Ehrlich, offen und liebevoll
Aus dem Englischen von Anja Schmidtke
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Publikation darf ohne vorherige Zustimmung durch den Herausgeber in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise – sei es elektronisch, mechanisch, als Fotokopie, Aufnahme oder anderweitig – reproduziert, auf einem Datenträger gespeichert oder übertragen werden.
Copyright © Eileen Caddy MBE and David Earl Platts, Ph.D. 1993, 2004
Originaltitel: The Findhorn Book of »Learning to Love«
Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe: Verlag »Die Silberschnur« GmbH erschienen unter dem Titel »Die Tore zur Liebe öffnen. Ein Findhorn-Buch« mit der ISBN: 978-3-89845-288-5
ISBN: 978-3-89845-565-7
eISBN: 978-3-89845-894-8
1. Auflage 2018
Aus dem Englischen von Anja Schmidtke
Alle mit einem * gekennzeichneten Zitate frei übersetzt von Anja Schmidtke
Umschlaggestaltung: XPresentation, Güllesheim; unter Verwendung verschiedener Motive von © cutecancerian und © Mikhail Zahranichny, www.fotolia.com
Verlag »Die Silberschnur« GmbH · Steinstraße 1 · D-56593 Güllesheim www.silberschnur.de · E-Mail: info@silberschnur.de
Vorwort
Kapitel 1Sich dafür entscheiden zuzulassen
Kapitel 2Sich dafür entscheiden, sich sicher zu fühlen
Kapitel 3Sich dafür entscheiden zu vertrauen
Kapitel 4Sich dafür entscheiden, ehrlich und offen zu sein
Kapitel 5Sich dafür entscheiden, bewusst zu sein
Kapitel 6Sich dafür entscheiden zu akzeptieren
Kapitel 7Sich dafür entscheiden, frei zu sein
Kapitel 8Sich dafür entscheiden zu handeln
Kapitel 9Sich dafür entscheiden zu verändern
Kapitel 10Sich dafür entscheiden, bedingungslos zu lieben
Literaturempfehlungen
Über die Autoren
Dieses Buch enthält editierte Auszüge aus dem umfassenden Arbeitsbuch Bringing More Love Into Your Life: The Choice Is Yours, das aus Workshops entstand, die die Autoren viele Jahre lang in der Findhorn-Gemeinschaft abhielten. Alle Workshops und Bücher gründen auf diesen Prinzipien:
•Liebe gibt es in vielen verschiedenen Formen, doch eine nützliche Arbeitsdefinition von Liebe ist: mitfühlende Akzeptanz von und Achtung vor uns selbst und anderen.
•Als menschliche Wesen sind wir mit der vollen Fähigkeit zu lieben geboren. Die Liebe ist unser gottgegebenes Erbe, ein göttlicher Funke, der in jedem von uns lebt, ein Funke, der sich finden und zu einer hell leuchtenden Flamme entfachen lässt.
•Als spirituelle Wesen sind wir reine Liebe, mit dem Bedürfnis, unsere grundlegende Natur zum Ausdruck zu bringen: zu lieben, zu dienen, Ganzheit und Einheit mit allem Leben zu fühlen.
•Schmerzvolle Erfahrungen haben dafür gesorgt, dass wir innere Schutzwälle zur Selbstverteidigung errichtet haben, die auch verhindern, dass Liebe frei fließen kann. Wir haben Ängste, Widerstände, Überzeugungen und Verhaltensmuster entwickelt, um diese Schutzwälle aufrechtzuerhalten.
•Die wichtigste Lektion im Leben ist es, lieben zu lernen. Deshalb sind wir hier auf der Erde, und deshalb steht Liebe für uns an erster Stelle. Keine Lektion ist so wichtig oder notwendig für uns wie diese.
•Wir können andere erst lieben, wenn wir uns selbst lieben, doch viele von uns lieben sich selbst oder andere nicht besonders frei, umfassend oder furchtlos.
•Ein wesentlicher Grund, warum viele von uns sich nicht selbst lieben, sind Zweifel an unserem eigenen Wert, da wir uns schon früh im Leben negative Überzeugungen angeeignet haben wie »Ich bin nicht gut genug«, »Ich bekomme nichts hin«, »Ich bin ein Versager«, »Ich bin minderwertig« oder »Ich verdiene keine Liebe.«
•Wir können entscheiden, uns selbst und andere zu akzeptieren und zu achten. Wir können entscheiden, unsere Überzeugungen und Verhaltensmuster zu ändern. Wir können entscheiden, unsere Schutzwälle abzubauen und den natürlichen Strom der Liebe in uns fließen zu lassen.
•Lieben lernen heißt lernen, diese Entscheidungen zu treffen und wirkungsvoll in die Tat umzusetzen. Aus Entscheidungen entstehen Eigenverantwortung und größere innere Freiheit.
•Was uns hilft, diese Entscheidungen zu treffen und in die Tat umzusetzen, ist ein tief in uns befindlicher, liebevoller, reiner, beständiger Mittelpunkt des Selbstbewusstseins, der Liebe und des Willens, der uns lebendig macht und uns leitet.
•Immer stehen wir an einer Kreuzung, an der wir die Wahl haben, mehr Liebe in unser Leben zu bringen. Es ist eine Entscheidung, die wir oftmals immer wieder treffen müssen, Tag für Tag, Augenblick für Augenblick.
•Unsere Entscheidung, liebevoller zu sein, kann uns leichter fallen, wenn wir entsprechende Prinzipien und Techniken der Selbsterkenntnis erlernen und anwenden, die ihren Ursprung oft in der Psychosynthese haben, einer ganzheitlichen, personenbezogenen Methodik für menschliches Wachstum und persönliche Entwicklung, die der italienische Psychiater Roberto Assagioli (1888-1974) einführte.
Die Psychosynthese hilft Menschen, ihre Probleme zu verstehen und zu meistern, ihre Beziehungen zu verbessern, ihr kreatives Potenzial zu verwirklichen, in einem breiteren sozialen und planetaren Zusammenhang einen positiven Beitrag zu leisten und den Sinn und Zweck des Lebens zu ergründen. Sie erkennt die essenzielle transpersonale oder spirituelle Natur des Menschen an und zeigt auf, dass wahre innere Meisterschaft mit Selbsterkenntnis und Selbstverständnis beginnt.
Dieses Buch lädt Sie ein, eine freie und fundierte Entscheidung zu treffen – eine, die einträglich und bereichernd für Sie sein wird –, und hilft Ihnen, diese Entscheidung klar und bestimmt in die Tat umzusetzen.
In diesem ersten Kapitel befassen wir uns mit der Bedeutung von Liebe und sehen uns ein paar einfache Methoden an, mit denen Sie mehr Liebe in Ihr Leben bringen können.
Das Wort Liebe hat für unterschiedliche Menschen ganz unterschiedliche Bedeutungen. Für einige ist es heilig, für andere bedeutungslos. Doch jeder reagiert auf die eine oder andere Art innerlich auf Liebe.
Einige von uns setzen sexuelles Verlangen mit Liebe gleich. Andere meinen damit Gefühle wie Zuneigung und Romantik. Wieder andere verstehen Wertschätzung und Mitgefühl darunter. Und einige von uns sind der Auffassung, Liebe sei das universelle Prinzip von Anziehung und Vereinigung.
Was denken Sie über Liebe? Was bedeutet Liebe für Sie? Überlegen Sie einen Augenblick, wie Sie das Wort normalerweise gebrauchen.
Man kann Liebe so definieren, dass man beschreibt, was sie ist, und auch, was sie nicht ist. Vielleicht haben Sie diese Methode gerade auch angewandt.
Eine solche Beschreibung von Liebe findet sich im ersten Brief des Apostels Paulus an die Korinther, 13:4-8:
Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungebärdig, sie suchet nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freut sich aber der Wahrheit; sie verträgt alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles. Die Liebe höret nimmer auf.
Für viele von uns ist Liebe ein schwer fassbares und emotional beladenes Wort mit einer Vielzahl von Bedeutungen. Im Laufe dieses Buches werden Sie vielleicht feststellen, dass sich Ihre Definition von Liebe verändert.
Die folgenden Aussagen geben eine Reihe von Überzeugungen wieder, die Menschen über die Liebe haben.
•Es gibt auf dieser Welt keine Liebe. Es ist nur ein Wort wie »Sicherheit«, das einen idealen Zustand beschreibt, der im Leben so einfach nicht existiert.
•Liebe wurde von einigen wenigen, besonderen Lehrern auf dieser Welt zum Ausdruck gebracht, wie Buddha, Jesus, Krishna, Mohammed und Moses, aber für uns Sterbliche liegt sie eigentlich außer Reichweite.
•Ich sehe andere Menschen Liebe ausdrücken, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich selbst jemals Liebe empfunden habe, deshalb fällt es mir eher schwer, etwas dazu zu sagen.
•Ich weiß, dass ich fähig bin, Liebe zu geben und zu empfangen, ich kann das in mir und vielen anderen spüren.
•Ich versuche so gut ich kann, frei, umfassend und furchtlos zu lieben.
•Ich bin reine Liebe. Alles andere ist bloß Angst, Illusion und Gerede.
Und Sie selbst? Was ist Liebe für Sie? Ist es eine dieser Aussagen? Eine Kombination daraus? Oder etwas vollkommen anderes?
Wir, die Autoren, haben in Sachen Liebe schon einige Lektionen hinter uns, und wir lernen nie aus. Seien Sie sich also bewusst, dass wir uns hier nicht als Experten präsentieren und behaupten, wir wüssten auf alles eine Antwort. Davon sind wir weit entfernt. Ein Sprichwort sagt, dass Menschen das lehren, was sie am meisten lernen müssen. Wir sind uns sicher, dass wir nicht aus Zufall seit vielen Jahren in der Findhorn-Gemeinschaft und anderswo über Liebe lernen und lehren.
Was ist Liebe? Wir hören davon. Wir reden davon. Aber was bedeutet das Wort? Im Wörterbuch ist Liebe eines der missverständlichsten Wörter. Liebe ist nicht nur ein Wort. Sie ist Essenz. Sie ist Schwingung. Sie ist Macht. Sie ist das Leben selbst.
Liebe ist die kostbarste Energie im gesamten Universum. Warum? Weil Liebe jede Angst überwindet. Liebe ist der Balsam, dem die Macht zur Heilung und Erneuerung innewohnt. Sie ist der Schlüssel zu jeder Tür.
Wenn wir unser Herz öffnen, beginnen wir, die wahre Bedeutung von Liebe zu verstehen. Ein verschlossenes Herz weiß nichts von Liebe. Wir können Liebe kennen, wir können sie fühlen, und doch können wir sie nicht festhalten, denn je mehr wir versuchen, sie zu besitzen, desto mehr entzieht sie sich uns. Liebe ist so frei wie der Wind und kennt keine Schranken oder Grenzen.
Wahre Liebe ist niemals besitzergreifend; sie legt einen anderen Menschen niemals in Ketten, sondern sehnt sich danach, dass jede Seele frei und unabhängig ihren rechtmäßigen Platz im vollkommenen Gefüge aller Dinge einnimmt. Aus Liebe entsteht Freiheit. Angst bindet und begrenzt; Liebe durchtrennt alle Fesseln und befreit.
Liebe ist nichts, was gekauft, verkauft, gewogen oder gemessen werden kann. Wir können Liebe nur geben. Liebe wohnt in allem und jedem in unterschiedlichem Maße und wartet nur darauf, ans Licht gebracht zu werden. Liebe ist nichts, was von uns getrennt ist; Liebe ist, was wir sind. Wir alle sind mit der Fähigkeit geboren zu lieben und geliebt zu werden. Jeder von uns ist hier auf der Erde, um Liebe zu sich selbst und zu anderen zum Ausdruck zu bringen.
Dem Ruf der Liebe zu folgen erfordert viel Mut und Entschlossenheit, weil Verletzlichkeit auch immer das Risiko in sich trägt, abgelehnt zu werden. Aber ohne Verletzlichkeit ist Liebe unmöglich, und ohne Liebe ist das Leben unvollständig.
Liebe ist die unbeschreibbare, mächtige Energie, die durch unser ganzes Wesen hinaus zu allen Mitmenschen strömt und uns befähigt, über die äußere Form hinauszusehen und die Göttlichkeit in jedem Einzelnen zu erkennen, was in uns ein Gefühl der Einheit, Ganzheit und des »Gottesfriedens, der jedes Verständnis übersteigt« entstehen lässt.
Liebe hat zwar viele Formen, aber wir haben gelernt, dass die wichtigste Form der Liebe die Selbstliebe ist – nicht Egoismus, sondern Selbstakzeptanz, Selbstwertschätzung, Selbstachtung. Ohne sie können wir einen anderen Menschen nicht echt und umfassend lieben. Denn dann bleiben wir einfach nur bedürftig und suchen außerhalb unserer selbst nach Bestätigung, Aufwertung und Liebe.
In unseren Workshops und Büchern verwenden wir diese Arbeitsdefinition: »Liebe ist die mitfühlende Akzeptanz von und Achtung vor unserem Selbst und anderen.«
Sich zu entscheiden zu lieben bedeutet demnach zu lernen, uns selbst und andere so zu nehmen, wie wir sind. Es bedeutet zu lernen, uns selbst und andere zu achten. Es bedeutet, mitfühlend, liebevoll, warm und verständnisvoll zu handeln.
Aber wie steht es eigentlich mit Gefühlen, Romantik, Empfindungen – wie lassen sie sich in eine Definition von Liebe einfügen? Der Philosoph Martin Buber sagt: »Liebe ist kein Gefühl. Gefühle begleiten die Liebe, aber sie machen sie nicht aus.«* Auch der Theologe Millar Burrows ist der Meinung, die Liebe sei »kein Gefühl, sondern eine Gesinnung des Willens … Den Nachbarn zu lieben heißt nicht, Zuneigung für ihn zu empfinden, sondern, ihm Gutes zu wünschen und Gutes für ihn zu erstreben.«* Zweifellos ist Liebe mehr als nur ein Gefühl.
Als Maßstab für uns selbst definieren wir Liebe sogar noch einfacher, indem wir sagen: Lieben heißt zulassen. Das Ausmaß, in dem wir zulassen können, wir selbst zu sein – das heißt, uns selbst und andere urteilslos und kritiklos zu akzeptieren – ist das Ausmaß, in dem wir wirklich lieben.
Wir können uns entscheiden, uns selbst und andere zu akzeptieren und zu achten. Wir können uns entscheiden zuzulassen, dass wir und andere wir selbst sind. Und so können wir uns entscheiden zu lieben und mehr Liebe in unser Leben zu bringen.
Die Qualität von Liebe kann auf vielerlei Arten erfahren und ausgedrückt werden. Einige können als Reinformen betrachtet werden, andere sind verzerrt durch unsere Bedürfnisse, Wünsche und Erfahrungen. Die folgende Liste enthält Beispiele für beide Formen. Um einen Sinn für Liebe und für Ihr Verhältnis zu ihr zu bekommen, überlegen Sie einen Augenblick, wie oft Sie folgende Eigenschaften erfahren oder zum Ausdruck bringen.
Reinformen von Liebe |
Verzerrungen von Liebe |
Achtung |
Abhängigkeit |
Akzeptanz |
Angepasstheit |
Einbeziehung |
Angst vor Ablehnung |
Eintracht/Einheit |
Ausschließen |
Empfänglichkeit |
Bedürftigkeit |
Miteinander |
Besitzergreifen |
Mitgefühl |
Bindung |
Offenheit |
Eifersucht |
Sensibilität für andere |
Ich-Bezogenheit |
Vertrauen |
Sentimentalität |
Der Schriftsteller und Humorist Mark Twain sagte: »Mit leerem Magen haben Prinzipien nicht mehr viel zu sagen.«* Seine Aussage, die der Psychologe Abraham Maslow später in seinen Schriften wieder aufgriff, vermittelt, dass wir unterschiedliche Arten von Bedürfnissen haben und es Prioritäten gibt, wonach einige Bedürfnisse zunächst befriedigt sein müssen, bevor andere erfüllt werden können.
So wird uns das Prinzip der Liebe (und das damit einhergehende Bedürfnis nach Akzeptanz und Einbeziehung) nicht viel bedeuten, wenn wir grundlegendere Bedürfnisse noch nicht erfüllt haben: Essen im Magen. Kleidung auf der Haut. Ein Dach über dem Kopf.
Wir haben eine einfache Leiter aus Eigenschaften entworfen, in der Liebe in eine Beziehung zu anderen persönlichen Bedürfnissen gesetzt wird.
EINHEIT
FRIEDEN
LIEBE
FREIHEIT
ENTSCHEIDUNGSFÄHIGKEIT
BEWUSSTHEIT
OFFENHEIT
VERTRAUEN
SICHERHEIT
Jeder der ersten sieben Eigenschaften widmen wir in diesem Buch ein eigenes Kapitel. Das Thema von Kapitel 2, Sicherheit, ist die erste Sprosse unserer Leiter. Gewöhnlich müssen wir uns erst sicher und geschützt fühlen, bevor wir bereit sind, uns hinauszuwagen, uns etwas zu trauen, etwas zu riskieren.
Sobald wir uns aber sicher fühlen, wird die Eigenschaft Vertrauen für uns greifbarer. Wir finden es schwierig (aber nicht unmöglich) zu vertrauen, wenn wir uns nicht sicher fühlen, und leichter, wenn dieses Grundbedürfnis erfüllt ist. Unsere Leiter sagt uns auch, dass wir erst vertrauen müssen, bevor wir lieben können.
Vertrauen führt uns dann zur dritten Sprosse, Offenheit, das heißt, freimütig, schutzlos und verletzlich zu sein. Es fällt uns schwer, offen zu sein, wenn wir nicht vertrauen können – uns, anderen, dem Leben, Gott. Vertrauen gibt uns die Freiheit, ehrlich und offen zu sein.
Je offener wir sind, desto bewusster können wir sein. Auch das Gegenteil trifft zu: Je verschlossener wir sind, desto weniger nehmen wir wahr, was in unserem Leben geschieht. Deshalb ist die nächste Sprosse unserer Leiter die Bewusstheit.
Mit Bewusstheit entsteht Entscheidungsfähigkeit. Wenn wir uns unserer Verhaltensmuster und blinden Flecken bewusst werden, können wir die Entscheidung treffen, sie zu behalten, wenn wir meinen, dass sie uns dienlich sind, oder sie zu ändern, wenn sie uns zu sehr einschränken. Dann können unsere Entscheidungen bewusster und bereichernder für unser Leben werden statt unbewusst und einschränkend.
Entscheidungsfähigkeit führt zu größerer Freiheit. Wie können wir das erkennen? Wann fühlen wir uns nicht selbstbestimmt und frei? Dann, wenn wir das Gefühl haben, dass uns die Entscheidung abgenommen wird. Eine Entscheidung zu treffen und in die Tat umzusetzen macht also frei, selbstbestimmt und stärker und verhindert, dass wir uns ausgeliefert, schikaniert oder hilflos fühlen.
Freiheit bereitet den Weg für die Liebe, die siebte Sprosse unserer Leiter. Wir können nur lieben, wenn wir uns frei fühlen, das heißt, wenn wir nicht von Sorgen, Ängsten und den daraus entstehenden Verhaltensmustern eingeschränkt werden.
Liebe fördert Frieden. Es fällt uns schwer, uns friedvoll zu fühlen, wenn keine Liebe da ist. Liebe zu uns selbst und anderen schafft Frieden.
Frieden bringt ein Gefühl der Eintracht in uns hervor, eine Vernetzung mit der Menschheit, mit allem Leben, mit dem Gott-Selbst im Mittelpunkt unseres Wesens.
ANMERKUNG: Diese Reihenfolge von Eigenschaften ist kein linearer, abgestufter Prozess. Offenheit zum Beispiel kann direkt zu Freiheit führen: Je offener wir sind, desto freier sind wir gewöhnlich. Denken Sie auch daran, dass wir uns in einem bestimmten Bereich unseres Lebens auf einer Sprosse befinden können, etwa in unserer Arbeit, und in einem anderen Bereich auf einer ganz anderen Sprosse, wie zum Beispiel in unseren persönlichen Beziehungen.
Wir haben in jedes Kapitel kurze Übungen eingebaut, damit Sie relevante Aspekte jedes Themas für sich selbst näher betrachten können.
Diese Übung zeigt auf, wie wir bisherige Erfahrungen nutzen können, um zu neuer Bewusstheit zu gelangen. Wir schlagen Ihnen vor, die Übung vorher aufzunehmen, damit Sie sie ungehindert und ohne Unterbrechungen durchführen können. Lesen Sie den Text beim Aufnehmen eher langsam vor, und fügen Sie ausreichend lange Pausen ein, in denen Sie die Anweisungen befolgen können. Halten Sie bei drei Pünktchen (…) immer 10-30 Sekunden inne, um jeden Schritt ganz erfahren zu können. Vermeiden Sie es, durch die Übung zu hetzen. Nehmen Sie sich Zeit.
Da Sie die Übungen wohl für sich selbst aufnehmen werden, wechseln wir bei dieser wie auch bei allen folgenden Übungen bewusst von der förmlichen Anrede in die Du-Form über.
Schließe die Augen … Sitze gerade … Atme ein paarmal tief ein und aus … Entspanne dich … Erlaube deinem Körper, deinen Gefühlen und Gedanken, still zu werden … Werde wie ein ruhiger, stiller See …
Wenn du bereit bist, lass zu, dass eine Erinnerung an eine Zeit zu dir kommt, in der du dich voller Liebe fühltest … Vielleicht galt deine Liebe dir selbst, einem anderen Menschen, einem Tier, einem Gegenstand, einem Anlass, Gott oder etwas ganz anderem … Vielleicht ist es auch eine Erfahrung, die noch nicht so lange her ist oder schon sehr lange, vielleicht sogar aus deiner Kindheit …
Nimm dir Zeit … Warte geduldig in der Stille, in dem Wissen, dass bald etwas zu dir kommen wird … Sei bereit zu akzeptieren, was kommt, ohne es zu beurteilen, zu zensieren oder abzulehnen … Sei einfach nur bereit, es zu beobachten und zu untersuchen, mit dem Ziel, mehr darüber zu erfahren …
Wenn eine Erinnerung zu dir kommt, lass zu, dass besondere Einzelheiten sie begleiten … Beobachte und erkunde diese Erfahrung mit so vielen Sinnen, wie du kannst … Erlebe sie neu … Lass sie noch einmal sehr real werden, aber vermeide es, dich darin zu verlieren … Und wenn du dann bereit bist, denke über folgende Fragen nach …
•Wie erlebst du Liebe? … Wie fühlt es sich für dich an zu lieben? …
•Wie kommt Liebe in deinem Körper zum Ausdruck – welche körperlichen Empfindungen begleiten die Erfahrung der Liebe für dich? …
•Wie kommt Liebe in deinen Gefühlen zum Ausdruck – welche Gefühle begleiten die Erfahrung der Liebe für dich? …
•Wie kommt Liebe in deinem Geist zum Ausdruck – welche Gedanken, Ideen oder Überzeugungen begleiten die Erfahrung der Liebe für dich? …
Stellen Sie nun eine neue Definition von Liebe auf, nur gründen Sie sie diesmal ausschließlich auf Ihre persönliche Erfahrung von Liebe … Sehen Sie sich Ihre Antworten auf die gerade gestellten Fragen an, und nutzen Sie sie als persönlichen Maßstab dafür, was Liebe für Sie ist …
Wie ist es für Sie, Ihre Erfahrung auf diese Weise zu nutzen, das heißt als Bezugsrahmen und Quelle der Weisheit?
Sie können sich gerne Notizen zu Ihrer Erfahrung mit dieser Übung machen oder Zeichnungen anfertigen. Hat sie Ihnen neue Einsichten oder Erkenntnisse gebracht?
In diesem letzten Teil jedes Kapitels ermutigen wir Sie, das Gelernte anzuwenden, es aus den Seiten dieses Buches herauszuheben und es in Ihren Alltag einzubringen. Hier sind ein paar einfache Methoden, mit denen Sie direkt beginnen können.
1. Verhaltensmodelle. Ein Weg, um mehr Liebe in Ihr Leben zu bringen, besteht darin, Menschen zu beobachten, die Sie bewundern und die Liebe wirkungsvoll ausdrücken, und zu notieren, wer sie sind und wie sie es machen. Die Idee ist, sie nicht einfach zu imitieren, sondern die ehrenwerten Eigenschaften in ihnen (etwa Akzeptanz, Mitgefühl, Offenheit, Achtung oder Vertrauen) und ihr Verhalten herauszufinden, die offenbar zu ihrem Erfolg als liebevolle Individuen beitragen, und dann Wege zu finden, diese wünschenswerten Eigenschaften öfter in Ihrem Leben zum Ausdruck zu bringen, bis sie zu einen natürlichen Teil von Ihnen werden.
2. Stichwortkarten. Eine Methode, eine wünschenswerte Eigenschaft in Ihr Leben zu bringen, ist es, den Namen dieser Eigenschaft auf Karten zu schreiben und sie zu Hause an markanten Stellen zu platzieren, wo Sie sie mehrmals täglich sehen: neben Ihrem Bett, auf Ihrem Schreibtisch, an einer Tür, an einer Wand, am Badezimmerspiegel, am Kühlschrank. So entwickelt sich in Ihnen diese Eigenschaft durch subtile Programmierung. Oft genug wiederholt wird die Eigenschaft in Ihrem Leben immer mehr verstärkt, geweckt und zum Ausdruck gebracht.
3. Brainstorming. Nehmen Sie sich Zeit, um Methoden zusammenzutragen, wie Sie mehr Liebe in Ihren Alltag bringen können. Beim Brainstorming geht es darum zuzulassen, dass Ihnen möglichst schnell viele Ideen einfallen. Vermeiden Sie es, eine Idee zu bewerten, zu beurteilen oder abzulehnen. Schreiben Sie einfach alles so auf, wie es Ihnen spontan einfällt. Sehen Sie sich dann Ihre Antworten an. Wählen Sie eine aus, nach der Sie gerne handeln möchten, und denken Sie sich den ersten Schritt aus, den Sie dafür unternehmen können. Halten Sie detailliert fest, wann, wo und wie Sie die Methode planen. Gehen Sie Schritt für Schritt vor. Womöglich werden Sie überrascht sein, wie einfach (oder wie schwierig) es sein kann.
4. Inspirierende Worte lesen. Eine völlig andere Herangehensweise ist es, Literatur über Liebe (Belletristik und Sachbücher, Prosa und Poesie) zu lesen, die Sie inspiriert und liebevolle Gefühle in Ihnen weckt – alles, was Liebe allgegenwärtig in Ihrem Leben macht, denn dann wird sie realer und greifbarer, und Sie können besser darauf zurückkommen und sie besser ausdrücken.
In jedem Kapitel empfehlen wir geeignete Bücher, die Sie interessieren könnten. Hier sind unsere ersten Favoriten:
•Daily Guideposts ist ein exzellentes Buch (mit jährlichen Neuauflagen) mit 365 Gedanken für jeden Tag.
•Daily Word, das monatliche Unity-Magazin (englische und amerikanische Ausgaben), schenkt uns täglich neue Inspirationen.
•Herzenstüren öffnen, unser eigenes Buch, ist ein kurzer, inspirierender Leitfaden für jeden Tag des Jahres.
Ein genaues Literaturverzeichnis mit allen Büchern finden Sie unter Literaturempfehlungen auf S. 221f.
5. Persönliches Ziel. Setzen Sie sich ein persönliches Ziel, eine wichtige Aufgabe, die Sie in den nächsten sieben Tagen verwirklichen wollen. Wirkungsvolle persönliche Ziele haben diese Eigenschaften:
•Sie sind einfach. Die komplexesten Aufgaben können in kleine, überschaubare Teile aufgegliedert werden, so dass Erfolge wahrscheinlicher werden. Zum Beispiel könnte das Ziel »Ich werde lernen, meine Eltern zu lieben« mit dem ersten Schritt eines einfacheren Ziels beginnen: »Ich werde einen Brief an meine Eltern schreiben.«
•Sie sind präzise. Ein Ziel muss so genau formuliert sein, dass wir ganz klar wissen, wenn wir es erreicht haben. Das allgemeine Ziel »Ich werde liebevoller sein« wäre nur schwer einzuschätzen. Das konkretere Ziel »Ich werde mindestens zweimal im Monat Freunde zu mir einladen« hingegen können wir einfacher überprüfen.
•