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weissbooks.w

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Martina Bollinger / Rainer Weiss (Hgg.)

Zwischen den Büchern.

Wie mich die Liebe

in der Buchhandlung traf

Lauter wahre Geschichten

© Weissbooks GmbH Frankfurt am Main 2018

Alle Rechte vorbehalten

Konzept Design

Gottschalk+Ash Int’l

Umschlaggestaltung

Julia Borgwardt, borgwardt design

unter Verwendung eines Fotos von

© Demi Chen

Satz

Publikations Atelier, Dreieich

Erste Auflage 2018

imageISBN 978-3-86337-145-6

weissbooks.com

Zwischen den Büchern
Wie mich die Liebe in
der Buchhandlung traf
Lauter wahre
Geschichten

Herausgegeben von
Martina Bollinger und Rainer Weiss

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Zwischen den Büchern

Für Matthias
Für Elvira

Inhalt

Vorwort

Titus Müller

Im Literaturhaus die Frau fürs Leben finden

Artur Becker

Honig im Herzen, Gurkenscheiben im Gesicht

Claudia Brendler

Lavendel

Sergio Bambaren

Eine Lektion in Sachen Liebe

Renatus Deckert

Und Gott war ein Buchhändler

Perikles Monioudis

Wannsee-Bootspartie

Urs Faes

Veilchen und ein Hauch von Bergamotte

Eva Baronsky

Orange

Petra Hartlieb

»Liebe Frau Hartlieb.
Es hat mich sehr gefreut …«

Lídia Jorge

Der Schneesturm

Franz Keller

Meine Marie A.
(die eigentlich Astrid hieß)

Jörg Thadeusz

Weißer Bademantel

Anthony McCarten

Zombie im Glück

Die Autoren

Die Herausgeber

Vorwort

Kennen Sie das?

Erinnern Sie sich?

Oder wollen Sie es einmal wieder spüren?

Dieses Flimmern im Körper, diese Schmetterlinge im Bauch, diesen herrlichen Adrenalinrausch, den Sie in allen Fasern des Körpers spüren? Diese Beschwingtheit, die einen leicht sein und schweben lässt? Ja, dann wissen Sie, was es heißt, frisch verliebt zu sein (obwohl Sie »den Richtigen« oder »die Richtige« schon gefunden haben) oder, noch besser, Sie sind es gerade!

Die Erinnerung an diese – oft so schwer zu beschreibenden – Gefühle und eine Begegnung mit einem Schriftsteller gaben mir den Anstoß, endlich das Buch zu machen, über das ich schon lange nachgedacht hatte: über die Liebe zwischen Büchern.

Es ist Jahre her, da hatte ich eine wunderbare Liebesgeschichte gehört, die in einer Buchhandlung begann. Sie war so ergreifend, dass ich von diesem Zeitpunkt an ein ganz besonders aufmerksames Ohr für solcherlei entzückende Kennenlerngeschichten entwickelte.

Im November vergangenen Jahres war dann Titus Müller zu Gast in meiner Buchhandlung. Wer ihn kennt, weiß, dass er ein überaus charmanter Mann ist, höflich, freundlich, zuvorkommend, liebenswürdig, man könnte sagen: ein Schatz. Ich selbst war frisch verliebt und hätte am liebsten nur von meiner neuen Liebe erzählt, aber es war alles noch so ungewohnt, dass ich zunächst viel zu schüchtern war, ihm davon zu erzählen. (Ich wusste übrigens nicht, dass ich – nach einer ziemlichen langen Ehe – überhaupt noch zu derlei irritierend schönen Gefühlen fähig war. Dass es den Blitzschlag tatsächlich gibt, der einen treffen kann, in Gestalt von Amors Pfeil.)

Am Ende hielt ich es natürlich doch nicht aus, und habe Titus Müller an jenem grauen Novemberabend alles erzählt. Und der hat wiederum mir seine total romantische Geschichte erzählt. Wie es bei ihm war, als ihn der Blitz traf, und was aus seiner wunderbaren Begegnung zwischen Büchern geworden war. Was ich hörte, verzückte mich –und ich beschloss, aus seiner und anderen vergleichbaren Erfahrungen ein Buch zu machen.

Titus war sofort Feuer und Flamme und unterstützte mein Vorhaben. Ich bat ihn, seine Geschichte aufzuschreiben, sie sollte die erste in meiner Sammlung werden. Nach einer Woche lag sie auf dem Tisch, und gleich war das Licht in meiner Buchhandlung ein wenig heller, die Stimmung noch besser als sonst. Dann rief ich bei weissbooks.w an, wo sich sofort eine Tür öffnete. Die Verlegerin sprach mit Rainer Weiss, der mir, ebenfalls sofort, seine Unterstützung als Co-Herausgeber anbot.

Bis jetzt war jeder, dem ich von meiner Idee »Zwischen den Büchern« erzählt habe, begeistert. Man glaubt ja gar nicht, wie viele Menschen sich in Buchhandlungen oder Literaturhäusern und an anderen Orten des Lesens kennen- und lieben gelernt haben. In keinem Internet-Forum macht es vermutlich so viel Spaß, einander offen und neugierig zu begegnen, wie in einer Buchhandlung. In keinem, sage ich, in keinem …

Rainer Weiss und ich wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre!

Martina Bollinger

Wenn Sie selbst auch eine solche Geschichte zu erzählen haben, die mit, unter, über oder zwischen Büchern begann – schreiben Sie sie mir! Sie wissen, ich sammle … buch@liebe-zwischen-buechern.de

Titus Müller

Im Literaturhaus die Frau fürs Leben finden

Bin ich schüchtern? Ich bin’s nicht, wenn ich auf einer Bühne stehe und über eines meiner Bücher erzähle. Aber ich bin’s immer gewesen, wenn ich mich verliebt hatte. In solchen Situationen wusste ich nie, was ich sagen und wie ich meine Gefühle ausdrücken sollte. So kommt es, dass ich überhaupt zu schreiben begonnen habe: Ich war unglücklich verliebt und wusste nicht, wohin mit mir. Also schrieb ich Gedichte. Nach zehn Jahren Übung – inzwischen war ich zu Romanen übergegangen – brachte es mir die Traumfrau ein.

Ich bin zu einer Lesung im Literaturhaus München eingeladen. Es ist der 12. September 2007. Ich betrete den Saal mit seinen beeindruckenden weißen Bücherregalen. Die Musikerinnen sind schon da und scherzen, vor allem eine fällt mir ins Auge, auch ihr Lachen besticht, es ist so unbeschwert. Wir sprechen über den Ablauf. Bald sind alle Plätze im Saal besetzt. Die vier Musikerinnen gehen mit mir auf die Bühne, mein Lektor Gunnar Cynybulk hält eine kleine Einführung, und dann wechseln die Musikerinnen und ich uns ab, ich lese eine Passage, sie spielen ein Stück. Immer wieder sehe ich zu der einen jungen Frau hinüber. Sie scheint nicht aufgeregt zu sein, sie singt, spielt Blockflöte und Percussion-Instrumente.

Gut fünfundsechzig Leute sehen dabei zu, wie ich mich verliebe. Darunter mein Lektor und einige Autorenkollegen, die gekommen sind. Ich bemühe mich, den Kopf nicht so oft zu ihr hinzuwenden, wie ich es gern täte. Nach der Lesung signiere ich Bücher und prüfe immer wieder, ob sie noch im Raum ist. Wir haben einen intensiven Blickwechsel (den sie bis heute bestreitet). Ich hätte die Gelegenheit, mit ihr zu reden. Aber was soll ich sagen?

Schließlich ist sie fort, und ich habe nicht einmal ihren Namen erfahren. Aufgewühlt gehe ich mit dem Lektor und den Kollegen hinunter in die Brasserie OskarMaria und wir essen eine Kleinigkeit. Dann bringt Gunnar mich zum Hotel, wir spazieren durch die nächtliche Stadt München, reden über das nächste Manuskript. Ich erwähne mit keiner Silbe, welcher Aufruhr in mir herrscht.

Im Hotelzimmer nehme ich mir vor, jetzt drei Tage zu warten und zu sehen, ob sich der Sturm legt. Ich fahre am Morgen nach Hause, packe den Koffer aus. Ich gehe einkaufen, koche, schreibe am neuen Roman. Aber ich kann die junge Frau nicht vergessen.

Eine Professorin der Münchner Musikhochschule hat die Musik zur Lesung arrangiert. Ich schreibe ihr, dass ich mit der einen, die links stand bei den Musikerinnen, gern Kontakt aufnehmen würde.

Ihre Antwort fällt knapp und kühl aus. Sie werde beim nächsten Unterricht nachfragen. Einverstanden ist sie nicht, das merke ich. Später erfahre ich, was sie ihrer Studentin gesagt hat: »Tu das nicht. Der hat in jeder Stadt eine.«

Offenbar habe ich auf der Bühne souveräner gewirkt, als ich bin.

Zum Glück hat die Studentin in den vergangenen Tagen auch immer wieder mein Foto auf dem Buchrücken betrachtet und wehmütig gedacht: Den sehe ich nie wieder. »Doch, er soll mir schreiben«, erwidert sie.

Endlich erfahre ich ihren Namen. Sie heißt Lena. Von nun an finde ich keinen Namen auf der Welt schöner als diesen. Leider lebe ich fünfhundert Kilometer von München entfernt. Wir schreiben uns Mails, verabreden uns. Unser erstes Date: im Literaturhaus in Nürnberg. Lena ist mit einer Exkursion der Musikstudenten in der Stadt, und ich wegen einer Lesereise in der Nähe. Sie trinkt einen Orangensaft, ich einen Cappuccino, und wir reden nicht über Bücher.

Nach anderthalb Stunden bringt sie mich zum Bahnhof. Wir verabschieden uns, ohne den anderen in unsere Karten sehen zu lassen, wir bleiben höflich und verbindlich. Ich nehme mir vor, sie nicht zu bedrängen. Der Vorsatz hält ungefähr eine Stunde. Dann schreibe ich ihr noch vom Zug aus eine SMS, dass ich sie gern wiedersehen würde.

Eine Woche später fahre ich nach München. Das Hotelzimmer kostet so viel wie ein gebrauchtes Auto, und in der Stadt tragen die Menschen Lederhosen oder Dirndl. Ich denke im Stillen, dass sie ein bisschen spinnen hier, und fühle mich reichlich fremd. Das Oktoberfest hatte ich nicht auf dem Schirm.

Wir treffen uns am Gasteig, Lena warnt mich vor dem strengen Pförtner und erklärt, sie würde zuerst reingehen, und ich müsse nach drei Minuten nachkommen und möglichst unbeeindruckt gucken, als wäre ich Musikstudent. Am Fahrstuhl würde sie auf mich warten.

Der Pförtner mustert mich, aber lässt mich durch. Im Obergeschoss setzen Lena und ich uns in einen Übungsraum und spielen zweihändig Klavier. Manchmal berühren sich unsere Hände dabei, was ich genossen hätte, wenn ich nicht so aufgeregt gewesen wäre. Im Nebenzimmer übt Lenas Freundin Debussy. Den mochte ich schon immer.

Lena ist im letzten Studienjahr, und sie hat bereits Schüler hier. Ich hingegen kann überall arbeiten. Ich ziehe ihretwegen nach München. Bis heute besitze ich keine Lederhose. Aber Lena und ich haben geheiratet, und wir haben zwei wundervolle, wilde Jungs. Sie sind musikalisch und lieben Bücher.

Dem Schreiben und dem Literaturhaus verdanke ich die Frau fürs Leben. Den ersten Hochzeitstag haben wir natürlich dort gefeiert, in der Brasserie OskarMaria.

Artur Becker

Honig im Herzen, Gurkenscheiben im Gesicht

Seit seiner Rückkehr aus Kanada nach Polen waren schon sechs Monate vergangen, und trotzdem hatte Czesław Modrzejewski immer noch den Eindruck, seine Landsleute würden ihn am liebsten im Gehlandsee ertränken: den reichen Kanadier, der alles besser weiß, wie die Menschen aus seiner Gegend verärgert posaunten. Deshalb musste er staunen, als am frühen Morgen die junge Buchhändlerin aus Olsztyn, die ihn neulich in ihrem Buchladen ruppig – wie einen stadtbekannten Straßendieb und Halbstarken – behandelt hatte, das Gelände des von ihm vor wenigen Wochen ersteigerten Erholungszentrums am Gehlandsee betrat: in einem luftigen, aufreizend geschnittenen, zum heißen Juliwetter passenden Sommerkleid und mit einem dänischen Bauernhund an der Leine, einem Dansk-Svensk Gårdshund, der vor einem Fremden keine Angst zu haben schien und sich übertrieben über die Begegnung mit ihm freute; außerdem hatte die Frau eine geräumige und vollgepackte Handtasche dabei, die sie in der Hand trug wie eine Einkaufstüte, und ihre schlanken Füße steckten in Sommersandalen, die schick und nicht klobig waren.

Warum kreuzt diese Frau hier plötzlich auf?, fragte er sich.

Auf seine Verwunderung über die unerwartete Besucherin folgte ein kurzer stechender Schmerz unter seinem Schädel, als hätte er wieder zwei Nächte lang mit dem Rettungsschwimmer Tymek, seinem einzigen Mitarbeiter, gezecht. Czesławs Augenlider zuckten für wenige Sekunden, sein Kinn sackte ein wenig nach unten, und dann fiel ihm auch noch der Pinsel aus der Hand, mit dem er gerade das aufgebockte Tretboot lackierte – das Wetter war endlich dazu geeignet, er wollte das ganze alte Schwimmgerät des Erholungszentrums endlich auf Vordermann bringen. Aber dass sich die widerspenstige Buchhändlerin aus Olsztyn eines Tages auf den Weg in die Wildnis des Gehlandsees machen würde, um ihn zu treffen, war eigentlich genauso unwahrscheinlich wie ein plötzliches Auftauchen von Marilyn Monroe.

Vor drei Tagen erst hatte er bei der jungen Frau ein Buch bestellt, sie musste es ihm nicht persönlich bringen, er wollte es doch zum Ende der Woche abholen, wie er es ihr auch im Buchladen gesagt hatte.

Czesław, der schon seit mindestens einer halben Stunde auf Knien hockend das Ruderboot lackierte, richtete sich etwas schwerfällig auf, um die Frau zu begrüßen – er war dankbar für die Zwangspause, seine Muskeln und Knochen versagten ihm langsam den Dienst, er war mit seinen fünfzig Jahren nicht mehr der junge Hecht, der im Sozialismus das Erholungszentrum geleitet, die betrunkenen Männer geprügelt und ihre Ehefrauen auf sein schwedisches Motorboot zu einem Ausflug in der Sonne eingeladen hatte.

Die Buchhändlerin und ihr Hund trotteten ihm im entspannten, für Sommerfrischler typischen Tempo entgegen, und er rief der jungen Frau zu: »Das ist ja eine Überraschung! Woher wissen Sie, wo ich wohne?«