament; ich staunte, was sein Hirn alles denken kann. Auch war er sehr musikalisch, was ich nicht bin … Ich schrieb für Zeitungen und war stolz, wenn die kleinen Sachen gedruckt wurden; mein Geltungsdrang, glaube ich, war das erste, was ihn an mir enttäuschte. Ich mußte Geld verdienen, das verstand er, doch was ich schrieb, das war ihm peinlich … Auch sein Urteil über bildende Kunst war ungewöhnlich, nicht bloß angelesen, es entsprang seiner eigenen Sensibilität. Ich träumte von W. Wenn ich ihn besuchte, kam das Dienstmädchen an die Türe, ließ mich höflich in der Halle warten, bis sie oben gefragt hatte, und dann hatte ich natürlich den Eindruck, daß ich störe, auch wenn W. mich nicht abwies … Er war ein herzlicher Freund, mein einziger Freund damals … Es gab nur eine Sache, für die ich nie dankbar war: seine Anzüge, die für mich eine Nummer zu groß waren. Meine Mutter konnte zwar die Ärmel kürzen, die Hosen auch, trotzdem paßten sie mir nicht. Ich trug sie halt, um W. nicht zu kränken … Es verdroß mich nicht, wenn er plötzlich mitten in einem Gespräch, seine Jacke wiedererkannte und feststellte, daß die englischen Stoffe sich eben tadellos halten … Ich litt nicht unter seiner Überlegenheit, solange wir unter vier Augen waren; sie war selbstverständlich … Was ohne W. aus mir geworden wäre, das ist schwer zu sagen. Vielleicht hätte ich mir mehr zugetraut, vermutlich zuviel … Ich begriff, daß W. meine Bücher nicht lesen konnte. Er hatte ein anderes Maß, dem ich nicht gewachsen sein konnte.«29 Abschließend urteilte Frisch: »Ich meine, daß die Freundschaft mit W. für mich ein fundamentales Unheil gewesen ist und daß W. nichts dafür kann. Hätte ich mich ihm weniger unterworfen, es wäre ergiebiger gewesen, auch für ihn«.30

Frisch schrieb diese Erinnerung als fünfundsechzigjähriger Mann, der inzwischen weltberühmt und ebenfalls wohlhabend geworden war. Dennoch spricht aus dem Text, durch alle ironischen Brechungen hindurch, noch immer die Faszination des sozialen Aufsteigers. Nicht nur die Anzüge, der ganze gesellschaftliche Habitus waren dem Kleinbürgersproß um Nummern zu groß. Die Perspektive – steil von unten nach oben – besagt mehr als die einzelne Aussage.31 Sie ist, bis weit in die vierziger Jahre hinein, Frischs Optik auf die bürgerliche Gesellschaft.

Ein einziger Satz verweist auf die politische Gesinnung des Freundes: »Er war gegen Hitler, aber auch skeptisch gegenüber einer Demokratie, wo jede Stimme gleich viel wiege.«32 Der Satz ist diskret, aber vielsagend, liest man ihn vor dem Hintergrund der antidemokratischen Bewegung, welche die bürgerlich-intellektuelle Schweiz der zwanziger und dreißiger Jahre erfaßt hatte. Einer der Großen in Sachen Elitedenken, Korporationsgeist und Wiederbelebung des Ancien régime, der Freiburger Publizist und Militärberater Gonzague de Reynold, formulierte bereits 1905 in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), dem späteren Hausblatt Frischs, das politische Credo der bürgerlichen Rechten, zu der auch Coninx zählte: »Die Demokratie hat ihre Versprechen nicht gehalten, ja sie konnte sie nicht halten. Sie ist in ihrem Ursprung selber, in der Französischen Revolution, ein Mißwuchs. Die künstliche Gleichheit, im Widerspruch zu den Erfordernissen und Regeln des Lebens selbst, mußte notwendigerweise zur Tyrannei der Zahl, zur Herrschaft der Mittelmäßigen, zur brutalen Zentralisation und zum Etatismus führen. Da die Demokratie aus Prinzip keine Superiorität anerkennen kann, ist sie allein dadurch die Gegnerin jeder Elite: sowohl der intellektuellen wie der moralischen Elite …«33

Student und Dichter

1930 beendete Frisch das Gymnasium mit der Matura. »Es ist der Ehrgeiz von Vater und Mutter, daß wir Akademiker werden, Studium nach eigener Wahl. So werde ich Student der Germanistik.«34 Im Wintersemester 1931/32 immatrikulierte er sich an der Universität Zürich. Er fand dort bemerkenswerte Lehrer. Unter anderem hörte er Psychologie bei Carl Gustav Jung, Kunstgeschichte bei Heinrich Wölfflin, deutsche Literatur bei Emil Ermatinger und Robert Faesi. Jung war der nationalsozialistischen Ideologie und dem antidemokratischen Elitedenken der Zeit in manchen Überzeugungen nicht abgeneigt, Wölfflin, der Schüler und Nachfolger des konservativen Jakob Burckhardt, galt als einer der besten und anregendsten Kulturdenker der Zeit – auch er war kein Demokrat. Ermatinger vertrat ständestaatliche Ideen und war Mitunterzeichner eines Huldigungstelegramms an Adolf Hitler anläßlich der Jubiläumsfeier der Goethe-Gesellschaft 1935. Frisch mochte ihn nicht sehr. Dafür schätzte er Robert Faesi, den »liebenswürdigen Professor«35 mit den weitreichenden Beziehungen zu den literarischen Größen der Zeit. Dieser elegante Professor war zugleich ein anerkannter Schriftsteller. Seine Novelle Füsilier Wipf wurde kurz vor dem Zweiten Weltkrieg als großes Epos der geistigen Landesverteidigung verfilmt. Faesi war Frischs besonderer Förderer. Politisch stand er der antidemokratischen Rechten um Otto von Greyerz, Philippe Godet und Gonzague de Reynold nahe. Letzterer war nicht nur sein geistiger Anreger, sondern auch sein militärischer Vorgesetzter. Faesi empfahl den jungen Frisch an die Deutsche Verlags-Anstalt und an Eduard Korrodi, den Feuilletonchef der liberal-konservativen NZZ. Dieser wurde für Jahrzehnte Frischs literarischer Mentor.

Korrodi galt in der Zwischenkriegszeit als Zürcher Literaturpapst. Im Feuilleton der NZZ erließ er seine Enzykliken. Er förderte ebenso großzügig junge Talente, wie er nach eigener Laune und Gutdünken in deren Texte eingriff. »Ein ebenso kluger wie launenhafter Mensch«, urteilte Frisch. Politische Dichtung war ihm nicht anders als den meisten seiner Universitätskollegen ein Greuel. Dichtung hatte sich am Schönen, Erhabenen und Idealen zu orientieren. Die aus politischen oder »rassischen« Gründen emigrierten Literaten waren ihm suspekt. Ende Januar 1936 schoß er eine Breitseite gegen diese »Linksemigranten und Juden« in der Schweiz. Am 2. Februar antwortete ihm Thomas Mann in einem offenen Brief, worauf Korrodi eine waschechte Intrige gegen den in Zürich im Exil lebenden Schriftsteller anzettelte.36

An der Zürcher Universität freundete sich Frisch mit dem drei Jahre älteren Emil Staiger an. Auch Staiger, Schüler von Ermatinger, bis 1934 aktives Mitglied der profaschistischen »Nationalen Front«,37 Antisemit und ab 1943 Professor für deutsche Sprache und Literatur, bekämpfte als konservativer Hermeneutiker jede Art politisch engagierter Literatur. Die Freundschaft mit Frisch, die zeitweilig sehr eng war, ging erst 1966, beim spektakulären Zürcher Literaturstreit, in Brüche. Ein zeitkritisches Bewußtsein dürfte hingegen in den Lehrveranstaltungen von Walter Muschg geherrscht haben. Dieser legendäre Literaturprofessor von Basel, Halbbruder des späteren Frisch-Freundes und Schriftstellerkollegen Adolf Muschg, war zu jener Zeit allerdings erst Privatdozent in Zürich. Frisch besuchte seine Veranstaltungen mit Begeisterung.

Im großen und ganzen fand er an der Universität also Lehrer von solider fachlicher Qualität und konservativer bis reaktionärer Gesinnung. Zu den linksoppositionellen Schriftstellern um Rudolf Jakob Humm, die im »Rabenhaus« zusammenkamen und freundschaftlichen Umgang mit den Emigranten pflegten, hatte er keinen Zugang. Er begann seine literarische Karriere als überzeugter bürgerlicher und apolitischer Dichter. Und konservative Kreise förderten und bewunderten ihn.

Das Studium mißfiel Frisch. Die Welt in den Zürcher Hörsälen war ihm zu blaß, zu eng. Frisch wollte Dichter werden, nicht Schriftgelehrter. Dichten hieß für ihn: ausbrechen aus den Alltagszwängen und eintauchen in eine außergewöhnliche Welt tiefer Erlebnisse und intuitiver Selbstverwirklichung. Nicht der poeta doctus, sondern der geniale Vagant, der hinter die Horizonte blickt, war sein Vorbild (siehe Jürg Reinhart). Die Spannung zwischen Bürgerwelt und Künstlerwelt, zwischen bürgerlichem Normalmaß und schöpferischer Einmaligkeit wird für Jahrzehnte ein Grundzug in Frischs Schaffen. Er hat sie nicht nur in vielen Variationen beschrieben, er hat sie auch zu leben versucht.

Bevor sich Frisch jedoch als Dichter vorstellte, veröffentlichte er journalistische Texte. Der erste davon trug den Titel Mimische Partitur und erschien am 27. Mai 1931 in der Neuen Zürcher Zeitung. Frisch hatte ihn unaufgefordert eingeschickt. Sein Erscheinen überraschte ihn. »Das war tatsächlich enorm. Daß das wirklich Wort für Wort da war. Dann noch der Name gedruckt!«38 Mimische Partitur rezensierte eine Theaterkunst-Ausstellung, an der eine »mimische Partitur«, das heißt eine Notation für das schauspielerische Mienenspiel vorgestellt wurde. Frisch verwarf die Idee in Bausch und Bogen. Mimik sei die natürliche Folge seelischer Erlebnisse, daher könne eine mimische Nachahmung allenfalls eine »gymnastische« Mimik sein, Gesichtsgymnastik, statt Spiegel der Seele.

Frischs Argumentation ist konventionell. Auffällig ist nur die Arroganz, mit welcher der Zwanzigjährige ein Urteil über einen Vorgang fällte, den er damals überhaupt noch nicht kannte: über den unendlich komplexen Prozeß der Entstehung von künstlerischem Ausdruck auf Theaterproben.39 Volker Hage attestierte dem jungen Frisch »Mut zur eigenen Meinung«. Frisch selbst sah seine Anfänge kritischer. »Rezensionen, die ich als Student geschrieben habe, kann ich heute nicht ansehen, ohne zu erröten. Wobei es weniger Unkenntnis ist, was beschämt, sondern der Ton ganz allgemein, der sich für witzig hält, eine Mischung aus Dreistheit und Herablassung, und dabei, weiß ich, war ich voll von Minderwertigkeitsangst.«40 Als Grundfehler seiner frühen journalistischen Texte diagnostizierte er, »daß ich den Journalismus nicht als Journalismus betrieben habe, sondern als schlechte Literatur, was ja nicht Journalismus ist«.41

Wenn auch manche der frühen Texte Frischs heute schwer genießbar sind, so enthalten sie doch eine Fülle von Denkmustern, Bildern, Figuren, Motiven und Schreibhaltungen, die vorausweisen auf die späteren literarischen Texte. Vor allem aber zeigen sie, in welcher konservativen, jedem Experiment abholden Tradition Frisch zu schreiben begann; und wie groß daher der geistige Weg ist, den er im Lauf seines Lebens von dem einen Rand der Gesellschaft zum anderen zurückgelegt hat. Wer nur die literarische Qualität im Auge hat, mag die frühen Texte Frischs als Vorstufen abhaken. Wer aber die Entwicklung seines Bewußtseins verfolgen will, wird bei ihnen länger verweilen müssen.42

»Was bin ich?«

Der Schriftsteller als Antibürger (1932–1936)

Im März 1932 starb der Vater. Die Familie mußte sich einschränken. Man zog in eine bescheidene Wohnung in einem schlechteren Quartier. Max ging auf Arbeitssuche. Er sprach bei Eduard Korrodi (NZZ43