Wie selbstfahrende Autos unsere Straßen erobern
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Copyright: FAZIT Communication GmbH
Frankfurter Allgemeine Buch, Frankenallee 71 – 81,
60327 Frankfurt am Main
Umschlaggestaltung: Christina Hucke, Frankfurt am Main
Coverillustration: © Macrovector/shutterstock.com
Satz: Wolfgang Barus, Frankfurt am Main
Druck: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
1. Auflage, Frankfurt am Main 2018
ISBN 978-3-96251-004-6
eISBN 978-3-96251-053-4
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.
Vorwort
Geleitwort
Teil 1
Revolutionen in der Mobilität
1Autonomes Fahren ist Realität
2Fakten zum manuellen Fahren
3Megatrends
4Disruptionen
5Robo-Taxis
Teil 2
Perspektiven des autonomen Fahrens
6Geschichte
7Levels
8Visionen
9Spielfelder
10Ökonomie
11Zeitplan
Teil 3
Technologie des autonomen Fahrens
12Umgebungsmodell
13Digitalisiertes Fahrzeug
14Vernetztes Fahrzeug
15Datensicherheit
Teil 4
Der Kunde und sein Mobilitätsverhalten
16Das Dilemma mit der Mobilität
17Mobilität als soziale Interaktion
18Erwartungen der Kunden
19Anwendungen und Beispiele
20Kann das autonome Fahren scheitern?
21Neue Typen, neue Segmente
Teil 5
Rahmenbedingungen des autonomen Fahrens
22Recht und Haftung
23Normen und Standards
24Ethik und Moral
Teil 6
Auswirkungen für die Fahrzeuge
25Das Fahrzeug als Ökosystem
26Design der Fahrzeuge
27Mensch-Maschine-Interaktion
28Zeit, Kosten und Sicherheit
Teil 7
Auswirkungen für die Unternehmen
29Geschäftsmodelle
30Wertschöpfungsketten
31Ökonomie des Teilens
32Versicherungswirtschaft
Teil 8
Auswirkungen für die Gesellschaft
33Arbeit und Wohlstand
34Wettbewerbsfähigkeit
35Aufstrebende Nationen
36Stadt- und Raumentwicklung
Teil 9
Was muss getan werden?
37Agenda für die Automobilindustrie
38Zehn-Punkte-Plan für Regierungen
Nachwort
Schöne neue Welt – Versuch einer Annäherung
Literatur
Index
Die Autoren
Ein Buch über autonomes Fahren zu schreiben, stellt eine besondere Herausforderung dar, da jeden Tag immer wieder neue, häufig auch widersprüchliche Erkenntnisse zu diesem Thema erscheinen. Überall auf der Welt entstehen permanent Ideen, Konzepte, Technologien und Projekte rund um selbstfahrende Autos. Sie alle zu überschauen und zu durchdringen, ist gar nicht mehr möglich. So liefert dieses Buch keinen in sich stimmigen und in allen Details ausgearbeiteten Entwurf, sondern entspricht eher den gesammelten „Tagebüchern“ einer Reise, die noch nicht abgeschlossen ist und deren Ziel bestenfalls vage am Horizont erscheint. Gleichwohl ist es lohnenswert, diese Reise anzutreten, da kaum eine andere Technologie das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben so gravierend verändern dürfte. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, um sich mit der autonomen Mobilität zu befassen, sie auf die Bühne des sozialen Diskurses zu befördern und damit einen Beitrag zu leisten, dass sie unser Leben zum Besseren verändert.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema hat auch uns Autoren bewegt, vor allem deswegen, weil es nur auf den ersten Blick um Sensoren, Algorithmen und maschinelles Lernen geht. Viel spannender sind die Geschichten dahinter über die neuen Chancen, aber auch Risiken, die fahrerlose Autos den Menschen bieten.
Andreas Herrmann hat in den Slums von Sao Paulo erfahren, dass Mobilität eine wichtige Voraussetzung für Arbeit und Wohlstand ist. Wenn es uns gelingt, durch autonomes Fahren die Menschen schneller und weiter zu transportieren, dann erhöhen sich ihre Chancen, eine bessere Arbeit zu bekommen, dem Elend zu entgehen und ihr Leben zu meistern. Walter Brenner ist fasziniert von der Geschwindigkeit und Intensität, mit denen Fahrzeuge derzeit digitalisiert werden. Er hat bei Gesprächen auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas, bei Unternehmen im Silicon Valley und mit Kollegen an der Stanford University erlebt, dass nicht mehr die Informationstechnologie (IT) um das Auto, sondern das Auto um die IT gebaut wird.
Dieses Buch basiert auf einer im April 2018 publizierten englischen Version, die gemeinsam mit Rupert Stadler entstanden ist. Viele seiner Gedanken sind auch in das vorliegende Werk eingeflossen, das jedoch etwas andere Schwerpunkte setzt. So wurde auf eine Beschreibung der Akteure und Anspruchsgruppen verzichtet, um stattdessen den Roboter-Taxis mehr Aufmerksamkeit widmen zu können. Wir sind der Überzeugung, dass sich das autonome Fahren auf der ersten und letzten Meile im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Verkehr durchsetzen könnte. Viele Mobilitätsprojekte, die etwa den Weg von zu Hause zum Bahnhof oder Arbeitsplatz und wieder zurück mit selbstfahrenden Fahrzeugen bewältigen, sind bereits in zahlreichen Städten überall auf der Welt auf den Weg gebracht worden.
Dieses Buch hätte nie geschrieben werden können ohne die inspirierenden und erhellenden Gespräche mit den Mitarbeitenden der Audi AG. Sie alle sind herausragende Experten, die in den nächsten Jahren die vielfältigen Facetten des autonomen Fahrens prägen werden. Mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen tragen sie maßgeblich dazu bei, dass selbstfahrende Autos ihren Weg auf die Straßen finden werden. Unser Dank gilt ihnen allen, dass sie sich Zeit genommen haben, um mit uns ihre Erkenntnisse und Überzeugungen zu teilen. Darüber hinaus sind wir auch dankbar für das wertvolle Bildmaterial, das uns zur Verfügung gestellt wurde.
Viele Mitarbeiter, Kollegen, Experten und herausragende Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft haben uns Anregungen und Impulse vermittelt. Unser Dank gilt ihnen allen für die Bereitschaft, all ihr Wissen und alle ihre Erfahrungen einzubringen. Besonders wertvoll waren auch die Kommentare unseres Kollegen Professor Hubert Österle und die vielfältigen Recherchen zu Bildern und Texten von Nicola Schweitzer, Cynthia Sokoll, Barbara Rohner und Manuel Holler. Ganz besonders danken wir Bianca Labitzke vom Verlag Frankfurter Allgemeine Buch für Ihre Unterstützung. Sie konnte sich von Anfang an für dieses Projekt begeistern.
Wir hoffen, dass ein Buch entstanden ist, das dieses Thema aus vielfältigen Perspektiven beleuchtet und dazu beiträgt, eine offene, ehrliche, vielschichtige und differenzierte Diskussion über die Chancen und Risiken des autonomen Fahrens zu führen. Wir Autoren sind euphorisch und von den Möglichkeiten dieser Technologie überzeugt. Aber auch uns bewegen Zweifel und Sorgen, die in diesem Buch ebenso zum Ausdruck kommen.
Andreas Herrmann
Walter Brenner
Professor Dr. Manfred Broy
Technische Universität München
Die rasanten Fortschritte der digitalen Technologie resultieren sowohl aus einer stetigen Verbesserung der Leistung der Hardware als auch aus der neue Rolle der Software – sie ist umfassend und vielfältig. Beide Entwicklungen führen zu dramatischen Veränderungen in der Automobilindustrie, die im Folgenden ausgeführt werden sollen: Bisher sind es die Innovationen im Fahrzeug, wie etwa durch eingebettete Software, neuartige Mensch-Maschine-Interaktionen bis hin zu Assistenzfunktionen. Hinzu kommen vielfältige softwaregestützte Funktionen sowie digitale Werkzeuge, Kommunikations- und Automatisierungstechnik in der Forschung, Entwicklung und Produktion. Aufgrund der rasant wachsenden Bedeutung des Internets und des Smartphones dominieren digitale Techniken inzwischen auch das Marketing und Customer-Relationship-Management. Eine weitere Welle der Veränderung ergibt sich aus der umfassenden Vernetzung der Fahrzeuge bis hin zum autonomen Fahren.
Die Digital Natives verkörpern einen neuen Kundentypus, der sich wie ein Fisch im Wasser in sozialen Netzwerken bewegt und für den die allgegenwärtige Verfügbarkeit digitaler Dienste über die Grenzen des Fahrzeugs hinaus selbstverständlich ist. Faszinierend ist dabei das Wechselspiel zwischen dem Fortschritt der Technik, neuen Geschäftsmodellen und veränderten Kundenanforderungen und -erwartungen.
Ein entscheidender Wettbewerbsvorsprung der US-Internet-Giganten besteht in ihrer einzigartigen Kundennähe, die es ihnen erlaubt, tagtäglich mit den Abnehmern zu interagieren, deren Verhalten zu beobachten und zu analysieren, in Echtzeit die erforderlichen Daten zu erfassen und blitzschnell neue Innovationen umzusetzen. Auch für die Fahrzeughersteller dürfte sich mit Blick auf diese Entwicklungen einiges verändern: Ein markantes Beispiel ist das automatisierte Fahren. Gelingt es, dass in zehn bis 15 Jahren Autos in vielfältiger Umgebung bedingt automatisiert oder sogar schon hoch- und vollautomatisiert fahren können? Damit würden Ride- und Carsharing-Projekte besonders attraktiv werden, da man auf den Kostentreiber „Fahrer“, aber auch auf die Unbequemlichkeit, das Fahrzeug am Standort abzuholen – es kommt von alleine – verzichten könnte. Dies erlaubt völlig neue Geschäftsmodelle und illustriert eindrucksvoll die intensive Wechselwirkung zwischen der Beherrschung der Technologie und der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sowie einer schnellen und nachhaltigen Veränderung des Marktes und der Kundenbedürfnisse.
Vor diesem Hintergrund muss in der Automobilindustrie die Zukunft völlig neu gedacht werden. Eine ganze Reihe von Kernkompetenzen sind zu entwickeln, die demnächst ausschlaggebend dafür sind, dass die heute führenden Hersteller auch weiterhin eine entscheidende Rolle spielen können. Dabei sind insbesondere die Fragen zu beantworten, welche Rolle Automobilunternehmen vor dem Hintergrund der digitalen Revolution spielen wollen und können und welche Maßnahmen erforderlich sind, damit sich Hersteller eine herausragende Rolle im Markt sichern.
Für die Bewältigung der Herausforderungen sind eine Reihe von Fähigkeiten zwingend erforderlich. Dazu gehören unter anderem:
•Human-Centric Engineering bedeutet, Produkte und Dienste auf die Bedürfnisse der Kunden auszurichten.
•Vernetzte Dienste zuverlässig zu gestalten und mit anderen Diensten zu kombinieren, erfordert Softwaretechniken, die ein rasches Time-to-Market sicherstellen.
•Die Beherrschung der Kosten, Qualität, Time-to-Market von Software dürfte der entscheidende Wettbewerbsfaktor werden.
•Die Marktdurchdringung verlangt Partnerschaften mit anderen Firmen, damit individuelle Stärken zu Synergien führen. Neue und schnelle Innovationen – auch unter Einbeziehung kleiner Unternehmen und Open-Innovation-Ansätzen – müssen mit traditionellen Fähigkeiten kombiniert werden. Kritisch ist dabei stets die Frage, wer letztlich diese Partnerschaften dominiert.
•Im Vordergrund muss eine konsequente Kundenorientierung stehen mit Angeboten, die ein Bündel von Kundenbedürfnissen adressieren. Dazu gehören internetbasierte Dienste im Auto, multimodale Mobilitätsdienste und die durchgängige Kombination von virtueller mit physischer Mobilität.
•Neue Geschäftsmodelle und die bessere Marktdurchdringung ergeben sich aus der Fülle von Nutzerdaten. Hieraus lassen sich innovative Dienste entwickeln. Gerade die Nähe und der Zugang zum Kunden durch eine tagtägliche und beständige Interaktion bieten beachtliche Chancen.
•Besondere Bedeutung besitzen die Techniken der Künstlichen Intelligenz, insbesondere das maschinelle Lernen. Diese betrifft insbesondere die Auswertung von Massendaten im Rahmen des autonomen Fahrens.
Neben den aus der digitalen Transformation resultierenden Veränderungen für das Auto selbst steht auch der gesamte Markt und Wettbewerb vor einem substanziellen Wandel. Ein Beispiel hierfür ist der Eintritt von Internetfirmen, die nicht notwendigerweise selbst Fahrzeuge herstellen, aber mit ihren Ride- und Carsharing-Angeboten die Regeln des Marktes verändern. Hinzu kommen alle möglichen Daten aus den Fahrzeugen, die völlig neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen.
Ein weiteres Schlüsselthema ist der durch Software ermöglichte Zugang zu den Kunden, die immerhin beträchtliche Zeit in den Fahrzeugen verbringen. Dazu braucht es Ideen, damit die Kundenansprache nicht nur einen lästigen Aspekt einer Public Relations-Aktivität darstellt. Nur jene Dienste können sich dauerhaft durchsetzen, die den Kunden einen echten Mehrwert bieten. Dies erfordert zwingend, Softwareexperten in die Führungsebene der Automobilunternehmen aufzunehmen. Diese Personen können aus einer Hand und umfassend sowohl die technischen als auch die betriebswirtschaftlichen Aspekte berücksichtigen.
Die Autohersteller benötigen eine konsequente Ausrichtung auf Softwarebefähigung und Softwaresouveränität. Nur so kann die Industrie im Wettbewerb mit den neuen Technologiefirmen bestehen. Hierzu müssen das Software-Know-how auf allen hierarchischen Ebenen verankert und die Softwareprozesse mit besonderer Kompetenz gestaltet werden. An der Fähigkeit, das Thema Software zu beherrschen, dürfte sich die Zukunft der traditionellen Automobilindustrie entscheiden.
Schon immer hat das Automobil die Menschen fasziniert. Seit seiner Erfindung im Jahr 1886 durch Carl Benz in Mannheim gilt es als Inbegriff des technisch Machbaren, aber auch des gesellschaftlich Wünschenswerten. An den Generationen von Fahrzeugen kann man nicht nur den technischen Fortschritt feststellen, sondern auch die ästhetischen, sozialen und kulturellen Veränderungen, die im Fahrzeugdesign und in den Materialien zum Ausdruck kommen. Am Auto, so scheint es, lassen sich über mehr als hundert Jahre hinweg die Errungenschaften aus der Elektronik, der Informatik, dem Maschinenbau, der Kunst, dem Design und vielen anderen Disziplinen besonders gut erkennen. Im Kern reflektiert ein Fahrzeug mit allen seinen Funktionen, seiner Anmut und Ästhetik die Vorstellung vieler Menschen davon, was eine Gesellschaft zu leisten im Stande ist. Die Faszination für das Automobil resultiert aber auch aus den Chancen, die es den Menschen bietet. Mobilität, Freiheit, Unabhängigkeit, aber auch sozialer Aufstieg und gesellschaftliche Anerkennung sind Empfindungen, die viele Fahrer mit ihren Fahrzeugen verbinden.
Die Erwartungen an das Auto sind dabei durchaus zwiespältig. Es verleiht den Menschen einerseits Kontrolle und Macht über eine Maschine und gibt ihnen dadurch ein Gefühl von Freiheit und Stolz. Andererseits kam auch immer wieder der Wunsch auf, ein Computer möge dem Menschen die Verantwortung für das Steuern der Maschine abnehmen: Hier kommt die Sehnsucht nach dem autonomen Fahren ins Spiel. Schon seit Jahrzehnten sind fahrerlose Autos zunächst in Science-Fiction-Romanen, später in wissenschaftlichen Veröffentlichungen umfassend beschrieben. Die Fantasien der Autoren reichen in einigen Filmen sogar so weit, dass selbstfahrende Autos ein Eigenleben führen und menschliche Züge annehmen. Das Auto legt selbstständig Routen fest und drückt eigene Stimmungen aus. Wie auch immer man Ideen zur modernen Mobilität konkretisiert: Autonome Fahrzeuge sind der logische Endpunkt einer Entwicklung, die mit der Motorkurbel im Patent-Motorenwagen von Carl Benz begonnen hat und inzwischen bei modernsten Fahrerassistenzsystemen angelangt ist, wie etwa Vorwärtskollisionswarnung, Toter-Winkel-Überwachung, Spurverlassenswarnung oder adaptive Geschwindigkeitsregelung. Die uralte Vision, dass alle Insassen eines Fahrzeugs nur noch Passagiere sind, hat inzwischen die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen vieler Fahrzeughersteller, aber auch einiger Technologieunternehmen wie etwa Google, Nvidia, Qualcomm, Mobileye, Apple erreicht und dürfte in den nächsten Jahren umgesetzt werden. Dieser letzte Schritt, dass ein Fahrzeug ganz ohne Fahrer auskommt, ist inzwischen keine Fiktion mehr. Die zugrunde liegende Technologie ist auf dem besten Weg dazu, Wirtschaft und Gesellschaft von Grund auf zu verändern.
Große Ideen sind so alt wie die Menschheit. Was viele Menschen davon abhält, besondere Ideen umzusetzen, sind die vermeintlichen Gewissheiten darüber, was machbar ist und vor allem: was nicht geht. So verhielt es sich auch bei der Entwicklung des Solarflugzeugs Solar Impluse 2, das eine Flügelspannweite von 72 Metern bekommen sollte. Ingenieure und Experten aus der Luft- und Raumfahrttechnik erläuterten durchaus überzeugend, dass eine solche Flügelspannweite technisch nicht machbar sei. Selbst eine Boeing 747 besitze keine solche Flügelspannweite, hieß es. Wie sollte es bei einem Flugzeug mit dem Gewicht eines Mittelklassefahrzeugs funktionieren?
Um dieses Problem zu lösen, mussten alle bisherigen Gewissheiten und Gewohnheiten über Bord geworfen werden. Es blieb Bertrand Piccard und seinem Team nichts anderes übrig, als das Bollwerk des vermeintlich gesicherten Wissens zu verlassen und ganz neue Wege einzuschlagen. Diese neuen Wege führten zu neuen Materialien, neuen Verarbeitungstechniken und letztlich auch dazu, ganz neu über die Konstruktion eines Flügels nachzudenken. Wir erkennen: Wer eine große Idee umsetzen will, darf sich nicht in der Komfortzone etablierter Überzeugungen einrichten. Das gilt auch für das autonome Fahren: Nur jene Unternehmen werden sich durchsetzen, die es schaffen, ganz neu über die Technik des Fahrens und das Verhalten der Fahrer zu reflektieren. Die ganze Mobilität muss neu gedacht werden.
Die autonomen Autos einiger Hersteller haben die Konzeptphase verlassen, umfassende Tests bestanden und befinden sich bereits auf den Straßen – zwar immer noch in kontrollierter Umgebung, aber unmittelbar vor dem Einsatz im Verkehr. Inzwischen sind autonome Fahrzeuge sogar in der Lage, den sogenannten Melbourne Hook Turn zu bewältigen. Hierbei handelt es sich um ein zweistufiges Abbiegemanöver, für das die australische Metropole Melbourne bekannt geworden ist. Ein Auto, das im Linksverkehr von Melbourne rechts über eine von Stadtbussen befahrene Straße abbiegen will, muss sich zunächst links einordnen. Erst nachdem die auf der gleichen Fahrbahn geradeaus fahrenden Autos und die Stadtbusse vorbeifahren konnten, darf das Fahrzeug nach rechts abbiegen.
Quelle: Audi AG
Quelle: Daimler AG
Es gibt mittlerweile viele Belege für den Fortschritt des autonomen Fahrens. So gelangte zum Beispiel ein Fahrzeug von Audi fahrerlos von San Francisco nach Las Vegas, ein anderes erreichte auf einer Rennstrecke eine maximale Geschwindigkeit von 240 km/h (Abbildung 1.1). Mercedes stellte den F015 vor, der vor allem durch sein futuristisches Design und die vielen innovativen Funktionen eine Vorstellung von der autonomen Mobilität der nächsten Jahre vermittelt (Abbildung 1.2). Google ist seit vielen Jahren dabei, in Kalifornien und anderen US-Bundesstaaten seine inzwischen weithin bekannten Fahrzeuge zu testen. Tesla hat bereits einige seiner Fahrzeuge mit Software, Kameras und Radar ausgerüstet, um in bestimmten Verkehrssituationen autonomes Fahren zu ermöglichen. Volvo nimmt auf einem Autobahnring rund um Göteburg Fahrzeuge in Betrieb, die autonom unterwegs sind. Viele andere Fahrzeughersteller wie Ford, BMW, Toyota, Kia, Nissan oder auch Volkswagen arbeiten an Prototypen von selbstfahrenden Autos oder haben solche Fahrzeuge bereits im Straßenverkehr eingesetzt.
General Motors will demnächst ein autonomes Fahrzeug im Verkehr testen, das weder ein Lenkrad noch Pedale oder andere manuelle Kontrollmöglichkeiten besitzt. Der Autokonzern hat das US-Verkehrsministerium bereits um eine Genehmigung gebeten, dieses Auto ohne einen Fahrer auf die Straßen bringen zu dürfen. Das elektrische Superauto NIO EP9 sorgte bereits für Aufsehen, als es auf der texanischen Rennstrecke Circuit of the Americas mit 2:11:30 Minuten einen neuen Rundenrekord für Serienfahrzeuge aufstellte. Kürzlich stellte dieses chinesische Fahrzeug einen weiteren Rekord auf, indem es im selbstfahrenden Modus die 5,5 Kilometer lange Formel-1-Rennstrecke in 2:40:33 Minuten absolvierte. Dabei betrug die Höchstgeschwindigkeit auf einzelnen Passagen dieser Rennstrecke rund 260 km/h.
Im Jahr 2011 entwickelte die National University for Defense Technology in einer Partnerschaft mit First Auto Works ein selbstfahrendes Auto auf Basis des Hongqi HQ3. Dieses Fahrzeug absolvierte die Strecke zwischen Changsha und Wuhan auf einer stark befahrenen Autobahn in drei Stunden und 20 Minuten. Bei einer Höchstgeschwindigkeit von 87 km/h überholte es 67 andere Fahrzeuge. Trotz widriger Wetterbedingungen mit Nebel und Gewittern sowie schwer zu erkennenden Straßenmarkierungen gelang eine unfallfreie Fahrt.
Wo liegen die größten Hindernisse für die Vision vom autonomen Auto? Die Ingenieure vieler Hersteller und Technologieunternehmen sind sich in einem einig: Es ist nicht besonders aufwendig, die ersten 90 Prozent des autonomen Fahrens zu beherrschen. Die größte Herausforderung sind die letzten 10 Prozent. Es geht darum, komplizierte Verkehrssituationen vor allem in den Innenstädten zu meistern. Daher müssen die Fahrzeuge in möglichst vielen Situationen im Straßenverkehr getestet werden, um Erfahrungen über das Fahrverhalten zu sammeln. Ähnlich argumentiert auch Jen-Hsun Huang, der Vorstandsvorsitzende von Nvidia, der bei der Entwicklung von autonomen Fahrzeugen eine Verlässlichkeit von 99,999999 Prozent fordert, wobei er genau weiß: Das letzte Prozent kann nur mit sehr viel Aufwand erreicht werden (Erläuterung 1.1, S. 18).
Diese Präzision ist schon deshalb erforderlich, weil Menschen die Fehler anderer Menschen eher verzeihen als die von Maschinen begangenen Fehler. Viele Verkehrsteilnehmer sind bereit, falsche oder ungeschickte Manöver anderer Fahrer zu übersehen, weil letztlich jeder um die eigene Unzulänglichkeit weiß. Begeht hingegen ein von der zentralen Steuerungseinheit manövriertes Fahrzeug einen Fahrfehler, kommen sofort grundsätzliche Zweifel über die Fahrtüchtigkeit des Gefährts und seine technischen Voraussetzungen auf. Daher bleibt bei der Entwicklung fahrerloser Autos gar nichts anderes übrig, als eine Fehlertoleranz einzufordern, die gegen Null geht.
Unter Programmierern gibt es die 90-90-Anekdote, derzufolge 90 Prozent der Codes etwa 90 Prozent der Entwicklungszeit benötigen. Für die verbleibenden 10 Prozent der Programmierzeilen sind nochmals 90 Prozent der Zeit erforderlich. In Anlehnung daran sprach Sacha Arnoud, Direktor beim Google-Unternehmen Waymo, vor Kurzem davon, dass die ersten 90 Prozent der Aufgaben für die Entwicklung eines autonomen Autos etwa 10 Prozent der gesamten Zeit in Anspruch nehmen. Die letzten 10 Prozent, um die Fahrzeugentwicklung abzuschließen, erfordert sogar das Zehnfache aller bis dahin geleisteten Arbeit.
Autos sind rollende Computer
Bereits heute sind Fahrzeuge mit ihrer Umwelt (wie etwa mit dem Internet, dem Händler oder dem Hersteller) vernetzt. Autos lassen sich daher auch als rollende Computer bezeichnen, da sie ständig Daten (zum Beispiel Navigations- und Telemetriedaten) generieren. Hierzu zwei eindrückliche Zahlen:
Vernetzte Fahrzeuge weisen etwa 100 Millionen Zeilen Code auf – das ist eine enorme Menge. Man stelle sich hierfür eine ganz normale Din A4 Seite vor, die 30 Zeilen Code umfasst und 0,1 Millimeter dick ist. Sofern alle 100 Millionen Zeilen Code ausgedruckt und die Seiten aufeinandergelegt werden, entsteht ein Blätterturm, der den Eiffelturm in Paris überragt.
Jedes Auto kann abhängig von den eingebauten Sensoren und den verfügbaren Computern bis zu 300 Gigabyte (GB) Daten pro Stunde generieren. Ein durchschnittlicher Kunde einer Telekom-Firma nutzt etwa 20 GB pro Monat (Surfen im Internet, Streamen von Filmen und Serien, Kommunikation in sozialen Netzwerken).
Quelle: Eigene Darstellung
Die Fahrzeuge von Google (Waymo) haben inzwischen 8 Millionen Kilometer absolviert, was etwa 200 Umrundungen der Erde entspricht. Mit dieser Fahrleistung konnten die Autos bereits eine Vielzahl von Situationen im Straßenverkehr bewältigen. Gleichwohl ist Google weiterhin daran, nicht nur im tatsächlichen Verkehr zu testen, sondern auch Fahrten am Computer zu simulieren. Damit sollen die Steuerungssysteme ungewöhnlichen und seltenen Situationen auf den Straßen ausgesetzt werden. Dieses Simulationsprogramm entspricht den Fahrten von etwa 25.000 Autos, die pro Jahr circa vier Milliarden Kilometer meistern.
Im nächsten Schritt geht es darum, das Verhalten dieser Fahrzeuge in schwierigen Wettersituationen zu untersuchen. Regen, Nebel, Schnee – das sind die Herausforderungen, in denen sich die Autos zu bewähren haben. Hinzu kommen Verkehrssituationen, in denen die Fahrer miteinander kommunizieren müssen, um Zusammenstöße zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür bildet der Place de l’Etoile mit dem Arc de Triomphe in Paris, auf den zwölf Straßen zuführen (Abbildung 1.3). Um diesen Platz unfallfrei zu umrunden, braucht es nicht nur Fahrkönnen, sondern auch die Fähigkeit, mit anderen Verkehrsteilnehmern zu kommunizieren – mit Händen und Füßen, mit dem Gesichtsausdruck oder sogar mit Licht und Hupe. Hinzu kommt, dass man die vielen ungeschriebenen Regeln kennen muss, um die Straßen rund um diesen Platz zu meistern. Man kann sich vorstellen, was diese Verkehrssituation für ein autonomes Fahrzeug bedeutet.
Quelle: Alex MacLean
Von Toyota und der Rand Corporation liegen Berechnungen über die Anzahl der Kilometer vor, die selbstfahrende Autos absolvieren müssen, bevor sie als für den Straßenverkehr tauglich eingestuft werden können (Erläuterung 1.2, S. 20). Die für die Steuerung von fahrerlosen Autos verantwortlichen Algorithmen müssen durch eine Vielzahl von Anwendungen im Straßenverkehr trainiert werden. Je mehr Verkehrssituationen diese Algorithmen bewältigt haben, desto besser sind sie vorbereitet, um eine neue Situation meistern zu können. Diesen Trainingsprozess zu gestalten und damit auf die von Jen-Hsun Huang geforderte Genauigkeit zu kommen, ist wohl die entscheidende Herausforderung bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge.
Das weltweit erste selbstfahrende Taxi ist seit August 2016 im Universitätsviertel von Singapur in Betrieb. Es lässt sich über eine Smartphone-App buchen und steuert ausgewählte Haltepunkte an. Schon heute berichtet NuTonomy, der Betreiber dieses Taxis, über begeisterte Passagiere. Allerdings kommt bereits Konkurrenz auf, da die Verkehrsbehörde in Singapur auch Delphi Automotive Systems und anderen Firmen ermöglicht, selbstfahrende Fahrzeuge zu testen. Der Stadtstaat gilt als ideales Testgelände für autonome Autos, allein schon weil das Wetter stets gut ist und weder Nebel oder Schnee die Orientierung beeinträchtigen. Zudem existiert eine herausragende Infrastruktur, und die Verkehrsteilnehmer halten sich im Unterschied zu anderen Ländern auch tatsächlich an die Verkehrsregeln. Singapur versteht sich als ein Testlabor für die Verbesserung autonomer Fahrzeuge und der dafür erforderlichen Infrastruktur. Die Regierung ist sich bewusst, dass diese Technologie die klassische Automobilindustrie bedroht, vielleicht sogar eine neue Industrie hervorbringt und damit auch einen Wettbewerb der Nationen initiiert: Man hat erkannt, dass es um die Arbeitsplätze und den Wohlstand von morgen geht.
Notwendige Testkilometer autonomer Fahrzeuge
Wie viele Kilometer müssen gefahren werden, damit man einen Vergleich zwischen maschinellem und manuellem Fahren durchführen kann, der mathematisch-statistischen Kriterien genügt? Ausgangspunkt sind die derzeitige Wahrscheinlichkeit für einen Unfall auf einem Kilometer Straße und die konservative Annahme, dass autonome Fahrzeuge eine um zwanzig Prozent geringere Unfallrate aufweisen.
Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von fünf Prozent müssten etwa acht Milliarden Kilometer gefahren werden, um einen Unterschied nachweisen zu können. Diese Distanz entspricht etwa einer Reise zum Neptun und wieder zurück, was aber nicht heißt, dass man viele Jahre warten muss, bis ein entsprechender Nachweis erbracht ist. Eine Möglichkeit besteht darin, virtuelle Tests durchzuführen, Simulationen zu rechnen oder mathematisch-statistische Modelle zu entwickeln. Eine andere Option zielt darauf ab, durch Pilotstudien in kontrollierter Umgebung die Anfälligkeit von fahrerlosen Autos für Unfälle zu untersuchen. Genau diese beiden Ansätze werden derzeit vor allem vom US-Transportministerium und der National Highway Traffic Safety Administration verfolgt.
Quelle: Eigene Darstellung
Aber auch andere Unternehmen sind dabei, in verschiedenen Städten und Regionen der Welt fahrerlose Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen. Google kooperiert mit Phoenix, um seine Autos für Taxidienste einzusetzen. Uber bebaut in Pittsburgh ein ganz neues Areal für den Einsatz von autonomen Autos. Nissan kündigte an, ganz in der Nähe des Hauptsitzes in Yokohama eine Flotte von fahrerlosen Fahrzeugen in Betrieb zu nehmen. Darüber hinaus gibt es Initiativen zum autonomen Fahren von General Motors in New York, von Bosch in Stuttgart, von Audi in Ingolstadt und von den zahlreichen chinesischen Autofirmen vor allem in und um Shanghai.
Offenbar bewegt die Vorstellung von selbstfahrenden Autos immer mehr Menschen. Dies zeigt auch eine Analyse von über 100.000 Posts auf zahlreichen sozialen Plattformen. Seitdem Google 2010 sein fahrerloses Auto präsentierte, hat sich die Anzahl der Posts zu diesem Thema von einem Jahr zum nächsten verdoppelt. Die Auswertung ergibt, dass die Menschen doppelt so viele positive wie negative Empfindungen, Meinungen und Stimmungen mit diesen Gefährten verbinden. Zu den positiven Assoziationen gehören: smart, intelligent, sicher, modern, fortschrittlich und fähig. Die negativen: gefährlich, teuer, disruptiv, langsam, komplex, unvermeidlich. Offenbar besteht auf der einen Seite Neugier, aber auch die Hoffnung, mit dieser Technologie bedeutsame Verkehrsprobleme wie Staus, Luftverschmutzung oder Unfälle lösen zu können. Auf der anderen Seite gibt es Zweifel, ob das alles wirklich so funktioniert, ob die autonomen Fahrzeuge tatsächlich sicher und bezahlbar sind und die Technologie beherrscht werden kann.
Neben Autos gibt es viele weitere Fahrzeuge, die inzwischen autonom verkehren, wobei vor allem die zahlreichen Anwendungen im militärischen Bereich zu nennen sind. Aber auch in der Landwirtschaft kommen selbstfahrende Traktoren, Mähdrescher und andere Fahrzeuge zum Einsatz, die alle miteinander kommunizieren und ihr Fahrverhalten aufeinander abstimmen. In den letzten Jahren wurden vor allem in Europa und Asien zahlreiche fahrerlose Citymobile und Stadtbusse auf die Straße gebracht, die zumeist auf definierten Routen den öffentlichen Verkehr unterstützen. Besondere Bedeutung kommt beim Transport von Fracht den autonomen Lastwagen zu, die sich zu einem Konvoi (Platoon) verknüpfen lassen. Dabei bildet ein Lastwagen, in dem sich derzeit noch ein Fahrer befindet, die Spitze, während die anderen Fahrzeuge elektronisch angekoppelt sind. In automatisierten Verladestationen kann die Fracht, ohne dass Personal involviert ist, von einem Lastwagen auf einen anderen umgeladen werden. Danach können die Fahrzeuge mittels einer elektronischen Deichsel zu neuen Platoons verknüpft werden.
Ein Blick auf die Kommunikation vieler Fahrzeughersteller, Zulieferer und Technologieunternehmen zeigt, dass zumeist vom automatisierten und nur selten vom autonomen Fahren die Rede ist. Automatisiertes Fahren, das ist der Überbegriff, der mehrere Phasen der Automation beginnend mit den Fahrerassistenzsystemen umfasst. Autonom beschreibt den Endzustand der Automation, also jene Situation, in der ein System alle Lenk-, Beschleunigungs- und Bremsmanöver übernimmt. Es benötigt dann keinen Fahrer mehr, und das Auto ist in der Lage, stets alle Fahrsituationen zu meistern. Daher sollen Fahrzeuge, die diesen Zustand erreicht haben, als autonom, fahrerlos oder selbstfahrend bezeichnet werden. Spricht man von Automation, so geht es darum, das eigenständige Agieren einer Maschine zum Ausdruck zu bringen. Autonomie geht darüber hinaus und meint das eigenständige Dirigieren eines ganzen Systems.
Bislang wurde hier nur von autonomen Autos gesprochen, also der höchsten und letzten Stufe der Fahrzeugautomation, wenn das System überall und zu jeder Zeit alle Fahraufgaben übernimmt. Bei dieser vollen Automation gibt es keinen Fahrer mehr, und alle im Fahrzeug befindlichen Personen sind Passagiere. Bis diese Fahrzeuge das Straßenbild prägen, dürfte es noch einige Jahre dauern, was aber nicht bedeutet, dass nicht heute schon Autos mit einem beachtlichen Grad an Automation ausgestattet sind.
Um die Begrifflichkeiten zu klären, hier ein Überblick über die verschiedenen Stufen der Automation:
•Ausgangspunkt ist der Zustand ohne jegliche Automation (Level 0), in dem der Fahrer das Fahrzeug ohne Unterstützung durch Systeme lenkt, beschleunigt und bremst.
•Hieran schließt sich die Fahrerunterstützung (Level 1) an, zu der etwa das Antiblockiersystem und das elektronische Stabilitätssystem zählen.
•Ab der Teilautomation (Level 2) übernimmt die Maschine immer mehr dieser Fahraufgaben, wie etwa die adaptive Geschwindigkeitsregelung. Allerdings ist der Fahrer immer noch verpflichtet, das System, den Verkehr und die Umgebung permanent zu beobachten und zu jedem Zeitpunkt das Fahrzeug steuern zu können.
•Ab der bedingten Automation (Level 3) muss der Fahrer das Auto und die Umwelt nicht mehr ständig überwachen, da ihm die Maschine ein Signal mit der Aufforderung erteilt, die Kontrolle zu übernehmen.
•Bei der Hochautomation (Level 4) bewältigt das System alle Fahraufgaben im Normalbetrieb und im definierten Umfeld, jedoch kann der Fahrer die von der Maschine getroffenen Entscheidungen überstimmen und eingeleitete Manöver abbrechen.
•Hieran schließt sich die Vollautomation (Level 5) an, die im Mittelpunkt der weiteren Ausführungen steht.
Im Sinne einer einheitlichen Sprachregelung sollen im Folgenden zwei zentrale Begriffe verwendet werden: Es ist von automatisierten Fahrzeugen die Rede, sofern die Levels 1 bis 4 gemeint sind. Geht es um Level 5, soll von autonomen, selbstfahrenden oder fahrerlosen Autos gesprochen werden.
Die dem autonomen Fahren zugrunde liegenden Technologien lösen die Grenzen zwischen der Automobil-, der Roboter-, der Elektronik- und der Softwareindustrie auf. Die Software mit den Programmen und Algorithmen, aber auch die Kameras sowie Radar, Ultraschall und Lidar (Light Detection und Ranging) gewinnen an Bedeutung. Dagegen verliert die Hardware eines Fahrzeugs, also das Chassis, die Räder und Reifen sowie viele andere mechanische Bauteile an Wichtigkeit. Daher ist es nicht überraschend, dass sich Technologieunternehmen wie Apple, Google, Nvidia, Mobileye, NuTonomy, Qualcomm und Microsoft mit dem autonomen Fahren befassen und sogar schon eigene fahrerlose Fahrzeuge entwickelt haben. Selbst die klassischen Zulieferer wie Aisin, Delphi, Bosch, Denso, Mahle, Continental, TRW, Schaeffler oder Magna sind dabei, entweder eigene Prototypen selbstfahrender Autos zu erstellen oder zumindest an bedeutsamen Komponenten zu arbeiten. Zudem kann die Technologie des autonomen Fahrens einen wichtigen Beitrag leisten, um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen: Mehr Automation bedeutet mehr Energieeffizienz und dadurch auch mehr Reichweite.
Grundlage des autonomen Fahrens ist die Entwicklung von Fahrzeugen zu cyberphysischen Systemen, die im Kern einen Verbund aus mechanischen und elektronischen Komponenten bilden. Dabei tauschen die Hard- und Software eines Fahrzeugs bestimmte Daten über eine Infrastruktur aus, wir sprechen hier vom Internet der Dinge. Der gesamte Verbund wird überwacht und kontrolliert von einer zentralen Steuerungseinheit (Processing Unit). Sie verkörpert das „Gehirn“ des Fahrzeugs und erteilt den Antriebssystemen Anweisungen. Zudem kommuniziert zukünftig jedes Auto mit der Infrastruktur, zu der Parkhäuser, Parkplätze, Ampeln, Verkehrsschilder und die Verkehrsleitzentrale zählen (Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation, im Folgenden: V-to-I-Kommunikation). Hierbei geht es darum, alle Daten über den Verkehrsfluss, über verfügbare Parkplätze und Ampelphasen zu erfassen, damit die zentrale Steuerungseinheit im Auto die beste Route auswählen und die passende Geschwindigkeit bestimmen kann.
Bei der Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation (im Folgenden: V-to-V-Kommunikation) stehen die Autos im Kontakt untereinander und tauschen Daten aus. So können Autos ihr Fahrverhalten aufeinander abstimmen und sich wechselseitig zum Beispiel vor Regen, Eis, Nebel, Schlaglöchern oder Unfallstellen warnen. Es liegt auf der Hand, dass die Informations- und Kommunikationstechnologie im Fahrzeug an Bedeutung gewinnt, so dass sich ein Paradigmenwechsel in der Automobilindustrie ergeben dürfte. Der klassische Fahrzeugbau wandelt sich zu einer Industrie, die im Grunde digitalisierte Produkte erzeugt, was ganz neue Fähigkeiten erfordert. Die Fahrzeughersteller sind herausgefordert, sich in Kultur, Organisation und Prozessen den Technologieunternehmen anzunähern und den Geist dieser Industrie aufzunehmen. Es ist kein Zufall, dass in den USA die klassischen Automobilstandorte in Michigan, Ohio und Indiana in Schwierigkeiten stecken, während in Kalifornien eine ganz neue Mobilitätsindustrie entsteht.
Um sicher und zügig zum Fahrtziel zu gelangen, muss jeder Fahrer permanent das Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer einschätzen und entsprechende Entscheidungen über die Fahrmanöver treffen. Fährt das nachfolgende Fahrzeug zu dicht auf? Könnte sich hieraus ein Unfall ergeben? Reicht der Abstand zum vorausfahrenden Auto aus? Ist ausreichend freie Fahrbahn für ein Überholmanöver? Überquert das Kind die Straße oder bleibt es am Straßenrand stehen? Dabei stellt sich der Fahrer vor, wie sich die anderen Verkehrsteilnehmer verhalten werden und was abhängig von seinem eigenen Verhalten passieren könnte. Im Grunde entwickelt er aufgrund seiner Erfahrung und seiner Intuition eine beste Vorstellung über das Verkehrsgeschehen und entscheidet entsprechend.
Systeme gehen ähnlich vor, indem sie möglichst viele Daten aus dem Fahrzeugumfeld erfassen und aus diesen verschiedene Szenarien über die Verkehrssituation ableiten. Dabei erhält jedes Szenario eine Wahrscheinlichkeit zugewiesen, mit der es eintritt, und abhängig davon kann das beste Manöver eingeleitet werden. Dieser Prozess lässt sich wie folgt beschreiben: Die Sensoren und Kameras liefern eine Vielzahl von Daten über das Umfeld des Fahrzeugs, das Fahrverhalten der anderen Autos, die Beschaffenheit der Fahrbahn sowie das Wetter. Die zentrale Steuerungseinheit interpretiert diese Daten und gelangt beispielsweise zu der Einschätzung, dass das Fahrverhalten des nachfolgenden Fahrzeugs gefährlich ist oder es so heftig regnet, dass die Geschwindigkeit deutlich reduziert werden muss. Für diese Bewertung greift das System zurückliegende Ereignisse auf und vermag daraus eine Wahrscheinlichkeit abzuleiten, mit der ein bestimmtes Ereignis eintritt. So kann mit Blick auf das aggressive Fahrverhalten des nachfolgenden Autos eine Wahrscheinlichkeit für einen Unfall berechnet werden. Abhängig vom errechneten Wert können verschiedene Fahrmanöver eingeleitet werden.
Allerdings wird es mit zunehmender Daten- und Variablenmenge auch immer schwieriger, die optimale Entscheidung zu treffen. Daher muss sich die Künstliche Intelligenz im Fahrzeug entwickeln, um in Echtzeit möglichst gute Entscheidungen treffen zu können. Sofern zum Beispiel die Sensoren und Kameras auf die Fahrbahn fallende Steine nicht erfassen können, nützt der beste Algorithmus nichts, um Ausweichmanöver einzuleiten. Erkennt hingegen die Sensorik das Hindernis, aber der Algorithmus ist nicht in der Lage, die Vielzahl der Daten zu verarbeiten, kann den Steinen nicht ausgewichen werden.
Bei der Weiterentwicklung automatisierter Fahrzeuge kommt es entscheidend darauf an, dass sie in der Lage sind, die vielfältigen Verkehrssituationen zu beherrschen. Diese Autos sind im Grunde Roboter, weshalb die Software nur jene Situationen im Verkehr meistern kann, die zuvor programmiert oder durch Systeme (Machine-Learning-Algorithmen) erlernt wurden. Daher dürfte das autonome Fahren wohl zunächst dort zum Einsatz kommen, wo die Verkehrssituationen überschaubar sind. Ein typischer Fall hierfür ist die Stop-and-go-Situation: Fahrzeuge stehen im Stau und können immer wieder nur mehrere Meter mit sehr geringer Geschwindigkeit fahren. Dabei lässt sich der bereits heute verfügbare Stauassistent so entwickeln, dass immer höhere Geschwindigkeiten und immer schwierigere Verkehrssituationen bewältigt werden können. Ein anderes Beispiel bildet die Fahrt auf einer Autobahn, wo trotz hoher Geschwindigkeit die Verkehrssituationen meist nicht sonderlich komplex sind. In Innenstädten müsste es jedoch separate Spuren für autonome Fahrzeuge geben, da dort eine diffuse Verkehrssituation herrscht mit Fußgängern, Fahrradfahrern und vielen Richtungswechseln im Straßenverlauf.
Es ist jedoch zu erwarten, dass ausgehend von diesen einfachen Szenarien die Software im Laufe der Zeit so entwickelt werden kann, dass sich immer komplexere Situationen im Straßenverkehr erfassen und verarbeiten lassen. Schon jetzt können Algorithmen nicht nur ein Kind von einem Erwachsenen unterscheiden, sondern beispielsweise auch erkennen, dass zwei Jugendliche am Straßenrand miteinander sprechen. Dieser Befund alarmiert das System, da die beiden Personen möglicherweise abgelenkt sind und den herannahenden Verkehr nicht beachten. Je mehr solcher Situationen die zentrale Steuerungseinheit bewältigen muss, desto versierter kann sich das Fahrzeug im Straßenverkehr bewegen. Das beste Training für die Algorithmen bestünde darin, alle Sensordaten in eine gemeinsame Datenbank zu überführen, damit jedes Fahrzeug von den Lernfortschritten der anderen profitieren könnte.
Trotz dieser beachtlichen Entwicklungen beim maschinellen Lernen wird sich das autonome Fahren nicht auf einen Schlag durchsetzen, schon gar nicht in allen Ländern und Regionen gleichzeitig, sondern nur schrittweise. Ausgehend von den Fahrerassistenzsystemen, die heute schon im Einsatz sind (Park- und Stauassistent), erhält die zentrale Steuerungseinheit zukünftig immer mehr Fahraufgaben. Wie schnell die Entwicklung vorangeht, hängt von verschiedenen Faktoren ab: vor allem vom Fortschritt bei der Software inklusive der Erfassung und Identifikation von Objekten, von der Bereitschaft der Kunden zur Nutzung dieser Systeme und von den regulatorischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die Rechtsprechung muss in vielen Ländern aktualisiert werden, da sie im Kern auf dem Wiener Übereinkommen von 1968 über den Straßenverkehr basiert und zum Beispiel haftungsrechtliche Fragen beim Einsatz autonomer Autos gar nicht zu beantworten vermag. Damit sich das autonome Fahren durchsetzen kann, ist es zudem wichtig, dass in den nächsten Jahren nicht zu viele Unfälle mit selbstfahrenden Autos passieren. Meldungen über schwere Unfälle mit diesen Fahrzeugen, wie vor einiger Zeit immer wieder zu lesen war, könnten die Politik und die Öffentlichkeit verunsichern.
Ein Blick in die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen zeigt, dass die Technologie des autonomen Fahrens derzeit in vielerlei Richtungen weiterentwickelt wird. Da es nur noch Passagiere und keinen Fahrer mehr gibt, kommen neuartige Innenraumkonzepte in Betracht. Hierbei entstehen Konzeptfahrzeuge, die rollenden Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmern gleichen und mit der besten Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungstechnologie ausgestattet sind. Bei anderen Fahrzeugkonzepten steht der innerstädtische Transport im Mittelpunkt, insbesondere die Anbindung autonomer Autos an den öffentlichen Schienenverkehr. Die autonome Mobilität bietet die Chance, die verschiedenen Transportmittel intelligent miteinander zu verknüpfen. Hierbei kommt den selbstfahrenden Fahrzeugen die Aufgabe zu, den Transport der Reisenden auf dem ersten und letzten Kilometer, also etwa von zu Hause zum Bahnhof und wieder zurück, zu übernehmen. Allerdings ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren nicht nur ein Typ, sondern vor allem drei Typen autonomer Fahrzeuge im Mittelpunkt stehen werden (Abbildung 1.4, S. 27).
Robo-Taxis (Roboter-Taxis) bedeuten eine technologische Revolution, da sie von vornherein als autonome Fahrzeuge konzipiert sind. Diese Autos verkehren in den Innenstädten mit geringer Geschwindigkeit in einem exakt definierten Einzugsbereich mit zuvor vermessenen Routen. Sie gehören zu einer Flotte, die zum Beispiel von einem Unternehmen, einer Bahngesellschaft oder einer Stadt betrieben wird, weshalb der Kunde ein solches Auto nicht besitzt, sondern abhängig von der Nutzung bezahlt oder eine Pauschale (flat rate) entrichtet. Diese Fahrzeuge lassen sich mit einer App reservieren und anfordern, wobei eine Verkehrsleitzentrale sie unter Berücksichtigung der Verkehrslage und der Fahrtziele navigiert. Hier könnten Google-Autos zum Einsatz kommen, die mit Blick auf ihr Design und ihre Funktionalität ideale Flottenfahrzeuge bilden. Sie sind klein und wendig und daher für den Stadtverkehr geeignet, zudem energieeffizient und können von einer Zentrale aus gesteuert werden. Auch wenn Google selbst keine fahrerlosen Fahrzeuge bauen möchte, ist dieser Begriff zur Beschreibung dieser Autos inzwischen verbreitet.
Quelle: Eigene Darstellung
Auch ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren immer mehr autonome Busse zum Einsatz kommen, jedoch keine großen Reisebusse, sondern kleine Stadtbusse mit Platz für acht bis zwanzig Passagiere. Schon jetzt nutzen einige Städte solche Busse, allerdings nur auf exakt definierten Routen und mit wenigen Haltestellen. Das bekannteste Beispiel hierfür ist das CityMobil2, das in San Sebastian, Trikala und in der Nähe von Antibes zum Einsatz kommt. Auch die Stadt Zürich hat angekündigt, den selbstfahrenden Bus Self-e auf einer 1,3 Kilometer langen Strecke mit fünf Haltstellen testen zu wollen. Solche Busse eignen sich dafür, verschiedene nicht allzu weit voneinander entfernt gelegene Standorte zum Beispiel eines Unternehmens, einer Verwaltung, eines Krankenhauses oder einer Universität miteinander zu verbinden.
Mehrzweckfahrzeuge sind das Ergebnis einer Evolution: Bereits bestehende Automodelle werden um immer mehr automatisierte Funktionen ergänzt. Diese Autos besitzen zunächst noch einen Fahrersitz und sind aus der Perspektive des Fahrers aufgebaut. Es sind vor allem die Premiumhersteller wie Audi, Mercedes, BMW oder Volvo, die dieses Fahrzeugkonzept verfolgen, allein schon deshalb, um möglichst viel Wissen über den Fahrzeugbau in das Zeitalter der neuen Mobilität zu übernehmen. Dabei könnten sich im Zeitverlauf unterschiedliche Typen herausbilden wie etwa das Geschäfts-, Familien- oder Reisefahrzeug. Diese Automobile ähneln den heutigen kaum noch, da sie weder ein Lenkrad noch eine Mittelkonsole besitzen. Exterieur und Interieur sind völlig neu gestaltet und auf die verschiedenen Verwendungszwecke dieser Fahrzeuge ausgerichtet.