UND DER SEPTEMBER
Roman
Mit einem autobiografischen Text
von KARL FRIEDRICH BORÉE
und einem Nachwort von AXEL VON ERNST
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Nachwort
Mein Weg zur Literatur
Dies war der Anfang: Flimmern der Luft über dem heißen Asphalt an einem nachgebornen Sommertag – ein wenig Bücherstaub, ein wenig rote Tinte – Schatten einer nackten Giebelwand – ein komischer schwarzer Hut auf dem Kopf eines fremden Herrn – nichts, nichts von irgendwelcher Bedeutung. Doch danach kam ja etwas sehr Schönes … Und in meinem Leben damals, wie es hinlief, schon jahrelang, und überhaupt in meiner Lage: an die Vierzig heran und wie ein Schiff, das abgewrackt am Kai liegt! – Aber vielleicht ist der Mensch doch mehr von der Art der Bäume, die von der Wurzel ausschlagen, wenn der Stamm fällt: daß dann ein ganz neues Wesen sein Dasein entfaltet – und wenn auch nur ein Strauch.
An jenem Tage also, in dem der Anfang steckte, hatte ich den ganzen Morgen Deckblätter eingeklebt, solche Zettel, auf denen die Nachträge und Berichtigungen stehen. Ich saß in der ‚Bücherei‘ und klebte Deckblätter in den großen Katalog. Schnitt sie sorgsam mit einem Taschenmesser und unter Benutzung eines eisernen Lineals aus den Druckbogen, die der Verlag geliefert hatte, blätterte im Katalog weiter, bis ich die vermerkte Seite fand, zählte die Zeilen ab – Seite 253 Zeile 11 v. u. –, schmierte etwas Klebstoff auf, klebte ein und malte mit roter Tinte zwei Fähnchen, eins auf den Zettel, eins in das Buch an die Textstelle. Nummer für Nummer. – Meistens dachte ich dabei, daß dies eine gute Ferienarbeit sei, ein rechter Zeitfraß. Zuweilen dachte ich auch, daß bei uns früher, bei der Marine, die Ordonnanzen auf der Schreibstube diese Arbeit getan hätten – wenn für die Schießvorschrift oder das Signalbuch neue Deckblätter herausgekommen waren. Allerdings machten sie es nicht so sauber. Man hatte immer seinen Ärger über verwischte Fähnchen und schief geschnittene Kanten. – Wenn ich es mir recht überlegte, erschien mir diese Arbeit, die zu meinen neuen Obliegenheiten gehörte, nicht entwürdigend: erstens mußte sie getan werden; zweitens war ich hier Mädchen für alles; drittens durfte ich froh sein, daß ich diese Stellung überhaupt hatte.
Die Bücherei unterschied sich in nichts von den Laboratoriumsräumen – außer durch die Bücherregale an den Wänden. Diese Wände waren hellgrün gestrichen, unten Öl, oben Leimfarbe, dazwischen ein dunkler Strich, der zu schmal war, Fenster ohne Gardinen, Möbel aus rohem Kiefernholz – eine aseptische Atmosphäre. Das eine dreigeteilte Fenster blickte gelangweilt auf die nackte Öde einer nahen Giebelmauer, eine dieser fensterlosen Mörtelwände, die lebenslang auf Anschluß harren und darüber allmählich ihren Bewurf verlieren. Irgendwo draußen war gutes Wetter, aber die Wand lag im Schatten und sorgte dafür, daß auch in die Bücherei davon nichts gelangte.
Alles kein Anlaß zu Entgleisungen.
Aber dann kam das Bedenkliche. Als es ein Uhr war, so daß ich mit Anstand zum Essen gehen konnte, und ich auf die Straße trat, packte mich vor dem Garten des Instituts eine leidenschaftlich erregte Hitze. Ich kam völlig ungerüstet aus der verstaubten Kühle, und da war plötzlich die ganz natürliche Sonne rings um mich her. Jetzt auf einmal, dicht vor dem Herbst und nachdem der Sommer so hingeschlichen war wie in allen diesen letzten blassen Jahren, so durchgenässelt, daß man wirklich nicht zugeben konnte: dies war der Sommer.
Gegenüber, in dem dreistöckigen Hause, in dem das Finanzamt untergebracht war, standen alle Fenster offen: drei Reihen aufgesperrter schwarzer Münder, die Licht tranken. Das war gegen jede Ordnung. Und über alle drei Stockwerke pedantisch gleich verteilt, stand immer irgendwo ein einzelner Mensch im offenen Fenster und sah und wußte nichts von den anderen, die ebenso am offenen Fenster standen und ebenso in die blendende Helligkeit starrten, dem gutmütigen Appell der Sonne gehorchend. – Die Sonne hatte die Bürokratie übermocht.
Diese Zuteilung des Guten an alle hatte in ihrem gleichmäßigen Wohlwollen etwas, das zum Widerspruch reizte. Mich jedenfalls stimmte sie widerspenstig und geradezu bös. Ich hätte nachmittags zu geruhsamer Zeit wieder ins Institut gehen können, und alles wäre gut gewesen. Niemand hätte das in den Ferien von mir erwartet, aber es wäre gut gewesen. – So aber? Es war doch unmöglich – man manifestierte geradezu seine ganze Armseligkeit. Ich konnte selbstverständlich hinausfahren, mich draußen ins Gras werfen, ein Buch in der Hand: aber seit einiger Zeit glaubte mein Herz dem Verstande nicht mehr, daß solche Einsamkeiten freiwillig gewählt seien. Ich hatte niemanden in dieser Stadt, in der ich schließlich haften geblieben war – ich meine niemanden, dessen Gesellschaft mir irgend etwas galt. Mit meinem Abschied von der Marine hatte ich jede Verbindung mit meinen früheren Kreisen zerschnitten, und seitdem ich abgehängt war, wie ich es nenne, und hier festsaß, hatte ich nichts getan, um neue Verbindung anzuknüpfen. Ich wartete ab – bis ich eben erkannte, daß ich abgehängt bin.
Aber bei diesen Worten sehe ich nun doch, daß ich so nicht weiterkomme –. Sie klingen sonst zu geheimnisvoll und pathetisch. Ich muß noch einiges nachholen: wie es dahin kommen konnte mit mir und wie es damals um mich stand, an jenem Spätsommertage, aus dessen Einflüsterungen sich nachher alles herauswickelte, ganz ähnlich wie das große und schöne Blatt des Farnkrauts aus dem kleinen eingerollten Krummstab, der kümmerlich aus der feuchten Erde hervorkriecht.
Also so ist es gegangen: Von der Oberprima in die Marineschule. Im achten Jahr, längst Oberleutnant, beginnt man zu begreifen, daß man fehl am Ort ist, daß nur eine irrende Knabenromantik einen hierhin geführt hat. Immer stärker tut sich da eine Kluft auf – trotz gutem Vorwärtskommen: der Beruf fordert Aktivität, Freude an der äußeren Form des Lebens, und innen bohrt eine stille Sehnsucht nach Versenkung, Gründlichkeit. – Drei Jahre weiter, und man ist so weit, daß man gehen will. Alle schütteln den Kopf. – Da kommt der Krieg, hält fest, entscheidet für einen.
Nun ist es etwas anderes, hat seinen besonderen Sinn. – Man macht einiges mit, auch zu Lande, in Flandern beim Marinekorps, kriegt einen Schuß ab, aber kommt, wie ersichtlich, durch.
Dann, nach dem Waffenstillstand, ist die Zeit da: man überläßt anderen, gern, das so viel schmaler gewordene Terrain. Etwas Vermögen ist vorhanden und die kleine Pension als Kapitänleutnant. Fünfzehn Jahre sind draufgegangen, immerhin – noch nicht zu viel. Man kann noch das beginnen, wofür man das Programm seit Jahren heimlich bei sich trägt: Naturwissenschaften studieren. Man geht auf die Universität und hört Zoologie und Botanik.
Dann bricht die Inflation herein. Macht Schluß. Das Geld ist weg.
Sich durchzuhungern bis zu einer Lehrerstelle ist nicht jedermanns Sache. Wirf diese Dinge besser hinter dich, gib den alten Koffer auf dem Speicher ab und vergiß ihn. Besinn dich darauf, daß du Russisch kannst. Da gibt’s gleich einen nahrhaften Posten. Gerade werden die Handelstore des neuen Rußland unter großen einladenden Gesten der Prokuristen geöffnet.
So kommt man zum erstenmal in diese östliche Stadt. Denn von ihr aus macht sich das neue Geschäft nach Rußland. Alles geht schön. Man verdient in Devisen, bekommt etwas zu sehen, und es macht eigentlich auch wieder Spaß, so mit sichtbarem Erfolge tätig zu sein. Dann beginnt es im russischen Geschäft zu krachen. Die Firma hat, wie so viele andere, zu früh Vertrauen geschenkt. Entlassung. Man kann froh sein, daß man noch eine leidliche Abfindung erhält. –
Nun stand ich dort, wo viele meinesgleichen schon 1919 gestanden hatten: der Krieg war aus – und es kam nichts nach – nur eine große Leere. Mit geöffneten Händen sah man seine besten Jahre vorbeirollen, wie einen Zug, der auf der Station nicht hält.
Ich richtete mich mit meiner Abfindung hier ein, so gut ich konnte, hier, wo ich bis dahin noch keine Wurzeln geschlagen hatte, schnitt mein Leben nach meiner Pension zu und nahm mein Studium wieder auf, das heißt: ich täuschte mir eine Aufgabe vor, so, wie man im Kriege Strohbrot essen sollte, um seinen Magen zu füllen. Das war die Zeit, wo es mir schlecht ging, wo ich mich um Stunden bemühte und meiner Zimmerwirtin verheimlichte, wer ich war. Aber eines Tages erhielt ich diese Stelle, von der ich sprach – am Botanischen Institut der Universität. Nichts Etatmäßig-Gefestigtes, eine kleine technische Hilfsstelle: jemand hatte sich für mich verwendet, in Anbetracht meiner Vergangenheit.
Seitdem konnte ich nun wieder regelmäßig in einem anständigen Lokal essen, mir ein Zimmer ‚mit Sonne‘ nehmen, sogar ein Wohn- und Schlafzimmer, mir zuweilen ein Buch kaufen, einen Sonntagsausflug machen. Zwischen Laboratoriumstisch und Schreibtisch zu Haus ging mein Leben auf und ab: es war nicht lange her, daß ich kaum mehr als dies ersehnt hatte.
Trotzdem –
Während ich zum Beispiel jetzt vom Institut nach meinem derzeitigen Mittagslokal ging, den nun schon gewohnten Weg, die häßliche Fleischergasse bis ans Ende, dann den Butterberg steil bergab, wo die Sonne auf den blanken Basaltköpfen glitzerte, und dann quer über den breiten, schattenlosen Unterrollberg, konnte ich in mir auch nicht jenen geringen Prozentsatz Lebenslust verspüren, der zur kleinsten Extratour am Nachmittage notwendig gewesen wäre. Jede Ausgabe schien mir verschwendet. Man konnte freilich auch zu Haus bleiben – am offenen Fenster sitzen – über den Ulmen und der ruhigen Straße – lesen. Ich betrachtete dieses Arrangement einige Schritte lang. Aber sofort packte mich eine grause Angst vor meinen Melancholien, diesen süß saugenden, dann so schal nachschmeckenden Stunden halber Verträumtheit.
Das Fatale war nur, daß einen die Sonne nicht losließ – als ob sie einem beweisen wollte, man gehöre doch noch dazu, und daß dies lästig war und schön zugleich. Aufdringlicher Druck der Strahlen, daß man in den Häuserschatten weicht und dies doch ganz befriedigt registriert, und eine Wärme, eine Wärme, die auf den Händen prickelt und so zärtlich über die ganze Haut streicht … Ganz jämmerlich wurde mir zumut.
Aber in meinem Gasthaus empfing mich eine kleine Brise – ich ging rasch durch den dunklen Speisesaal hindurch nach dem Garten: dieser Garten war meine sanfte Freundin, die mich hierher band. Eine seltsame häuserwandumschlossene Oase in der Steinwüste der alten Stadt, mit hohen, grünen, sonnendurchbluteten Wipfeln. Ich fand meinen Stammplatz unbesetzt.
Und nun kommt die Geschichte mit dem sonderbaren Hut und dem Herrn, der ihn auf dem Kopfe hatte –. Aber ich sage gleich, es hat keine große Bewandtnis mit diesem Hut und seinem Träger: sie verschwinden bald wieder wie alle Figuren, die in dieser Geschichte auftauchen – bis auf die eine.
Während ich auf meine Suppe wartete und in das Dunkle unter den Kolonnaden starrte, geriet in meinen Blick ein schwarzer, steifer Hut, dessen ungewöhnliche Form ihn festhielt. Er gehörte zu einem Herrn, der nach einem Platze Ausschau hielt. Und natürlich kam der Herr auch gleich auf meinen Tisch zu, ein gut angezogener, etwas starker Herr in gesetzten Jahren. Er lüftete diesen Hut und fragte höflich, ob hier noch ein Stuhl frei sei, und nachdem er den Hut auf einen nahen Haken gehängt hatte, setzte er sich mir gegenüber. Jetzt konnte ich das Bekleidungsstück studieren: ein Zwitter zwischen Zylinder und Melone, von stolzer röhrenförmiger Statur; aber oben, wo der Zylinder seine vornehm-harte Kante hat, eigentlich erst Zylinder wird, zu versöhnlicher Rundung gemildert und gewölbt, – und ganz und gar aus einem sanften filzigstumpfen Material. Der Herr sah auch sonst nicht ganz alltäglich aus, zum Beispiel sein großer viereckiger Bart und seine dichten Augenbrauen … Und natürlich redete er mich an – nachdem er gewartet hatte, bis ich mit Essen fertig war –, bat mich in einer zurückhaltenden verbindlichen Art, ob er mich etwas fragen dürfe. Und sagte dann, er sei ein Fremder – diese Worte gebrauchte er –, er habe am Vormittag seine Einkäufe erledigt, könne aber erst am Abend zurückreisen – er nannte eine Grenzstation: Was ich ihm riete, wohin man nachmittags gehen solle? In den Tiergarten? – Gewiß, dazu könne man wohl raten …
Gewiß, dazu konnte man ihm raten! Ich überlegte nur noch, ob ich ihm nicht gleich auch meine Begleitung anbieten sollte! – Ach, blödes Gedächtnis, wie war es nun sofort bei der Hand! Zeigte mir ein Bildchen, legte es vor mich hin: weiß und rot gedeckte Tische, in Reihen unter regelmäßig gepflanzten Bäumen – Musik flattert durch die Äste der Bäume – Sonne spaziert mit großen runden Tapfen auf den sauberen Kiespromenaden – und über alles verstreut wie bunter Perlzucker, auf den Wegen, vor den beiden Musikpavillons, um die Tische herum, liebliche Menschheit, Seidenstrümpfe, leichte Sommerfähnchen, Kavaliere mit ausgewählten Krawatten – man macht ein bißchen mit, indem man andere machen sieht, zuschaut, wie sie dem Konzert zuhören, Kaffee trinken und auf Promenaden immer im großen Viereck vorwärts geschoben werden, von ihrer eigenen Wohlgefälligkeit ergötzt – und indem sie flirten, flirtet man ein bißchen mit –. Und deutlich las ich vor mir auf dem hellen Tischtuch:
TIERGARTEN
Heute Mittwoch nachmittag Doppelkonzert
„Da ist heute Konzert …“, murmelte ich noch, während der Herr schon gar nicht mehr auf weitere Mitteilungen wartete, sondern aufstand, den melodramatischen Hut ergriff und mit ihm sich höflichst verbeugte.
Gott, wirklich, warum war ich nicht längst einmal wieder dort gewesen, jetzt, wo ich es konnte? – Wie es einem häufiger geschieht, als man denkt: durch ein kleines Segelkommando, das man sich unbemerkt selber gibt, erhält man eine andere Richtung, und unter Verzicht auf jede ehrenhafte Rechtfertigung vor der Logik sieht man alles von der anderen Seite und tut das, was man ebensogut auch für unmöglich erklären könnte. – Er hatte mir doch damals recht gut gefallen, dieser Tiergarten, wo Amüsement und Belehrung sich so nützlich ‚zum Vergnügen der Einwohner‘ verbündeten – damals am Tage meiner Ankunft in dieser Stadt, einem pflichtlosen Tage des Überganges, als ich, meinen neuen Vertrag für Rußland in der Brieftasche und den wertbeständigen Spesenvorschuß daneben, durch die Straße bummelnd, von einer Seitenpforte her absichtslos in dieses Etablissement geriet – und dort Vorzüge einer Provinzstadt entdeckte, die mir ganz entschwunden waren, der damals aus Berlin kam.
So gelangte ich an einem Septembernachmittag bei schönem Wetter zum zweiten Male in den städtischen Tiergarten. Und es ging alles so, wie man erwarten muß.
Unter Kastanien, die schon braunes Kinderspielzeug auf die Tische knallten, unter grünen Wölbungen, in denen die blassen Kugeln der Bogenlampen wie zu groß geratene Früchte hingen, saß ich da in meinem neuen Anzug und trank Kaffee. Und es war angenehm warm, und Musik war da und Kaffeeduft und Leute, die immer herummarschierten, immer im Viereck.
Ich saß am Rande des Stromes. Meine Blicke blieben haften und wurden mitgezogen, sprangen zurück, hafteten wieder. Durch die Lücken der Promenierenden fielen sie auf eine spiegelnde Teichfläche, welche die Gartenverwaltung etwas zu unruhig, wie mir schien, mit exotischen Enten verziert hatte. Ich bestätigte meinen Beschluß von heute mittag, klopfte mir gewissermaßen selbst auf die Schulter.
Nach einiger Zeit jedoch stellte ich fest, daß die Gesellschaft diesmal – nein – n–e–i–n! nicht das war, was ich in Erinnerung hatte. Vielleicht war ‚man‘ noch nicht zurück. Von der Sommerreise, vom Strand. Jedenfalls konstatierte ich mit Mißmut, daß die Besetzung mäßig war: zu viel Frauen, die mit den verantwortungsvollen Freiheiten der neuen Mode Mißbrauch trieben.
Schließlich versöhnte mich halb ein junges Paar, das in fröhlichem Liebeseinverständnis, wie unter unsichtbar machendem Gehäuse, im Strom der Wandelnden trieb. Er, flott, selbstbewußt, einer von diesem neuen, rasch avancierten Geschlecht, kaum älter als sie – sie, ein bräunliches Tier des Waldes in Farbe und Schmiegsamkeit, einfach gekleidet, aber mit Geschmack.
Es machte mir Spaß, die beiden mit den Augen zu begleiten, sie verschwinden und auftauchen zu sehen. Ich stand sogar auf und vertrieb mir die Zeit damit, ihnen unauffällig zu folgen, freute mich an dem Mädchen, wartete, wann ich ihm umkehrend ins Gesicht blicken würde. Es war nichts anderes als die Freude an einer schön gediehenen Blume. Indes, nach einiger Zeit ermüdete mich dieses Spiel, und ich zog mich aus dem Strudel. Wanderte, indem die Musik allmählich zu einzelnen Tönen der stärkeren Instrumente verperlte, jetzt verlassene Promenadenwege, gelangte in den Bereich der vereinsamten Käfige und Gehege und nahm schließlich Platz auf einer Bank gegenüber den Gazellen, deren lebensmuntere Sprünge mich jedoch quälten, – und litt. Wußte auf einmal sehr genau, daß ich in ungestandener Sehnsucht gekommen war. Daß ich mehr gesucht hatte als Sonne, Kaffee, Musik und gut angezogene Menschen. Und war im selben Augenblick vollkommen darüber aufgeklärt, daß ich unsäglich töricht gewesen war, auf diesem Wege etwas zu suchen, was ich hier niemals finden konnte, species homo wie ich.
Ja, warum war ich überhaupt immer wieder so hoffnungslos vereinsamt? So ohne irgend etwas für die Departements des ‚Gemüts‘? – Es wurde eine lange Unterredung, in die ich, auf der Bank sitzend, das Kinn auf die Stockkrücke gestützt, mich selber zog. Sie endete mit Absolution in betreff der Vergangenheit und abermaliger Vertröstung auf die Zukunft: es handelte sich nur darum, den Wechsel gerade jetzt noch einmal zu prolongieren. Denn gerecht beurteilt, stand ich doch jetzt an dem ersten brauchbaren Anfang.
Nachdem ich mir dies eingeredet hatte, wollte ich befriedigt nach Hause gehen, blieb aber noch einige Minuten träumend sitzen. Jetzt könnte mein Freund mit dem merkwürdigen Hut vorüberkommen, dachte ich – er sieht sich den Garten an – er erkennt mich wieder – wir begrüßen uns – nun stehe ich auf, stelle mich vor und begleite ihn ein Stück – wir beginnen ein Gespräch – es ist ein interessanter Kauz, der weit herumgekommen ist, kein Kaufmann von der zweidimensionalen Sorte, ein Mensch, mit dem sich etwas reden läßt …
Die reinen Hungerphantasien. –
Ich stand auf und ging.
Aber nun ging ich doch noch einmal zum Restaurant und zur Musik zurück und durch die Tischreihen, um wenigstens den Versuch zu machen, ihn zu treffen: wenn ich ihn sah, würde ich ihn fragen können, wie es ihm gefalle, so ganz selbstverständlich, und wir kämen ins Gespräch … Aber ich entdeckte ihn nicht.
Dagegen entdeckte ich Frau Ellmers.
Das war freilich höchst überraschend. Frau Ellmers war die Gattin eines Kameraden von mir, der im Kriege gefallen war – und mit dem ich sehr befreundet gewesen war. Ich hatte sie seit damals nicht mehr gesehen.
Also, auf einmal, während ich einen Augenblick stehenblieb, auf meinem Gang durch die Tische, weil der Zeitungsverkäufer mir im Wege stand, hörte ich ihre unverkennbare Stimme, eine klare Frauenstimme, die dem Kellner eine Bestellung machte. Ich blickte über die Schulter hinweg und sah, daß sie es wirklich war, unbestimmt verändert, aber frisch wie je. Ich stand plötzlich vor ihr. Sie sprang auf, wir begrüßten uns mit beiden Händen.
„Gott, daß Sie hier sind!“
Ich setzte mich zu ihr, bestellte noch etwas, und wir erzählten. Sie war noch genauso lebhaft. Ihr Mann war von meiner Crew gewesen, und als er sich während des Krieges verheiratet hatte, ging ich bei den beiden aus und ein – bis ich nachher nach Flandern kam. Ellmers ging dann im letzten Kriegsjahre unter. Nun erzählte sie mir, daß sie Medizin studiere. „Natürlich Medizin.“ Doch, davon hatte ich noch gehört. Sie wohnte hier bei Verwandten, wo sie es natürlich billiger habe als in irgendeiner anderen Universitätsstadt. Leider habe sich diese Möglichkeit erst jetzt ergeben. Und auch der Junge sei hier besser aufgehoben. Ach ja, der Junge –! Wie es dem denn gehe? – „Gut. – Er ist jetzt neun Jahre alt.“ –
Sie hatte das Abitur nachgeholt, und nun hatte sie schon sechs Semester. Und sah immer noch so aus, als wäre sie bereit, von der Rahe ins Wasser zu springen, was sie damals mit Vorliebe tat. – Die Haare hatte sie sich abschneiden lassen. Richtig, dort saß die Veränderung. Sie hatte den Hut neben sich auf den Stuhl getan. Ihr Haar lag glatt um den Kopf im Herrenschnitt, eine Kühnheit damals, helles, strähniges, etwas hartes Haar. Nun, sie konnte ihre kleinen Ohren schon zeigen. Die ganze Erscheinung hatte dies Straffe und Saubere, das ihrem Wesen entsprach. Sie trug ein schlichtes graues Kleid, am Halse mit einem kleinen Kragen geschlossen, sehr männlich. Gott, wie alt mochte sie wohl jetzt sein? Ich kam auf achtundzwanzig, – vielleicht sogar dreißig. Kein Alter heute, wo wir alle jünger geworden sind, die Kriegsjahre abrechnen und gleich doppelt – wie eben Kriegsjahre doppelt zählen.
Sie erzählte noch etwas von ihrem täglichen Leben, und dann forschte sie in mich hinein. So als wäre sie noch ein bißchen verantwortlich für mich, von früher her. Und ich grub aus. Es war mir noch so zur Hand von vorher: meine Enttäuschungen, diese Einsamkeit. Zu wohltuend, vor ihren klaren Augen so etwas auszubreiten. Klar waren diese graublauen Augen, klar und fast etwas kühl, aber vertraueneinflößend – das Kühle war wohl erst hineingekommen – und eine Falte leisen Spottes war immer bereit, rasch über die Augenwinkel zu huschen.
Sie war wirklich eine famose Frau. Und wie es ihr Freude machte, mich wiederzusehen! Sie sagte es geradeheraus. Jetzt erzählte ich ihr schon Dinge, die ich ihr früher niemals anvertraut hätte. Solch ein unerwartetes Wiedersehen mit einem befreundeten weiblichen Wesen schließt einen ja auf wie einen alten Schrank: beide Türen öffnen sich gleich. Nun hatte ich ihr schon gebeichtet, daß ich nur einmal, in meiner Marinezeit, ernstlich in die Versuchung gekommen war, mich zu verloben. Aber damals hätte ich schon in meinen Berufskonflikten gestanden und mich deshalb wieder zurückgezogen. Und dann im Krieg? nach dem Kriege? oder jetzt? Na, kurz gesagt, ich möchte mich niemand präsentieren. Außerdem, von fremdem Gelde zu leben, das verschiebe das Gleichgewicht. Im übrigen – reine Theorie. Sie lachte, meinte dann aber, zum Lachen sei das doch eigentlich nicht. Sie für ihre Person, um mit gleicher Offenheit zu danken, könne diesen Unabhängigkeitsstolz recht gut verstehen. Sie sei sehr glücklich über den Fußbreit Unabhängigkeit, den sie sich schon erobert habe, und sehne sich leidenschaftlich nach dem Tag, wo sie ganz selbständig sein werde. Freilich, vielleicht wäre es nur ein Surrogat. Und ohne den Jungen –? Sie graue sich vor der Zeit, wo er sie einmal nicht mehr brauche. Ob ich Romain Rolland gelesen hätte, „Mère et fils“ –?
Das brachte uns auf weniger kritische Dinge. Ich erzählte ihr, wie mein Tag hinging, sogar von meiner Tätigkeit erzählte ich ihr. Daß ich dazu nun auf einmal Lust verspürte!
Dann sprach sie vom Studium, und wie sie die Fächer hier besetzt gefunden hätte; am meisten gefalle ihr Wesius, Professor Wesius, der Kinderarzt. Ob ich ihn kenne? Er hätte solch eine prachtvolle menschliche Art. Sie könne verstehen, daß ein Mann glücklich sei, der so Positives vor sich bringe. Man fühle die Befriedigung. Ob ich nicht Lust hätte, ihn einmal zu hören? Ja, das müsse ich tun. – Er halte jetzt in den Ferienkursen ein klinisches Praktikum. Sie sagte mir, wann und wo es stattfinde, und ich versprach, einmal zu kommen.
Ich bezahlte. Nein – ich wollte bezahlen. Ich wollte für das Vergnügen etwas opfern und sie solle doch nicht so –. Darauf brachte ich sie nach Haus, sie wohnte nicht weit, und auf einem Umwege wanderte ich dann selbst gemächlich nach meiner Behausung. Von fern klang noch die Musik. Es war warm, ein ruhiger Abend mit gelbem Westhimmel. Doch immer besser, etwas unternehmen als so dasitzen …
Natürlich ging ich hin, nämlich zu Professor Wesius. Ebenso natürlich, erst nach einigen Anstandstagen, gelegentlich. Drückte mich unsicher mit den letzten Studenten eine schmale dunkle Treppe hinauf, dann durch eine Tür und sah mich plötzlich hoch über einem amphitheatralisch – mit steil ansteigenden Rängen, ohne Parkett – angelegten Saale, der fast voll war. Einige Stühle waren schon herbeigeholt und in den engen Raum der Arena gezwängt, wo ein Katheder, ein Demonstriertisch und einige bedrohlich blickende Instrumente auf den Dompteur warteten.
Ich warf einen raschen Blick von der hohen Brüstung hinab in die Zuschauermenge und entdeckte unter den vielen Scheiteln Frau Ellmers’ hellen glücklicherweise sofort. Ziemlich tief unten, in der zweiten oder dritten Reihe. Ich kletterte hinab, sie sah sich auch gerade um, nickte mir zu, winkte mich neben sich auf einen frei gebliebenen Platz und fand mich nett, weil ich gekommen sei, und nahm es wirklich ganz selbstverständlich auf. Mir schien, für einige Sekunden waren wir das Schaustück des Theaters.
„Kann einem hier vorn nichts passieren? Daß man etwa gefragt wird?“
„Unsinn!“
Ich suchte mich durch legeres Benehmen auszuweisen.
Übrigens erwarte mich noch eine kleine Extraüberraschung. Fräulein Malzach sei auch hier, Dora Malzach, die jüngere Schwester ihrer Freundin. Ich hätte sie in Kiel ein paarmal in ihrem Hause getroffen. Damals wäre sie noch in die Schule gegangen. Ob ich nicht wisse: wir hätten immer so viel Spaß an ihr gehabt, an ihrem furchtbaren Ernst und ihrer Verschlossenheit. Geradezu besessen von ihren Ideen und so fohlenhaft spröde sei sie immer gewesen. Studiere auch Medizin – „Was denn sonst?“ (Seufzer.) Eigentlich habe sie hier noch gar nichts zu suchen, aber zu dem Ferienkurs habe sie Wesius anscheinend zugelassen. Sie gehöre zu denen, für die es nichts anderes gebe, den Verbissenen, den Ehrgeizigen, die ja auf keinen Fall sich der Kritik aussetzen wollten, sie blieben hinter etwas Männlichem zurück – im Gegensatz zu den Modestudentinnen. Ein Drittes komme ja anscheinend nicht vor.
Zwischendurch zeigte sie mir, wo Fräulein Malzach saß. – Professor Wesius ließ auf sich warten. – „Etwas weiter oben. Neben dem Studenten mit den roten Haaren. Übrigens auch ein gescheiter Junge. Ich glaube, sie arbeitet immer mit ihm zusammen.“
Ich blickte mich um. Ich kannte Dora Malzach ganz gut wieder.
„Erzählen Sie mir mal lieber, was jetzt hier kommt.“
Aber ehe mir Frau Ellmers Auskunft geben konnte, traten durch das doppelt geöffnete Tor zwei weißgekleidete Gestalten herein und drückten Silentium auf alle Ränge.
„Der zweite ist nur der Diener – zur Sicherheit“ – flüsterte mir Frau Ellmers noch zu, und das war nicht unbegründet: denn an Würde der Haltung, an Jovialität des ganzen Gepräges war er dem ersten ebenbürtig, an Embonpoint überlegen.
Der erste, Professor Wesius, begann nun seinen Vortrag, nachdem das sehr ahnungsvolle Objekt seiner Darbietungen, ein zweijähriges Kind, hinter ihm in weißlackiertem Eisenbett hereingerollt worden war. Doch sprach er nur ein paar scherzgewürzte einleitende Worte. Dann trat er, wie er sagte, einem jüngeren Kollegen den Vortrag ab, der sich mit diesem Falle liebenswürdigerweise näher beschäftigt habe und die Krankheitsgeschichte darstellen werde. Der vorgerufene Studiosus vermochte jedoch dieser glanzvollen Einleitung nur recht wenig zu entsprechen. Die Szene wurde peinvoll für die Zuschauer. Er brachte nur ein paar sehr allgemein gehaltene Erwägungen heraus, die offenbar mehr der Tiefe seiner augenblicklichen Verlegenheit als profunder Kenntnis des Falles und allgemeiner Fachkenntnis entstammten. Wesius nahm, während jener noch neben ihm stand, das Wort zurück, und in einer geschmeidigen, aber geradezu maliziösen Art trug er unter wörtlicher Benutzung der Ausführungen des Studenten seine eigene Meinung vor, indem er dessen Worte je nach Bedarf auslegte, ergänzte oder durch einfache Negation in ihr Gegenteil verkehrte.
„Ich danke Ihnen, Herr Kollege.“
Dann sprach er freier, lebhaft, warm, die Hand leicht auf den Rand des Bettes gestützt, ganz unlehrhaft. Gute Sache das in der Tat, so im lebendigen Stoff zu schalten!
Währenddessen fiel mir Fräulein Malzach wieder ein, und ich drehte mich noch einmal langsam nach ihr um. (Wozu war ich hier –!) Also das war nun aus ihr geworden! – Sie war ganz vertieft, wie es schien. Ein gesammelter Kinderernst lag auf ihrer Stirn, eine Strenge, die im Widerstreit mit dem weichen Rund ihres Gesichtes stand. Sie schien mir in irgendeiner Weise nicht ganz hierher zu gehören. –
Plötzlich mußte ich an etwas sehr Entferntes denken. An Laboe. An ein sehr unangenehmes Erlebnis dort. – Laboe ist das nächste Seebad bei Kiel. Ich wollte mich mit Ellmers dort treffen. Ich war vorausgefahren und hatte einen Zusammenstoß mit einem Fischer, der mit seinem Boote am Strand lag. Als ich ankam, hatte man gerade ein Segelboot entdeckt, das gekentert war. Es war eine grobe See –, die Sache ging nachher auch schlecht aus. Ich wollte, der Fischer sollte mit mir hinausfahren oder mir das Boot lassen, aber er weigerte sich. Ich griff zu. Der Mann schlug tatsächlich auf mich ein, und es kam ihm noch jemand zu Hilfe. Ich war nicht in Uniform, es entstand eine regelrechte Prügelei. Darüber wurde es dann zu spät –. Das Blut tropfte mir vom Ohr und von der Backe. –
Und jetzt wußte ich auch, warum mir diese Geschichte hier wieder einfiel: als dann Ellmers gekommen waren, hatte Fräulein Malzach sie begleitet, Dorothea Malzach, wie sie genannt zu werden verlangte. – „Wenn ich doch so getauft bin!“ – Wir hatten uns lebhaft darüber unterhalten, was sie nach dem Abitur anfangen werde. Denn sie hatte gerade durchgesetzt, daß sie noch auf das Oberlyzeum gehen dürfe oder irgendsoetwas, um später studieren zu können. Ihr Vater war Justizrat in einer holsteinischen Mittelstadt. Es hatte sie Mühe gekostet, diese Entscheidung durchzudrücken. Sie glühte noch von dem Feuer, das dieser Kampf in ihr entfacht hatte, und es war spaßig zu sehen, wie die Glut ihrer inneren Erregung bei ihrer wortkargen Art sich in einzelnen Eruptionen Ausgang verschaffte. Spaßig und doch auch wieder sehr ernst. – Für mich war es eigentlich das erstemal, daß ich richtig begriff, daß nun auch ‚das junge Mädchen‘ ‚ins Leben hinaustrat‘, Beruf wählte, von der Schule ‚ins Leben stürmte‘ –. Und mit was für einem Atemdrang der Freiheitssehnsucht – wie ich hier sah! Dagegen waren wir Jungens ja die reinen Snobs gewesen. Es war, als ob sie für ganze Generationen von Frauen nachholen müßte. – Und ich weiß auch noch, daß ich dachte, es könnte verlocken, dies einmal lebendig mitanzusehen: wie das zuginge und was dabei herauskäme. – Na ja, nicht viel Neues, wie sich nun zeigt: Ehrgeiz, blöde Lernwut, Examensjagd.
Natürlich, im Vergleich mit Fräulein Malzach, wie sie da saß, war Frau Ellmers’ Erscheinung nicht mehr eigentlich mädchenhaft. Von Realitäten nachgefeilt. Aber schließlich heißt das doch verfeinert. Und ihre Augen, diese klaren grauen Glasperlen, konnten keine Jahre angreifen. – Ich machte mir das Vergnügen, mich darauf zu besinnen, daß ich mich in Kiel einmal für sie interessiert hatte. Aber mehr objektiv: mich interessierte die Ehe meines Freundes, die Ehe mit dieser Frau, als Experiment sozusagen – mit nicht geklärtem Ergebnis. – Ja, über all so was nachzudenken hatte ich in diesem Kolleg die Muße.
Professor Wesius sprach indessen über die Folgen verspäteter Serumbehandlung bei Diphtherie.
Dann wurde ich auf unerwartete Weise veranlaßt, mich noch einmal mit Fräulein Malzach zu beschäftigen. Ein anderes Bett mit einem bläßlichen, diesmal etwas älteren Kinde wurde hereingeschoben, und – jetzt bereute ich doch, daß ich gekommen war – Fräulein Malzach ‚kam dran‘. Glücklicherweise konnte sie mich noch nicht bemerkt haben. Nun stützte ich meinen Kopf tief in die Hand. Ich empfand wieder: diese unmittelbare, diese geradezu entblößende Konkurrenz der Geschlechter im Hörsaal und Examen war doch aus der Nähe gesehen keineswegs reizvoll, sondern nur peinlich. Übrigens wurde Fräulein Malzach von Professor Wesius auf eine Art empfangen, die mindestens sonderbar war:
„Meine Damen und Herren“, sagte er, „die junge Dame, die ich mir erlaubt habe, die urbinatische Prinzessin zu betiteln, la principessa“ – rollte er – „wird uns einiges aus der Anamnese berichten und uns dann ihre eigene Diagnose mitteilen, wozu ich sie ermuntert habe, und ich bin gewiß, sie wird uns nicht enttäuschen … wenn sie uns heute auch nicht das Vergnügen gemacht hat, das Kleid anzulegen, das ihr jenen schönen Beinamen mitverschafft hat. Ich sage ‚mit‘, und ich bitte, das nicht zu überhören.“
Fräulein Malzach, die diese Ansprache, schon unten am Bett stehend, die eine Hand um den Messingknopf eines Pfostens geschlossen, an sich hatte abfließen lassen, fügte an dieser Stelle, den unteren Reihen deutlich genug vernehmbar, ein gelangweiltes: „Ich meine, nun wäre es genug!“ ein und begann damit ohne weitere Aufforderung ihren Vortrag. Es war nicht zu verkennen gewesen, daß die absonderliche, ja geradezu taktlose Auszeichnung, die ihr Wesius hatte zuteil werden lassen, der überlegenen Bonhomie eines alten Kavaliers entsprang, der glaubte, sich solche Freiheiten gegenüber dem weiblichen Geschlecht herausnehmen zu können, wo es nun einmal unbedacht genug war, auf gleicher Diele mit den Studenten vor sein Katheder zu treten. Keinesfalls konnte sein Benehmen verletzen. – Fräulein Malzach trug indes, was sie zu sagen hatte, mit einer betonten Nichtachtung des Auditoriums vor, den Professor eingeschlossen. Sie redete gewissermaßen für sich. Es schien auch, als ob sie absichtlich eine nachlässige, schnoddrige Ausdrucksweise wählte, bei der sie Fachworte durch Worte aus dem täglichen Leben ersetzte, wie wenn sie sich so über die Arcana der Wissenschaft lustig machen wolle. Im übrigen kam, was sie sagte, offenbar aus überlegener Stoffbeherrschung, sie sprach sicher und flüssig.
Professor Wesius entließ sie mit einer ritterlichen Verbeugung. Er begann, von ihrer Ablehnung unberührt:
„Meine Damen und Herren! Sie haben gesehen, daß ich das gnädige Fräulein nicht ohne Berechtigung in mein besonderes Interesse aufgenommen habe –.“
Er redete weiter über Kinderlähmung, wozu dieser Fall Veranlassung gab. – Durch das einzige, große Fenster, das vom Fußboden bis an die hohe Decke hinaufstieg, sah man die feierlichen alten Kastanien draußen im Klinikgarten. Der große Zeiger der Wanduhr war schon über die XII hinausgewandert. Wesius redete noch immer. Ein geheimnisvoller Akt begann. Der bedeutende Diener schlich hinter dem redenden Chef an das Pult, entnahm ihm ein Etwas und legte oder stellte es verborgen Wesius vor die Augen. Wesius hörte auf. Scharrende Bewegung. Aufstand.
Das Ganze hatte mich doch interessiert. Es war anders als bei uns. Noch lebensnäher.
Frau Ellmers wandte sich lebhaft nach mir um, während wir noch in den engen Bänken standen und die anderen vorausgehen ließen:
„Er ist gut, nicht? Wenn er auch seine Ungezogenheiten hat.“ Und gleich im Anschluß daran: „Jetzt müssen Sie noch Fräulein Malzach Guten Tag sagen. Aber, um Gottes willen, keine Elogen!“
„Legen Sie Wert darauf? Mir ist das peinlich. – Wozu?“
„Es ist doch gar nicht zu umgehen.“
Richtig, wir liefen oben mit Fräulein Malzach zusammen, als wir die steilen Ränge hinaufgekommen waren. Die Begrüßung fiel freundlich-gleichgültig aus. Doch fragte sie mich auf der dunklen Treppe, wo ich im Gedränge neben ihr ging, wie es mir ergangen wäre, mit einer Altstimme, die ein angenehmes Gefühl bereitete.
Zu dritt standen wir noch eine Weile vor der Tür, während die anderen Hörer an uns vorbeiliefen. Ein Eindruck, den ich vorhin schon gehabt hatte, wurde mir bewußt: so unter diesen nun auch die. – Vielleicht lag es nur an dem ein klein wenig kindlichen Schnitt des lachsroten Kreppkleides, das sie gerade trug, vermutlich auftrug: es verband sie mit einem sorgenden Zuhause, als spräche jemand die Worte „liebes Kind“ über sie. –
Ich wußte nicht recht, wie ich mich verhalten sollte. Ich hatte vorgehabt, Frau Ellmers zu einer kleinen Ausschweifung zu verleiten. Aber zu dritt? Schließlich erklärte ich ganz offen, ich fände es schade, hier zu stehen, der Rest dieses schönen Vormittags sei geschaffen zu einem kleinen Lunch …
„Lunchen Sie oft?“ fragte Fräulein Malzach gedehnt. „Ich liebe nämlich dieses Wort nicht.“
Aber Frau Ellmers beredete sie mitzukommen. Es ließ sich ja auch nicht gut anders machen. Fräulein Malzach steckte zwar ein „Muß es sein?“ dazwischen, ging aber mit. (Natürlich.)
Auf der Ritterstraße war so viel Verkehr, daß ich hinter den beiden Damen hergehen mußte. Man konnte sich wieder an Frau Ellmers freuen. Immer nach der neuesten Mode! Wie sie es eigentlich fertigbrachte? – Gegen ihre Zierlichkeit wirkte Fräulein Malzach, die größer und von kräftigerem Wuchs war, wie noch nicht ganz aus dem Material herausgearbeitet. Aber sie hatte einen guten Gang, der mich an den biegsamen Stolz in der Haltung des Tieres erinnerte.
Bei Kästner waren wie immer alle Tische besetzt. Aber oben auf dem Balkon, der sich um den Garten zieht, ist es ja auch viel schöner. Man sitzt frei in der Nachbarschaft der Baumkronen und kann auf die anderen Gäste hinabblicken. Fräulein Malzach meinte: „Müssen wir dort hinauf?“
„Ja, wir müssen!“ sagte ich etwas ärgerlich. Und doch war ich nicht wenig stolz auf meine ansehnliche Gesellschaft. Ich zählte die Blicke, die uns begleiteten.
Als wir Platz genommen hatten, wollte Fräulein Malzach nicht einmal Kaffee haben und saß mit verkniffener Lippe neben uns, angeödet oder störrisch – ob man nun von der Dame oder vom Kinde ausgehen wollte. – Erst als sich herausstellte, daß es noch Kirschtörtchen gab, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit, erklärte sie dies lebhaft für „schick“ und bestellte. – Frau Ellmers dagegen lobte meinen Einfall und zeigte überhaupt den liebenswürdigen Willen, alles schön zu finden. Sie sprach in ihrer lustigen, oft sehr geraden Art, die mich immer in Verlegenheit brachte und die ich doch liebte. Von Vergangenem und Gegenwärtigem, mit leichtem Spott über sich selbst. Fand, daß man ihr überall entgegenkomme, die Assistenten, sogar die Professoren. Fräulein Malzach griff plötzlich ein: das sei doch das mindeste, was man erwarten könne. Sie sei ja auch hier wieder schwer enttäuscht. Überall fehle diesen Menschen die Würde, die ihr Beruf ihnen eingeben sollte. Sie werde nicht mehr zu Professor Wesius gehen, wenn das nicht aufhöre. Morgen werde sie ihn aufsuchen und es ihm sagen. – Sie zog die Unterlippe ein nach dem Sprechen. Jetzt von nahem und unter dem Hut, den sie tief über die Stirn herabgezogen hatte, wie das die vernunftwidrige Mode vorschrieb, bekam ich einen anderen Eindruck von ihr als vorher: sie war eigentlich nicht hübsch. Ihr Gesicht war in der unteren Partie breit und fast zu fleischig, der Mund gezwungen, das Kinn sehr energisch, freilich von unten her wie durch ein freundliches Tal geteilt, und über diesem Gesicht standen ausladende Dächer dunkler Wimpern, die verborgene Weichheit beschirmen konnten, und schmal gezeichnete dunkle Augenbogen. Ihre Hautfarbe war bräunlich, und auch die Iris ihrer Augen schien dazu zu stimmen, aber unerklärlich kam es blond unter der schmalen Hutkante hervor, ein leuchtendes, farbiges Blond. Dieser Kontrast beschäftigte mich. Ich war gierig genug, zu sagen:
„Wollen Sie nicht auch den Hut absetzen? Ich kann ihn hier auf den Stuhl legen.“
Sie schüttelte nur mißbilligend den Kopf. Irgendeine Respektsstellung mit Rücksicht auf unseren Altersunterschied und den Umstand, daß ich sie schon als Schulmädchen gekannt hatte, räumte sie mir wahrhaftig nicht ein.
Die Unterhaltung begann zu stocken, und also fing ich an, von den Ausflügen zu berichten, die ich im Sommer an den Sonntagen gemacht hatte – da ich doch auch etwas beitragen mußte. Das interessierte Fräulein Malzach klagte, daß die alten Leute, bei denen sie wohne (Korpsbruder ihres Vaters), immer nur nach Arnau führen, und gerade Arnau, diese Versammlung von Restaurationen, sei ihr verhaßt. Sie hätte noch nichts anderes zu sehen bekommen, obwohl sie seit vier Wochen hier sei! – Ich meinte, dem lasse sich abhelfen, nämlich, indem wir alle zusammen einmal hinausgingen. Dieser Vorschlag, der mir selbst überraschend gekommen war, fand Beifall auf allen Seiten. Sofort wurde mir meine Bestallung als Reisemarschall ausgefertigt. Schon für den kommenden Sonntag erhielt ich Auftrag und sollte beide Damen rechtzeitig von meinen Plänen benachrichtigen. Wir bezahlten dann bald, ein jeder peinlich für sich, und trennten uns am Gitter des Gartens. Die beiden Damen gingen rechts herum, um noch Besorgungen zu machen, wie sie erklärten. Ich nach links, in der Richtung auf die Brücke zu und nach meiner Wohnung. Ich kam mir ganz großartig vor. Ich hätte beide Hände in die Hosentaschen stecken und pfeifen können.
Da hatte man also wirklich einmal wieder etwas, worauf man sich freuen konnte. Die Bücherei schmückte sich für einige Tage mit den bunten Bildern meiner Phantasie, wie mit lustigen Modeblättern, auf denen Herren und Damen in Freilichtszenen ihre Sportkostüme zeigen. Mochten die beiden mich nehmen, wofür sie wollten, meinetwegen nur für den Kavalier, in dessen Begleitung man Lokale betritt, die man allein nicht gern aufsucht, für mich war es immer einmal etwas anderes, und auf irgendeinem Wege würde es schon zu einer Fortsetzung führen.
Aber am Sonnabend war schlechtes Wetter, und wir sagten einander ab. Am nächsten Sonntag war Frau Ellmers durch eine Einladung verhindert, am Sonntag darauf war wieder unmögliches Wetter: der Herbst eröffnete sein Saisongeschäft. Da gab ich es auf. Ich hatte immerfort am Fernsprecher gehangen, ich machte mich lächerlich.
September war vorüber, Oktober voll im Zuge. Über dem vielen Warten hatte ich glücklich auch die rechte Verbindung mit Frau Ellmers wieder verloren und überlegte, ob ich sie einmal aufsuchen könne.
Gelegentlich traf ich Fräulein Malzach in der Nähe der Kliniken. Sie war voll der Dinge, die sie gerade gehört hatte. Das Studium beschäftigte sie wirklich sehr. Sie wendete sich an mich mit selbstverständlicher Vertraulichkeit (die mich fast einschüchterte), um mir einige bestimmte Fragen aus dem Bereich der Biologie vorzulegen, die ich gar nicht so rasch beantworten konnte –, worüber sie geradezu betrübt war. Dann kamen wir auf unseren Ausflug zu sprechen. Daraufhin setzte ich für den nächsten Sonntag noch einmal alles in Gang. Aber als ich am Sonnabendabend, um die letzte Absprache zu treffen, zuerst Fräulein Malzach anrief, teilte sie mir mit, daß Frau Ellmers wieder nicht könne. Sie sagte es in einem uninteressierten, langsamen Tonfall, der mich etwas kränkte, so daß ich ohne eigentliche Überlegung zurückgab:
„Ja, können wir dann nicht allein gehen?“
„Glauben Sie, daß das einen Sinn hat? – Ich meine, ob wir uns vertragen werden?“ – Sie sagte auch das gedehnt, etwas gelangweilt und so, daß es schien, als ob es ihr ernst wäre mit dieser Frage. Ich ärgerte mich darüber.
„Warum sollte das nicht sein? Selbstverständlich hat das Sinn!“
„Na, dann gut.“
Die Sache war abgemacht. – Als ich abhängte und mir den Fall überlegte, zweifelte ich, ob ich nicht eben diesen Gang der Dinge seit einer Woche gewünscht hatte – obwohl ich auch jetzt noch nicht recht wußte, was ich mir davon versprach. Sicherlich lockte mich das Unternehmen von seiner naturwissenschaftlichen Seite – so einmal einen Blick in eine Seele zu tun, die in einem sehr deutlichen Grade schon einer anderen Zeit angehörte. – Ich war nicht ohne Sorge, wie es gehen würde.
Als ich am nächsten Morgen, im Sportanzug und bewaffnet mit meinem alten Eschenstock, von der Elektrischen absprang und zum Bahnhof hinüberging, sah ich sie schon unter den Bogen der Vorhalle warten, beide Fahrkarten in der Hand, Rucksack auf dem Rücken, eine Tüte mit Obst, anscheinend auf dem Wege noch eingekauft, unter den Ellenbogen geklemmt: ich mußte sie loben. Sie erwiderte nichts. Der Himmel war grau, und das Pflaster auf dem Bahnhofsplatz glänzte. – Das Wetter mache ihr nichts, sie sei auf Regen eingerichtet. Wahrhaftig, das war sie. Sie hatte eine vollkommen verfärbte und verknüllte Windjacke an, unter der ein blauwollenes Strickkleid nur mit dem Rocksaume zur Geltung kam. Oben auf dem Kopf eine Lederkappe, die war schlimm. Ungeheuer sachlich stand sie da.
Ich wäre gern in einem Abteil mit ihr allein gefahren, aber es ließ sich nicht einrichten. Wir mußten einen jungen Mann mit in Kauf nehmen, der über Sonntag zu seinen Verwandten aufs Land fuhr. Wir setzten uns ans andere Fenster, jeder in eine Ecke. (Gott sei Dank: sie reicht mit den Füßen auf den Boden, sie baumelt nicht.)
Fräulein Malzach erkundigte sich nach dem Wanderplan, ließ sich alles genau auf der Karte erklären und zeigte sich überhaupt in jeder Hinsicht belehrsam.
Als ich zum zweiten Male aufsah – der Zug lief schon weit im Freien –, strich Regen über die Fensterscheiben, und seine graue Schraffur legte sich wie Spinnengewebe über meiner Seele Fröhlichkeit. Fräulein Malzach erklärte, sie liebe solche feuchte Kühle: es wandere sich darin besonders gut. Und einstweilen saßen wir ja noch im trocknen und warmen Abteil, und hier produzierte sie ganz unerwartet eine Dosis Sonnenschein: sie zog die verregnete Kappe ab und entnahm der verschoßnen Jacke ein recht elegantes Täschchen mit Kamm und Spiegel, und flugs fuhr sie sich mit geübter Gebärde durch das Haar. Während dies Werk verrichtet wurde, guckte ich sie mir gründlich an. Sie sah ja wieder ganz anders aus: gut sah sie aus, geradezu gut! Unter dem Hut war eine hohe, aber sanft gerundete Stirn verborgen gewesen, deren braune Tönung von lichten Strähnen interessant gerahmt war. Darunter standen schmalgezeichnete, dunkle, gewölbte Augenbogen und der tiefe Glanz kaffeebrauner Augen. (In der rechten Braue sitzt eine kleine schmale weiße Narbe, fast wie ein aufgeklebtes Blatt der Margeritenblüte: dort muß sie einmal gestürzt sein.) Das Haar war schräg gescheitelt und ging in lokkeren Wellen auf beiden Seiten über die Ohren hinweg und vereinigte sich tief im Nacken zu einem breiten Knoten. Eine fast kühne Tolle über der Stirn belebte den Eindruck vorteilhaft. Keineswegs nur klug und energisch sah die junge Dame aus. Und irgendwo steckte etwas Keckes, ein kleiner lustiger Überschuß. (Manchmal plinkert sie ein bißchen und macht schmale Augen.) Ich verstand jetzt ganz gut (nach einem Blick in die Kunstgeschichte) den schmeichelhaften Namen, den ihr Professor Wesius verliehen hatte. Sie hatte schon einiges davon.
Indes wir weitersprachen, fuhr ich fort, sie verstohlen zu betrachten. Dieses Widerspiel der Haare, die blond, jedoch von einem getönten Blond waren, eigentlich mehr Gold als blond – obwohl Gold wieder etwas zu Blankes, zu wenig Warmes ist – mit den Brünettheiten von Haut, Brauen, Lidern, Augen war sonderbar, wirklich höchst reizvoll. Und das Sonderbarste war, daß diese reizvolle Erscheinung irgend etwas Unglaubhaftes hatte: Fräulein Malzach hatte eine Schönheit, von der sie keinen Gebrauch machte – vielleicht aus Mißachtung gegen uns Unwürdige keinen Gebrauch machen wollte. – Sie unterhielt mich schon wieder von der „Blastula“. Biologie und Zoologie waren die Gebiete, wo ich ihr augenblicklich etwas geben konnte – oder wo sie mich verwerten zu können meinte. Dazu kamen allenfalls noch politische oder wirtschaftliche Fragen, da sie nebenher Nationalökonomie hörte. – Währenddessen nahm ich zur Kenntnis, daß sie heute einen sportlich kurzen Rock trug, der einem schmucken Zwiegespann glatt gesattelter Beine bis an die Knie Freiheit gab. Daß über das rechte Knie eine Stopfnaht lief, der man es ansah, wie fern von mütterlicher Aufsicht sie gefertigt worden war, brachte mir die junge Dame nur menschlich näher.
Ich versuchte, dem Gespräch einen anderen Gegenstand zu geben, ich mußte einmal etwas anderes aus ihr herauskriegen. Ich zog die Morgenzeitung aus der Tasche und fand in der Literaturbeilage eine Abhandlung, in die ich schon auf der Straßenbahn geblickt hatte, einen Artikel mit der Schiller entlehnten Überschrift „Die Bühne als moralische Anstalt“.
„Hören Sie, was hier steht!“
Es war eine nicht uninteressante Variation über dieses Thema, angeregt durch ein modernes Stück, das seit einigen Tagen im Stadttheater gegeben wurde.
„Ich habe mir das nicht angesehen“, sagte sie kurz. –„Theater als moralische Anstalt – Schiller sollte einmal kommen und ihnen zeigen, was er darunter heute verstände: wie er die Dinge schreien lassen würde …“
Eine Erläuterung kam nicht. Anstatt dessen meinte sie: