Bryony Taylor, Oamela Yaye, Jennifer Snow, Kate Hofmann
TIFFANY EXTRA HOT & SEXY BAND 82
IMPRESSUM
TIFFANY EXTRA HOT & SEXY erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: kundenservice@cora.de |
Geschäftsführung: | Ralf Markmeier |
Redaktionsleitung: | Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.) |
Produktion: | Jennifer Galka |
Grafik: | Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto) |
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe TIFFANY EXTRA HOT & SEXY
Band 82 - 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2018 by HarperCollins Germany
Originalausgabe in der Reihe: TIFFANY EXTRA HOT & SEXY,
Band 82 – 2018 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2017 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Secret Miami Nights“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: KIMANI PRESS ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Johannes Heitmann
© 2017 by Jennifer Snow
Originaltitel: „Tempting Kate“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Victoria Werner
© 2013 by Peggy A. Hoffmann
Originaltitel: „The Mighty Quinns: Jack“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
in der Reihe: BLAZE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Sandra Roszewski
Abbildungen: Vasyl Dolmatov / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733753863
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL
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Eishockeystar Charles Bellamy sitzt nur widerwillig in der Jury der Back-Show. Bis er die sexy Kandidatin Tammy sieht. Schon bald verfällt er ihrem Charme. Aber will sie wirklich ihn oder nur seinen Ruhm?
Sie braucht nur sein Geld für ihre Stiftung. Doch dann verliebt Haley sich in Millionenerbe Ashton Rollins. In seinen Armen verbringt sie sinnliche Stunden. Bis sie sein dunkles Geheimnis erfährt …
Scott Dillon muss die Hochzeit seines Bruders unbedingt verhindern! Doch damit würde er die Karriere von Hochzeitsplanerin Kate zerstören. Und seine Chance, diese umwerfende Frau für sich zu gewinnen …
„Ich will sie küssen!“ Das schießt Jack durch den Kopf, als er die sexy Fremde am Flughafen sieht. Dann trifft er Mia unverhofft wieder – und kann sein Glück nicht fassen. Bis er erfährt, wer sie ist …
Blogeintrag VeganFairy.Foodblog.com
OMG, OMG, OMG …!
Meine lieben Cupcakes, ihr werdet niemals erraten, was mir passiert ist! Könnt ihr auch gar nicht – ich wäre selbst im Traum nicht darauf gekommen. Also, haltet euch fest: Eure VeganFairy wird bei der kommenden Staffel von Cake Wars teilnehmen.
Was, ihr wisst nicht, was das ist? Dann will ich euch mal kurz ins Bild setzen. Cake Wars ist eine Art Castingshow für Bäcker und Konditoren, die – wie sollte es anders sein – über den großen Teich zu uns herübergeschwappt kam.
Der Wettbewerb geht über insgesamt sechs Shows, von denen fünf aufgezeichnet werden und die sechste live ausgestrahlt wird. Insgesamt elf Kandidaten erhalten die Chance, ihr Können zu beweisen. In den ersten beiden Shows fliegen je drei Kandidaten raus. Von den restlichen sechs dann jeweils einer, bis im Finale am Ende noch die letzten drei übrigbleiben.
Dem Gewinner winkt ein eigenes Café und die tatkräftige Unterstützung der Juryvorsitzenden Phyllis Hunter!
Sagt ehrlich, ist das nicht abgefahren? Ich kann’s noch immer kaum glauben! Wer bin ich denn schon? Okay, meine Videos haben schon einige Klicks, aber dass so etwas bei einer großen Produktion wie Cake Wars jemandem auffallen würde … Nein, niemals hätte ich das für möglich gehalten. Und als ich letzte Woche eine E-Mail von KTV in meinem Postfach vorfand, hielt ich das zuerst für einen dummen Scherz. War es aber nicht. Ganz und gar nicht.
Anscheinend ist jemand aus dem Produktionsteam ein Fan. Tja, liebe Cupcakes, so ist das im Leben manchmal: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Jedenfalls freu ich mich total. Vor allem, da ich bereits etwas von einem neuen Juror habe läuten hören.
Na ja, gut, ihr habt recht, ich weiß schon mehr. Aber ich darf’s noch nicht verraten. Ist ein supergroßes Mega-Geheimnis, aber ich kann euch versichern, ihr werdet begeistert sein.
Ich war es jedenfalls. Dass ich mal mit einem meiner absoluten Idole in einer Fernsehshow auftreten würde … Wow, ich bin immer noch total durch den Wind. Aber jetzt erstmal genug davon. Kommen wir zu dem Rezept für die köstlichen Petit Fours, das ich letzte Woche schon angekündigt habe …
Tammy Meriwhether lehnte sich auf dem Bürostuhl in ihrem Homeoffice zurück und starrte den Bildschirm an. Eine Weile lang tat sie einfach nur das. Sie saß da und schaute zu, wie der Cursor am Ende ihres jüngsten Blogeintrags langsam blinkte. Dann griff sie nach der Maus und schloss das Dokument.
Was dahinter zum Vorschein kam, hatte nichts mit Desserts und Backen – ihren geliebten Steckenpferden – zu tun. Nun, ein bisschen vielleicht schon. Jetzt, wo …
Sie biss sich auf die Unterlippe und fuhr mit der Hand unter ihren Hosenbund. Der Mann, der auf dem Foto abgebildet war, schaffte es jedes Mal aufs Neue, sie anzumachen. Sie musste ihn nur ansehen, und schon fing es zwischen ihren Schenkeln an zu pochen.
Auch dieses Mal enttäuschte er sie nicht.
Sein Haar war so hell, dass es schon fast silbern schimmerte, die Augen von einem so tiefen Blau, dass man das Gefühl hatte, darin zu versinken. Um seine schmalen Lippen spielte stets ein herausfordernd wirkendes Lächeln, das ihre Knie ganz weich werden ließ. Seine Nase war nicht ganz gerade, was daran lag, dass sie in den fünf Saisons, die er nun schon bei den Penguins unter Vertrag stand, insgesamt dreimal gebrochen worden war. Doch in Tammys Augen tat das seiner Attraktivität keinen Abbruch.
Ganz im Gegenteil sogar.
Charles Bellamy war ein echter Mann. Und, verdammt, das turnte sie einfach nur an.
Nicht nur das, wohlgemerkt.
Sie ließ ihren Blick (und ihre Hand) langsam weiter nach unten wandern. In voller Hockeymontur konnte man die Körper der Sportler nur erahnen. Doch dieses Bild zeigte ihn nach dem Training, in einem eng anliegenden Shirt, das Haar tropfnass vom Duschen und …
Sie schloss die Augen und schob die Hand zwischen ihre Schenkel, wobei sie sich vorzustellen versuchte, dass es Bellamys große, raue Hand war, die sie dort berührte, wo sie es sich am allermeisten ersehnte.
Es klappte nicht ganz – der Mann hatte bestimmt riesige Hände, Tammys dagegen waren eher zierlich –, doch es musste reichen. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und berührte mit der anderen Hand ihre Brust, deren Nippel sich unter ihren Fingerspitzen aufrichteten.
Ein leises Seufzen entwich ihrer Kehle. Sie lehnte sich weiter zurück, während das Pulsieren zwischen ihren Schenkeln immer stärker wurde. Wärme breitete sich in ihrem ganzen Körper aus.
Ein Beben durchzuckte sie, als sie die Finger unter den glatten Stoff ihres Satinslips schob. Ihr stockte der Atem. Vor ihrem inneren Auge sah sie Charles Bellamy, der sie mit seinem eisblauen Blick musterte. Fixierte. Sie konnte ein Stöhnen nicht zurückhalten, als ihre Fingerspitzen weiter in die feuchte Wärme vorstießen. Sie streiften die verborgene Perle am Zentrum ihrer Weiblichkeit, und Tammy bäumte sich auf, während ihre Muskeln zuckten und bebten.
„Charles!“
Sie stieß seinen Namen hervor, ehe ihr richtig klar geworden war, was sie tat. Und dann wurde sie von einem so heftigen Höhepunkt geschüttelt, dass ihr für einen kurzen Moment lang schwarz vor Augen wurde.
Schweratmend sackte sie auf ihrem Stuhl zusammen. Ihre Glieder waren bleischwer und von einer wohligen Wärme erfüllt. Ihr Puls brauchte eine Weile, um sich zu beruhigen, und schließlich setzte auch ihr Verstand wieder ein.
Sie unterdrückte ein erneutes Stöhnen – dieses Mal jedoch nicht vor Lust, sondern vielmehr vor Scham.
Rasch schloss die das Fenster mit dem Bild von Charles Bellamy. Es war nicht das erste Mal, dass ihr so etwas passierte. Doch jedes Mal war es ihr hinterher irgendwie peinlich.
Sie war doch kein pubertierendes Mädchen mehr, das es sich vor einem Poster seines Stars selbst machte! Mit dreiundzwanzig war sie zu alt, um solchen Träumereien nachzuhängen. Ja, aus dem Alter war sie nun wirklich heraus.
Außerdem waren Schwärmereien für Stars von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil man dem Objekt seiner Begierde sowieso niemals begegnete.
Nun, normalerweise jedenfalls. Allerdings lagen in Tammys Fall die Dinge plötzlich ein wenig anders. Denn Eishockeystar Charles Bellamy sah nicht nur rattenscharf aus, sondern war auch ein echter Feinschmecker. Anders ließ es sich nicht erklären, dass er als neues Jurymitglied für die kommende Staffel von Cake Wars verpflichtet worden war.
Derselben Staffel, in der auch Tammy mit von der Partie sein würde. Was bedeutete, dass sie Charles Bellamy schon bald höchstpersönlich und in Lebensgröße gegenüberstehen würde.
Sie war allein, daher bemühte sie sich nicht einmal, ein kurzes Fangirl-Kreischen zu unterdrücken.
Charles Bellamy.
Sie fragte sich, ob er in natura genauso gut aussah wie auf den Fotos, die sie so oft … nun ja, den Fotos eben.
Und ob er nett war.
Bestimmt.
Jemand, der so sehr im Licht der Öffentlichkeit stand wie er, musste doch einfach nett sein – oder?
„Verdammte Scheiße, nein, mit dem Hemd sehe ich aus wie Ernie aus der Sesamstraße! Ist mir scheißegal, ob das modern ist. Schlimm genug, dass ich mich für diese Show zum Affen machen muss – ich muss dabei nicht auch noch aussehen wie der hinterletzte Depp!“
Tammy starrte den Mann, der mitten im Fernsehstudio stand und eine Riesenwelle machte, fassungslos an. Sie musste zugeben, dass das Hemd – orange-blau mit gelben Nadelstreifen – tatsächlich nicht besonders toll aussah. Wobei er einer dieser Männer war, die durch nichts wirklich zu verunstalten waren.
Aber die Frau aus dem Kostümfundus deswegen so zur Schnecke zu machen, erschien ihr dann doch etwas übertrieben.
Und nicht besonders nett.
Sie atmete tief durch und versuchte das Flattern ihrer Nerven zu beruhigen. Als sie das Fernsehstudio vor etwas mehr als einer Stunde betreten hatte, war sie furchtbar aufgeregt gewesen. So sehr, dass sie beim Hereinkommen gleich den Schirmständer umgestoßen hatte und beinahe mit einer Assistentin zusammengeprallt wäre, die ein Tablett mit Wassergläsern balancierte.
Zum Glück war ihr gleich jemand zur Hilfe geeilt. Carter Elliot war etwa in ihrem Alter, trug Jeans mit kunstvoll arrangierten Löchern an den Knien, eine riesige Hipsterbrille und war seines Zeichens Regieassistent. Was, wie er Tammy erklärte, mehr oder weniger Mädchen für alles bedeutete.
Heute umfasste das die Aufgabe, sie mit den Örtlichkeiten vertraut zu machen – und den Menschen, mit denen sie während der nächsten Wochen zusammenarbeiten würde.
Darunter befand sich auch Charles Bellamy – der gerade dabei war, nun auch die Maskenbildnerin zusammenzustauchen, die versuchte, ihm den Glanz von der Nase zu pudern. Die arme Frau stand kurz davor, in Tränen auszubrechen.
Tammy ballte die Hände. Das konnte sie sich nicht ruhigen Gewissens mitansehen.
„Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt!“ Sie war losgestürzt, ehe sie sich überhaupt richtig klar darüber geworden war, was sie eigentlich vorhatte. Und ihr Mund war ebenfalls schneller als ihr Verstand – was für sie nicht wirklich ungewöhnlich war. „Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Nein, streichen Sie die Frage, Mister Bellamy, ich weiß ganz genau, wer Sie sind. Aber das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, andere Leute so zu behandeln. Sie mögen ja ein VIP sein, aber ich verrate Ihnen was: Auch Sie kochen nur mit Wasser. Und nun hören Sie endlich auf, sich wie eine Diva aufzuführen!“
Wow, das war’s, sagte Tammy zu sich selbst. Ihre Wangen brannten, und das Herz flatterte wie ein aufgeregter Vogel gegen ihre Rippen, doch sie stand ihre Frau und weigerte sich, auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Wenn sie eines nicht ausstehen konnte, dann war es Ungerechtigkeit. Und wie Charles Bellamy sich hier benahm, war einfach nur inakzeptabel.
Er starrte sie an, ohne zu blinzeln. Im Studio, gerade noch von hektischer Betriebsamkeit erfüllt, war es plötzlich so still, dass man die sprichwörtliche Stecknadel hätte fallen hören können.
Als er schließlich sprach, klang seine Stimme so eisig, dass Tammy das Gefühl hatte, von einem arktischen Wind gestreift zu werden. „Wie war das gerade?“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust – halb, um ihm zu zeigen, dass sie sich nicht einschüchtern lassen würde, halb als Schutzschild. „Sie haben mich schon verstanden. Nur, weil Sie vielleicht bekannt sind, müssen Sie nicht denken, dass Sie sich alles erlauben können.“
Er wandte sich an Carter, der, wie Tammy nun feststellte, staunend und mit offenem Mund neben ihr stand. „Wer, zum Teufel, ist das, Brillenschlange?“
Sie war kurz davor, angesichts dieser erneuten Beleidigung zum nächsten Rundumschlag anzusetzen, doch Carter kam ihr zuvor. „Das ist Tammy Rochester“, erklärte er. „Sie nimmt als Kandidatin an Cake Wars teil.“
„Als was genau? Als Schaumschlägerin? So wichtig, wie die sich macht, würde mich das jedenfalls nicht wundern.“
„Entschuldigen Sie mal“, entgegnete Tammy erbost. „Ich habe zufällig einen ziemlich beliebten und erfolgreichen Blog für veganes …“
Sie kam gar nicht dazu, den Satz zu beenden, denn Charles Bellamy brach in schallendes Gelächter aus. Es war nicht so ein gekünsteltes Lachen, wie man es oft hörte, sondern tief und donnernd, direkt aus dem Bauch heraus. In seinen Augenwinkeln bildeten sich sogar Tränen, so sehr amüsierte er sich.
Die Frage war nur – worüber eigentlich?
„Was bitte ist so lustig?“
Bellamy setzte zu einer Erklärung an, brachte aber erst einmal kein Wort hervor. Und obwohl sie wütend auf ihn war – so richtig wütend – konnte sie nicht umhin festzustellen, wie verflixt attraktiv er war, wenn er lachte.
Verdammt!
Irgendwann hatte er sich dann wieder so weit beruhigt, dass er zumindest einen zusammenhängenden Satz über die Lippen bekam. Hinterher wäre es Tammy allerdings lieber gewesen, er hätte einfach den Mund gehalten.
„Das hätte ich mir denken können“, sagte er. „Eine vegane Bäckerliesl!“
Okay, es gab doch mehr als eine Sache, die sie auf den Tod nicht ausstehen konnte, wie sie gerade feststellte. Und neben Ungerechtigkeit war es, als vegane Bäckerliesl tituliert zu werden.
Seit sie mit dem veganen Backen angefangen hatte, musste sie immerzu gegen Vorurteile ankämpfen. Viele Leute dachten, vegane Ernährung bestünde nur aus Körnern und Grünzeug. Dabei gab es heute eine so vielfältige Auswahl wie nie zuvor.
Doch was erwartete sie eigentlich von einem – zugegebenermaßen unverschämt anziehenden – Ignoranten wie Charles Bellamy?
Die einfache und irgendwie auch traurige Antwort auf diese Frage lautete: mehr.
Schon seit sie ein junges Mädchen gewesen war, liebte sie Eishockey. Ihr Onkel Joseph war manchmal mit ihr zu den Spielen der Lokalmannschaft gegangen, und jedes Mal war das ein riesiges Ereignis für Tammy gewesen. Sie hätte sogar selbst angefangen zu spielen. Doch ihr lieber Herr Vater hatte ihr natürlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Was auch sonst? Er hatte es schließlich als seine Aufgabe angesehen, ihr jede nur mögliche Freude zu verderben. Und das nur, weil sie sich nicht so einschüchtern ließ wie ihre Mutter …
Aber das Thema gehörte jetzt nicht hierher. Ihr Vater war tot und konnte sie nicht mehr schikanieren. Sie sollte sich also besser auf das sehr lebendige Exemplar Mann unmittelbar vor sich zu konzentrieren.
„Sie kennen mich doch überhaupt nicht“, entgegnete sie eisig. Sie merkte, dass alle Blicke auf sie gerichtet waren, und ihr Herz hämmerte wie verrückt. Vermutlich würde jeden Moment irgendein Verantwortlicher auftauchen und sie im hohen Bogen vor die Tür setzen. Immerhin hatte sie sich gerade mit einem der Star-Juroren angelegt. Einem Mann, der reich und berühmt (und unverschämt gutaussehend) und für eine Sendung wie Cake Wars mit Sicherheit unendlich viel wichtiger war als jemand wie Tammy. Wer war sie denn schon? Doch nur eine kleine Zuckerbäckerin, die mit bescheidenem Erfolg einen Food-Blog im Internet unterhielt.
Er begegnete ihrem Blick kühl und mit einer hochgezogenen Braue. „Stellen Sie sich vor, ich habe nicht das geringste Interesse, daran irgendetwas zu ändern.“
Bäm! Der hatte gesessen.
Vermutlich verhielt es sich wirklich so, wie man allgemein sagte, und es war tatsächlich besser, seine Idole niemals persönlich zu treffen. Tammy jedenfalls war schockiert – und auch ziemlich enttäuscht. Und was sie dabei ganz besonders ärgerte, war die Tatsache, dass sie sich trotz allem noch so stark zu ihm hingezogen fühlte.
Warum mussten es immer die Bad Boys sein, die sie so faszinierten? Die Typen, die ihre Frauen wie Dreck behandelten? Doch mit den netten Jungs von nebenan hatte sie bisher auch keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Was einer der Gründe dafür war, dass sie beschlossen hatte, erst einmal die Finger von Männern überhaupt zu lassen.
Irgendwie hatte sie bei der Auswahl ihrer Partner wohl kein besonders glückliches Händchen.
Doch das tat jetzt alles nichts zur Sache. Sie musste versuchen, die Situation irgendwie zu retten, ohne vollkommen das Gesicht zu verlieren. Doch das war leichter gesagt als getan.
„Hören Sie“, begann sie, ohne wirklich zu wissen, wie sie den Satz weiterführen sollte. Doch das brauchte sie auch gar nicht – denn in diesem Moment hatte eine weitere Person ihren Auftritt.
Laut klatschend betrat Gordon Trelawney, der Produzent der Show, der Tammy höchst persönlich ausgewählt hatte, das Studio. „Das war ja mehr Drama als in Denver Clan und Dallas zusammen“, bemerkte er und klang dabei beinahe … ja, erfreut.
Auch Charles wirkte überrascht, so wie er den anderen Mann anstarrte. „Wie bitte?“
„Sie haben mich schon verstanden, Charles.“ Trelawney kam auf ihn zu und klopfte ihm auf die Schulter. „Hat mir wirklich gut gefallen, die Showeinlage. So was will ich in der Sendung haben. Clever, ihr zwei. Ich habe zwar keinen blassen Schimmer, wann ihr euch das ausgedacht habt, aber das bringt garantiert Quote.“
Tammy blinzelte.
Quote?
Wovon sprach der Mann da eigentlich? Glaubte Gordon Trelawney wirklich, dass Charles und sie diese ganze unschöne Szene zuvor miteinander abgesprochen hatten?
„Ich …“, setzte sie zum Sprechen an, wurde aber sofort unterbrochen.
„Das ist ja wohl der größte Blödsinn, den ich je gehört habe“, polterte Charles. „Ich dachte, ich arbeite hier mit Profis zusammen, aber diese Sendung ist nur ein riesiger Witz.“
Die Miene des Produzenten wurde steinern. „Ich glaube, ich habe mich klar ausgedrückt“, entgegnete er, ohne auf Charles’ Worte einzugehen. „Ich will diese Art von Wortgefecht in der Show haben. Es ist mir egal, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Wie Sie schon sagten, wir sind alle Profis hier – und ich erwarte von allen ein entsprechend professionelles Verhalten. Sie erinnern sich hoffentlich an den Vertrag, den wir gemacht haben.“
Tammy konnte förmlich sehen, wie Charles’ Kiefer mahlten. Sie war überrascht, dass er nicht explodierte, so wie seine Augen blitzten. Stattdessen wandte er sich ruckartig ab und stampfte davon. Das Einzige, was Tammy von ihm noch hörte, war ein gemurmeltes „Ihren Vertrag können Sie sich dahin stecken, wo die Sonne nicht scheint“, danach verschwand er durch eine seitliche Studiotür.
Carter, dessen Anwesenheit sie beinahe vergessen hatte, räusperte sich. Das Geräusch schien alle anderen daran zu erinnern, dass sie noch etwas anderes zu tun hatten als Löcher in die Luft zu starren. Die Betriebsamkeit war so schlagartig wieder zurück, als hätte es nie eine Unterbrechung gegeben.
Wie es schien, war Tammy die Einzige, die sich noch von diesem Vorfall erholen musste. Sie schaute Carter an. „Ist der immer so?“
Der Produktionsassistent lachte leise. „Wenn Sie vom Chef sprechen, nein, der ist eigentlich ganz verträglich. Was Charles Bellamy betrifft … Ja, der ist in der Tat immer so. Und häufig noch viel schlimmer. Ich habe ja das große Glück, schon etwas länger mit ihm zusammenarbeiten zu dürfen, weil die Juroren und das Produktionsteam gemeinsam an den letzten Details für die Show gefeilt haben. Und ich kann Ihnen sagen – mit dem Mann ist nicht gut Kirschen essen.“
Tammy pfiff zwischen den Zähnen hindurch. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte – das jedenfalls nicht. Und sie wusste auch nicht, was sie davon halten sollte. Eines stand fest: Ein Idol war dieser Charles jedenfalls nicht. Ganz und gar nicht.
„Ich weiß“, sagte Carter, so als hätte er ihre Gedanken gelesen. „Ich war auch erst überrascht. Als Eishockeyfan war mir Charles ‚The Raptor‘ Bellamy natürlich ein Begriff. Aber irgendwie hatte ich immer ein völlig falsches Bild von ihm. Ich dachte, er wäre … nun, ja, nett.“
Sie schauten sich an, und für einen Moment herrschte Schweigen, ehe sie beide zu lachen anfingen.
„Nein, nett ist er nun wirklich nicht“, sagte Tammy, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatten.
„Und nun? Erwartet Mr. Trelawney jetzt wirklich von mir, dass ich mich vor laufenden Kameras mit Charles Bellamy fetze?“
Carter lachte erneut. „Sorry, ich kann mir vorstellen, dass das für Sie nicht besonders lustig ist, aber …“ Er nickte. „Oh ja, genau das erwartet Mr. Trelawney jetzt von Ihnen. Er scheint davon überzeugt zu sein, dass es gut für die Sendung sein könnte. Und auch wenn er sonst eigentlich ein anständiger Kerl ist – sobald es um die Sendung geht, ist alles andere egal. Da nimmt er keine Rücksicht auf Verluste. Das hier ist das Fernsehen“, fügte er dann mit einem Schulterzucken hinzu. „Für Einschaltquoten ist man hier bereit, über Leichen zu gehen.“
Tammy fühlte sich wie ein Ballon, aus dem man alle Luft hatte entweichen lassen.
Na toll. Genau so habe ich mir das vorgestellt. Prima, Tammy! Nur weil du mal wieder deine große Klappe nicht halten konntest, steckst du jetzt in der Klemme!
„Ach, übrigens.“ Carter wirkte jetzt sehr ernst. „Ich fand es richtig cool, wie Sie sich für die beiden Mädels eingesetzt haben. Die meisten hier finden es nämlich nicht gut, wie Bellamy mit anderen Leuten umspringt. Nur hat sich bisher leider keiner getraut, ihm mal so richtig den Marsch zu blasen.“
Irgendwie wunderte es Tammy nicht, dass ihr Verstand bei dem Wort ‚blasen‘ gleich eine andere Verbindung herstellte. Jedenfalls verschwand für einen Moment das Fernsehstudio um sie herum, und sogar Carter löste sich in Luft auf, und was sie stattdessen sah, war sie selbst, auf dem Boden kniend.
Und vor sich, die Hose heruntergelassen und mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck, der sie zugleich furchtbar aufregte und antörnte, Charles Bellamy.
Sie atmete scharf ein und schob das Bild hastig beiseite. Das konnte sie nun wirklich nicht gebrauchen. Generell schon nicht – und erst recht nicht in ihrer aktuellen Situation.
„Alles okay?“, erkundigte Carter sich und musterte sie besorgt. „Sie schienen gerade ganz weggetreten zu sein.“ Er lächelte. „Sie haben wohl jetzt erst richtig begriffen, was da vorhin eigentlich passiert ist, wie? Passiert mir auch immer. Da kann man schon ordentlich Angst vor der eigenen Courage bekommen.“
Dankbar für den Ausweg, den er ihr geboten hatte, ging sie darauf ein. Sie konnte ihm ja schlecht sagen, woran sie wirklich gedacht hatte.
„Ja“, erwiderte sie mit einem Seufzen. „Mein Mundwerk ist in der Regel schneller als mein Verstand. Und ich habe einen extrem stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich kann es auf den Tod nicht ausstehen, wenn jemand andere schikaniert oder ungerecht behandelt.“
„Na, dann ist Ihr Problem ja eigentlich schon gelöst.“
Fragend schaute Tammy ihn an. „Inwiefern das?“
„Charles Bellamy wird Ihnen garantiert mehr als genug Anlass dazu geben, sich so richtig schön aufzuregen. Und auf diese Weise schlagen Sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie erfüllen die Forderung von Mr. Trelawney, und Sie bringen diesem unverschämten Trampel von einem Eishockeystar endlich mal Manieren bei. Die Leute werden Sie lieben, das garantiere ich Ihnen.“
Tammy schüttelte den Kopf. Ob die Leute sie noch immer lieben würden, wenn sie wüssten, was sie in ihren Träumen mit Charles Bellamy anstellte?
„Du bist also die, die Bellamy so richtig schön die Meinung gesagt hat, ja?“
Tammy unterdrückte ein Stöhnen, als sie beim Betreten des Aufenthaltsraumes für die Teilnehmer an Cake Wars gleich mit diesen Worten von einer ihrer Konkurrentinnen in Empfang genommen wurde.
Offenbar eilte ihr Ruf ihr bereits voraus.
Wie wunderbar.
„Tammy“, stellte sie sich vor und streckte der anderen Frau die Hand entgegen. „Und eigentlich bin ich hier, um zu zeigen, dass veganes Backen nicht so verstaubt und langweilig ist, wie die meisten Leute vermuten. Aber ja, ich fürchte, ich bin die, die du meinst …“
„Alicia“, entgegnete sie und schüttelte Tammys Hand enthusiastisch. „Alicia Smith. Und du bist von jetzt an mein Idol. Ehrlich, wer es schafft, einen Zusammenstoß mit Charles Bellamy zu überleben, und dann auch noch als Sieger daraus hervorzugehen, verdient meinen Respekt.“
„Wie eine Siegerin kam ich mir allerdings nicht gerade vor.“ Tammy schüttelte den Kopf. „Und vermutlich war es auch nicht gerade besonders clever, sich schon vor Beginn der Sendung mit einem der Juroren anzulegen.“
„Clever vielleicht nicht, aber heldenhaft. Und außerdem ist Charles Bellamy nur einer der drei Starjuroren. Jeder weiß doch, dass in Wirklichkeit Phyllis Hunter in der Jury die Entscheidungen trifft. Die Frau ist ein echtes Backgenie, die beiden anderen sind nur Dekoration.“
Tammy zuckte mit den Achseln. Es stimmte schon, dass Phyllis Hunter das einzige Jurymitglied war, das professionell etwas mit Backen zu tun hatte. Ihr gehörte eine weltweit extrem erfolgreiche Kette von Konditoreien, in denen ausschließlich Cupcakes verkauft wurden. Sie war schon bei der Originalsendung aus den USA mit dabei gewesen. Aber das bedeutete nicht, dass die anderen keinen Einfluss auf die Entscheidungen der Jury hatten.
Jedenfalls fiel es Tammy schwer, sich vorzustellen, dass sich Charles Bellamy von irgendjemandem so einfach das Ruder aus der Hand nehmen ließ. Noch dazu von einer Frau.
Überhaupt wunderte es sie ein bisschen, dass Bellamy an einer Sendung wie dieser teilnahm. Sicher, sie wusste aus Interviews und dergleichen, dass er gerne kochte und backte. Aber von da aus war es doch noch ein gewaltiger Sprung bis zur Teilnahme an einer Backshow.
„Wir werden sehen“, sagte Tammy diplomatisch.
Sie ließ ihren Blick durch den Aufenthaltsraum schweifen. Nicht, dass es da besonders viel zu schweifen gab, denn es handelte sich um eine bessere Besenkammer. Zwei Tische und ein Dutzend Plastikstühle, die aussahen, als würden sie zusammenbrechen, wenn man sie nur schief ansah. Seltsam, irgendwie hatte sie vom Fernsehen mehr erwartet. Aber eigentlich war es gar nicht so überraschend. Alles Geld ging dafür drauf, den schönen Schein für die Leute vor der Mattscheibe zu erzeugen. Was sich hinter den Kulissen abspielte, musste weder schön noch komfortabel sein. Sparen lautete hier augenscheinlich die Devise.
Nun, jedenfalls für so kleine Lichter wie sie und ihre Konkurrenten. Jemandem wie Charles Bellamy stand mit Sicherheit die Luxusausführung zur Verfügung.
Aber warum fing sie jetzt schon wieder mit Charles Bellamy an?
„Du backst also vegan?“, fragte Alicia, und ihre goldenen Locken hüpften auf und ab. „Das ist ja wahnsinnig interessant. Ich hab mich auch schon mal an veganen Törtchen versucht, aber irgendwie war das Ergebnis … fad.“
Wie sie das sagte, klang es nicht wie die üblichen Seitenhiebe, die sie sich sonst meistens anhören konnte, wenn das Thema Vegan zur Sprache kam. Alicia wirkte ehrlich interessiert, und das überraschte Tammy, denn sie hatte von ihrer Konkurrenz bei Cake Wars ein völlig anderes Verhalten erwartet.
Eher so was wie hinterrücks einen Dolch zwischen die Rippen gestoßen zu bekommen.
Doch wie sich herausstellte, waren auch die anderen Teilnehmer recht nett. Oder zumindest taten sie so. Das konnte man mitunter ja nicht sofort unterscheiden. Man schien sich aber jedenfalls einig zu sein, dass Tammys Auseinandersetzung mit Charles Bellamy ziemlich beeindruckend gewesen war.
Natürlich gab es auch eine Kandidatin, die Tammy mit hochgezogener Braue musterte und sich aus der Unterhaltung heraushielt. Doch im Großen und Ganzen waren alle sehr nett zu ihr, und ein wenig von dem Unbehagen, das sie seit dem Betreten des Fernsehstudios fest umfangen gehalten hatte, fiel von ihr ab.
Vielleicht würde Cake Wars am Ende sogar zu einer richtig schönen Erfahrung für sie werden. Sie wollte jedenfalls versuchen, der Sache so viel wie möglich Gutes abzugewinnen. Die Vorstellung, dass sie sich bald vor einem Millionenpublikum mit Charles Bellamy herumstreiten sollte, machte das allerdings schwierig. Einzig die Tatsache, dass es ihm ebenso wenig zu gefallen schien wie ihr, versöhnte sie wieder ein bisschen mit der Aussicht.
Sollte sie jetzt, wo alle ein bisschen Gelegenheit hatten, sich zu beruhigen, noch mal das Gespräch mit ihm suchen? Vielleicht hatte sie ihn einfach nur in einem schlechten Moment erwischt, und er war eigentlich ganz verträglich. Carter hatte ihr in der Hinsicht zwar nicht gerade viele Hoffnungen gemacht, doch sie beschloss, ihr Glück trotzdem zu versuchen.
Sie steckten immerhin jetzt in einem Boot. War es da nicht nur logisch, dass man sich zusammentat und versuchte, die ganze Sache mit so viel Anstand wie möglich über die Bühne zu bringen?
Es fanden noch ein paar Proben statt, bei denen die Teilnehmer der Show vor allem im Studio vor Kulissen herumstehen mussten. Wozu genau diese Prozedur diente, war Tammy ein Rätsel. Und sie musste dabei außerdem feststellen, dass die Scheinwerfer, mit denen sie angestrahlt wurden, nicht nur um einiges heller, sondern auch sehr viel heißer waren, als sie erwartet hatte. Nach zwei Stunden hatte sie eine ungefähre Vorstellung davon, wie sich die Scones, die sie heute Morgen gebacken hatte, im Ofen gefühlt haben mussten.
Die Visagistin hatte nicht übertrieben, als sie das Make-up, mit dem sie alle vorbereitet worden waren, als wasserfest bezeichnete. Ihr Gesicht fühlte sich an, als würde es kochen, doch kein Schweißtropfen drang an die Oberfläche.
Als endlich – es war schon halb neun – verkündet wurde, dass sie Feierabend machen konnten, wirkten alle erleichtert.
Alicia kam auf sie zu. „Hey, ein paar von uns wollen in einem Pub an der Southbank noch was trinken gehen. Hast du Lust mitzukommen?“
An jedem anderen Abend hätte Tammy sicher zugesagt, doch heute hatte sie noch etwas anderes vor. „Morgen vielleicht“, sagte sie. „Ich muss unbedingt noch etwas Dringendes erledigen.“
Alicia nickte. „Na, dann viel Erfolg bei deiner Erledigung.“
Tammy wartete, bis die anderen Kandidaten gegangen waren. Sie kam sich irgendwie vor wie ein Dieb in der Nacht, als sie daraufhin wieder ins Studio zurückkehrte.
Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, doch es überraschte sie, das Studio bereits verwaist vorzufinden. Die großen Scheinwerfer waren ausgeschaltet, und die Halle wurde nur noch von einer schwachen Notbeleuchtung erhellt, die vermutlich dazu dienen sollte, dass niemand im Dunkeln über eine Kabeltrommel stolperte und sich den Hals brach.
„Hallo?“, rief sie und kam sich selbst blöd dabei vor. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, dass Charles Bellamy noch hier sein würde? Vermutlich, weil er auch immer einer der Letzten war, die nach einem Spiel das Eis verließen. Aber das hier war keine Eishockeyarena, und diese ganze Fernsehsache, daran musste sie sich erinnern, war für ihn ebenso neu wie für sie.
Sicher, er war daran gewöhnt, vor Kameras zu agieren. Sie verfolgten ihn, während er spielte, und waren bei Interviews auf ihn gerichtet. Durch ihre Videoblogs besaß auch Tammy eine gewisse Erfahrung. Doch eine richtige Fernsehshow war für sie beide Neuland. Vielleicht war er auch deshalb so ekelhaft zu den Studiomitarbeitern gewesen. Das entschuldigte sein Verhalten zwar nicht, erklärte es aber möglicherweise ein wenig.
Tammy trat in das Halbdunkel des Studios hinein. Es gab mehrere verschiedene Kulissen mit Küchen, von denen jede in einem anderen Stil gebaut war. Die moderne Designerküche stand neben der gemütlichen Cottageküche. Es gab eine Sechziger-Jahre-Küche mit glänzenden Resopaloberflächen und sogar eine im Design einer mittelalterlichen Schlossküche. Was die Geräte betraf, befanden sich aber alle auf demselben Standard. Immerhin sollte es bei der Show ja fair zugehen und jeder Kandidat dieselben Chancen haben.
Gedankenverloren strich Tammy mit den Fingern über den kühlen Edelstahl einer Arbeitsfläche. Küchen waren ihr Element. Der Ort, an dem sie sich schon immer am meisten zuhause gefühlt hatte, auch wenn sie von Beruf Kindergärtnerin geworden war.
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Als sie sie wieder öffnete, spürte sie sofort, dass sie nicht mehr allein war.
Hastig wirbelte sie herum und atmete scharf ein, als sie sich einer großen, düsteren Gestalt gegenübersah.
Das Herz hämmerte ihr wie wild gegen die Rippen. Da half es auch nichts, dass sie die Gestalt auf den zweiten Blick erkannte.
Eher im Gegenteil.
„Na wen haben wir denn da? Was schleichst du hier im Dunkeln herum, Bäckerliesl?“, erklang Charles Bellamys dunkle Stimme, und Tammy konnte nichts, aber auch gar nichts gegen den wohligen Schauer tun, der ihr über den Rücken rieselte. Ebenso wenig wie sie verhindern konnte, dass der spöttische Spitzname, den er ihr gegeben hatte, ihr Blut zum Kochen brachte.
„Erstens geht Sie das nichts an, und zweitens würde ich es sehr begrüßen, wenn Sie aufhören könnten, mir lächerliche Namen zu geben.“
Er grinste. „Du meinst Bäckerliesl? Ich finde, der Name passt irgendwie zu dir. Veganes Backen, dieser Ökofummel und die ausgelatschten Treter – fehlt nur noch so eine Riesenbrille, wie Vierauge sie trägt.“
Wolltest du nicht eigentlich ein vernünftiges Gespräch mit Charles Bellamy führen, Tammy? Und sah dein Plan nicht vor, dass ihr alle Unstimmigkeiten aus der Welt räumt und gemeinsam einen Weg findet, mit der Situation umzugehen?
Vergiss den Plan!
„Sie unverschämter, sexistischer, selbstverliebter …“
„Ganz schön feurig“, fiel er ihr ins Wort und nickte dabei anerkennend. „Irgendwie gefällt mir das.“
„Das Allerletzte, was ich auf der Welt will, ist, Ihnen zu gefallen, Mr. Bellamy! Ich weiß nicht, ob Sie es bisher noch nicht gemerkt haben oder ob es Ihnen einfach nur völlig egal ist, aber jeder hier hasst Sie. Wie Sie mit den Leuten umspringen, ist wirklich schlimm. Vielleicht täte es Ihnen mal ganz gut, in den Spiegel zu sehen und sich zu fragen, warum Sie das eigentlich machen. Aber mir sind Ihre Gründe eigentlich auch egal. Gott, ich kann gar nicht fassen, dass Sie mal sowas wie mein Idol waren! Ich …“
Sie stockte. Oh nein, was hatte sie da schon wieder gesagt? Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen. Konnte sie denn nicht einmal ihren Mund halten? Nur ein einziges Mal einfach gar nichts sagen?
„Moment mal, ich war Ihr Idol?“ Er hob eine Braue. „Na, das sind ja interessante Neuigkeiten.“
„Als Eishockeyspieler“, fauchte Tammy. „Und auch nur, weil ich keine Ahnung hatte, was für ein Mensch Sie wirklich sind.“
Er machte einen Schritt auf sie zu, und Tammy wich wie von selbst zurück. Weit kam sie allerdings nicht, denn sie stieß mit dem Rücken gegen den Rand der Arbeitsplatte der Sechziger-Jahre-Küche.
Normalerweise hatte Tammy keine Probleme mit ihrer Größe. Sicher, mit ihren einsachtundfünfzig war sie nicht gerade eine Riesin, aber das störte sie eigentlich nicht.
Normalerweise.
Gezwungen zu sein, zu Charles Bellamy aufzublicken, der einen Meter neunzig maß und sie damit um mehr als dreißig Zentimeter überragte, gefiel ihr jedoch ganz und gar nicht.
Denn genau so fühlte es sich auch an – als würde er drohend über ihr aufragen. Und die Reaktionen, die es in ihr auslöste, hätten widersprüchlicher kaum sein können.
Ein Teil von ihr wollte einfach nur die Flucht ergreifen, während ein anderer sich von seiner körperlichen Überlegenheit unglaublich angezogen fühlte.
Diese Seite von ihr war ihr nicht unbekannt, doch es war lange her, dass sie sich mit solcher Macht gemeldet hatte. Es war, als würde ihr der Boden unter den Füßen weggezogen, und sie würde fallen, fallen, fallen … Das klang unangenehm, war es aber nicht, zumindest nicht vollkommen. Natürlich jagte es ihr Angst ein. Aber es gab ihr auch ein Gefühl von Sicherheit. Denn sie spürte, dass es da jemanden gab, der sie wieder auffangen würde, ganz gleich, wie tief sie auch fiel.
Und dieser Jemand war Charles Bellamy.
Moment mal! Hatte sie jetzt vollkommen den Verstand verloren? Charles Bellamy war ein echtes Ekelpaket. Wie kam sie auf den Gedanken, ihm vertrauen zu können?
Vielleicht war ihr letzter Orgasmus wirklich schon zu lang her, und ihre Hormone spielten verrückt. Sie sollte sich am besten, wenn sie nachher nach Hause kam, mal wieder ihre Fotosammlung von Charles Bell…
Erschrocken über sich selbst atmete sie scharf ein.
Nein!
Und er blickte noch immer auf sie herab, der Ausdruck in seinen Augen wissend, so als könnte er ihre Gedanken lesen. Was natürlich blanker Unsinn war.
Hoffentlich.
„Möchten Sie vielleicht ein Autogramm?“
Tammys Augen wurden schmal. „Ob ich …? Nein, zum Teufel, haben Sie mir überhaupt zugehört?“
„Nicht mehr, seit Sie gesagt haben, dass ich Ihr Idol bin. War auch nicht nötig – Ihre Gedanken sind ziemlich laut, wissen Sie?“
Defensiv verschränkte sie die Arme vor der Brust. Oder vielleicht auch schützend. Sie wusste es selbst nicht mehr so genau. „Ach ja, und was denke ich jetzt gerade?“
„Sie stellen sich vor, wie es wohl wäre, mich zu küssen.“
Verdammt.
Bis zu diesem Moment war es ihr gelungen, genau dieses Bild aus ihren Gedanken herauszuhalten. Doch jetzt brach es regelrecht hervor, und Tammy war beinahe dankbar für die Arbeitsplatte in ihrem Rücken, gab sie ihr doch ein bisschen dringend benötigte Stabilität.
„Ich habe gar nichts dergleichen gedacht“, flunkerte sie. „Aber Sie glauben vermutlich, dass Sie nur mit dem Finger zu schnippen brauchen, damit Ihnen alle Frauen zu Füßen liegen.“
„Nein“, entgegnete er und schüttelte langsam den Kopf. „Nicht alle Frauen. Nur Sie.“
Charles Malcom Bellamy, was zur Hölle …?
Seit er vor genau vier Wochen zum ersten Mal einen Fuß in dieses verdammte Studio gesetzt hatte, traf er eine bedauernswerte Entscheidung nach der anderen. Und er meinte damit nicht, dass er sich in der Kantine statt für Spagetti Bolognese für den Shepard’s Pie entschieden und seitdem den ganzen restlichen Tag mit Sodbrennen zu kämpfen hatte.
Nein, das war rückblickend zwar mit Sicherheit ein Fehler gewesen, aber den hatten ein paar Brausetabletten aus der Welt schaffen können. Ein paar andere Dinge, wie zum Beispiel sein Verhalten den Studioangestellten gegenüber, wogen da viel schwerer. Diese Leute waren schließlich nicht für den Schlamassel verantwortlich, in dem er steckte. Das Problem war nur, dass er die wahre Schuldige nicht in die Finger bekam, und das machte ihn einfach verrückt.
So frustriert wie in letzter Zeit war er schon lange nicht mehr gewesen. Und es bekam ihm nicht. Es bekam ihm ganz und gar nicht.
Davon abgesehen, dass Frust ihn unausstehlich werden ließ, machte er ihn außerdem … Verdammt, er machte ihn geil.
Und zwar so sehr, dass er sich die Kleine vor sich einfach packen und besinnungslos küssen wollte. Was er natürlich nicht tun würde. Er hatte es nicht nötig, sich irgendjemandem aufzuzwingen. Vermutlich wartete am Hinterausgang des Studios schon ein gutes Dutzend Groupies darauf, von ihm vernascht zu werden.
Schön, vielleicht auch nicht.
Vor ein paar Jahren vielleicht, als er noch der junge, aufstrebende Stern am Eishockeyhimmel gewesen war. Nicht etwa, dass er sich jetzt als alt bezeichnen würde. Nein. Aber er saß nun schon seit mehreren Monaten aufgrund einer Fußverletzung auf der Ersatzbank und konnte nicht spielen. Etwas, das ihn nicht nur endlos frustrierte, sondern auch seinen Marktwert erheblich schwächte. Vielleicht war er deshalb auch so bereitwillig darauf eingestiegen, als Rebecca Willis, die Promotion-Assistentin seines Clubs, ihm schöne Augen gemacht hatte.
Natürlich hatte er gewusst, dass sie dafür zuständig war, die Spieler des Teams mit möglichst vielen einträglichen Werbeverträgen und Sponsorings zu versorgen. Deshalb hatte er sich auch nichts dabei gedacht, den Vertrag zu unterzeichnen, den sie ihm bei einem romantischen Abendessen mit Kerzenschein über den Tisch geschoben hatte. Ihr lasziver Augenaufschlag hatte ihn einfach jede Vorsicht vergessen lassen. Das Einzige, woran er in diesem Moment hatte denken können, war, wie er wohl am schnellsten das Dinner beenden und sie in sein Bett bekommen konnte.
Auf den Gedanken, das Kleingedruckte zu lesen, war er erst sehr viel später gekommen. Beschämend viel später, wie er sich eingestehen musste. Eigentlich erst, als die Leute von der Produktionsfirma anriefen, um die Details der Vereinbarung mit ihm durchzugehen, dämmerte ihm langsam, was er da unterzeichnet hatte. Und das war die eine zugegebenermaßen ziemlich heiße Nacht mit Rebecca keinesfalls wert gewesen.
Normalerweise war Charles derjenige, der sich nach einem solchen Tête-à-Tête rarmachte, nicht seine jeweilige Bettgefährtin. So etwas wie Liebe existierte in seinem Weltbild nicht – er brauchte nur seine Familie anzusehen, um das zu wissen –, weshalb er gar nicht erst zuließ, dass irgendwelche Gefühle aufkamen. Im Grunde tat er den Frauen damit einen Gefallen. Sie hatten allerdings manchmal Mühe, das auch so zu sehen.
In diesem Fall war es aber Rebecca gewesen, die plötzlich nicht mehr zu erreichen gewesen war. Und zwar aus verflixt gutem Grund. Sie hatte sich sicher denken können, dass er nicht begeistert über die Vereinbarung war, die er blind unterschrieben hatte.
Obwohl er, wenn er ganz ehrlich war, eigentlich nur sich selbst einen Vorwurf machen konnte. Wenn er statt seinen Kopf einzuschalten nur mit seinem Schwanz dachte, war das ganz allein sein Problem …
Apropos – das Mit-dem-Schwanz-Denken war so ein Problem, mit dem er öfter zu kämpfen hatte. So auch jetzt wieder, wo diese unmögliche Person vor ihm stand und ihn anfunkelte, so als hätte er irgendein Kapitalverbrechen begangen.
Dabei hatte er doch nur das Offensichtliche ausgesprochen. Denn ihm war nicht entgangen, wie sie ihn ansah, wenn sie glaubte, dass er es nicht mitbekam.
Charles war an solche Blicke gewöhnt. Mehr noch, er war darauf getunt, sie zu bemerken. Und diese Tammy stand auf ihn, das war so sicher wie sonst was. Sie war anscheinend nur noch nicht bereit, sich die Wahrheit selbst einzugestehen.
Nicht, dass das für ihn einen großartigen Unterschied machte. Er war nicht interessiert. Ganz und gar nicht. Diese Tammy war überhaupt nicht sein Typ. Er mochte Frauen, die sich sexy kleideten und mit ihren Reizen spielten. Für solche, die mit fettigen Haaren, ungeschminkt und in Joggingklamotten durch die Gegend liefen, hatte er noch nie Verständnis aufbringen können. Es waren dann zumeist auch genau die, die lauthals herumjammerten, dass sie nie ein Mann auch nur eines Blickes würdigte. Warum sollten sie denn auch, wenn sich das Gegenüber so offensichtlich keine Mühe dabei gab, dem Auge etwas zu bieten?
Natürliche Schönheit kommt von innen, war dann so ein Kommentar, der gerne benutzt wurde, um sich herauszureden. Das mochte alles sein, aber schlabbrige Klamotten vom Discounter um die Ecke waren mehr als in der Lage, diese innere Schönheit zu überdecken.
Nun war es nicht so, dass die Bäckerliesl im Ökooutfit und ungeduscht beim Sender aufgeschlagen war. Dazu war sie vermutlich einfach zu clever. Doch wirklich anturnend fand Charles das dunkle Businesskostüm, das mit einer biederen weißen Bluse kombiniert war, jetzt auch nicht.
Vielleicht ohne die Bluse, überlegte er. Den Blazer zugeknöpft, sodass man einen schönen tiefen V-Ausschnitt zu sehen bekam …
Was sich unter der Bluse befand, schien ja durchaus ansehnlich zu sein, soweit er das durch den Baumwollstoff beurteilen konnte. Er würde wohl nie verstehen, warum Frauen, die etwas zu bieten hatten, es so häufig vorzogen, sich hinter einem Schutzwall aus Kleidungsstücken zu verstecken.
Egal.
Die Bäckerliesl war nicht sein Fall, und damit hatte es sich.
Warum er dann aber das heftige Verlangen verspürte, ihr das Haar, das sich aus ihrem prüden Zopf gelöst hatte, hinters Ohr zurückzustreichen, konnte er sich selbst nicht wirklich erklären.
„Ich habe mir keineswegs vorgestellt, wie es wäre, Sie zu küssen“, sagte sie plötzlich, und Charles brauchte einen Moment, um sich vor Augen zu rufen, wovon sie da eigentlich sprach.
Ach ja, richtig, sie hatten ja so etwas wie eine Unterhaltung geführt, bevor er mit den Gedanken vollkommen abgeschweift war.
Er setzte sein gewinnendstes Lächeln auf, das zugleich das war, von dem er hoffte, dass es sie am meisten auf die Palme bringen würde. „Tja, das glaube ich aber doch. Und nichts, was Sie sagen, wird mich vom Gegenteil überzeugen. Sie stehen auf mich, so einfach ist das.“
Sie lachte hell auf, doch es klang einen Deut zu schrill. Zu bemüht.
Aha.
Er hatte also geradewegs ins Schwarze getroffen. Oder es zumindest gestreift. Großer Gott, war sie etwa tatsächlich ein Fan?
„Ich stehe keinesfalls auf Sie“, entgegnete sie, doch sie wich, während sie es sagte, seinem Blick aus.
Wenn er es vorher noch nicht gewusst hatte, so war dies der letzte Beweis, den er noch gebraucht hatte. Und irgendwie … Ja, verdammt, irgendwie törnte ihn der Gedanke an.
Was zur Hölle war nur mit ihm los? Er war doch sonst nicht seine Art, sich so einfach so von seinen niederen Instinkten mitreißen zu lassen. Doch tatsächlich war er es, der sich gerade in diesem Augenblick vorstellte, wie es sich wohl anfühlen würde, sie zu küssen.
„Ganz sicher?“
„Absolut sicher.“ Sie funkelte ihn an. „Sie lassen mich vollkommen kalt, Mr. Bellamy. Ich wette, Sie halten sich für unwiderstehlich. Aber selbst wenn Sie der letzte Mann auf Erden wären, würde ich Sie nicht küssen wollen. Ich finde Ihr Verhalten anderen Menschen gegenüber nämlich ehrlich gesagt widerwärtig.“
Sie nahm wirklich kein Blatt vor den Mund, das musste er ihr lassen. Und es war sexy. Ja, verdammt, das war es wirklich.