Badisch-kriminelle Weihnacht

Johannes Paesler (Hrsg.)


ISBN: 978-3-95428-605-8
1. Auflage 2017
© 2017 Wellhöfer Verlag, Mannheim

Titelgestaltung: Uwe Schnieders, Fa. Pixelhall, Malsch
Die Erzählungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit wirklichen Personen oder tatsächlichen Ereignissen sind nicht beabsichtigt und somit rein zufällig.
Das vorliegende Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig.
info@wellhoefer-verlag.de
www.wellhoefer-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Und strolcht so finster durch die Stadt

Konstanz

Susanne Hartmann

 

Larissa schleppte ihre Einkäufe ins Wohnzimmer, Timos Salon. Festlich gedeckt erwartete sie der Esstisch. Aus dem Durchgang zur Küche, wo Moritz mit seinen Kochtöpfen hantierte, duftete es nach Fisch und Weißwein. Sie lächelte. Bald würde sie Zartwürziges, durchzogen von Feinsäuerlichem, schmecken. Sie wollten am vierten Adventssamstag ordentlich feiern, bevor sie an Heiligabend ihre Ursprungsfamilien heimsuchten. Bestimmt waren sie die einzige Single-WG in Konstanz, deren Bewohner an ihren Doktorarbeiten tüftelten und die ein ganzes Haus für sich hatte.

Timo stand strümpfig auf einem Stuhl und war dabei, eine Lichterkette um den Weihnachtsbaum zu legen. Der Ständer, ein uraltes Ding, wackelte ein bisschen, passte er nicht richtig auf.

Larissa frohlockte: »Von drauß vom Markte komm ich her. In Konstanz weihnachtet es gar sehr.«

»Siehst eher aus wie das Christkind.«

»Eine Schlaufe von deiner Beleuchtung hängt durch, fast bis zum Boden.«

»Oh je«, griente Timo.

Larissa stellte ihre Einkäufe ab und ließ sich auf das Sofa fallen. Durchs Fenster konnte sie diffuses Dunkelblau erkennen. Der Bodensee nebelte seit dem Morgen die ganze Stadt ein und schluckte die Abendbeleuchtung am Ufer.

Das Sofa war noch von Timos Großtante. Die hatte Timo Haus und Garten vererbt. Das Sofa war so ausgeleiert, dass die Armlehnen Falten schlugen. Wie Speckröllchen bedeckten sie die Ritzen.

»Hm«, überlegte Timo, die verschlungene Lichterkette betrachtend, »ich könnte eine Physikerin brauchen, die mir die Statik neu berechnet. Du hast doch so ein gutes Augenmaß.«

»Keine Zeit.« Larissa packte einen Modelllaster aus und testete die Fernsteuerung. Ihr Neffe würde sich wahnsinnig freuen. Der Kipplaster besaß Vierradantrieb. Sie jagte ihn über das Parkett, unter den Stuhlbeinen durch. Er umrundete den Weihnachtsbaum und fuhr rückwärts in die Lücke zwischen Baum und Sofa. Sirrend klappte die Kippe hoch.

Moritz, in Schürze, lugte aus dem Durchgang. »Aha«, sagte er zu Larissa, »mein Cognac ist da.«

Larissa ließ alles stehen und liegen und brachte ihm die Flasche. Aus der Küche riefen sie: »Timo, alter Gesell, komm und spute dich schnell.«

Timo folgte sofort. Flugs landeten Kretzerfilets, Kartoffeln und Salat auf der adventlichen Tafel.

Moritz Augen leuchteten. »Gleich schlagen wir zu.«

»Und schlemmen«, strahlte Larissa.

Nachher würden sie sich aufs Sofa fläzen. Dafür hatte es Timo extra in einem Schritt Abstand zum Tisch hingestellt.

Moritz musterte den Weihnachtsbaum. »Deine Lichterkette schleift fast am Boden.«

»Ich weiß.«

Es klingelte. »Erwartet Ihr heute noch Besuch?«, fragte Larissa.

Mit einem »Nö« stakste Moritz zurück in die Küche.

Timo stellte seine selbst gebackene Zwetschgenwähe auf den Tisch. »Wird doch nicht der Weihnachtsmann sein?«

Larissa ging zur Tür. Draußen stand ein Herr im Anzug. Seine Schläfen waren ergraut. Eine Seidenkrawatte hing verrutscht an seinem Hals. In seinem aschfahlen Gesicht saß seine Nase wie ein rosa Kartöffelchen. Das Tweed seiner Hose zeigte grünliche und schwärzliche Flecken an Knien und Aufschlägen. Er musste den halben Tag durchs Gelände gelaufen und dabei ab und zu am Boden gekrochen sein. Sein Aktenkoffer wies Schrammen auf.

»Kann ich Ihnen helfen?«

»Ich bedaure unendlich, zu stören. Ein Unfall hat mich ereilt. Meinem Handy ist das nicht bekommen. Ich müsste dringend zu Hause anrufen.«

»Sie sind doch nicht verletzt?«

Er verneinte und Larissa führte ihn herein. Timo und er wünschten sich gegenseitig guten Abend.

Der Mann schüttelte sich. »Huh, ist das ungemütlich draußen. Ich möchte mich entschuldigen für die Unannehmlichkeiten, die ich bereite.«

Moritz kam mit dem Weißwein aus der Küche. »Tag«, grüßte er.

»Eine Dame mit zwei Herren, welch berückende Konstellation«, stellte der Mann fest.

»Mit wem haben wir denn das außerordentliche Vergnügen?«, ahmte Larissa ihn nach.

»Wenn ich mich vorstellen darf: Dr. Peer-Niklas vom Wittenberge. Rechtsanwalt und Anlageberater.« Er warf Timo einen hastigen Blick zu. »Was finden Sie so komisch, junger Mann?«

Larissa gelang es, tiefernst zu erwidern: »Festliche Anlässe erheitern ihn stets.«

Vom Wittenberge schnupperte. Seine Miene nahm einen wehklagenden Ausdruck an. »Sind alle da?«, wollte er wissen.

Larissa stutzte. Das war aber jetzt kein Kasperletheater?

Timo klatschte in die Hände. »Jawohl.«

»Erwarten Sie heute noch jemanden?«

»Sind Sie vom Amt?«, entgegnete Larissa belustigt.

»Alle haben sich ordnungsgemäß abgemeldet«, erklärte Moritz. »Heute feiern wir unsere Dreisamkeit.«

»Sie beabsichtigen, in vollkommen ungestörtem Rahmen eine Feier zu veranstalten, wie ich annehme?«

»Genau, mein Herr.« Moritz konnte nur mühsam ein Grinsen unterdrücken. »Weder sind Telefonate anberaumt noch welche zu erwarten.«

Vom Wittenberge erzählte, er sei gegen einen Baum geprallt. Von Schwindel erfasst, habe er seinen Wagen verlassen, die Orientierung verloren, sei stundenlang in einem Waldstück, dann in ihm unbekannt erscheinenden Stadtteilen umhergeirrt. Nicht wissend, ob er sich in Wollmatingen, Fürstenberg oder Petershausen befunden habe. Versonnen stierte er auf den Tisch. »Ich hoffe, keine allzu großen Umstände zu machen. Könnte ich Ihr Telefon benutzen?«

Zögernd kramte Timo sein Smartphone hervor. Vom Wittenberge schnappte danach.

»Dürfte ich Ihre Toilette aufsuchen?«

»Gewiss«, hörte sich Larissa sagen. »Im Flur erste Tür links.«

Eilig verschwand er im Bad und entführte das Handy.

Die drei standen um den Tisch herum, das Essen auf den Warmhalteplatten, der Weißwein im Kühler. Das Aroma nach Kretzer und Lorbeer zog ihnen auffordernd in die Nasen. Sie rätselten, was sie von dem Mann halten sollten.

Timo werweißte: »Ob er grade mein gekidnapptes Handy im Klobecken versenkt?«

»Tja wenn einer vom Witzberg kommt, musst du auf so was gefasst sein«, meinte Moritz.

Larissa hatte es satt, aufs Essen zu warten. »Was treibt unser Nikolaus, oder vielmehr unser Knecht Ruprecht, nur so lang da?«

Moritz hingegen amüsierte die Szene: »Wir holen die Polizei, wenn dieser Wittenzwerg sich im Klo verbarrikadiert.«

Plötzlich stand der so Bezeichnete in der Tür. »Mein Name lautet Dr. Peer-Niklas vom Wittenberge«, sagte er finster.

Er griff in seine Jackentasche und zückte eine Pistole.

Larissa wich zurück. Ihre Kehle zog sich zusammen.

Moritz hob abwehrend die Hände.

Timos Stimme hörte sich rau an. »Hey Mann, was wollen Sie?«

Vom Wittenberge ließ sich das nicht zweimal fragen. Larissa und Moritz mussten sich aufs Sofa setzen. Timo durfte die Rollläden schließen. Dann befahl er ihm, die Gardinenkordeln herunterzureißen und seine Freunde zu fesseln, indem er eine Hand von Larissa und eine von Moritz aneinander band. Ihre Hände neben den Armlehnen, musste er, wie in Schlingen von Lassos, fixieren. Diese Kordeln auf Armeslänge belassend, zurrte er deren Enden an den vorderen Sofafüßen fest. Sodass sie aufrecht sitzen konnten und ihre Hände auf der Sitzfläche ruhten.

»Tut mir leid«, flüsterte Timo, strich Larissa übers Haar und drückte Moritz die Schulter.

»Genug geschmust«, blaffte vom Wittenberge und überprüfte, ob die Kordeln auch stramm saßen.

Er hieß Timo auf dem Stuhl Platz nehmen, der nahe am Weihnachtsbaum stand. Dort konnte er eine Doppelschlaufe in eine Kordel drehen, mit der ihm vom Wittenberge die Arme auf dem Rücken fesselte. Das Ende der Kordel verknotete er an einem der Stuhlbeine.

Moritz presste hervor: »Sie können unsere Kohle kriegen.«

Larissa hasste, wie weinerlich sie klang. »Das Auto steht vor dem Haus.«

»Später.«

Vom Wittenberge setzte sich. Er wedelte mit der Pistole. »Schreien Sie nicht. Bewegen Sie sich nur, insofern ihre Fesseln es erlauben. Andernfalls sehe ich mich gezwungen, weitere Maßnahmen einzuleiten.« Die Waffe platzierte er in Griffweite auf der Tischdecke.

»Sie können kaum ermessen, wie sehr es mir widerstrebt, Sie auf diese Weise disziplinieren zu müssen. Aufs Schmerzlichste haben Sie versäumt, Ihren Gast entsprechend allgemeingültiger Etikette zu behandeln. Seit Stunden laufe ich in Konstanz umher. Lediglich zum Frühstück habe ich etwas zu mir genommen.«

Er schenkte sich ein. »Trockener Weißburgunder aus Meersburg. Erstklassige Lage. Sie haben Geschmack.« Prüfend hielt er das Glas gegen das Licht, nahm einen Schluck und schlürfte.

Timo klappte den Mund einen Spalt auf. Larissa und Moritz sahen einander verblüfft an.

Vom Wittenberge hievte Salatblätter auf den Beilagenteller. Er hob den Deckel von der Schüssel: »Ah, was haben wir denn da? Und wie das duftet.«

Er legte sich ein Kretzerstück und Kartoffeln auf einen Teller und goss Sauce darüber. »Dieses zarte Weiß, dieses gesprenkelt Knusprige. Wunderbare Fischfilets. An welche Spezies erinnert mich das nur?«

Moritz bewegte die Lippen.

»Nein, verraten Sie nichts«, schmunzelte vom Wittenberge. »Lassen Sie mich tippen. Ist das Barsch?«

Moritz blickte verdattert von Larissa zu Timo.

»Nun?«, fragte vom Wittenberge und deutete auf seine Waffe.

Moritz stammelte, »Barsch, Barsch ist das, das ist Kretzer vom Bodensee.«

»Nicht etwa Egli?«

»So heißt das in der Schweiz. In Baden sagt man Kretzer dazu.«

Vom Wittenberge nickte einvernehmlich und schob sich einen Bissen in den Mund. Genüsslich zermalmte er ihn, während die drei ihn fassungslos angafften. Vom Wittenberge kippte das halbe Glas Weißburgunder hinunter. »Mm, ausgezeichnet mundet dieses Weinchen. Feinfruchtig, mit einer Nuance von Walnuss. Rundet exquisit die Fischfilets – pardon – die Kretzerfilets ab. Wie die auf der Zunge zergehen.«

Larissa blickte hilfesuchend um sich. Aber der Christbaum, die Möbel oder der Spielzeuglaster konnten sie nicht erlösen.

Timo legte einen Moment den Kopf in den Nacken und blinzelte zur Decke.

»Leider können Sie mir keine Gesellschaft beim Speisen selbst leisten. Sicher haben Sie hierfür Verständnis. Momentan befinde ich mich in einer akuten Zwangslage. Allerdings können wir etwas plaudern.«

Keiner erwiderte ein Wort.

»Nun?«, fragte er und hob kurz die Pistole, bevor er wieder nach dem Messer griff. »Wie wäre es mit einer Konversation zu Ihrer Lebenslage?«

»Meinen Sie unsere Fesseln?« Moritz machte wieder einen gefassten Eindruck.

Der Mann lachte: »Ja, ja, das Leben legt uns manche Fessel auf, nicht wahr? Nein, welche berufliche Laufbahn verfolgen Sie?«

Larissa berichtete ihm stockend von ihrer Dissertation. »Der Quantensprung im Fall seiner Parameter« regte vom Wittenberge an, von seinem eigenen Doktorat zu schwadronieren. Wie fabelhaft er sich bei seiner Promotion in Jurisprudenz geschlagen habe.

Timo musste ihm seine Arbeit in Sportwissenschaft erklären. »Schleuderkräfte in Wechselwirkung: Die akrobatische Körperbeherrschung« ließ vom Wittenberge andächtig lauschen, während er hingebungsvoll kaute. Er revanchierte sich, schwärmte vom Sitz seines Adelsgeschlechtes im Osten, erzählte, wie es ihn ins Badische am Bodensee verschlagen hatte. Zwischendurch machte er kleine Pausen, legte sich nach, schenkte sich ein, verschlang weitere Bissen oder trank aus dem Weinglas.

Verzweifelt betrachteten die drei abwechselnd ihre Fesseln, das noch auf dem Tisch vorhandene Essen und den widerwärtigen Gast.

Der knurrte: »Beinahe zwei Jahre habe ich unser Konstanzer Geschäft geführt. Heute habe ich es aufgegeben. Endgültig. Auch meinen Partner. Der Neid hat ihn zerfressen. Arglistig hat er mich getäuscht. Dabei habe ich ihm die wertvollsten Anlagen vermittelt. Mir zu unterstellen, ich sei nicht, der ich bin. Was versteht dieser kleine Assessor von Urkunden und Kapitalflüssen? Angezeigt hat er mich. Ordnungskräfte hat er mir auf den Hals gehetzt. Ein ungeheuerlicher Vorgang, das. Solch ein boshafter Mensch war er.«

»War?«, entfuhr es Larissa.

Vom Wittenberges Lider bildeten Schlitze. »Keiner, der mir Wertschätzung verweigert, kommt davon.«

Nur noch die Hälfte des Kretzers lag in der Schüssel und auf seinem Teller. »Und nun zu unserem Meisterkoch, womit beschäftigen Sie sich, wenn Sie nicht derart köstliche Gerichte zaubern?«

Moritz sah aus, als wollte er ihm an die Gurgel springen, blieb aber ruhig. Sobald er das Thema seiner Dissertation in Soziologie, »Risikoverhalten im Zusammenhang von Sicherheit und Kriminalität« nannte, prustete vom Wittenberge los. »Sicher sind Sie ja nun angebracht, auf Ihrem Sofa.«

Er zog über das ungerechte Justizsystem her, während er Happen für Happen verputzte. In Zukunft werde er anderswo sein Glück finden. »Zuerst setze ich mich mit dem von Ihnen zur Verfügung gestellten Wagen über das Emmishofer Tor nach Kreuzlingen ab. Von da ist es lediglich ein Stündchen zum Flughafen Zürich. Dankenswerterweise habe ich, vorhin auf der Toilette, per Handy meinen Flug nach Sao Paulo gebucht.«

Er leckte sich die Lippen. »Ganz deliziös. Was haben Sie denn da beigefügt?«

Moritz stierte den Fremden mit zusammengezogenen Brauen an. Der richtete die Pistole auf ihn.

In abgehackten Sätzen schilderte Moritz, wie er die pochierten Kretzerfilets in Weißweinsauce zubereitet hatte. Mit lauter »Mms«, »wie raffiniert«, und »jetzt sagen Sie bloß« quittierte vom Wittenberge das Rezept. Endlich war er fertig, der Fisch bis auf ein paar Reste vertilgt. Moritz standen Tränen in den Augen.

Vom Wittenberge tupfte sich mit der Serviette den Mund ab. »Keine Bange, in Kürze werden Sie keine Sorgen mehr haben.«

Timo warf Larissa einen alarmierten Blick zu.

Mit gezierten Handbewegungen lud sich vom Wittenberge ein Stück Zwetschgenwähe auf einen sauberen Teller.

Timos Miene versteinerte sich. »Sie lassen uns am Leben, wenn Sie Geld und unser Auto bekommen?«

»Sie haben mein Wort.«

Das stellte Larissa keineswegs zufrieden. »Wie können wir wissen, dass es stimmt?«

»Bezichtigen Sie mich der Unwahrheit? Na, Sie schütteln den Kopf. Die Wahrheit ist doch dehnbar wie ein Gummi. Vertrauen Sie mir getrost. Vielleicht haben Sie ja Glück. Schließlich steht Weihnachten vor der Tür. Und man weiß nie, wer oder was hereingeschneit kommt.«

Verzückt über seinen eigenen Scherz, spitzte er die Lippen. »Vor dem Kaffeetrinken und Kuchenverzehren besteht Gelegenheit zu singen.« Er lehnte sich zurück und streckte wohlig die Beine von sich. »Unser Pärchen darf ein Lied vortragen. Ich denke da an Stille Nacht.« Er strich sich den Bauch. »Oder wie wäre es mit Fröhliche Weihnacht überall? Damit auch Sie ein wenig in Stimmung kommen.«

Moritz schnellte, sich vom Sofa schubsend, vor und kickte nach ihm, in einem irrwitzigen Versuch, ihn vom Stuhl zu schleudern. Er streifte ihn kaum, riss jedoch Larissa mit vom Sofa. Vom Wittenberge sprang auf und ergriff seine Pistole. Es knallte. Das Parkett splitterte, keinen Zentimeter neben Moritz. Er zuckte zusammen. Larissa heulte auf.

»Glauben Sie, ich halte eine Spielzeugpistole in Händen? Das nächste Mal treffe ich woandershin. Schauen Sie nur, was Sie mit der kleinen Lady gemacht haben. Und stören Sie mich nicht weiter dergestalt beim Dessert.«

Sie brauchten eine Weile, um sich zurück aufs Sofa zu stemmen.

Vom Wittenberge drehte sich zum Büffet, auf dem die Kaffeemaschine stand. »Sie sind aber auch mit allem ausgerüstet«, rief er anerkennend. Er holte sich eine der bereitstehenden Tassen. Gluckernd und fauchend füllte sie sich mit Kaffee. Er setzte sich wieder und betastete das Porzellan: »Oh, noch heiß. Ich nehme ihn gerne schwarz zu mir.«

Larissa spürte, wie Moritz zitterte. Oder war sie es selbst, die bebte? Was war gefährlicher? Riskieren, ob der Typ abhaute, ohne sie zu töten? Oder erneut wagen, sich zu befreien? Vermutlich hatte er seinen Compagnon umgelegt. Lebenslänglich blieb lebenslänglich. Sei es für einen oder für vier Morde. Was konnten sie tun? Angsterfüllt fummelte sie in der Sofaritze herum. Sie ertastete die Fernsteuerung, die sich unter der Falte kuschelte. Damit müsste sich doch etwas anfangen lassen. Sie könnte eine Kettenreaktion auslösen, doch das konnte sie nicht allein bewerkstelligen.

Beim Bergsteigen verständigten sie sich untereinander mit Kurzrufen und Gesten. Gemeinsam waren sie schon im Bodensee getaucht. Unter Wasser hatten sie gelernt, sich durch Zeichen und Blicke zu verständigen.

Larissa winkte Timo mit den Augen, sah zur Sofalehne, dann zum Modell-LKW, schließlich zum Weihnachtsbaum, an dem die Schlaufe der Lichterkette dicht über dem Boden hing.

Timo schaute sie an, als hätte sie den Verstand verloren.

Vom Wittenberge sagte: »Verdrehen Sie nicht so die Augen, meine Liebe. Das bekommt ihrer hübschen Ausstrahlung nicht.«

Larissa probierte es mit einer leichten Kopfbewegung zum Christbaum. Wieder folgte Timo ihren Blicken. Auf einmal ging ein Leuchten über sein Gesicht. Er nickte kaum merklich.

»Nicht wahr, Sie geben mir recht? Ihre kleine Freundin sollte sich damenhafter benehmen.«

Auf einmal musste Timo dringend aufs Klo. Vom Wittenberge weigerte sich. Zunächst. Erst als Timo drohte, er müsse in die Hose pissen, erhob sich ihr Bewacher vom Stuhl. Während er Timo die Fesseln abnahm, beteuerte er, wie leicht sich ein Schuss lösen konnte. Den Pistolenlauf an Timos Hinterkopf, bewegten sie sich zur Toilette.

Moritz zischelte: »Sag mal, was habt Ihr einander da dauernd gemorst?«

Larissa beugte ihren Kopf zu seinem, bis sie sich beinahe berührten. Sie raunte, Timo habe endlich begriffen, dass er aufs Klo müsste.

»Ich will den LKW anfahren. Die Funksteuerung liegt unter der Lehne.«

»Du willst spielen? Jetzt?«, fragte Moritz ungläubig.

Larissa konnte ihm nicht mehr antworten. Timo und vom Wittenberge erschienen in der Tür. Angestrengt fingerte sie in der Sofaritze, um die Fernsteuerung in eine günstige Position zu schieben.

»Sie tun uns nichts an«, ächzte sie.

»Das habe ich bereits versichert. Da brauchen Sie nicht stöhnen.«

Larissa fing an zu schwitzen. Bevor sie den Stuhl erreichten, brachte sie hervor: »Welche Garantie haben wir denn?«

»Im Leben gibt es keine letztendlich gültige Sicherheit.« Er stieß Timo auf die Sitzfläche. Gleich würde er die Kordel um Timos Handgelenke legen.

Sie klickte Schalter und Hebel. Der LKW raste los. Vom Wittenberge fuhr herum. An der hochgeklappten Kippe verfing sich das durchhängende Teil der Lichterkette. Der fallende Weihnachtsbaum peitschte ihm die Fichtennadeln ins Gesicht, während Timo ihn von hinten packte und ihm ein Bein stellte. Überrascht schrie vom Wittenberge auf. Mitsamt Baum krachten sie zu Boden. Glaskugeln splitterten. Beim Aufprall schlug Timo ihm die Pistole aus der Hand.

Schnaufend wälzten sie sich zwischen Ästen, Stroh-sternen und Glöckchen auf dem Parkett. Timos Arm verhedderte sich in der Lichterkette. Seinen anderen quetschte sein Gegner gegen den Stamm. Vom Wittenberge schaffte es, nach der Pistole zu fassen. Er rappelte sich auf, grätschte sich über Timo und lachte grimmig. Er befahl ihm, sich hinzuknien und erneut eine Doppelschlaufe in die Kordel zu knoten. Kaum hatte er Timo wieder am Stuhl gefesselt, drückte er ihm den Lauf an die Stirn. »So ein böser Junge. Das will bestraft werden.«

Timo kniff die Lider zusammen. Larissa sog laut die Luft ein. »Bitte«, jammerte Moritz.

Vom Wittenberge bleckte die Zähne. »Hören Sie? Unser Pärchen fürchtet sich.«

Er feixte: »So schnell schießen die Preußen nicht«, und zog sich von Timo zurück. »Ihnen lasse ich eine Spezialbehandlung angedeihen.«

Panisch starrte ihn Timo an.

Er langte nach der Tasse. »Ob der Kaffee inzwischen wohltemperiert ist?« Er schüttete ihn über Timos Hose, sodass ein bräunlicher Fleck diese im Schritt verunstaltete. Timo entblößte die Zähne seines Unterkiefers.

»Noch zu heiß?«, höhnte vom Wittenberge. Er holte sich frischen Kaffee und setzte sich wieder.

»Ihre Situation haben Sie durch solche Sperenzchen keinesfalls verbessert.« Er zielte auf einen nach dem anderen. »Sie dachten, Sie können mich hereinlegen.«

Schallend lachte er, spießte mit der Gabel ein großes Stück Zwetschgenwähe auf und schob es in den Mund. Unter Kauen und Wiehern stieß er hervor: »Dabei haben … Sie … sich selbst … ausgetrickst. Haben …«

Plötzlich zuckte er zurück, öffnete den Mund und riss die Augen auf. Sein Atem pfiff. Er lief rot an. Die Pistole noch in der Hand, winkte er heftig hin und her, jemand möge ihm auf den Rücken klopfen.

»Husten Sie, Sie müssen husten«, rief Larissa.

Sein Körper ruckte ein paarmal. Er röchelte. Seine Hauttönung fing an, sich in Violett zu verwandeln. Langsam beugte er sich vor, die Ellbogen angewinkelt, die Unterarme zwischen Tischplatte und Rumpf klemmend. Seine Finger krampften sich zusammen. Auch am Abzug.

Der Schuss war gut zu hören. Blut spritzte aus seinem Hals. Sein Gesicht platschte auf den Teller. Helles Rot sickerte über die Zwetschgenwähe und füllte den Teller. Bis es auf die weiße Tischdecke troff.

Einen Moment wagte keiner sich zu rühren. Schließlich hauchte Larissa: »Ist er tot?«

»Was denn sonst?«, entgegnete Timo.

Weitere Schrecksekunden verstrichen und Moritz staunte: »Mensch, hast du die Zwetschgen schlampig entsteint!«

Pochierte Kretzerfilets in Weißweinsauce

Für 4 Personen

8 Filets vom Bodenseekretzer

(Kretzer, Egli, Barsch)

1/8 l badischer Weißwein (trocken)

1/8 l Sahne

etwas Butter

1 Lorbeerblatt

Salz

Pfeffer aus der Mühle

Zitrone

1 Zwiebel

Senf

Cognac

Eine Kasserolle mit Butter einfetten und mit fein gehackten Zwiebeln bestreuen. Die Kretzerfilets mit Salz, Pfeffer und Zitronensaft würzen und hineinlegen. Den Weißwein darübergießen, das Lorbeerblatt hinzufügen. Im Backrohr oder auf der Herdplatte circa fünf Minuten bei 90 Grad ziehen lassen (nicht kochen). Filets wieder herausnehmen und warm halten.

Den Fischsud durch ein Sieb passieren, die Sahne beigeben und aufkochen. Eine Messerspitze Senf verfeinert die Sauce. Mit etwas kalter Butter abbinden und mit Salz, Pfeffer und Cognac abschmecken. Über die Kretzerfilets geben.

Als Beilage reicht man Salzkartoffeln und Salate der Saison.

Der Mann, der von unten herauf lächelte

Freiburg

Sylvia Schmieder

 

Wir waren damals dem Tod so nahe, ganz anders als jetzt. Wir waren damals dem Mord so nahe. Klaus, das wundert dich jetzt, dieser Satz. Aber ich weiß, dass er wahr ist.

Weißt du noch, was passiert ist, an einem dieser Tage, an dem es mittags nur noch Erbsen gab? Es war das vierte Erbsenmittagessen, ich weiß es noch genau, ein Sonntag, der zweite Advent. Wie froh waren wir vor einer Woche über diesen Sack Erbsen gewesen! Ich versuchte mich auch an diesem Mittag an mein Glücksgefühl zu erinnern, versuchte es zu konservieren, aber das funktionierte nicht mehr. »Der Hunger treibt’s rein, Greta!«, tröstete mich Tante Heide. Dabei hatte sie den Sack selbst organisiert, mit Hilfe des Nachbarn gegenüber, weil sie schon damals kaum noch laufen konnte. Angeblich stammte er aus einem ausgebombten Haus in Opfingen. Das war Tante Heides Version für Mutter und dich. Mir hatte sie wieder einmal die Wahrheit gesagt, natürlich unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Der Sack stammte aus einem geschlossenen Raum, war gestohlen. Immer erzählten mir die Erwachsenen alles. Und meistens durfte ich es nicht weitererzählen. Auch Mutter hat das so gemacht, ja, das weißt du nicht, Klaus, wenn es um Vater ging und darum, was er im Krieg gemacht hat. Sie ist ihre Angst, ihre Schuld bei mir losgeworden. Und manchmal gefiel mir das sehr, eine Geheimnisträgerin zu sein! Aber es erschöpfte mich auch.

Du warst noch klein, erst sieben, aber ich schon elf und deshalb anders verantwortlich. Ich weiß noch gut, dass mich in diesen Monaten immer wieder eine eigenartige Vorstellung überfiel: Ich überlegte, wie es wäre, sich nicht mehr gerade halten zu können. Ich stellte mir vor, gebeugt zu gehen wie eine alte Frau. Ich kam von diesem inneren Bild nicht mehr los, oft für Stunden. Aber natürlich ging ich in Wirklichkeit weiter aufrecht.

Klaus, du hast es sicher nicht vergessen, wie wir damals wohnten. Zu fünft haben wir im Wohnzimmer gehaust, hatten zwar die halbwegs funktionierende Küche, aber nur ein WC mit Waschbecken, kein Bad. Der Rest des Hauses war von fremden Menschen besetzt. An das Ehepaar mit der Wehrmachtspistole im zweiten Stock haben wir uns oft mit Grauen erinnert, weil sie immer wieder blindwütig herumballerten, vor allem die Frau, wenn sie nicht Trümmer räumen musste. Gleich nach der Schule, die ein Witz war, gab es das traurige Mittagessen, dann brach ich so schnell wie möglich auf. Ich lief durch die verwüsteten Straßen der Wiehre, durchkletterte die Ruinen der Innenstadt, umkreiste das Münster. Beim ersten Schneefall wanderte ich durch Herdern hindurch noch weiter in den Norden. Oder in den Osten, bei eisigen Temperaturen, manchmal bis nach Kappel, immer auf der Suche nach Verwertbarem. Feuerholz brachte ich heim, in Vaters großem Rucksack, einen Holzkreisel für das Baby, den wir dann doch eintauschten, einen Winterrock für Mutter. Einmal grub ich die gefütterten, guten Lederhandschuhe aus, die wir abwechselnd trugen, ja, du auch, aber dir waren sie viel zu groß. Manchmal fand ich auch nur Eicheln für den Kaffeeersatz.

Du seist zu klein für solche Touren, bestimmte die Mutter, und ich war froh darüber, ehrlich gesagt, auch wenn du dich sehr geärgert hast! So lief ich meistens allein. Nur zwei, dreimal tat ich mich mit älteren Kindern aus meiner Straße zusammen. Aber mit ihnen dauerte alles länger, und ich fand, dass ich für Gesellschaft keine Zeit hatte.

An diesem vierten Erbsentag schlief Tante Heide nach dem Essen wie immer im Ohrensessel ein. Mutter und ich spülten die Teller. Dann legte sie das Baby in ihr Bett, seinen Protest ignorierend. Ja, wir nannten Hermann damals nur »das Baby«, obwohl er schon über zwei Jahre alt war, aber natürlich wussten alle, nach wem er benannt war. Mutter deckte also das Baby zu, so gut es sich zudecken ließ, drückte ihm Vaters dicksten Stempel in die Händchen und kniete sich schnell vor die gute Kommode. Dort holte sie etwas aus der untersten Schublade und forderte mich leise auf, ihr in die Küche zu folgen. Tante Heide schnarchte weiter. Aber du hast sofort von deiner Schiefertafel hochgeschaut. Du hast gemerkt, dass etwas im Gange war.

Neben dem Herd stehend erklärte Mutter mir, Onkel Hans habe etwas für uns organisiert.

»Aber wir müssen es selbst abholen. In Hinterzarten, bei einem alten Bauer. Hans hat ihm oft die Schweine und Kühe behandelt, und dieser Mann hat ein paar Schinken vor den Franzosen verstecken können. Verstehst du? Geräucherten Schinken! Und Speck ... Dann können wir Weihnachten feiern!«

Natürlich warst du uns gefolgt. Du standst hinter der spaltbreit geöffneten Küchentüre, und als Mutter »Schinken« sagte und »Speck«, musstest du unwillkürlich aufseufzen, weißt du noch? Mutter schien das nicht zu stören, sie lächelte sogar. Und auch mir schoss das Wasser im Mund zusammen!

»Er heißt Winterhalder. Wir geben ihm die Taschenuhr dafür. Onkel Hans hat ihn darüber informiert, wie wertvoll sie ist. Sie ist sehr wertvoll, Greta. Echt Silber, sehr vornehm und sehr alt.«

Erst jetzt legte sie ihre knochige Hand auf die Platte neben dem Herd und öffnete sie. Ein dunkelblaues Samtsäckchen erschien, das mit einem schwarzen Band verschnürt war. Sie löste es und zog eine kaum handtellergroße Silberuhr heraus. Ihre römischen Ziffern waren so hübsch geschwungen! Ich wagte kaum, sie anzufassen, weil sie so fein gearbeitet war.

»Ich kann nicht weg, das Baby braucht mich und Tante Heide auch. Aber du bist alt genug, Greta. Du fährst gleich morgen früh mit dem ersten Zug, fünf Uhr zehn. Nicht dass er es sich anders überlegt. Du fährst bis Höllsteig, weiter kommt man noch nicht, von dort muss man zu Fuß nach Hinterzarten. Onkel Hans hat dir alles aufgezeichnet.«

 

Am neuen Bahnhof Wiehre war schon früh am Morgen viel los. Damals fuhren täglich nur drei Züge Richtung Höllsteig, von wo aus man weiter bis an den Bodensee reiste, denn dort gab es noch Bauern, die genug hatten, um abzugeben. Du erinnerst dich vielleicht an die Erzählungen unseres Nachbarn Friedrich, der immer wieder an den Bodensee aufbrach? Die gesprengten Eisenbahnbrücken waren teilweise noch nicht repariert, und diese Reisen dauerten eine halbe Ewigkeit. Ich war froh, dass mein Ausflug nur bis Hinterzarten führen sollte. Mit Rucksäcken, Körben und Taschen drängten vor allem Frauen jeden Alters Richtung Gleise. Dazwischen ein paar Männer, hohläugige Kriegsheimkehrer, zu denen ich Abstand hielt, weil sie so verstört wirkten. Auch ein paar Kinder in meinem Alter liefen nervös herum. Als die Dampflok einfuhr, stürzte sich alles durch die Rußschwaden auf die Waggons, die schon vom Hauptbahnhof her besetzt waren. Ich schlüpfte zwischen einer Gruppe Frauen hindurch und ergatterte einen Stehplatz im Abteil, direkt am Fenster. Das erinnerte mich an die Ausflüge in den verschneiten Schwarzwald, die wir früher gemacht hatten. Damals trug Vater den Rucksack, den ich jetzt vom Rücken nahm und vorsichtig zwischen meine Füße stellte. Damals waren Wurst- und Käsebrote, Obst und Apfelsaft darin. Heute hatte Mutter mir einen Kanten hartes Brot und eine Flasche Wasser eingepackt. Ich war trotzdem glücklich.

Rechts neben mir stand ein vielleicht Zwanzigjähriger, der eigentlich aussah wie alle anderen, dünn, abgerissen, mit braunen, kurz geschorenen Haaren, aber immerhin frisch rasiert und gewaschen – das roch ich gleich. Der Zug setzte sich fauchend in Bewegung, und durch den Lärm der schwatzenden Frauen hindurch zeigte er mir, dass man die kalten Öfen unter dem Fenster als Sitzgelegenheit nutzen konnte. Er setzte sich auf seiner Seite und lächelte mich dann von unten herauf vorsichtig an. Dazu zeigte er auf das zweite Öfchen, dann auf mich, dann wieder auf das Öfchen. Ich lächelte zurück und setzte mich.

Zwischen den wollbestrumpften Beinen der Frauen kamen wir ins Gespräch. Er fragte, ob ich auch an den Bodensee wolle, und ich dachte an die Ermahnungen der Mutter und sagte deshalb nur, dass ich nicht so weit müsse. Nur bis Höllsteig.

»Da gibt es aber unter Garantie nichts zu holen!«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf meinen schlaffen Rucksack.

»Für mich schon!«, antwortete ich.

Er senkte den Kopf, lächelte mich wieder so von unten herauf an und sagte mir seinen Namen: Peter. Als ich ihm meinen verriet, lauschte er, wiederholte ihn langsam und sagte nicht dazu: »Wie die Garbo!« Das gefiel mir.

Dann erzählte er von seinen Touren. Von einer Herbstwanderung durch das Löffeltal, durch teilweise vermintes Gelände, nach Hinterzarten. Von der komplizierten Weiterfahrt bis nach Radolfzell. Vom abermaligen, langen Fußweg in die Dörfer, wo man ihm Lagerobst gab, aber auch gutes Brot, Mehl, Eier. Sogar Speck habe er neulich nach Freiburg gebracht und dort für ein Vielfaches wieder getauscht. Da konnte ich nicht anders, ich musste ihm sagen, dass ich heute auch welchen holen würde. Aber nicht für den Schwarzmarkt. Für uns, zum Essen! Für Weihnachten!

»Ist es die Möglichkeit!«, rief er, »Potzblitz!«, und packte mich so freudig an der Schulter, rüttelte mich sogar, dass ich in Lachen ausbrach. »Bist du sicher, Mädel! Großartig!«

Ich strahlte ihn stolz an. Um nicht noch mehr verraten zu müssen, fragte ich ihn, wo er herkomme, und er erzählte von seinem Haus, in dem überhaupt nur noch der Kniestock und das Erdgeschoss vorhanden seien. Nicht weit vom Hauptbahnhof, das sei sehr praktisch, in vielfacher Hinsicht. Offenbar hauste er dort ganz allein in einer zusammengeflickten Wohnung, eine fünfköpfige Familie in einer weiteren. Ich traute mich nicht, nach seiner eigenen Familie zu fragen, denn wenn er sie nicht erwähnte, gab es sie wohl nicht mehr. Dafür wollte er jetzt umso genauer wissen, wie ich mit meiner Familie lebte, und ich sah keinen Grund, ihm nicht ein bisschen zu erzählen. Ach was, in Wirklichkeit vergaß ich alles um mich herum. Die diskutierenden Frauen in zerbeulten Männerschuhen, in Sommerschuhen, in rissigen Winterstiefeln, das alles sah und hörte ich nicht mehr, Klaus, ich weiß nicht, ob du das verstehst! Auch dass ich eigentlich aus dem Fenster schauen und den Blick in den winterlichen Schwarzwald genießen wollte, kam mir nicht mehr in den Sinn. Peter hörte so genau zu. Er erzählte auch selbst so spannend und vertraute mir doch keine furchtbaren Dinge an, die ich nicht weitersagen durfte. Und an meinem erbärmlichen Leben schien er wirklich interessiert zu sein. Nachdenklich befühlte er seinen Rucksack, der einträchtig neben meinem stand, lächelte mich sacht von unten an und fragte immer wieder nach. Ich war froh, dass wir so viel Zeit hatten. Die Fahrt würde mindestens siebzig Minuten dauern, hatte mir die Mutter gesagt. Auch von Onkel Hans, der als Tierarzt viele Schwarzwaldbauern kannte, erzählte ich ihm schließlich. Und von dem alten Mann, der einen seiner letzten Schinken aus der Erdmiete für uns reserviert hatte.

»Ihr habt ein Riesenglück, Greta! Aber den kriegt ihr nicht für ein paar Silberlöffel, das kannst du mir nicht erzählen …«

Nein, gab ich zu, keine Silberlöffel. Eher eine Taschenuhr. Aus Familienbesitz.

Da empfahl er mir, gut auf sie aufzupassen.

»Hast du sie im Rucksack gut nach innen gepackt? Sonst zieht sie dir jemand im Gedränge einfach raus!« Er deutete auf die Aufsatztasche meines Rucksacks. Ich nickte, fühlte sicherheitshalber nach – natürlich war das Samtsäckchen noch da. Alles in Ordnung.

Obwohl am Bahnhof Hirschsprung niemand ein- und aussteigen wollte, hatten wir einen längeren Aufenthalt. Die Frauen murrten, aber mir wurde die Zeit nicht lang. Wir sprachen ausführlich über all die Köstlichkeiten, die man mit echtem Speck herstellen konnte. Ich schwärmte davon, wie Mutter uns noch in den ersten Kriegsjahren Speckeier gebraten hatte, mit zwei ganzen Eiern, zwei Scheiben Speck pro Person, die dünn geschnitten und knusprig ausgebraten wurden. Dazu gab es krosse Zwiebelringe und Schnittlauch aus dem Garten.

»Und eine große, dicke Scheibe Brot für jeden!«, rief Peter begeistert.

»Gutes, festes Brot! Und keine Erbsen!«

»Wer redet von Erbsen? Auf keinen Fall Erbsen!«

 

Irgendwann fuhr der Zug ächzend wieder an. Ich spürte auf meinem Sitz, wie er die engen Kurven Richtung Posthalde hinaufkletterte. Plötzlich wurde es dunkel, wir fuhren durch einen Tunnel, es wurde hell und bald hielten wir wieder an.

»Posthalde!« rief es draußen. Peter stand auf und fragte die Frauen höflich, ob er das Fenster öffnen dürfe. Doch niemand kümmerte sich um ihn, weil man damit beschäftigt war, Platz für hereindrängende Fahrgäste zu schaffen. Also zog Peter das Fenster einfach auf, so weit es ging. Erst drang der Rußgeruch zu uns herein, dann die Kälte. Ich stand ebenfalls auf, streckte auf meiner Seite vorsichtig den Kopf aus dem Fenster, sah Richtung Lok und versuchte, dort einen Blick auf die steilen, weißen Berghänge zu erhaschen. Wir fuhren schon wieder an. Da spürte ich hinter mir einen Stoß, und eine Frau schrie. Ich fuhr herum. Peter hockte draußen, auf dem Bahnsteig! Was machte er da? Fassungslos sah ich zu, wie er taumelnd hochkam und, ohne sich umzudrehen, entgegen der Fahrtrichtung den Bahnsteig entlangspurtete, seinen Rucksack auf dem Rücken, vor sich etwas umklammernd, bis er aus meinem Blickfeld verschwand.

Ich begriff nichts.

Der Zug hatte volle Fahrt aufgenommen. Die Frau, die geschrien hatte, stand jetzt neben mir. Sie strich sich benommen über den faltigen Hals, der wohl einen Tritt oder Stoß abbekommen hatte, und fluchte Peter hinterher. Dann fasste sie mich am Ellenbogen.

»Er hat deinen Rucksack!«

Ich sah an mir hinunter. Ganz langsam stieg mir das Blut in den Kopf, während im Abteil allgemeine Aufregung herrschte. Ich suchte noch ein bisschen herum. Aber es war klar, dass die Frau recht hatte.

»Was war drin?«, fragte sie mitleidig. Ich schluckte nur und schüttelte den Kopf.

In Höllsteig mussten alle hinaus. Willenlos ließ ich mich treiben, Klaus, noch heute überfällt mich die Lähmung, wenn ich daran denke. Warum hatte er das getan ... Jetzt musste ich ihn doch anzeigen! Warum hatte er mir das angetan? Gab es hier überhaupt Polizei? In diesen Tagen, in denen so viel gegen Gesetze verstoßen wurde, würde sich für mich und unsere Taschenuhr kein Mensch interessieren. Für mich sowieso nicht. Niemand interessierte sich für mich. Auch Peter hatte sich nicht wirklich für mich interessiert.

Auf einer dünn beschneiten Holzbank hinter dem Bahnhof fiel ich in mich zusammen. Ich dachte, wenn ich einfach eine Weile hier sitzen bliebe, würde ich vielleicht festfrieren. Das hätte mir gefallen. Ich wollte einen elenden Tod sterben.

 

Ich erinnere mich an Schneefall, sonst nichts. Irgendwann muss mich die Kälte doch wieder hochgetrieben haben, die Straße entlang, bergab. Oder doch, ich erinnere mich an ein Automobil, das mich später überholte, sogar mit Licht. Es fuhr langsamer, hielt aber nicht an. Es war mir lieber so.

Dann weiß ich wieder, wie ich vor unserem Haus stand, zitternd vor Erschöpfung hielt ich mich am eisernen Handlauf der Treppe fest. Dort stand ich noch Minuten, bevor ich den Schlüssel aus der Manteltasche zog. Ich schlich Richtung Küche, wo du mir entgegenliefst, hinter dir die Mutter, und ich weiß es noch wie heute, wie du stopptest und hilfesuchend zu Mutter schautest.

»Wo ist der Rucksack?«, fragte sie.

Ich hatte mir vorgenommen, nicht zu weinen, weil ich fand, dass ich kein Mitleid verdient hatte. Das ist mir gelungen. Du wirst dich vielleicht erinnern, wie Tante Heide schimpfte, »vollkommen hirnverbrannt« schimpfte sie, nicht nur mit mir, auch mit Mutter, die nichts mehr sagte, einfach stumm blieb, nachdem ich so kurz wie möglich erklärt hatte, was passiert war. Mutter setzte sich wie eine Maschine in Bewegung, kochte uns allen Tee, und ich bekam wieder Erbsen vorgesetzt, die ich trotz des Hungers kaum herunterbekam. Dann fragte ich sie kleinlaut, ob ich meine Matratze ausnahmsweise schon vor der Nacht ausbreiten dürfe. Es war ja noch mitten am Nachmittag, und meine Matratze lag natürlich noch unter Mutters Bett. Sie wurde immer erst kurz vor dem Zubettgehen hervorgeholt, weil sie sonst im Weg lag. Aber ich war so unendlich müde.

Mutter nickte. Sie machte mir sogar eine warme Bettflasche. Nur mit mir gesprochen hat sie nicht mehr.

 

Gleich am nächsten Tag nach der Schule zog es mich zu der Holzbaracke hinterm Hauptbahnhof, vor der sich die Schwarzhändler trafen. Ich wusste erst selbst nicht, warum ich diese Richtung einschlug. Dann kam ich auf die Idee, dass es vielleicht eine Chance gab, dort die Taschenuhr wiederzufinden. Oder ihren Dieb. Oder beide. Eine Weile trieb ich mich zwischen den vor sich hin murmelnden Gestalten herum und beobachtete, wie Zigarettenpackungen, Kerzen, Werkzeug und undefinierbare, in Zeitungspapier gewickelte Päckchen aus Taschen gezogen wurden und wieder darin verschwanden. Da wurde mir klar, dass ich nun jeden Tag hierherkommen wollte. Und dass ich mich bewaffnen wollte.

Erst dachte ich an unser Brotmesser. Aber sein Fehlen wäre schnell aufgefallen. Dann fiel mir die Pistole des Ehepaars ein. Nachmittags mussten sie beide Schutt und Trümmer räumen, und ich hatte, als ich ihnen mit den Kohlen half, beobachtet, wo sie ihre Waffe aufbewahrten. Wenn ich es geschickt plante, konnte ich sie mir für ein paar Stunden ausleihen, ohne dass es auffiel.

Nachmittags zog ich den Mantel an wie immer, tat, als würde ich das Haus verlassen, und schlich stattdessen die zwei Treppen hinauf. Natürlich wusste ich, dass sich die Wohnungstür des Ehepaars nicht wirklich verschließen ließ. Man musste nur den Knauf drehen.

Als ich die Türe sehr langsam öffnete, roch es nach Butter. Woher hatten sie Butter! Fast vergaß ich, wozu ich hier war, lief in das kleine Zimmer, das sie als Küche nutzten, schaute in die Eiskiste, fand keine Butter, stellte mich vor den Brotsack. Und kämpfte mit mir. Schließlich öffnete ich ihn und krümelte ein winziges Stückchen vom Brot ab. Das würde nicht auffallen, hoffte ich, und legte es wie ein Bonbon auf meine Zunge. Dann lief ich in das größere, finstere Zimmer, das ihr Wohn- und Schlafzimmer war, und fischte hinter dem Kohlekasten die Pistole heraus. Es war eine Walther PPK. Sie war ganz leicht und ihr Lauf glänzte silbern. Mein Vater hatte die gleiche in etwas größer, und ich hatte einmal zugesehen, als er Mutter erklärte, wie man sie lud und entsicherte. Wirklich fand ich nach einer Weile den Knopf wieder, mit dem man das Magazin herausbekam. Es war mit vier Patronen geladen. Auch an den Sicherungshebel erinnerte ich mich, betätigte ihn vorsichtig, schob ihn, als der rote Punkt erschien, schnell wieder zurück. Dann versenkte ich die Pistole in der Innentasche meines Mantels.

Fast zwei Stunden lief ich damit hinter dem Hauptbahnhof auf und ab. Kein Peter weit und breit. Also brachte ich sie an ihren Platz zurück, bevor die Besitzer nach Hause kamen. Aber am nächsten Tag holte ich mir die Walther wieder und krümelte ein Stückchen Brot ab, groß wie mein kleinster Fingernagel. Mehr erlaubte ich mir nicht. Sie haben nichts gemerkt! Niemand hat etwas gemerkt, du auch nicht.

 

Endlich, am vierten Tag, entdeckte ich Peter.

 

Ich stand ein paar Meter entfernt in einer der Ruinen, als ich ihn mit raumgreifenden Schritten quer über die Gleise kommen sah. Sofort ging ich hinter einer ehemaligen Hauswand in Deckung. Er hatte einen prall gefüllten Rucksack lässig über die Schulter geworfen und begrüßte vor der Baracke einen Bekannten. Den Rucksack stellte er vor sich auf den Boden, und ich biss mir auf die Lippen vor Wut: Das war meiner, es war Vaters Rucksack!

Der Bekannte war offenbar nicht am Inhalt des Rucksacks interessiert. Peter schulterte sein Gepäck wieder und lief an der Baracke vorbei in meine Richtung. Ich legte mich flach auf den Boden und wartete, bis seine Schritte leiser wurden. Dann stand ich auf, fühlte nach der Pistole und folgte ihm.

Er wohnte nur zwei Straßen weiter, genau so, wie er es beschrieben hatte: in einem Haus, das nur noch aus Keller und dem ersten Stock bestand. Als er hinter der ramponierten Holztür verschwand, blieb ich in einem Hauseingang stehen und beobachtete einen vielleicht neunjährigen Jungen und eine Frau, die von außen an einem Fenster im Kniestock hantierten, das offenbar neu verglast worden war. Nach ein paar Minuten holte ich tief Luft und ging auf das Haus zu.

Die Frau lächelte mich an. Der Junge fragte, ob ich zu Peter wollte.

»Einfach feste drücken!«, rief er und deutete auf die Haustür. Ich drückte, aber sie gab nicht nach. Da lief der Junge zu mir, trat mit seinem klobigen Schuh knapp unter dem Schloss gegen die Türe, und sie sprang auf.

Ein paar Steinstufen führten zu einer Wohnungstür. Es gab sogar eine Klingel, unter die er mit blauer Kreide seinen Namen an die Wand geschrieben hatte: Peter Ronneberger. Warum hat so ein Mensch einen so schönen Namen, dachte ich und klingelte sofort. Kurz schloss ich die Augen und hörte innen eine Tür gehen, und als ich sie wieder aufmachte, öffnete sich auch schon die Tür. Eigentlich wusste ich noch immer nicht, was ich vorhatte, aber plötzlich war es, als verselbständigte sich mein Körper, ich drängte mich an Peter vorbei in die Wohnung, zog die Pistole, drückte die Tür zu.

»Die Taschenuhr!«, fauchte ich leise und hielt ihm den kurzen Lauf unters Kinn. Mein Handrücken berührte sein Haar, und ich zitterte, aber vor Freude, ich zitterte vor Freude. Was ich alles kann, dachte ich, ich lebe!, dachte ich. Und wie ich lebe! Ich hätte am liebsten geschrien vor Freude. Aber es musste leise vonstattengehen.

Er erschrak, wich an die Wand zurück, doch dann fing er sich schnell.

»Greta!«, rief er. »Hör mal, Kleines. Du wirst uns doch nicht unglücklich machen.«

Dabei senkte er den Kopf, sodass der Pistolenlauf nun auf seine Stirn zeigte, und sah mich wieder so von unten an. Er lächelte wieder so, du weißt schon. Da rief ich lauter, als ich eigentlich wollte:

»Ich knall dich ab! Du gibst mir sofort die Taschenuhr zurück, sofort! Und den Rucksack! Sonst bist du tot!«

Er lächelte einfach weiter.

»Ich habe deine Taschenuhr nicht mehr …«

Da stieß ich ihm den Lauf neben die Nase ins Gesicht. Und als er sich etwas zur Seite bewegte, klackte es. Ich hatte entsichert. Ich habe wirklich entsichert.

»Du bekommst die Uhr wieder, um Himmels Willen …«

Ich blieb dicht bei ihm, hielt ihm die Waffe an den Hals, und so gingen wir zu zweit in sein Schlafzimmer. Er hatte tatsächlich ein abgetrenntes Schlafzimmer. Ich erinnere mich an ein Tischchen, auf dem er eine Krippe aufgebaut hatte, mit farbigen Figuren aus dünnem Karton. Der Josef war angesengt. Und Peters Arm neben meinem Körper schwitzte vor Angst. Ich hatte das Gefühl, seine Angst könnte auf mich übergehen, deshalb fauchte ich ihn an, mit ganz fremder, tiefer Stimme, er solle sich beeilen. Hastig öffnete er einen Eichenschrank und kramte hinter seiner Wäsche. Dann drückte er mir das blaue Samtsäckchen in die Hand. Ich sah nach der Taschenuhr, sie war wirklich noch da, und schob sie in meine Manteltasche.

Er war ganz bleich.

»Wo ist der Rucksack!«

»In der Küche.«

Also schob ich ihn, ich weiß nicht mehr wie, irgendwie mit der Pistole in die Küche, schnappte den Rucksack, der prall gefüllt auf dem Tisch stand, und rannte einfach davon, Hals über Kopf, aus der Wohnung, durch die Haustür, auf die Straße. In vollem Lauf muss ich die Waffe wieder gesichert und in der Manteltasche untergebracht haben. Ich erinnere mich nur, dass ich mich noch nach dem Jungen und der Frau umsah. Sie waren verschwunden.

 

Glaub mir, Klaus, ich hätte abgedrückt. Und ich habe die Uhr nur zurückbekommen, weil er das begriffen hat. Natürlich hatte ich schlaflose Nächte deswegen, schon weil ich nicht wusste, ob er mich vielleicht anzeigen würde. Oder ob er mich suchen und irgendwann finden würde. Aber das geschah nicht.

 

Zu Hause habe ich als erstes die Walther an ihren Platz gebracht, zum letzten Mal. Dann erst bin ich mit dem Rucksack zu euch. Ja, ich weiß, ich habe behauptet, ich hätte Peter zufällig getroffen, ihm ins Gewissen geredet, und er hätte mir die gestohlenen Sachen freiwillig zurückgegeben. Mutter hat vor Freude geweint, erinnerst du dich, mit Pausen, während sie zärtlich die Uhr untersuchte, sie dann verstaute, und während wir gemeinsam den Inhalt des Rucksacks begutachteten, immer wieder fing sie neu an zu weinen, so lange, bis wir alle heulten. Sie schlug ja sogar vor, Peter den Inhalt des Rucksacks mit ein paar Dankesworten zurückzubringen! Tante Heide war zum Glück dagegen. Du sowieso. Und ich war euch unendlich dankbar. Es war ja überhaupt nichts Essbares im Rucksack, nur Wagenschmiere, Baukalk, eine Kinderhose, eine Flasche Pflaumenschnaps … Das war schon alles, nicht wahr? Aber wir malten uns sofort aus, was man dafür bekommen konnte. Weißt du noch? Ein Brot und ein paar Eier mindestens. Vielleicht ein Stückchen Speck.

Speckeier Schwarzwälder Art ohne Erbsen

Für 2 Personen

4 Eier

4 Scheiben dünn geschnittener Schwarzwälder Speck

1 Zwiebel

Pfeffer und Salz

Schnittlauch

etwas Butter zum Anbraten

Bauernbrot

… und keine Erbsen!

Zwiebel schälen, in dünne Ringe schneiden und in der Butter knusprig anbraten. Die Eier aufschlagen und als Spiegeleier auf den Zwiebeln braten. Salzen und pfeffern. Die Speckscheiben in einer zweiten Pfanne auslassen.

Den Schnittlauch in feine Ringe schneiden. Eier und Speck auf den Tellern anrichten und mit dem Schnittlauch garnieren.

Dazu gibt es pro Person je eine kräftige Scheibe Bauernbrot.