Deutsche Erstausgabe (ePub) August 2018
Für die Originalausgabe:
© 2016 by Ava Drake
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Seven-Card Stud«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2018 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Lektorat: Susanne Scholze
ISBN-13: 978-3-95823-717-9
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Laura Werneburg
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Klappentext:
Für den britischen Geheimagenten Colin Callahan ist es nur eine weitere Mission – bis er bei einem hochdotierten – und höchst illegalen – Pokerturnier auf das Mathegenie Oliver Elliot trifft. Es knistert sofort zwischen ihnen, doch Ablenkung im Job? Keine gute Idee, vor allem nicht, wenn Spieler des Turniers ermordet werden. Colin und Oliver müssen jedoch nicht nur einen Mörder finden, bevor es zu spät ist. Sie suchen auch nach einem gemeinsamen Weg aus dem gewagtesten Spiel ihres Lebens – der Liebe.
Collin Callahan betrat die Veranda auf der Strandseite des Hauses und wandte sein Gesicht den warmen Sonnenstrahlen zu. Südeuropa war eine wohltuende Erleichterung nach seinem Aufenthalt in England, das zu dieser Jahreszeit grau und trist war. Herrgott, er war für mehr als nur eine Veränderung des Wetters bereit.
Das Mittelmeer peitschte gegen die Uferbefestigung, die gleichzeitig das Fundament der Veranda begrenzte. Gestern Abend hatte es sintflutartig geregnet und das Wetter war auch heute noch stürmisch. Vor Gibraltars El Rocca Resort befand sich ein geschwungener, künstlich angelegter Strand mit hellem, goldenem Sand. Dort schienen die Wellen sanfter zu sein. Aber hier verlief der Übergang vom Gestein der Uferbegrenzung zum Meer abrupt.
Er entdeckte einen Schwimmer, der sich ein Stück vom Ufer entfernt im unruhigen Wasser von rechts nach links bewegte. Sein blondes Haar hob sich hell vom schwarzen Wasser ab. Der Mann trug einen neongelben Neoprenanzug und seine Schwimmbewegungen waren steif, aber gleichmäßig. Ein ausdauernder Schwimmer. Gott, das Wasser musste eiskalt sein. Welcher Bekloppte wollte darin schwimmen?
Aus der entgegengesetzten Richtung hörte er das Rauschen eines Jetskis, der mit hoher Geschwindigkeit den Jachthafen von El Rocca am anderen Ende des weitläufigen Strandes verließ. Der Fahrer trug einen schwarzen Neoprenanzug und eine Schutzbrille. Und sein Gefährt steuerte direkt auf den Schwimmer zu.
Collin eilte erschrocken zum Rand der Veranda und winkte mit den Armen, versuchte, die Aufmerksamkeit des Jetskifahrers zu erregen, aber er hatte keinen Erfolg. Der Typ schien es nicht zu bemerken. Tatsächlich, während Collin entsetzt zusah, veränderte der Bastard leicht seinen Kurs und hielt noch gezielter auf den Schwimmer zu.
In der Hoffnung, dass der Schwimmer die Warnung hörte, schrie Collin sinnlos, aber der Kerl behielt seinen Kopf in seiner Kraulbewegung unten und pflügte weiter, ohne zu ahnen, dass er gleich sterben würde. Die Lücke zwischen dem Jetski und dem Schwimmer verkleinerte sich im Nu. Verdammt. Der Jetski flog geradezu.
Er wollte das nicht mit ansehen, aber er konnte sich nicht von der sich anbahnenden Katastrophe abwenden. In der allerletzten Sekunde hob der Schwimmer den Kopf und winkte dann verzweifelt mit den Armen, aber es war zu spät für den armen Kerl, auch nur irgendetwas zu tun, um sich zu retten. Der Jetski raste über ihn hinweg. Und der Bastard fuhr einfach weiter.
Mit Sicherheit hatte der Fahrer den Schwimmer auf den letzten Metern gesehen, als der Typ direkt vor ihm aufgetaucht war und mit den Armen gewedelt hatte. Und doch war er nicht ausgewichen, hatte den Motor nicht gedrosselt oder gar einen Versuch unternommen zu wenden. Verdammter Mistkerl!
Collin starrte auf die Stelle, wo der Schwimmer zuletzt gewesen war, und murmelte: »Komm schon. Auftauchen, Kumpel! Komm hoch und lass mich sehen, dass es dir gut geht. Sei am Leben, verdammt!«
Aber egal, wie sehr er den Schwimmer anbettelte, von dem Kerl war nichts zu sehen. Die Sekunden verstrichen, während sich Panik in seinem Bauch ausbreitete. Er konnte nicht länger warten. Er trat seine Schuhe von den Füßen und zog Jacke und Pullover aus. Nur mit Hose und Shirt bekleidet kletterte er über das Geländer und tauchte ins Wasser.
Die Kälte versetzte ihn in einen Zustand der Bewegungsunfähigkeit, aber die Flugkurve seines Sprungs war flach gewesen und er bewegte sich wieder nach oben, durchbrach die Wasseroberfläche und keuchte. Er nahm die Ecke der Veranda als Anhaltspunkt und schwamm auf die Stelle zu, an der er den Schwimmer zuletzt gesehen hatte.
Er war nie in seiner Kleidung geschwommen, die seine Glieder beschwerte, oder in Wasser, das ihn in einen menschlichen Eiswürfel verwandelte, seine Finger betäubte und seine Zähne unkontrolliert klappern ließ. Aber er machte entschlossen weiter. Der Schwimmer würde sterben, wenn er den Kerl nicht schleunigst fand.
Er war der Einzige, der den Zusammenstoß gesehen hatte, der Einzige, der wusste, wo der Schwimmer untergegangen war, der Einzige, der eine Chance hatte, den Kerl zu retten.
Es brauchte eine Mir wird nie wieder warm werden-Ewigkeit, um an die Stelle zu gelangen, von der er glaubte, dass der Unfall dort passiert war. Er strampelte im Wasser und drehte sich auf der Suche nach einem Körper im Kreis. Zum Teufel, er würde sich mit einer Blutspur zufriedengeben. Nichts.
Verdammt! Er holte tief Luft und tauchte unter. Die Sicht war grottenschlecht und das eiskalte Salzwasser brannte in seinen Augen, doch er blieb unermüdlich unten, suchte weiter, bis sich seine Lunge anfühlte, als würde sie platzen. Er kam wieder an die Oberfläche, atmete ein paarmal tief durch, keuchte und tauchte erneut unter. Das Wasser war tiefer, als er erwartet hatte, und in einer Tiefe von ungefähr viereinhalb Metern, worauf ihn der schmerzhafte Druck in seinen Ohren hinwies, wurde es zu dunkel, als dass er noch irgendetwas erkennen konnte.
Wenn der Schwimmer bereits jeglichen Auftrieb verloren hatte und auf den Grund abgesunken war, war der Mann verloren. Er musste seine Suche auf etwa dreieinhalb Meter Tiefe beschränken, aber das Suchgebiet ausweiten.
Collin ging die Luft aus, seine Lunge schrie nach Sauerstoff. Er schwamm zur Oberfläche, durchbrach sie im letzten Moment, bevor sein Brustkorb platzte. Er atmete schnell ein paarmal durch, dann tauchte er ein drittes Mal ab.
Dieses Mal konnte er nicht lange unten bleiben, aber er schwamm in einem weiten Kreis um den Unfallort. Keine Spur des Schwimmers. Verflucht!
Als er wieder auftauchte, achtete er genau auf die Strömung und versuchte auszumachen, in welche Richtung der Körper des Mannes abgetrieben worden sein könnte. Die Zeit für den Schwimmer lief ab. Er musste den Kerl finden, und zwar bald, oder ein Wiederbelebungsversuch würde nichts mehr nützen.
Er tauchte noch einmal und richtete sich nach der Strömung, sein Körper wurde träge von der Kälte und dem Sauerstoffmangel. Aber das Leben eines Mannes hing von ihm ab. Mit verbissener Entschlossenheit überwand er den Schmerz.
Die Verzweiflung lastete schwer auf seiner Seele, und er stieg erneut zur Oberfläche auf, als ihn etwas Großes von oben traf. Er ruckte zurück, weil er die Rückkehr des Jetskis fürchtete. Das Ding knallte in ihn hinein und presste den letzten Rest Sauerstoff aus seiner Brust. Etwas umklammerte seinen linken Arm wie ein Schraubstock.
Verdammt. Gab es hier draußen Haie? Angst um sein eigenes Überleben rauschte durch ihn. Er schlug mit der freien Faust auf den angreifenden Fisch ein, krümmte und wand sich, um sich aus seinem Griff zu befreien.
Das Biest schloss die Lücke, zog ihn hoch und durchbrach die Wasseroberfläche. Er saugte die dringend benötigte Luft ein. Er schaffte einen weiteren Atemzug, bevor das Tier versuchte, ihn auf den Rücken zu drehen. Die Muskeln hatte er für den Moment mit Sauerstoff versorgt und kämpfte härter, um zu entkommen. Er musste sich befreien, bevor er zu stark verletzt wurde. Bevor er verblutete.
»Mensch, hör schon auf zu kämpfen!«, beschwerte sich eine Stimme hinter ihm.
Es dauerte einen Moment, bis er registrierte, dass ein Mensch die Worte gesagt hatte, kein Weißer Hai.
Er griff nach dem, was um seinen Hals lag und ihn würgte, und er begriff, dass das ein Arm war. Kein Kiefer voller Zähne. Und dass das, was sich von hinten auf eine Art und Weise an ihn schmiegte, die unter allen anderen Umständen höllisch aufreizend gewesen wäre, ein großer, warmer, harter Körper war.
»Lass mich los!« Seine Stimme kratzte vom Salzwasser und der verdammte Arm erwürgte ihn beinahe.
»Du brauchst Hilfe, um dich über Wasser zu halten. Ich hab dich.«
»Ein Schwimmer wurde von einem Jetski getroffen, du Idiot. Ich bin hier draußen, um ihn zu retten!«
»Du ertrinkst, Alter.«
»Ich habe getaucht. Mit Absicht. Lass mich los und hilf mir, den Typ zu finden, bevor er stirbt!«
»Ich bin der Typ, den das Arschloch fast überfahren hätte.«
Collins ohnehin schon träger Verstand versagte. »Er hat den Schwimmer erwischt. Ich habe es gesehen. Der Typ ist untergegangen.«
Der Arm um seinen Hals lockerte sich endlich genug, dass sich Collin aus eigener Kraft losreißen und Wasser treten konnte. Er drehte sich um und sah sich einem blonden, braun gebrannten Mann gegenüber, der hinter ihm locker auf dem Wasser trieb.
Der Blonde sagte: »Der Jetski hat mich fast erwischt. Ich bin getaucht und ihm in letzter Sekunde ausgewichen.«
»Aber du bist nicht mehr aufgetaucht. Ich habe mindestens eine Minute lang gewartet.«
»Mann, ich bin Surfer. Ich kann die Luft locker drei Minuten lang anhalten. Ich bin unten geblieben und von der Stelle, wo er mich getroffen hat, weggeschwommen, für den Fall, dass er umgedreht hätte, um nach mir zu sehen und mich versehentlich ein zweites Mal getroffen hätte.«
»Aber–« Collin verstummte, ihm fehlten die Worte. Sein Gehirn funktionierte kaum, solange das Meer ihn in seinen eiskalten Fängen hielt. »Also geht es dir gut?«
»Mir geht's großartig. Du siehst allerdings beschissen aus. Deine Lippen sind blau und deine Arme sind wie Nudeln.«
Wenn der Schwimmer damit meinte, dass Collins Arme schwächer wurden und sich langsam wie gekochte Nudeln anfühlten, hatte der Kerl völlig recht, verdammt.
Der Schwimmer fügte hilfreich hinzu: »Das Wasser ist zu kalt, um hier draußen ohne Neoprenanzug zu planschen.«
»Mach. Keine. Verdammten. Witze«, presste er zwischen dem Klappern seiner Zähne hervor. »Ich habe versucht... dein Leben… zu retten.«
»Wenn wir dich nicht schnellstens an Land bringen, werde ich deins retten müssen. Komm schon. Ich schlepp dich ab.«
»Ich kann... selbst... schwimmen.« Auch wenn die Art und Weise, wie seine Arme und Beine plötzlich die Kooperation verweigerten, ihn vermuten ließ, dass er die Realität falsch einschätzte.
Der Blonde begleitete ihn zum Strand, schwamm locker an seiner Seite, während er selbst wie ein nasser Hund paddelte. Um sich von dem kalten Elend abzulenken, fragte Collin: »Wie hast du... mich unter Wasser... gefunden?«
»War ganz leicht. Ich trage eine Schwimmbrille. Die Sicht ist hier nicht schlecht. Ich habe gesehen, wie du aufgetaucht und dann wieder untergegangen bist. Für jedermann hat es so ausgesehen, als würdest du ertrinken, also bin ich gekommen und habe dich geholt.«
»Ich habe getaucht.«
»Ja, habe ich verstanden. Sag mal, hast du gesehen, wo der Jetski hergekommen ist?«
Zwischen matten Schwimmbewegungen seiner Arme in einem modifizierten Brustschwimmstil, mit dem er seinen Kopf über Wasser hielt, keuchte er: »Jachthafen. Kam rausgeschossen.«
»Interessant. Hast du gesehen, wo im Jachthafen er herkam?«
»Nein.«
»Schade.«
Etwas in der Stimme des Schwimmers klang nach mehr als reiner Neugier. Collin bemühte sich, zu verstehen, warum das wichtig war, aber sein Verstand wollte im Moment keine komplexe logische Analyse durchführen.
»Es war Wahnsinn von dir, mir ins Mittelmeer hinterherzuspringen. Das ist dir schon klar?«
»Mann. Danke.«
»Nein, wirklich. Das Wasser ist eiskalt um diese Jahreszeit.«
»Das habe ich gemerkt«, sagte Collin.
»Verspürst du einen Todeswunsch oder so etwas in der Art?«
Eher einen Heldenkomplex, aber das ging diesen Kerl nichts an. »Warum... bist du... da draußen geschwommen... Wenn es doch so kalt ist?«
»Weil ich einen Neoprenanzug trage und die Temperatur des Wassers mich nicht umbringt.«
Seine Verärgerung wärmte Collin genug, um damit herauszuplatzen: »Wenn ich gewusst hätte, dass es so kalt ist, hätte ich dich ertrinken lassen.« Seine Zähne fingen wieder an zu klappern und er endete lahm: »So. Fühlst du... dich jetzt... besser?«
»Du lügst«, stellte der Schwimmer fest. »Du wärst trotzdem reingesprungen.«
»Woher willst du das wissen?«, rief Collin.
»Du bist ein furchtbarer Lügner. Selbst wenn du halb erfroren bist, kann man es dir am Gesicht ansehen. Ich hoffe jedenfalls, du bist nicht hier, um am Pokerturnier teilzunehmen, denn die anderen Spieler werden dich bei lebendigem Leib zerfleischen, so schlecht wie du bluffst.« Er starrte den Schwimmer bestürzt an. Natürlich hatte er in den Pokerhandbüchern, die er in den letzten zwei Wochen verzweifelt studiert hatte, darüber gelesen, wie wichtig es war, seine Mimik zu kontrollieren, um nicht preiszugeben, ob man bluffte oder gute Karten hatte. In den Büchern stand, dass erfahrene Pokerspieler Meister darin waren, Gesichtszüge zu lesen, aber er hatte bis zu diesem Moment keine Ahnung, wie meisterhaft sie waren.
Wenn er nicht schon vorher bis auf die Knochen durchgefroren gewesen wäre, dann war er es spätestens jetzt.
»Brauchst du Hilfe, Skippy?«, fragte der Schwimmer. »Es macht mir nichts aus, dich zu ziehen. Du siehst total erledigt aus.«
Der Schwimmer mochte recht haben. Aber er sollte sich verdammt noch mal nicht von dem Mann retten lassen, den er retten wollte und wegen dem er ins Wasser gesprungen war. Er besaß schließlich noch etwas Stolz.
Es dauerte wesentlich länger, wieder ans Ufer zu gelangen, als zur Unfallstelle. Aber der Schwimmer blieb geduldig bei ihm, während er sich abmühte, das Ufer zu erreichen. Ob er es ohne die Motivation von Wut und Stolz allein zurückgeschafft hätte, würde er nie erfahren. Unter den gegebenen Umständen war er zutiefst verärgert, dass er dem Schwimmer zu Dankbarkeit verpflichtet war. Sein One-Night-Stand hatte ihn undankbar genannt, nachdem sie sich vor zwei Monaten zum ersten und letzten Mal getroffen hatten. Verdammt, vielleicht hatte der Kerl recht. Vielleicht wusste er nicht, wie man seine Verletzlichkeit zeigte.
Als seine Füße den Sandboden berührten, hätte Collin sicher erhebliche Probleme gehabt, seinen eigenen Namen zu buchstabieren. Er taumelte durch die hüfthohe Brandung, die mehr einem Wiegen des Wassers glich, als dass echte Wellen heranrollten. Aber es genügte, um ihn von den Füßen zu reißen.
»Ganz ruhig, Alter. Ich hab dich.«
Der Schwimmer, den er hatte retten wollen, schlang ihm einen kräftigen Arm um die Taille und half ihm die letzten Meter an Land. Es ärgerte ihn, das zuzulassen, aber er hatte nicht die Kraft, den Kerl abzuwehren.
Wenn Collin sich selbst überlassen wäre, wäre er auf dem Sand zusammengebrochen, um sich auszuruhen und zu Atem zu kommen. Aber der Schwimmer wollte davon nichts wissen.
»Du bist höllisch unterkühlt. Wir müssen dich reinbringen und aufwärmen. Keine Pause für dich. Hopp, hopp, Engländer.«
»Hopp, hopp?«, wiederholte er trocken.
»Hey. Was auch immer funktioniert. Ein Fuß nach dem anderen.«
»Meine Jacke. Pullover. Schuhe. Da entlang«, murmelte er und deutete auf die Veranda zu ihrer Linken.
»Mein Zimmer. Heiße Dusche. Hier entlang«, erwiderte der Schwimmer. »Komm schon.«
Mit diesem unglaublich starken Arm, der ihn nachdrücklich mit sich zerrte, blieb Collin kaum etwas anderes übrig. Sein ganzer Körper war ausgelaugt und verkrampft von der Kälte, sodass er sich kaum bewegen konnte. Der Typ schleppte ihn durch die Lobby des Resorts und schob ihn in einen Aufzug. Ob die anderen Gäste ihn bemerkten oder sich für seinen halb ertrunkenen Zustand interessierten, konnte er nicht sagen und es war ihm egal. Eine warme Dusche klang im Moment besser als alles andere.
Er konnte momentan nicht sagen, wo sein Zimmerschlüssel war oder wie seine eigene Zimmernummer lautete. Er war sich nur vage bewusst, dass er ein unbekanntes Stockwerk des Resorts betrat und einen langen Flur hinunter in einen fremden Raum gescheucht wurde.
»Kannst du dich allein ausziehen und duschen, oder brauchst du Hilfe?«, fragte der Schwimmer.
»Ich schaffe das schon«, murmelte Collin. Er schlurfte in das Badezimmer des Kerls und ihm gelang, den Wasserhahn aufzudrehen, aber die Knöpfe an seinem Hemd machten ihn fast fertig. Er könnte die letzten paar von ihnen abgerissen haben, er war sich nicht sicher. Aber irgendwann wurde er das verdammte Hemd los und schälte sich aus seiner durchnässten Wollhose.
Er trat unter die Dusche.
Zu heiß. Zu heiß!
Er drehte die Dusche kälter, bis seine ausgekühlte Haut die Temperatur aushalten konnte, und stellte nach und nach das Wasser wärmer, bis sein Körper die Hitze ertragen konnte. Davon überzeugt, dass er sich nie wieder warm fühlen würde, drehte er das Wasser immer heißer, bis Dampf die Dusche füllte. Das Wasser floss über seinen Kopf und trommelte ihm auf den Nacken und die Schultern, löste die schreckliche Anspannung, die ihm nicht bewusst gewesen war. Die Panik, den Schwimmer untergehen zu sehen und zu glauben, dass er angegriffen wurde und sterben würde, verschwand unter dem tosenden Wasser.
Nach einiger Zeit fühlte er sich zumindest wieder halbwegs menschlich. Die normale Gehirnfunktion war wieder aktiviert. Er fühlte sich völlig durchgeweicht, aber ziemlich nah an der Körpertemperatur, die er haben sollte. Er kletterte aus der Dusche, trocknete sich ab und schaute bestürzt auf seine nasse, ruinierte Kleidung, die auf einem Haufen auf dem Boden lag. Auf keinen Fall konnte er das Zeug wieder anziehen.
Verärgert darüber, dass er schon wieder die Hilfe des Schwimmers brauchte, schlang sich Collin ein Handtuch um die Hüften und betrat das Hotelzimmer.
Sein Retter hatte den Neoprenanzug bis zur Taille hinuntergezogen und eine verlockende Linie aus hellbraunen Haaren enthüllt, die sich zu dieser beeindruckenden, mit Neopren bedeckten Wölbung hinunterzog, die Collin nicht übersehen konnte.
Der Schwimmer war schlaksig, aber er sah hart und fit aus, von Kopf bis, ähm, Schritt. Seine Schultern waren breit und knochig, aber als er sich bewegte, erkannte Collin, dass sie muskulöser waren, als einem im ersten Moment ins Auge fiel. Vielleicht war es die Größe des Mannes, die ihn trügerisch schlank aussehen ließ. Er musste eins achtzig groß sein. Plötzlich erinnerte sich Collin an das Gefühl, wie der harte Körper sich vom Hals bis zum Arsch im Wasser an ihn gedrückt hatte, als der Schwimmer irrtümlich gedacht hatte, dass er ertrinken würde.
Das blonde Haar war jetzt halbwegs trocken, zottelig und brauchte einen Schnitt. Der schmale Kiefer könnte auch eine Rasur vertragen. Der Typ war mindestens seit einigen Tagen nicht mehr in die Nähe eines Rasierapparates gekommen. Er sah aus wie einer der Gammler am Strand – zugegebenermaßen ein heißer, unter dem ungepflegten Äußeren, aber trotzdem ein Gammler. Doch diese Augen! Mutter Gottes, das war das hellste Blau, das Collin je gesehen hatte. Der Kerl entsprach absolut nicht Collins Geschmack, aber diese elektrisierenden, kobaltblauen Augen reichten beinahe aus, ihn dazu zu bringen, ein Abenteuer in Erwägung zu ziehen.
Collin räusperte sich unbehaglich und fragte: »Könnte ich mir vielleicht trockene Kleidung leihen, um auf mein Zimmer zu gehen und mich dort umzuziehen?«
Der Blick des Schwimmers, der in offensichtlicher Bewunderung über Collins handtuchbedeckten Körper gewandert war, löste sich widerstrebend, um seinem zu begegnen.
»Ja, klar. Such dir was aus meinen Schrank aus.« Der Schwimmer lächelte über seinen eigenen Witz, den Collin sonst vielleicht amüsant gefunden hätte, der aber jetzt wie Sandpapier in seinem Verstand rieb. Mein Gott. Fühlte er sich tatsächlich zu diesem Strandgammler hingezogen?
Der Amerikaner, vorausgesetzt sein gedehnter Akzent täuschte ihn nicht, war definitiv nicht sein Typ. Er bevorzugte elegante Liebhaber. Zivilisiert. Zurückhaltend. Sein One-Night-Stand mochte verrückt gewesen sein, aber am Anfang war er höflich gewesen.
Er stöberte selbst durch die Kleidung des Schwimmers, öffnete eine Schublade und fand eine Auswahl an T-Shirts und leichten Surfshorts. Geil, Alter. Nicht. Er verbarg seinen Widerwillen und suchte sich ein einigermaßen schlichtes T-Shirt in verblasstem Rosa aus, das für ein professionelles Surf-Event an der Banzai Pipeline warb, wo auch immer das war, und ein Paar Kakishorts.
Er zog sich ins Badezimmer zurück, um sein Handtuch fallen zu lassen und die Strandkleidung anzuziehen. Er wickelte seine nasse Kleidung in ein Handtuch und kam mit dem Bündel in der Hand wieder in das Zimmer zurück.
»Du siehst gut aus, Alter.«
Er blickte zu seinem Retter und antwortete trocken: »Danke.« Der Schwimmer, der jetzt vollständig aus dem Neoprenanzug gestiegen war, trug verblichene, zerrissene Jeans und ein schäbiges T-Shirt. Die Kleidung hing gerade locker genug herunter, um noch sexy zu wirken. Ein kräftiger Zug und die Hose würde hinunterrutschen und der Killerarsch wäre freigelegt. Zehn zu eins, dass der Kerl keine Unterwäsche trug...
»Wie heißt du, Engländer?«
»Collin Callahan. Und du?«
»Gun.«
»Wie in Big Gun?«, fragte er. »Top Gun? Going, going, Gun?«
Gun verdrehte die Augen. »Nee, Mann. Wie in Long Gun. Das ist ein Surfbrett für große Wellen, lang und schmal gebaut. Kommt von Elephant Gun, die sind auch lang und dünn und schaffen die großen Wellen.«
»Ich nehme mal an, du surfst?«
Gun lachte und ahmte Collins britischen Akzent nach, als er antwortete: »Ich nehme an, das tu ich.«
Er war beleidigt, aber hatte nicht vor, das zu zeigen, und so sagte Collin förmlich: »Danke für die Kleidung. Ich schicke sie in die Wäscherei und bringe sie dir morgen zurück.«
»Warum?«
»Warum was?«, wiederholte Collin verwirrt.
»Warum sollte sie gewaschen werden? Du bist gerade aus der Dusche gekommen und die Klamotten werden deine Haut höchstens zwei Minuten lang berühren. Und ich habe noch mehr Hemden und Shorts. Wenn du keine Läuse hast, bring sie einfach zurück, wenn du sie nicht mehr brauchst.«
»Äh, danke...« Collin hielt inne, um anzudeuten, dass er einen richtigen Namen brauchte, um den Satz zu vervollständigen.
»Gun.«
»Richtig. Gun.«
Was für ein Idiot. Wollte seinen richtigen Namen nicht verraten, nicht einmal, nachdem Collin an einem arschkalten Tag vollständig bekleidet ins Mittelmeer gesprungen war, um das Leben des besagten Idioten zu retten!
Er ärgerte sich so sehr wie schon seit langer Zeit nicht mehr und marschierte empört zu seinem eigenen Zimmer. Undankbar, arrogant, abscheulich... athletisch, heiß, fesselnd... Nein! Idiot. Das war sein letztes Wort dazu. Gun war definitiv ein Idiot.
Wie durch ein kleines Wunder befand sich Collins Zimmerschlüssel noch in der Tasche seiner nassen Hose. Er holte die Magnetkarte heraus, zog sie durch das Lesegerät und betrat sein Zimmer. Er ließ sein durchnässtes Hemd und seine patschnasse Hose auf den Boden des Badezimmers fallen, zog sofort und mit großem Widerwillen Guns Kleidung aus und schlüpfte dankbar in seine eigene, ordentlich gebügelte Wollhose und in ein frisch gestärktes Hemd. Als er seine übliche Rüstung wieder angelegt hatte, ging er auf die Veranda, um seinen Sportmantel, den Kaschmirpullover und die italienischen Slippers zu holen. Zum Glück waren sie noch da draußen, wo er sie auf einem Häufchen hatte liegen lassen.
Nun musste er nur noch Guns Hemd und Shorts zurückgeben, und diese unangenehme kleine Episode wäre beendet. Und der heiße Schwimmer konnte seine selbstgefällige Attitüde nehmen und sie sich sonst wo hinschieben.