Douglas Preston / Lincoln Child
Pharaoh Key –
Tödliche Wüste
Thriller
Aus dem amerikanischen Englisch von
Michael Benthack
Knaur e-books
Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts, geboren. Er studierte in Kalifornien zunächst Naturwissenschaften und später Englische Literatur. Nach dem Examen startete er seine Karriere beim »American Museum of Natural History« in New York. Eines Nachts, als Preston seinen Freund Lincoln Child auf eine mitternächtliche Führung durchs Museum einlud, entstand dort die Idee zu ihrem ersten gemeinsamen Thriller, »Relic«, dem viele weitere internationale Bestseller folgten. Douglas Preston schreibt auch Solo-Bücher (»Der Codex«, »Der Canyon«, »Credo«, »Der Krater«) und verfasst regelmäßig Artikel für diverse Magazine. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern an der Ostküste der USA.
Lincoln Child wurde 1957 in Westport, Connecticut, geboren. Nach seinem Studium der Englischen Literatur arbeitete er zunächst als Verlagslektor und später für einige Zeit als Programmierer und System-Analytiker. Während der Recherchen zu einem Buch über das »American Museum of Natural History« in New York lernte er Douglas Preston kennen und entschloss sich nach dem Erscheinen des gemeinsam verfassten Thrillers »Relic«, Vollzeit-Schriftsteller zu werden. Obwohl die beiden Erfolgsautoren 500 Meilen voneinander entfernt leben, schreiben sie ihre Megaseller gemeinsam: per Telefon, Fax und Internet. Lincoln Child publiziert darüber hinaus auch eigene Bücher (»Das Patent«, »Eden«). Er lebt mit Frau und Tochter in New Jersey.
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel »The Pharaoh Key« bei Grand Central Publishing, New York.
© 2019 der eBook-Ausgabe Knaur eBook
© 2018 by Splendide Mendax, Inc. and Lincoln Child
© 2019 der deutschsprachigen Ausgabe Knaur Verlag
Ein Imprint der Verlagsgruppe Droemer Knaur GmbH & Co. KG, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Redaktion: Ralf Reiter
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Coverabbildung: © FinePic / shutterstock.com
ISBN 978-3-426-42227-4
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Lincoln Child widmet dieses Buch seiner Tochter Veronica.
Douglas Preston widmet dieses Buch Anna und Peyton Forbes.
Gideon Crew saß im dreizehnten Stock im Wartezimmer von Dr. Lewis Conrad. Unruhig trommelte er mit den Kuppen der linken Finger auf den Rücken des rechten Handgelenks und wartete darauf, herauszufinden, ob er leben oder sterben würde. Neben seinem Stuhl lag ein großer Umschlag, den er mitgebracht hatte und der zurzeit leer war. Dr. Conrad war einer der teuersten Neurochirurgen in New York City, aber die Zeitschriften in dem ansprechend eingerichteten Wartezimmer wirkten irgendwie schmuddelig und abgegriffen – was Gideon davon abhielt, sie anzufassen. Außerdem behandelten die Magazine – People, Entertainment Weekly, Us – Themen, die ihn wenig interessierten. Warum lagen in den Wartezimmern von Ärzten eigentlich keine Ausgaben von Harper’s Bazaar, The New Criterion oder wenigstens eine verdammte National Geographic aus?
Auf der gegenüberliegenden Seite des Wartezimmers öffnete sich leise eine Tür, und eine Sprechstundenhilfe mit einer Krankenakte in der Hand steckte den Kopf durch den Türspalt. Plötzlich erwachte Hoffnung in Gideon.
»Ada Kraus?«, sagte die Sprechstundenhilfe. Eine ältere Frau erhob sich mühevoll, durchquerte langsam das Wartezimmer und betrat den Flur hinter der offenen Tür, die sich sofort wieder schloss.
Gideon lehnte sich zurück auf seinem Stuhl. Dabei ging ihm auf, dass er im Grunde gar nicht unter innerer Unruhe litt. Vielmehr hielt ihn seit der Erledigung des letzten Auftrags für seinen Arbeitgeber, Effective Engineering Solution, ein Gefühl der Ungewissheit in New York fest. Normalerweise wäre er geradewegs zu seiner Hütte in den Jimenez Mountains in New Mexico aufgebrochen, hätte die Fliegenrute hervorgeholt und wäre angeln gegangen.
Es war schon ziemlich merkwürdig. Sein Chef, Eli Glinn, war ohne ein Wort des Abschieds verschwunden. Die Räume der Firma im ehemaligen Meatpacking District in Lower Manhattan waren immer noch besetzt, aber es hatte den Anschein, als würde die Firma langsam abgewickelt. Zwei Wochen zuvor war Gideons Gehaltszahlung ohne Vorwarnung ausgeblieben, und seit vergangener Woche zahlte EES seine teure Suite im Gansevoort Hotel, um die Ecke der EES-Zentrale gelegen, nicht mehr. Dennoch hatte Gideon New York nicht verlassen. Er war noch zwei Monate geblieben, in denen sein Arm nach der Verletzung, die er sich auf der letzten Mission zugezogen hatte, abgeheilt war. Er hatte die Stadt erkundet, Museen besucht, er hatte Romane gelesen, wenn er im Hotel faulenzte, und in den zahlreichen hippen Bars im Meatpacking District viel zu viel getrunken. Schließlich hatte er sich eingestanden, warum er in der Stadt hängen geblieben war: Es gab da etwas, das er wissen musste. Und am Ende hatte seine Wissbegierde die Angst vor dem Wissen besiegt, weshalb er einen Termin bei Dr. Conrad vereinbart hatte. Also hatte er zwei Tage zuvor eine Kernspintomografie seines Schädels anfertigen lassen und wartete nun im Wartezimmer des Arztes auf die Ergebnisse.
Nein, er litt keinesfalls unter nervöser innerer Unruhe, sondern unter diesem Hoffen und Bangen, das ihn in unterschiedliche Richtungen zog: in die der Hoffnung, dass in den vergangenen zehn Monaten etwas geschehen war, das seine Erkrankung namens Arteriovenöse Malformation, AVM, geheilt hatte; und in die der Befürchtung, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert hatte.
Und hier saß er jetzt, wartend, hoffend und bangend, und seine Gedanken waren ungefähr so verknäult, wie es die AVM selbst war.
Wieder ging die Tür auf, und die Sprechstundenhilfe steckte den Kopf durch den Spalt. »Gideon Crew?«
Gideon griff nach dem großen Umschlag, erhob sich aus dem Stuhl und ging hinter der Sprechstundenhilfe den Flur entlang ins gut ausgestattete Sprechzimmer. Zu seiner Überraschung saß der Arzt schon hinter seinem Schreibtisch. Auf der einen Seite lagen die abgegriffenen Arztberichte und MRT-Aufnahmen, die Gideon fast ein ganzes Jahr lang in dem großen Umschlag mit sich herumgetragen hatte, auf der anderen Seite mehrere neue Röntgenbilder und Kernspinaufnahmen – diejenigen, die zwei Tage zuvor gemacht worden waren.
Dr. Conrad war um die sechzig, hatte einen sanften Gesichtsausdruck, graue Augen und volles, grau meliertes Haar. Freundlich schaute er Gideon durch seine Brille mit schwarzem Gestell an. »Hallo, Gideon. Ich darf Sie doch mit Vornamen anreden?«
»Selbstverständlich.«
»Bitte nehmen Sie Platz.«
Gideon setzte sich.
In der nachfolgenden Stille räusperte sich der Arzt und warf dann einen kurzen Blick von den alten MRTs auf die neuen. »Ich nehme an, dass Sie über Ihre Erkrankung im Bilde sind.«
»Ja. Sie ist bekannt unter der Bezeichnung Galen’sche Venen-Fehlbildung. Hierbei handelt es sich um ein anormales Knäuel von Venen und Arterien in meinem Gehirn, in einer Region namens Willis-Kreis. Diese Fehlbildung ist in der Regel erblich und in meinem Fall inoperabel. Weil die arteriovenösen Wände sich stetig erweitern, wird die AVM größer werden und schließlich platzen – was umgehend zum Tode führt.«
Es folgte eine kurze, unbehagliche Stille.
»Ich selbst hätte keine bessere Zusammenfassung geben können.« Dr. Conrad drückte die Handflächen auf die Kante des Schreibtischs und verschränkte die Finger. »Als Sie von Ihrer AVM erfahren haben«, fragte er, »hat Ihnen der Arzt da eine Prognose gestellt, wie lange Sie vermutlich mit dieser Erkrankung leben können?«
»Ja.«
»Und welchen Zeitraum hat er Ihnen genannt?«
»Ungefähr ein Jahr.«
»Und wann hat er Ihnen das gesagt?«
»Vor fast zehn Monaten.«
»Verstehe.« Der Arzt sah sich die Aufnahmen, die auf seinem Schreibtisch lagen, kurz an und räusperte sich erneut. »Es tut mir sehr leid, Ihnen das sagen zu müssen, Gideon, aber ausgehend von den vorliegenden Untersuchungen und allem anderen, was ich gesehen habe, trifft diese Prognose zu.«
Obgleich Gideon damit gerechnet hatte – es hatte ja wirklich keinen Anlass für die Annahme gegeben, dass er etwas anderes hören würde –, verschlug es ihm einen Augenblick lang doch die Sprache. »Sie meinen … ich habe nur noch zwei Monate zu leben?«
»Wenn ich Ihre ersten Kernspintomografien mit denjenigen vergleiche, die wir vor Kurzem gemacht haben, schreitet Ihre AVM leider lehrbuchmäßig voran. Also ja, dies ist wohl der verbleibende Zeitraum – plus/minus ein paar Wochen.«
»Es gibt keine neuen Behandlungsverfahren oder Operationsmöglichkeiten?«
»Wie Sie vermutlich erfahren haben, können die meisten AVMs im Gehirn operativ, mittels Röntgenbestrahlung oder Embolisation behandelt werden, aber die Lage Ihrer AVM und deren Größe machen es unmöglich, dass Sie mit diesen Verfahren behandelt werden können. Alles, was wir täten, ob nun auf chirurgischem oder röntgenologischem Wege, würde mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit zu schwerwiegenden Hirnschäden führen, wenn Sie es denn überhaupt überlebten.«
Gideon lehnte sich im Stuhl zurück. Die Angst und die Ungewissheit, die in den vergangenen Wochen über ihm geschwebt hatten, lasteten inzwischen wie ein Totgewicht auf ihm. Er hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen.
Dr. Conrad beugte sich vor. »Mir ist durchaus bewusst, dass es hart für Sie ist. Aber nichts, was ich sage, kann etwas daran ändern. Es mag Ihnen nicht helfen, wenn ich Ihnen das sage, aber wenigstens wissen Sie so, wie viel Zeit Ihnen noch bleibt. Den meisten von uns ist dieser Luxus nicht vergönnt.«
»Luxus?«, entgegnete Gideon entnervt. »Zwei Monate – das nennen Sie Luxus? Ich bitte Sie.«
»Als Warren Zevon, der Rockstar, erfuhr, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist, wurde er gefragt, wie er denn damit fertigwerde. Wissen Sie, was er geantwortet hat? Ich lasse mir jedes Sandwich schmecken. Ich möchte Ihnen einen ähnlichen Rat geben: Werden Sie nicht trübselig, lassen Sie sich nicht lähmen von Kummer und Angst. Tun Sie stattdessen etwas Sinnvolles und nutzen Sie die Zeit, die Ihnen noch bleibt.«
Gideon schwieg und schüttelte nur den Kopf. Ihm war speiübel. Zwei Monate. Aber wieso hatte er eigentlich etwas anderes erwartet?
»Sie sind gesund und mobil, und das wird auch so bleiben … bis zum Ende. Das ist das Charakteristische an der AVM. Ich möchte Ihnen also sagen, was ich auch meinen anderen Patienten erkläre, die sich in einer ähnlichen Situation befinden: Genießen Sie jede Minute, so gut es geht.«
Ein langer Augenblick verstrich, Gideon saß still auf seinem Stuhl. Von der anderen Seite des Schreibtischs lächelte ihn Dr. Conrad weiter mit der gleichen freundlichen Miene an. Als er die diversen Arztberichte und Röntgenaufnahmen zusammensammelte, wurde Gideon klar, dass das Gespräch beendet war. Er erhob sich und sagte: »Vielen Dank.«
Der Neurochirurg stand ebenfalls auf, gab ihm die Unterlagen zurück und schüttelte ihm die Hand. »Gott segne Sie, Gideon. Und vergessen Sie nicht, was ich Ihnen geraten habe.«
Die kühle Märzsonne, die die 50th Street erhellte, schien Gideon mitten ins Gesicht, als er aus dem Gebäude in den nachmittäglichen Trubel von Midtown trat. Das laute Gehupe und die stinkenden Auspuffgase vermischten sich mit dem Geruch der Fleischspieße auf dem Grill eines Straßenhändlers. Gideon war wie vor den Kopf gestoßen, er konnte kaum einen Fuß vor den anderen setzen. Zwei Monate. Wider besseres Wissen wurde ihm klar, dass er irrsinnigerweise gehofft hatte, seine AVM sei geheilt – oder wenigstens gestoppt worden.
Ein Gefühl des Selbstmitleids überkam ihn, als er um die Straßenecke auf die Madison Avenue bog. Glinn war spurlos verschwunden. Gideon kam es so vor, als hätte er keinen Freund mehr auf der Welt. Zwar besaß er mehr als genügend Geld, um zwei Monate über die Runden zu kommen, aber was nützte ihm das schon? Wollte er denn wirklich nach New Mexico zurückkehren und ganz allein in seiner einsam gelegenen Hütte hausen, angeln gehen und so sein Leben zu Ende leben?
Sein Handy piepte. Er warf einen kurzen Blick darauf: eine Nachricht von Manuel Garza, dem stellvertretenden Leiter von EES. Der Text lautete: Kommen Sie auf der Stelle ins Büro.
Garza. Das Verhältnis zu dem brillanten Ingenieur, der ebenso empfindlich wie kaltblütig sein konnte, hatte sich schwierig gestaltet. Trotzdem hatte sich zwischen ihnen auf der letzten gemeinsamen Mission eine einigermaßen gute Beziehung entwickelt. Denn Garza war, wie Gideon festgestellt hatte, doch kein ganz so skrupelloser Mensch, wie er angenommen hatte. Unter der Oberfläche aus gebürstetem Stahl schlug tatsächlich ein Herz.
Auf der Stelle. Gideon beschloss, auf die Sonnenseite der Straße zu wechseln, in der Hoffnung, dass der drei Kilometer lange Spaziergang, zügigen Schritts zurückgelegt, ihm helfen würde, den Schock nach dem, was er da eben erfahren hatte, zu überwinden. Zwei Monate, verdammt …
Eine halbe Stunde darauf traf er am hässlichen Ladenrampen-Eingang der Zentrale von EES in der Little West 12th Street ein. Seit die Firma zwei Monate zuvor die Gehaltszahlung eingestellt hatte, war er nicht mehr hier gewesen, doch seine Karte und der Schlüsselcode funktionierten noch. Als er den riesigen, höhlenartigen Raum des Hauptarbeitsbereichs betrat, überraschte ihn der Anblick, der sich ihm bot. Der riesige Raum, einst voller Modelle für diverse Ingenieursprojekte, Whiteboards mit hingekritzelten mathematischen Gleichungen und herumlaufenden Mitarbeitern in Laborkitteln, war jetzt so gut wie leer. Auf dem Fußboden lagen Dokumente und verschiedene Geschäftsunterlagen: Hinweise auf einen hastigen Aufbruch. Die Arbeits- und Schreibtische waren leer geräumt, die Computermonitore schwarz, über einige davon hatte man Plastikhüllen gestülpt. Überall lagen Kabel herum, die ins Nichts führten.
Aus dem Dunkel trat eine muskulöse Gestalt, eine voluminöse Computertasche über der Schulter. Garza, wie Gideon erkannte. Er war sichtlich wütend.
»Das wurde aber auch Zeit. Was haben Sie denn gemacht – sind Sie zu Fuß gegangen?«, sagte er laut, noch ehe er bei Gideon angekommen war. »Unglaublich, dieser Scheiß hier.«
»Was für ein Scheiß denn?«
Garza zeigte mit ausladender Handbewegung in den Raum.
»Sieht ganz danach aus, als ob man den Laden hier dichtmachen will.«
»Hat man Ihnen auch den Geldhahn zugedreht? Vorige Woche hat man mir das Gehalt nicht überwiesen. Keine Benachrichtigung, keine Erklärung, kein Entlassungsschreiben. Nada.«
»Bei mir sieht’s genauso aus.«
»Und jetzt das hier. Nach all den gefährlichen Missionen, nachdem wir ein halbes Dutzend Mal unser Leben riskiert haben, nach all den Jahren harter Arbeit, soll das hier der Dank sein?« Garza hielt ihm seine Armbanduhr – eine Rolex mit schwarzem Ziffernblatt und goldenem Armband – vors Gesicht. »Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen damit geht, aber ich bin stinksauer.«
»Stinksauer« – das war noch ziemlich untertrieben. Gideon war eher sprachlos. Was spielte das alles hier denn für eine Rolle, wenn er nur noch zwei Monate zu leben hatte? »Er hat uns gut bezahlt.«
»Für das, was ich alles für ihn getan habe, hätte er mir eine siebenstellige Summe zahlen müssen. Aber so habe ich kaum etwas sparen können. Das Leben ist teuer, vor allem hier in New York City, außerdem hatte ich für die kommenden Jahre ein regelmäßiges Einkommen eingeplant. Aber es geht mir nicht nur ums Geld, sondern um die Art, wie er’s getan hat. Seit sechs Wochen ist er nicht zu erreichen. Keine Antwort auf meine E-Mails, meine Anrufe auf sein Handy, nichts. Ich weiß nicht mal, wo der Mistkerl steckt. Und jetzt haben wir bis siebzehn Uhr Zeit, unsere Sachen zu packen. Das ist in zehn Minuten, falls Ihnen das entgangen sein sollte.«
»Hm, das ist mir neu.«
Garza hielt inne und musterte ihn scharf. »Hey – alles in Ordnung mit Ihnen?«
Gideon wollte etwas darauf erwidern, doch irgendetwas schien ihm die Kehle zu verschließen, ihn davon abzuhalten, zu antworten.
Garza trat einen Schritt näher, und da dämmerte es ihm. Er kannte ja bereits Gideons Diagnose, und jetzt wurde ihm bewusst, was den anderen so belastete. »Schlechte Neuigkeiten?«
Gideon nickte.
Es folgte ein langes Schweigen, bis Gideon schließlich seine Stimme wiederfand. »Zwei Monate.«
Garza war wie vor den Kopf gestoßen. »O Scheiße. Scheiße. Das tut mir so leid. Gibt es denn keine Möglichkeiten, experimentelle Behandlungsverfahren oder dergleichen?«
Gideon winkte ab. »Nichts.«
Garza holte tief Luft. »Das macht mich noch wütender. Glinn hat doch genau gewusst, dass Sie nur noch ein Jahr zu leben haben, als er Sie einstellte … Aber sehen Sie, wie er Sie seitdem behandelt! Da müssten Sie doch noch wütender sein als ich. Wir hätten einen großen Zahltag erleben müssen, einen wirklich großen, und das schon vor langer Zeit. Und deshalb bin ich doch zu EES gegangen, nachdem Eli und ich aus dem Militär ausgeschieden waren, darum sind wir doch diese irren Risiken eingegangen. Eli hat uns versprochen, dass wir alle genau so einen Zahltag erleben würden. Und die Firma hat ja auch gut verdient – was ja fast das Schlimmste an der ganzen Sache ist. Denn gerade, als für uns endlich gutes Geld herausgesprungen wäre, hat er jeden Dollar in dieses durchgedrehte Projekt gesteckt. Das dann natürlich dank uns ein Erfolg wurde, aber es hat alles Geld verbrannt, und wir gucken in die Röhre. Und jetzt hat er uns auch noch gefeuert und wickelt die Firma ab!«
Es fiel Gideon schwer, sich wegen EES den Kopf zu zerbrechen. Er murmelte seine Zustimmung.
»Na ja«, sagte Garza, »ich jedenfalls hab meine ganzen Sachen hier drin …« Er hob seine Computertasche an. »Kommen Sie, räumen Sie Ihren Schreibtisch leer, gehen wir rüber zum Spice Market und besaufen wir uns.«
»Okay, gute Idee. Aber ich habe wirklich nichts mehr hier, was ich wegräumen müsste.«
»Umso besser. Gehen wir.«
Gideon betrachtete den riesigen, leeren, stillen Raum mit den halb beendeten Projekten und der ausgeschalteten Elektronik. Auch Garza hielt inne – bis er schließlich den Kopf schüttelte.
Im selben Moment hörte Gideon in einer fernen Ecke ein elektronisches Piepsen. Unter einer durchsichtigen Hülle war ein kleiner Computerbildschirm angesprungen und erzeugte einen Lichtschein.
Auch Garza hatte es bemerkt. »Da hat wohl jemand vergessen, seinen Computer auszuschalten.« Er ging hin zum Rechner, Gideon folgte dichtauf. Garza hob die Hülle an einer Ecke an und zog sie vom Bildschirm.
Auf weißem Grund war folgende Nachricht zu lesen:
Projekt Phaistos
TASK BEENDET
Laufzeit: 43.412 Stunden 34.12 Minuten
Lösung folgt
Garza starrte entgeistert auf die Nachricht. »Was zum Teufel ist das?«
»Dreiundvierzigtausend Stunden …« Gideon rechnete es schnell im Kopf aus. »Das sind fast fünf Jahre. Glauben Sie, dass dieser Computer fünf Jahre an einem Problem gearbeitet hat?«
Garza fing so laut an zu lachen, dass es durch den ganzen Raum schallte. »Das ist ganz typisch für Glinn. Einem Rechner eine unlösbare Aufgabe stellen und ihn dann vor sich hin schuften lassen, tagaus, tagein, nur um festzustellen, ob der Computer eine Lösung ausspuckt. Und sehen Sie, der Rechner hat’s am Ende tatsächlich geschafft! Ein bisschen spät zwar, aber immerhin.«
Gideon sah aus der Nähe auf den Bildschirm. Bei der »Lösung« im Anschluss an die Nachricht handelte es sich um eine lange Liste in Hexadezimalcode. »Was ist das, dieses Phaistos-Projekt?«
Ehe Garza etwas darauf antworten konnte, ertönte auf der gegenüberliegenden Seite des Raums eine Stimme. »Fünf Uhr, Gentlemen! Tut mir leid, aber es ist Zeit zu gehen. Wir schließen den Laden.«
Gideon wandte sich um und erblickte zwei Security-Männer, die vor der Eingangstür standen. Als er sich wieder umdrehte, sah er, wie Garza sich über den Computer beugte und einen USB-Stick hineinschob.
»Was machen Sie da?«
»Ich lade nur die Daten hier herunter.«
»Wozu?«
Aber Garza tippte geschäftig auf der Tastatur.
»Gentlemen, es wird langsam Zeit.« Die Wachleute durchquerten den Raum.
»Wir kommen gleich, wir müssen nur noch unsere Sachen zusammensuchen!«, rief Garza, immer noch in gebeugter Körperhaltung.
»Sorry, aber wir haben Anweisung, um Punkt siebzehn Uhr hier alles abzuschließen.«
Garza zog den USB-Stick heraus und steckte ihn sich zwischen Wade und Socke. »Ich hätte gern noch die Zeit, den Computer hier zu versauen«, sagte er leise. »Das würde Eli recht geschehen.«
Inzwischen standen die Wachleute neben ihnen. »Sie dürfen keines der elektronischen Geräte benutzen«, sagte der Größere.
»Entschuldigen Sie«, meinte Garza und richtete sich auf. »Wir gehen ja schon.«
Die Wachleute eskortieren sie zur Eingangshalle und blieben dort stehen. »Sir«, sagte der Größere zu Garza. »Ich fürchte, ich muss Ihre Tasche durchsuchen.«
»Unsinn«, sagte Garza, »da sind meine Sachen drin.«
»Befehl ist Befehl«, entgegnete der Wachmann. Er griff nach der Tasche, die Garza ihm nach einigem Zögern überließ.
Der Wachmann öffnete sie und kramte mit ungeschickten Bewegungen darin herum. In der Tasche befand sich kein Laptop, doch er fand eine kleine Festplatte. »Die muss ich mitnehmen.«
Garza sah ihn ungläubig an. »Das sind meine Daten.«
»Wenn Sie aus diesem Unternehmen ausscheiden, gehört Ihnen nichts mehr davon«, sagte der Wachmann.
»Blödsinn.«
Der Wachmann griff nach der Festplatte und ließ sie in den Schlitz eines Geräts fallen, aus dem plötzlich lautes Knirschen drang – ein E-Abfall-Shredder.
»Hey! Was soll das?«
»Bedaure«, sagte der Wachmann in einem Ton, der alles andere als bedauernd klang. Er trat einen Schritt vor und legte die rechte Hand auf den Griff seiner Glock im Holster. »Zeit zu gehen.«
Garza sah ihn nur wütend an.
»Gehen wir«, sagte Gideon.
Sie wandten sich um und verließen wortlos das Gebäude. Die beiden Wachleute folgten ihnen. Sobald sie die Laderampe erreicht hatten, glitt die schwere Stahltür zu den Räumlichkeiten von EES laut dröhnend hinter ihnen zu. Gideon hörte die Riegel automatisch ins Schloss schießen.
Garza drehte sich zu ihm um. »Zeit für unseren Drink.«
Als sie um die Ecke in die 13th Street bogen, rief Garza entsetzt: »Zu!«
Er hatte recht. Das Spice Market, in dem sie hin und wieder zusammen was getrunken hatten, war geschlossen.
»Die Geschichte unseres Lebens!«, sagte Garza verbittert. »Ausgesperrt.«
Sie gingen die Straße entlang zu einer anderen Kneipe, dem Catch. Um 17 Uhr war dort noch nicht viel los, deshalb fanden sie einen Platz an der Bar. Gideon bestellte einen Hendrick’s Martini, dirty, Garza nahm ein großes Craft Beer.
Der Barkeeper servierte die Getränke; Garza hob sein Glas. »Auf … verdammt noch mal, mir fällt einfach kein guter Trinkspruch ein, ich bin immer noch stinksauer.«
»Also, dann eben auf stinksauer.«
Sie stießen miteinander an.
»Okay«, sagte Gideon, »nun erzählen Sie mal von diesem Phaistos-Projekt.«
»Es handelt sich dabei um einen von Elis irren Schüssen ins Blaue.«
»Und worum geht’s dabei?«
»In den vergangenen sechs Jahren, seit dem Untergang der Rolvaag, ist er ständig in Geldschwierigkeiten gewesen. Wissen Sie, er musste zwei Milliarden für sein abgedrehtes Projekt eintreiben, damit er an die Eisgrenze zurückkehren und zu Ende bringen konnte, was er begonnen hatte. In den ganzen dazwischenliegenden Jahren hat er versucht, Geld abzustauben, wo immer er nur konnte, und bei ein paar dieser Projekte ging es um Schatzsuche. Den Schatz von Lima, die verschollene Goldmine des Holländers, das Victoria Peak Gold … derartiger Scheiß.«
»Hat er denn überhaupt je irgendwas gefunden?«
»Verdammt, ja. Erinnern Sie mich daran, dass ich Ihnen irgendwann mal die Geschichte von den Höhlen von Asphodel erzähle. Mein Gott, als er die Vorkammer betrat …« Er stieß einen leisen Pfiff aus. »Aber wie auch immer, Glinn hat einen ganzen Haufen spekulativer Projekte ins Leben gerufen, von denen er hoffte, sie könnten Geld in die Kasse spülen. Eines dieser Projekte hat dann zu Ihrer Mission auf der Verlorenen Insel geführt. Aber es hat da noch weitere Projekte gegeben. Glinn hat seine Kryptoanalytiker und Historiker darauf angesetzt, das Voynich-Manuskript zu entziffern, die Inschrift von Shugborough Hall, die Tafel von Dispilio, den Codex Rohonczi … und den Diskos von Phaistos.«
Garza trank einen großen Schluck von seinem Bier.
»Also, hier die Geschichte.« Er machte eine kurze Pause, als wolle er seine Gedanken sortieren. »Der Diskos von Phaistos wurde 1908 gefunden, in den Ruinen eines minoischen Palasts auf der Insel Kreta. Die Scheibe ist dreitausendfünfhundert Jahre alt, aus Ton gefertigt und beidseitig mit einer Spirale aus dicht gestempelten hieroglyphischen Figuren bedeckt – Köpfe, Menschen, Helme, Handschuhe, Pfeile, Schilde, Keulen, Schiffe, Säulen, Fische, Vögel, Bienen –, alles winzig kleine Bilder. Es scheint sich um eine Inschrift in einer unbekannten Sprache zu handeln. Seit ihrer Entdeckung haben jede Menge Leute versucht, die Tonscheibe zu entziffern, doch ohne Erfolg, und heute handelt es sich um die berühmteste nicht entzifferte Inschrift überhaupt. Natürlich haben viele behauptet, den Text übersetzt zu haben, aber alle diese Lösungen wurden verworfen.«
»Aber wieso sollte die Inschrift zu einem Schatz führen?«, fragte Gideon.
»Wir konnten gar nicht sicher sein, dass dies der Fall sein würde. Wie gesagt, es war ein Schuss ins Blaue, einer von vielen. Vor etwa fünf Jahren hat Glinn einen Hochleistungsrechner darauf angesetzt, den Code zu knacken. Im Laufe der Zeit geriet das Projekt im Grunde in Vergessenheit, während andere Vorhaben in den Vordergrund rückten. Ich jedenfalls habe es völlig vergessen. Doch während der ganzen Zeit muss der Rechner vor sich hin gekurbelt und geduldig einen kryptoanalytischen Ansatz nach dem anderen ausprobiert haben.«
»Und schließlich Erfolg gehabt haben.«
Garza zog den USB-Stick aus dem Schlitz und versteckte ihn in der Hand. »Die Lösung befindet sich hier drauf.«
»Sind Sie sicher?«
»Ja, hier drauf ist die Übersetzung, ganz bestimmt. Eli hat die besten Kryptoanalytiker, Philologen und Programmierer darauf angesetzt, das Programm zu schreiben. Wenn dieser Computer behauptet, der Durchlauf ist beendet, dann ist er das auch. Wir müssen nur noch dahinterkommen, was er uns sagt.« Garza trank sein Bier aus.
»Und was, glauben Sie, steht auf diesem Diskos?«
»Das werden wir herausfinden. Vielleicht eine dreitausendfünfhundert Jahre alte Botschaft von einem griechischen König an einen anderen, so etwa nach dem Motto: Gib mir meine Frau Helena zurück, sonst verpass ich dir einen Tritt in den Arsch.«
Gideon lachte wider Willen. »Warum hat sich Glinn gerade für diese Tonscheibe interessiert?«
»Weil sie so berühmt ist. Außerdem ist er eine Art Spieler, er hat immer alles auf eine Karte gesetzt.«
»Wenn es sich um ein so großes Lotteriespiel handelt, weshalb haben Sie sich dann überhaupt bemüht, die Dateien herunterzuladen?«
»Machen Sie Witze? Bei diesem Spiel handelt es sich nicht um das Geheimnis, das der Diskos von Phaistos enthält, sondern um Glinns Annahme, dass er dessen Inhalt überhaupt je würde entziffern können. Aber das Programm hat es geschafft – und er ist der Angeschmierte.« Garza wedelte mit dem USB-Stick vor Gideons Gesicht herum. »Was immer uns die Botschaft auf dem Ding hier verrät, wohin sie uns auch immer führt, eins steht fest: Sie wird ihr Geld wert sein. Wahrscheinlich verdammt viel Geld. Diese Sache könnte uns berühmt machen – und wir haben sie direkt vor Glinns Nase durchgezogen.«
»Ich brauche noch einen Drink.«
Sie bestellten noch eine Runde. Als die Getränke kamen, hob Garza sein Glas. »Jetzt bin ich an der Reihe, einen Toast auszusprechen. Auf Ruhm, Ehre und Reichtum.« Er trank einen ordentlichen Schluck. »Und das ist unsere Chance, Gideon, Ihre und meine. Und natürlich die Gelegenheit, uns zu revanchieren! Wir werden uns Zeit lassen, alles richtig machen, diese hexadezimale Datei übersetzen und …«
»Nein«, unterbrach ihn Gideon.
»Was soll das heißen, nein?«
»Wir werden uns keinesfalls ›Zeit lassen‹. Wenn wir diese Sache durchziehen wollen, müssen wir sofort damit anfangen. Und zwar noch heute.«
Garza wandte etwas ein, verstummte dann aber plötzlich. »Okay. Ich hab’s vergessen. Zwei Monate.«
»Ich habe gerade von einem Neurologen einen Tipp bekommen: Lassen Sie sich jedes Sandwich schmecken. Na ja, was immer auch passiert, das Leben hat mir gerade eben dieses Sandwich serviert. Also, gehen wir rauf in mein Zimmer und stecken wir den USB-Stick in meinen Laptop. Mal sehen, was uns der Diskos von Phaistos nach den vielen Jahrhunderten des Schweigens zu sagen hat.«
»In Ordnung. Wir machen das sofort. Aber ich habe auch eine Bedingung.«
Gideon, der gerade aufstehen wollte, hielt inne. »Als da wäre?«
»Wir sind uns einig, dass egal, wohin uns der Diskos von Phaistos führt, Geld für uns dabei herausspringt. Okay? Es könnte sich um Homers verschollenes Werk handeln, die Margiten. Es könnte sich um die Schlüssel zu einem Raumschiff handeln. Es könnte sich um den sprichwörtlichen Diamanten so groß wie das Ritz handeln. Aber es wird sich für uns auszahlen.«
»Und was wollen Sie damit sagen?«
»Dass ich es satt habe, etwas zu finden und anschließend an jemand anderen zu übergeben. Wenn – falls – am Ende des Regenbogens ein Topf voll Gold auf uns wartet, dann behalten wir ihn. Einverstanden? Wir überlassen ihn nicht irgendeinem Museum, spenden ihn nicht der Bibliothek des amerikanischen Kongresses oder sonst wem. Wir machen ihn zu Geld, ob das nun bedeutet, ihn auseinanderzubrechen und Stück für Stück zu verkaufen oder ihn an den Meistbietenden zu versteigern.«
»Aber …«, begann Gideon, schwieg dann aber.
»Aber was?«, entgegnete Garza in etwas streitlustigem Ton.
»Wir wissen nicht, worum es sich dabei handelt. Es könnte alles Mögliche sein. Es könnte von großem historischem und kulturellem Wert sein. Es könnte sich um das Erbe irgendeiner Zivilisation handeln …«
»Jetzt hören Sie sich so an wie Glinn. Ich mache das hier nicht zum Wohle der Menschheit, sondern für mich. Und wenn es sich um das ausklappbare Nacktbild der Mona Lisa handelt, wir werden es meistbietend verkaufen und uns anschließend den Erlös teilen. Sie können Ihre Hälfte ja immer noch spenden – na ja, vielleicht für die medizinische Forschung. Ich will in dieser Frage allerdings ganz deutlich sein: Wenn es von Wert ist, werden wir es stehlen. Haben Sie mich verstanden?«
Dem Satz folgte eine peinliche Stille. Schließlich zuckte Gideon mit den Schultern. »Ach, verdammt. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich deswegen ein paar Wochen ein schlechtes Gewissen habe.«
»Guter Mann.« Und damit standen sie auf und gaben einander die Hand.
In der Bar oben im Gansevoort Hotel war kaum etwas los, der Rooftop-Pool nach dem Winter noch nicht wieder in Betrieb. Nachdem Gideon seinen Laptop aus dem Zimmer geholt hatte, setzte er sich zusammen mit Garza auf ein Ledersofa in einer Ecke.
Während Gideon den Rechner hochfuhr, bestellte Garza eine Runde Mojitos. Die Drinks kamen. Garza zog den USB-Stick aus der Hosentasche. »Bereit?«
»Auf geht’s.«
Garza steckte den Stick in den Laptop, rief einen Hexadezimal-zu-ASCII-Konverter auf und speiste die heruntergeladenen Daten ein. Das ergab einen offensichtlich unsinnigen Output.
»Okay«, sagte Garza, »das ist merkwürdig.«
Gideon nahm einen großen Schluck von seinem Mojito. »Sind Sie sicher, dass der Diskos erfolgreich entschlüsselt wurde?«
»Das habe ich Ihnen doch gesagt – ganz sicher. Probieren Sie es mal mit einer Hexadezimal-Konvertierung.«
Gideon zog den Laptop zu sich heran und ließ das Konvertierungsprogramm erneut durchlaufen, was aber zu einer weiteren Liste mit anscheinend willkürlichen Zahlen führte.
»Versuchen Sie’s mal mit Unicode«, sagte Garza.
»Wie soll uns das helfen?«
»Versuchen Sie’s einfach.«
Wieder Müll.
Sie probierten es mit Base64, oktal, HTML, numerisch, binär und Windows ALT.
Garza lehnte sich zurück. »Okay. Welche vollkommen offensichtliche Sache übersehen wir?«
»Was ich nicht verstehe, ist Folgendes: Wenn der Computer tatsächlich den Diskos entziffert hat, warum soll dann ein weiterer Dechiffrier-Schritt notwendig sein? Weshalb hat der Computer den Text überhaupt im Hexadezimalsystem ausgegeben? Wieso nicht in ganz normalem Klartext, in Altgriechisch oder was immer die Originalsprache war?«
Garza ging nicht darauf ein.
»Vielleicht sind wir ja einfach noch nicht betrunken genug, um dahinterzukommen.« Gideon winkte dem Kellner, und sie bestellten noch eine Runde.
»Wir müssen zum Anfang zurückkehren«, sagte Garza, rutschte auf dem Sofa nach hinten und ließ die Eiswürfel in seinem leeren Glas klirren. »Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wurde der Text auf dem Diskos als irgendein uralter Geheimtext verfasst oder ganz einfach in einer unbekannten Schriftsprache.«
»Was bedeutet, dass es sich bei der einen Möglichkeit um einen echt knallharten Code und bei der anderen um ein philologisches Rätsel handelt.«
»Jupp.«
Die nächsten Getränke kamen. Garza dachte nach. »Ich erinnere mich vage, dass der Computerangriff auf den Diskos von Phaistos von der Annahme ausging, dass es sich bei den Schriftzeichen darauf zum einen um eine unbekannte Sprache handelt. Weshalb der Rechner so programmiert wurde, dass er viele alte Schriftsysteme einbezieht – Linear A, Linear B, Keilschrift, luwische Schrift, ägyptische Hieroglyphen – und versucht, Parallelen zu finden. Wenn das keinen Erfolg hatte, sollte das Programm als Nächstes davon ausgehen, dass es sich um einen Geheimtext in irgendeiner alten Sprache handelt, und ihn von dieser Annahme ausgehend attackieren.«
»Und welcher Angriff hat schließlich zum Erfolg geführt?«
»Gute Frage. Um das beantworten zu können, benötigen wir die Logfile.«
»Die Logfile?«
»Die Logfile oder Protokolldatei ähnelt einer Datei, die ein Installationsprogramm generiert. Sie enthält eine Liste, die Bezeichnung, welcher besondere Angriffs-Algorithmus gerade läuft, und die Zeit, wie lange dieser läuft, bevor sie aufgibt und zum nächsten Algorithmus übergeht. Wenn wir diese Protokolldatei besäßen, könnten wir ihren letzten Eintrag überprüfen und dahinterkommen, welcher Algorithmus genau zum Erfolg geführt hat.«
»Und wo befindet sich diese Protokolldatei?«
»Noch im Rechner«, sagte Garza. »In den Räumen von EES.«
»Dann brechen wir eben dort ein. Und stehlen sie.«
»Machen Sie Witze? Der Computer befindet sich in einem der am strengsten geschützten Gebäude in ganz New York City. Das ist ungefähr so, als wollte man in den Goldtresor der Federal Reserve einbrechen.«
Gideon trank einen Schluck. »Guter Punkt. Wir brechen dort also nicht ein, sondern kommen da auf anderem Wege rein.«
»Auf anderem Wege?«
»Mittels Social Engineering, sozialer Manipulation.«
»Ja, klar. Und wen wollen Sie sozial manipulieren?«
»Glinn.«
Garza lachte. »Das ist doch absurd. Den größten Experten der Welt in Sachen sozialer Manipulation sozial manipulieren?«
»Warum denn nicht? Glinn ist derart eingenommen von sich, dass er sich für superschlau hält. Denken Sie mal drüber nach – er ist die ideale Zielperson.« Gideon hielt inne. »Sie wollen es Glinn wirklich heimzahlen, stimmt’s? Ihm so richtig eins auswischen? Bitte, hier bietet sich Ihnen die Gelegenheit dazu. Wir müssen nur seine größte Schwäche finden und einen Aktionsplan ausarbeiten.«
Langes Schweigen. Dann leerte Garza sein Glas. Ein breites Grinsen huschte über sein gerötetes Gesicht. »Sally Britton.«
Gideon kramte in seinen Erinnerungen. »Die tote Kapitänin der Rolvaag? Was ist mit ihr?«
»Sie ist Glinns Schwäche. Sie – und seine arrogante Rechthaberei.«
Zwei Tage später folgten Gideon und Garza denselben beiden Wachleuten – einer vor, einer hinter ihnen – und betraten einen Privataufzug hinauf ins oberste Stockwerk der EES-Zentrale in der Little West 12th Street. Das Penthouse war Eli Glinns Privatquartier, ein schickes Loft im ehemaligen Meatpacking-Gebäude. Gideon war bisher nur einmal in der Wohnung gewesen.
Sie gelangten zu einer unbeschrifteten Metalltür. Einer der Wachleute tippte einen Code ein und stellte sich dann vor ein in die Wand eingelassenes elektronisches Gerät, das offenbar die Iris scannte. Flüsterleise öffnete sich die Tür, dahinter lag ein kleiner, schummriger Vorraum. Eine weitere Tür ging leise auf, dann schritten sie einen Flur entlang, der schließlich in eine kleine, erlesene, wenn auch schmucklose Bibliothek mit Marmorkamin mündete.
In einem Sessel nahe dem Kamin saß Eli Glinn. Offenbar hatte er gelesen. Er legte das Buch beiseite und erhob sich aus dem Sessel.
Glinns Aussehen schockierte Gideon. Er sah völlig verwandelt aus – wie ein viel jüngerer Mann, der vor Gesundheit strotzte. Fast kam es ihm vor, als hätte Glinn den Alterungsprozess umgekehrt. Alle Anzeichen seiner vorherigen Gebrechlichkeit waren verschwunden. Glinn war zwar immer schon selbstsicher gewesen, jetzt aber wirkte er auf untypische Art heiter, um nicht zu sagen selbstzufrieden. Seine grauen Augen, die glatte, hohe Stirn und das faltenlose Gesicht, der makellose graue Anzug, die straffe Körperhaltung und der etwas herablassende Gesichtsausdruck – das alles wirkte ausgeprägter denn je. Und warum auch nicht?, dachte Gideon, während er für einen Moment leisen Groll in sich verspürte. Schließlich hatte Glinn ja Erfolg gehabt. Er hatte sich bestätigt gesehen. Er hatte den katastrophalsten Fehler seines Lebens – den Untergang der Rolvaag – ausgebügelt, und das mit großem Können und enormer Kaltblütigkeit. Glinns gute Laune und prächtige Gesundheit bewirkten, dass Gideons Wut darüber, wie der Mann jene im Stich gelassen hatte, die ihm bei der Erreichung dieses Ziels geholfen hatten, zunahm.
Als er kurz zu Garza sah, merkte Gideon, dass dieser noch mehr Mühe hatte, mit Glinns Gebaren klarzukommen. Garzas Miene hatte sich verdüstert, jetzt spiegelte sich in den dunklen Augen echter Groll. Glinn beobachtete, wie Gideon feststellte, Garzas Reaktion belustigt und von oben herab.
»Bitte«, sagte Glinn, »setzen Sie sich.«
Sie setzten sich; Glinn nahm wieder in seinem Sessel Platz. »Darf ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Wasser? Ein Glas Portwein?«
Garza schüttelte den Kopf und sagte mit kaum verhohlener Respektlosigkeit: »Nein.«
Glinn schlug die Beine übereinander und musterte seine Gäste mit fragendem Blick. »Bevor wir anfangen – lassen Sie mich die Karten auf den Tisch legen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass Sie beide irgendeine Art von Trickbetrug planen. Auch wenn ich es nach all unserer gemeinsamen Zeit erstaunlich und ziemlich amüsant finde, dass Sie glauben, Sie könnten mich hinters Licht führen.«
»Ich denke«, sagte Gideon, »es wäre klug, wenn Sie sich ansehen würden, welche Karten wir in der Hand halten, bevor Sie Ihre auf den Tisch legen.«
Glinn lächelte ihn an, kurz, zynisch.
Gideon redete weiter. »Sie haben eingewilligt, uns zu empfangen, weil Sie – geben Sie’s zu – neugierig sind.«
»Stimmt.«
»Und obwohl Sie ein misstrauischer Mensch sind, glaubt ein kleiner Teil von Ihnen, dass wir vielleicht, nur ganz vielleicht – so wie wir in unserer Nachricht andeuteten – eine Botschaft von der verstorbenen Kapitänin Britton für Sie haben.«
»Das halte ich für höchst unwahrscheinlich.«
Gideon lächelte. »Unwahrscheinlich, das schon. Vielleicht sogar sehr unwahrscheinlich, jedenfalls Ihrer Meinung nach. Aber nicht unmöglich.«
»Das zu beurteilen überlassen Sie bitte mir.«
»Selbstverständlich. Manuel?«
Garza beugte sich vor und legte die Ellbogen so auf die Knie, dass sein Anzug an den Schultern spannte. »Sie Dreckskerl«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich habe Ihnen sechzehn Jahre meines Lebens geschenkt. Ich wäre fast gestorben auf der Rolvaag, und dann noch einmal dort unten, als wir vor ein paar Monaten an die Eisgrenze zurückgekehrt sind. Ich war derjenige, der Ihnen auf Phorkys Island den Arsch gerettet hat. Wenn nicht ich – und Gideon – gewesen wären, hätten Sie schon mehrmals Ihr Leben verloren. Und jetzt, wo Sie schließlich bekommen haben, was Sie wollten, werfen Sie uns weg, als wären wir Müll.«
Glinn neigte den Kopf. »Ihre Wut ist irrational. Ich habe Sie äußerst gut bezahlt. Und es geht nicht nur um Sie. Ich löse die Firma auf, wie Sie wissen, und habe deshalb alle bis auf ein paar Wachleute entlassen.«
»Ohne dass Sie uns auch nur einen Brief geschrieben haben, in dem Sie uns Ihren Dank aussprechen.«
»Manuel, wollen Sie damit andeuten, dass Sie mich nach all den Jahren so schlecht kennen? Ich bin kein Mann der leeren Geste. Sie wissen bereits, wie dankbar ich Ihnen und Gideon bin. Legen Sie Wert auf ein entsprechendes Stück Papier? Vielleicht eine Grußkarte? Ich an Ihrer Stelle würde das als Beleidigung auffassen. Kommen Sie, so regeln Leute wie wir unsere Angelegenheiten nicht. Hören wir auf, sinnlose Vorwürfe zu erheben, und kommen wir zum wahren Grund Ihres Erscheinens. Wie ich Ihrer Nachricht entnehme, verlangen Sie beide je eine Million Dollar von mir. Im Gegenzug würden Sie mir einen Brief von Kapitänin Britton, an mich adressiert, aushändigen, den sie Ihnen kurz vor ihrem Tod anvertraut hat.«
Garza nickte. »Sie können das ja als Abfindung betrachten.«
»Wie nett, aber zutreffender wäre wohl, hier von Erpressung zu sprechen.«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen.«
Glinn lehnte sich im Sessel zurück und verschränkte die Arme. »Warum haben Sie mir diesen Brief eigentlich nicht schon vor Jahren gegeben – nach dem Untergang der Rolvaag?«
»Wenn Sie den Brief gelesen haben, werden Sie es verstehen. Es geht um die besonderen Worte, die sie Ihnen geschrieben hat.« Garza hielt inne. »Was sie Ihnen zu sagen hatte … ist furchtbar.«
Glinn hob die gepflegten Augenbrauen. »Natürlich gibt es keinen Brief. Was für ein schäbiger und schlecht durchdachter Plan.«
»Woher wollen Sie wissen, dass es sich um einen Betrug handelt«, sagte Gideon, »ohne dass Sie den Brief gelesen haben?«
»Ach, kommen Sie, Gideon. Ich habe meine ganze berufliche Karriere auf der quantitativen Verhaltensanalyse aufgebaut. Es handelt sich hier derart eindeutig um ein Betrugsmanöver, dass es schon wehtut.«
»Verstehe, Sie sind zu schlau für uns«, sagte Gideon unvermittelt. Er drehte sich zu Garza um. »Gehen wir.«
»Meine Security-Leute werden Sie nach draußen begleiten.« Glinn drückte einen Knopf, und die beiden Wachleute erschienen in der Tür zur Bibliothek.
Gideon stand auf, Garza ebenso.
»Nach Ihnen, meine Herren«, sagte der eine Wachmann und machte eine auffordernde Geste.
An der Tür blieb Gideon stehen, drehte sich zu Garza um und sagte:
»Es gibt keine Liebe. Es gibt nur die verschiedenen Formen von Neid, alle davon traurig.«
»Kommen Sie«, sagte der Wachmann, während sich die Tür leise öffnete.
»Warten Sie«, sagte Glinn und hob seine schmale, weiße Hand.
Gideon wandte sich um.
»Was haben Sie da eben gesagt?«
»Ich zitierte nur die ersten beiden Zeilen in dem Brief. Sie stammen aus einem Gedicht von W.H. Auden, falls Sie das nicht wissen.«
»Ich kenne das Gedicht«, sagte Glinn. Stille senkte sich über das Zimmer. Schließlich sagte Glinn mit einem Seufzen: »Wie ich sehe, ist Ihr betrügerisches Spiel ausgeklügelter, als ich vorhergesehen habe. Bitte kommen Sie zurück und setzen Sie sich.«
Sie kehrten zu ihren Sesseln zurück. Eli Glinn sah von Gideon zu Garza. »Also, Manuel, nun erzählen Sie mir mal ganz genau, wie Sie in den Besitz dieses mutmaßlichen Briefs gekommen sind.«
Gideon warf Garza einen kurzen Blick zu. Der Ingenieur war ein lausiger Lügner, weswegen Gideon die Hoffnung hegte, dass er auch jetzt eine miserable Performance hinlegen würde. Es war nämlich wichtig, dass Glinn ihren Betrug auch weiterhin für einen solchen hielt.
»Wir müssen uns in die letzten Augenblicke der Rolvaag zurückversetzen«, sagte Garza. »Das Schiff geriet in einen Sturm, es lag tot im Wasser und hatte Schlagseite. Wie Sie sich erinnern, standen Sie, Kapitänin Britton und ich auf der Brücke, als die Kapitänin den Befehl gab, das Schiff zu verlassen. Sie haben protestiert und die Brücke wutentbrannt verlassen. Erinnern Sie sich?«
»Lebhaft, es war eine höchst unglückliche Entscheidung. Reden Sie weiter.«
»Sie sind runter in den Laderaum gegangen, um zu versuchen, den riesigen Meteoriten in seiner Haltevorrichtung zu sichern. Die Kapitänin ging Ihnen nach, in der Hoffnung, Sie davon überzeugen zu können, auf die Brücke zurückzukehren und den Totmannschalter zu betätigen – denjenigen, der den Meteoriten freigeben und das Schiff retten sollte. Doch Sie haben sich geweigert. Das habe ich mit eigenen Augen gesehen, als ich mir mehrere Jahre später im forensischen Labor auf der Batavia jene rekonstruierte Videoeinspielung über die letzten Augenblicke der Rolvaag angeschaut habe. Erinnern Sie sich an all das?«
»Aber natürlich. Kommen Sie endlich zur Sache.«
»Danach ist Sally auf die Brücke zurückgekehrt. Das Schiff lag quasi in den letzten Zügen, es hatte 23 Grad Schlagseite, aus der es sich nicht wieder aufrichten konnte. Ich habe gesehen, wie sich Sally das Papier-Logbuch geschnappt und rasch irgendwas hineingeschrieben hat. Dann hat sie die Seite herausgerissen und zweimal gefaltet und mir ausgehändigt. ›Sollten Sie und Eli überleben‹, hat sie gesagt, ›dann geben Sie ihm das hier. Ich gehe jetzt runter in den Elektronikraum und versuche, den Totmannschalter von dort aus zu betätigen.‹ Ich habe dann den Zettel eingesteckt. Zehn Minuten später ist das Schiff gesunken und hat die Kapitänin mit sich in die Tiefe gerissen.«
Garza machte eine Pause und wartete.
»Und?«, sagte Eli schließlich.
»Bei meiner Rettung war ich bewusstlos. Natürlich haben mir die Sanitäter sofort die eisige Kleidung ausgezogen. Erst eine Woche später war ich so weit wiederhergestellt, dass ich mich an den Zettel erinnern konnte. Zum Glück hatten die Retter meine Taschen durchsucht, und man hat mir alles in einem Ziplock-Beutel zurückgegeben, darunter auch der Brief. Ich hatte vor, Ihnen den Brief bei der erstbesten Gelegenheit zu geben, aber Sie haben fast einen Monat im Koma gelegen, und Ihre Genesung verlief quälend langsam. Der Brief war hastig zusammengefaltet worden, und ich muss leider gestehen, dass ich ihn gelesen habe.«
»Das sieht Ihnen aber gar nicht ähnlich.«
»Versuchen Sie doch mal, so einen Brief einen Monat bei sich zu tragen und nicht zu lesen. Ich war verwundert. Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie und die Kapitänin sich ineinander verliebt hatten.«
Daraufhin verlagerte Glinn sein Gewicht. »Ich würde das nicht so ausdrücken.«
»Dann sind Sie nicht ehrlich zu sich selbst. Natürlich haben Sie sie geliebt. Und sie hat Sie auch geliebt.«
»Bitte fahren Sie fort.«
»In dem Brief standen so furchtbare Dinge, dass ich zu der Erkenntnis gekommen bin, es würde Ihrer Genesung schaden, wenn Sie ihn lesen. Und darum habe ich ihn weggelegt, mit der Absicht, ihn zu vernichten, wozu ich mich aber nie durchringen konnte.«
»Aber jetzt«, unterbrach Glinn, »nachdem Sie sich von mir schlecht behandelt fühlen, haben Sie sich entschlossen, mithilfe dieses Briefs Geld von mir zu erpressen.«
Garza verschränkte die Arme und lehnte sich trotzig zurück. »Sie sind mir etwas schuldig. Und Gideon auch.«