Becky Chambers
Unter uns die Nacht
Roman
Aus dem Amerikanischen von Karin Will
FISCHER E-Books
Becky Chambers ist als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien aufgewachsen. Die Zeit zum Schreiben ihres ersten Romans hat sie sich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert und wurde zu einem Überraschungserfolg.
Weitere Informationen finden Sie auf www.tor-online.de und www.fischerverlage.de
Science Fiction mit Tiefgang – ein Roman aus dem beliebten Wayfarer-Universum.
Auf der Asteria, einem Siedlerschiff der exodanischen Flotte, ist für jeden gesorgt: Alle haben eine Wohnung, alle haben zu essen, alle haben einen Job – und leisten noch im Tod einen wertvollen Beitrag zur Gemeinschaft. Lichtjahre entfernt von der zerstörten Erde haben sich die Menschen ein wohldurchdachtes, selbstgenügsames Leben im Weltraum eingerichtet.
Doch inzwischen sind ganze Generationen auf den Schiffen der Flotte geboren und aufgewachsen, und je selbstverständlicher das Siedlerdasein wird, desto größer sind die Zweifel: Bei Kip, der mit seinen 16 Jahren noch nicht weiß, was er mit seiner Zukunft anfangen will – außer dass sie sich definitiv nicht auf der Asteria abspielen soll. Bei Tessa, deren Alltag mit Job und Familie mehr als ausgefüllt ist – bis der technische Fortschritt sie einholt. Und bei der Archivarin Isabel, die sorgfältig die alten Traditionen bewahrt, die die Menschheit im Exil zusammenhalten sollen.
Sie alle stehen vor der Frage: Warum auf einem Schiff bleiben, das sein Ziel längst erreicht hat?
Für alle Fans von Ann Leckie, John Scalzi und Star Trek.
»Becky Chambers ist eine starke neue Stimme in der Science Fiction.« phantastisch!
»Aufwühlend, warmherzig und mitreißend.« Joanne Harris, Autorin von Chocolat
Erschienen bei FISCHER E-Books
Die Originalausgabe erschien 2018 bei Hodder & Stoughton in London
© 2018 by Becky Chambers
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Nele Schütz Design, München
unter Verwendung mehrerer Bilder von Shutterstock / Anabela88, 3000ad, Triff, Tanyad74
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-490755-0
Für Anne, die mir zeigte, dass ich es kann.
Mit Ausnahme des Prologs beginnt die Handlung dieses Buchs am Ende der Ereignisse in Der lange Weg zu einem kleinen, zornigen Planeten.
»Mom, darf ich mir die Sterne anschauen?«
Tessa sah von ihrer kleinen Werkbank auf und zu ihrer noch kleineren Tochter hinunter. »Ich kann im Moment nicht, Schätzchen«, sagte sie. Sie nickte zu dem Reinigungsbot hin, den sie gerade dazu überredete, wieder ins Leben zurückzukehren. »Ich will damit fertig werden, ehe dein Onkel Ashby anruft.«
Aya blieb stehen und wippte auf den Fersen. Sie hatte noch nie stillhalten können, nicht im Schlaf, nicht wenn sie krank war und auch nicht damals, als sie noch in Tessas Bauch gesteckt hatte. »Du musst nicht mit«, sagte Aya. »Ich kann allein gehen.«
Die Erklärung kam furchtlos, mit so viel Selbstbewusstsein, dass Tessa den Schraubendreher hinlegte. Bei den Worten Du musst nicht mit krampfte sich ihr das Herz zusammen, aber war das nicht der Sinn jeder Elternschaft? Dass sie einen immer weniger brauchten? Sie wandte sich zu Aya um und überlegte. Dachte daran, wie tief der Schacht des Aufzugs zur Familienkuppel war und wie leicht ein lebhaftes, noch nicht ganz fünfjähriges Mädchen von der Bank rutschen und ein ganzes Deck tief hinunterstürzen konnte. Versuchte, sich zu erinnern, in welchem Alter sie selbst zum ersten Mal allein hinuntergegangen war, doch es fiel ihr nicht ein. Aya war unbeholfen, wie alle Kinder, die ihren Körper erst noch richtig kennenlernen mussten, aber wenn sie wollte, konnte sie auch vorsichtig sein. Sie wusste, dass sie sich in der Raumfähre anschnallen musste, dass sie einen Erwachsenen ansprechen sollte, wenn irgendwo Luft zischte oder Metall ächzte, und dass sie auf das grüne Drucklämpchen achten musste, bevor sie eine Tür öffnete. Aya war zwar ein Kind, aber sie war das Kind von Spacern, und Spacer-Kinder mussten lernen, sich selbst und ihren Schiffen zu vertrauen.
»Wo würdest du auf der Bank sitzen?«, fragte Tessa.
»In der Mitte«, sagte Aya.
»Nicht am Rand?«
»Nicht am Rand.«
»Und wann stehst du auf?«
»Wenn die Bank unten ist.«
»Wenn sie zum Stillstand kommt«, sagte Tessa. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, wie ihre Tochter aufsprang, während die Bank sich noch bewegte. »Du musst warten, bis die Bank völlig zum Stillstand kommt, bevor du aufstehst.«
»Okay.«
»Was sagst du, wenn du abstürzt?«
»Ich sage ›Absturz!‹«
Tessa nickte. »Du musst das Wort richtig laut rufen, okay? Und was bewirkt es?«
»Es macht, dass … es macht, dass sie … ausgeht.«
»Dass was ausgeht?«
Aya wippte weiter auf und ab und überlegte. »Die Schwerkraft.«
»Sehr gut.« Tessa wuschelte ihrem Kind durch den dichten Schopf. »Na gut, dann geh. Und hab viel Spaß.«
Ihre Tochter lief los. Von Tessas Tisch an der Wohnzimmerwand bis zu dem Loch im Fußboden in der Mitte des Raums waren es zwar nur ein paar Schritte, aber Rennen war die einzige Geschwindigkeit, die Aya kannte. Für den Bruchteil einer Sekunde fragte sich Tessa, ob sie gerade einen Besuch in der Klinik heraufbeschworen hatte. Doch dann vergaß sie ihre Angst und beobachtete gerührt, wie sorgfältig Aya die kleine Tür in dem niedrigen Geländer um den Aufzugsschacht aufhakte, sich auf den Fußboden setzte und zur Bank vorrutschte – einem flachen Brett ohne Stuhlbeine, auf dem zwei Erwachsene nebeneinander Platz hatten. Dieses Brett war mit einem motorisierten Flaschenzug verbunden, der wiederum mit dicken Bolzen an der Decke befestigt war.
Aya saß ganz ruhig – was nur selten vorkam. Sie beugte sich leicht vor, und obwohl Tessa ihr Gesicht nicht sehen konnte, wusste sie, dass sich eine kleine Falte auf ihrer Stirn gebildet hatte. Aya wirkte keineswegs überzeugt. Durch die Dunkelheit hinunterzufahren, während man sicher auf dem Schoß der Mutter saß, war eine Sache. Aber es war etwas ganz anderes, wenn man allein unterwegs war und keiner einen festhielt oder um Hilfe rief, wenn etwas passierte. Dann musste man sich selbst festhalten und mutig genug sein, die Stimme zu erheben.
Aya nahm das Schaltkästchen, das mit dem Flaschenzug verbunden war, und drückte den Knopf für den Abstieg. Die Bank fuhr nach unten.
Du musst nicht mit, hatte Aya gesagt. Inzwischen schmerzten Tessa die Worte nicht mehr, sondern brachten sie zum Lächeln. Sie wandte sich dem Reinigungsbot zu und nahm ihre Arbeit wieder auf. Sie würde ihn flottkriegen, während ihre Tochter sich Raumschiffe ansehen, Sterne zählen oder irgendetwas anderes tun durfte, wonach ihr der Sinn stand. Anschließend würde Tessa mit ihrem Bruder sprechen, der eine halbe Galaxis entfernt war. Zuletzt würde sie ihrer Tochter noch ein Gutenachtlied vorsingen und schließlich selbst einschlafen, sobald sich ihr Verstand nicht mehr mit der Arbeit beschäftigte. Es war ein ganz normaler Tag. Ein guter Tag.
Sie hatte den Bot fast fertig zusammengesetzt, als Aya zu schreien begann.
Isabel wollte nicht hinschauen. Sie wollte es nicht sehen, wollte nicht, dass der Albtraum, der dort draußen wartete, sich für immer in ihr Gedächtnis einbrannte. Aber genau deswegen musste sie dorthin. Im Moment hatte keiner Lust hinzuschauen, aber eines Tages würden sie es sehen wollen, und es war wichtig, dass niemand vergaß. Jemand musste hinschauen. Jemand musste alles festhalten.
»Hast du die Kameras?«, fragte sie, während sie zum Ausgang rannte. Deshi, einer der Junior-Archivare, holte sie ein und hielt mit ihr Schritt. »Ja«, sagte er und zog sich eine Umhängetasche über die Schulter. »Ich habe beide Packs dabei, wir werden also jede Menge … Ach du Scheiße.«
Vor dem Archiv gerieten sie in eine panische Menge, ein wogendes Durcheinander aus Lärm und Leibern. Die Plaza war so überfüllt wie an einem Festtag, aber heute gab es hier keine Feier zu sehen, sondern das nackte Grauen.
Deshi stand der Mund offen. Isabel ergriff seine junge Hand und drückte sie mit ihren faltigen Fingern. Sie musste die Führung übernehmen, auch wenn ihr die Knie weich wurden und ihre Brust wie zugeschnürt war. »Hol die Kameras raus«, sagte sie. »Fang an zu filmen.«
Ihr Kollege machte eine Geste über seinem Scribus und öffnete die Umhängetasche. Im nächsten Moment kamen die Kamerakugeln herausgeschwebt. Sie schimmerten blau, während sie Bild und Ton aufnahmen. Isabel hob die Hand und tippte gegen den Rand des HUDs über ihren Augen. Sie tippte erneut, zweimal kurz, einmal lang. Das HUD registrierte das Kommando, und ein kleines Blinken in ihrem linken Augenwinkel verriet ihr, dass das Gerät aufzeichnete.
Sie räusperte sich. »Hier spricht Chefarchivarin Isabel Itoh, Leiterin des Asteria-Archivs«, sagte sie. Hoffentlich nahm das HUD ihre Stimme in diesem Tumult verständlich auf. »Ich bin hier mit Archivar Deshi Arocha, im GU-Standard 129/303. Gerade haben wir erfahren, dass … dass …« Sie verlor den Faden, als ein Mann lautlos auf die Knie sank. Sie schüttelte den Kopf, um die Fassung wiederzuerlangen. »… sich auf der Oxomoco ein schrecklicher Unfall ereignet hat. Ein Riss mit Druckverlust, wie es scheint. Man vermutet einen Zusammenstoß mit einem Shuttle, aber bisher kennen wir nur wenige Details. Wir sind gerade auf dem Weg zur Gemeinschaftskuppel, um so viel wie möglich aufzuzeichnen.« Sie war keine Reporterin. Und ihre Aufgabe bestand nicht darin, das Geschehen mit belanglosen Worthülsen auszuschmücken. Sie musste nur einfangen, was passierte.
Eingehüllt in ihre Wolke aus Kameras bahnten Deshi und sie sich einen Weg durch die Menge. Sobald die Leute die Kugeln und die Gewänder der Archivare sahen, machten sie ihnen Platz. Isabel sagte nichts mehr. Die Kameras hatten mehr als genug aufzuzeichnen.
»Meine Schwester«, sagte eine schluchzende Frau zu einem hilflos wirkenden Wachmann. »Bitte, ich glaube, sie hat gerade eine Freundin besucht …«
»Schsch, ganz ruhig, es ist alles gut«, sagte ein Mann zu dem Kind, das er eng an sich gedrückt hielt. »Bald sind wir zu Hause, halt dich einfach an mir fest.«
Das Kind vergrub bloß siren Kopf an der Brust sires Vaters, so fest ser konnte.
»Stern für Stern steh’n wir zusammen«, sang eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, die im Kreis stand und sich bei den Händen hielt. Die Stimmen zitterten, doch die alte Melodie war klar und deutlich zu erkennen. »Eine Familie in jedem Schiff …«
Viel mehr konnte Isabel in ihrer Umgebung nicht verstehen. Die meisten Leute wehklagten oder schwiegen benommen.
Sie traten zum Rand der Kuppel, und als die Szenerie draußen in Sichtweite kam, wurde Isabel plötzlich klar, dass der Tumult, durch den sie sich gequält hatten, die einzig angemessene Reaktion auf diesen Anblick war. Sie ging die überfüllte Treppe hinunter, dicht an das Aussichtsfenster heran und damit so nah wie möglich an das, was sie nicht sehen wollte.
Dort draußen befand sich die ganze restliche Raumflotte, dreißig Wohnschiffe, inklusive ihrem eigenen, die als lose, verteilte Traube in der Umlaufbahn kreisten. Alles war, wie es sein sollte … wenn man von dem einen Schiff absah, das von einer gewaltigen Trümmerwolke umgeben war. Sie bemerkte, dass die Trümmer aus einem gezackten Loch stammten, einer gähnenden Leere, wo früher Wände und Wohnungen gewesen waren. Isabel sah Stahlplatten, Querstreben, dazwischen seltsame, kleinere Teile. Selbst aus dieser Entfernung konnte sie erkennen, dass viele dieser winzigen Flecke nicht aus Metall oder Plex bestanden. Dafür waren sie zu gekrümmt, zu ungleichmäßig, und sie änderten ihre Form, während sie durcheinandertrieben. Es waren Menschen. Genauer gesagt, menschliche Leichen.
Deshi stöhnte auf und stimmte damit in den Chor der Klagenden um sie herum ein.
»Film weiter«, sagte Isabel. Ihre Kehle war so eng, dass es sich anfühlte, als müssten die Worte bluten. »Im Moment können wir sonst nichts für sie tun.«
»Weiß man schon, wie viele es sind?«, fragte jemand. Seit sie von der Asteria losgeflogen waren, hatte kaum jemand gesprochen, und das abrupte Ende der Stille riss Eyas aus ihren Gedanken.
»Dreiundvierzigtausendsechshundert«, sagte Costel. Er räusperte sich. »Das ist im Moment die beste Schätzung, wenn man davon ausgeht, wie viele der Evakuierten eingescannt haben. Genauere Zahlen bekommen wir, wenn wir … die Übrigen geborgen haben.«
Eyas hatte ihren Vorgesetzten noch nie so verstört erlebt, doch seine stockende Sprechweise und die unbeholfenen Gesten spiegelten sie selbst, spiegelten sie alle. Nichts war hier normal, nichts in Ordnung. Vor einem Standard hatte sie endlich ihre Lehrlingsstreifen ablegen dürfen. Und jetzt fragte sie sich, ob sie diesen Beruf damals auch ergriffen hätte, wenn ihr klar gewesen wäre, was sie sich damit aufbürdete? Hätte sie weitergemacht, wenn ihr jemand gesagt hätte, was an diesem Tag geschehen würde?
Wahrscheinlich ja. Aber eine kleine Vorwarnung wäre nett gewesen.
Jetzt saß sie mit den anderen Hütern ihres Segments, insgesamt zwanzig Leuten, auf dem Fußboden eines Frachtschiffs, das sie freundlicherweise zur Oxomoco flog. Weitere Frachtschiffe und Hüter waren unterwegs, eine Flotte innerhalb der Flotte. Ihr war bewusst, dass dieses Schiff normalerweise Lebensmittel transportierte, da in der Luft ein Geruch nach Fett und Gewürzen hing – das gespenstische Aroma schmackhafter, längst verzehrter Mahlzeiten. Nicht die Gerüche, die sie von ihrer Arbeit kannte. Sie war an parfümierte Seife gewöhnt. An Metall. Manchmal Blut. Methylbutyl-Ester. Stoff. Schmutz. Fäulnis, Rituale und Erneuerung.
Sie veränderte ihre Sitzhaltung in dem schweren Schutzanzug. Auch er kam ihr ganz verkehrt vor, da sie normalerweise nur leichte Begräbnisgewänder trug. Doch es war nicht der Anzug, der sie beklommen machte, und auch nicht die Gewürze, die sie in der Nase kitzelten. Dreiundvierzigtausendsechshundert. »Wie sollen wir«, fragte sie und merkte, dass ihr Mund ganz trocken war, »denn so viele unterbringen?« Die Frage beschäftigte sie bereits, seit sie vor dreizehn Stunden zum ersten Mal aus dem Fenster geblickt hatte.
Costel ließ sich mit der Antwort zu viel Zeit. »Die Gilde hat keine … wir wissen es noch nicht.« Nun gingen die Fragen durcheinander. Er hob die gespreizten Hände. »Das Problem ist klar. Wir können nicht so viele auf einmal transportieren.«
»Den Platz hätten wir«, sagte einer von Eyas’ Kollegen. »Wir sind für die doppelte Zahl der derzeitigen Todesfälle ausgerüstet. Wenn jedes Zentrum der Flotte ein paar aufnimmt, ist es kein Problem.«
»Das geht nicht, nicht mit allen auf einmal.« Ein anderer. »Es würde das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis durcheinanderbringen. Das ganze System käme aus dem Gleichgewicht.«
»Dann eben nicht alle auf einmal. Immer nur ein paar, und dann … dann …«
»Siehst du«, sagte ihr Vorgesetzter. »Und genau das ist der springende Punkt. Was dann?« Er sah sich in der Gruppe um und wartete darauf, dass jemand ihm die Antwort auf diese Frage lieferte.
»Die Lagerung«, sagte Eyas und schloss die Augen. Es widerstrebte ihr zwar, ein so wichtiges Thema auf Zahlen zu reduzieren, aber während die anderen ins Gespräch vertieft gewesen waren, hatte sie rasch nachgerechnet. Einhundertachtzig Zentren in der Flotte, jedes einzelne imstande, pro Standard tausend Leichen zu kompostieren – aber nicht alle auf einmal. Ein menschlicher Körper benötigte knapp vier Tagzehnte, um sich vollständig zu zersetzen – samt Knochen und allem Drum und Dran –, und sie hatten nicht genügend Platz, um mehr als etwa hundert auf einmal aufzunehmen. Das Kohlenstoff-Stickstoff-Verhältnis konnte man zwar vielleicht in den Griff bekommen, aber am zeitlichen Ablauf ließ sich nichts ändern. Zigtausend Leichname müssten zwischengelagert werden, was die Kapazität der Leichenhallen überstieg. Und was noch wichtiger war: Man würde zigtausend Familien sagen müssen, dass sie vorerst nicht trauern, keine Begräbnisse abhalten, nicht angemessen Abschied nehmen könnten. Wie sollte man entscheiden, wer als Erster an die Reihe kam? Durch Würfeln? Indem man Nummern ziehen ließ? Das Trauma war so schon groß genug. Da sollte sich niemand auch noch fragen müssen, ob andere bevorzugt behandelt würden. Aber … es ließ sich nun mal nicht ändern. Und wie würden diese Familien auf die Mitteilung reagieren, dass ihre verlorenen Liebsten nicht dem Zyklus ihrer Vorfahren zugeführt werden würden – dass sie nicht zum Dünger für die Gärten werden, nicht die Atemwege und die Mägen der Überlebenden füllen würden –, wie man es ihnen seit jeher versprochen hatte?
Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Wieder breitete sich Schweigen in der Gruppe aus, und dieses Mal wurde es von niemandem gebrochen.
Nach einer Weile wurde das Schiff langsamer und hielt an. Eyas stand auf und unterdrückte den Schmerz, den sie empfand, um sich voll und ganz auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren. Sie hörte, wie Costel Befehle erteilte. Sie setzte den Helm auf. Sie ging zur Luftschleuse. Eine Tür schloss sich hinter ihr, eine andere ging auf.
Das da draußen war eine Monstrosität, eine Ungeheuerlichkeit, mit der sie sich ein andermal auseinandersetzen würde. Sie blendete die zerstörten Distrikte und die zerbrochenen Fenster aus und konzentrierte sich allein auf die Leichen, die dazwischen trieben. Mit Leichen kam sie zurecht. Leichen verstand sie.
Die Hüter zündeten die Rückendüsen und stoben in dem Vakuum auseinander. Sie flogen allein, jeder für sich, so wie sie auch arbeiteten. Eyas sauste vorwärts. Hinter ihrer getönten Sichtbrille hatte die Sonne keine Kraft, besaßen die Sterne keinen Glanz. Sie zog die Bremsleinen und hielt vor dem Ersten, den sie bergen würde. Ein Mann mit graumeliertem Haar und runden Wangen. Der Kleidung nach zu urteilen ein Farmer. Eines seiner Beine war in einem seltsamen Winkel abgeknickt – vermutlich infolge eines Aufpralls nach dem plötzlichen Druckverlust –, und eine Kette, die er noch um den Hals trug, schwebte neben seinem friedlichen Gesicht. Er sah wirklich friedlich aus, trotz seiner halbgeöffneten Augen und obwohl seine Lippen aussahen, als stießen sie gerade den letzten Atemzug aus. Sie zog ihn an sich und schlang ihm von hinten die Arme um den Brustkorb. Als sich dabei seine Haare auf ihre Sichtbrille legten, sah sie die Eispartikel darin. Die einzelnen Strähnen sahen aus wie von der Kälte geformte, kristalline Halme. O Sterne, sie werden auftauen, schoss es ihr durch den Kopf. Daran hatte sie gar nicht gedacht. Ein Tod im Weltraum kam selten vor, und sie hatte noch nie bei einem das Begräbnis geleitet. Sie kannte zwar die übliche Vorgehensweise: Leichen, die dem Vakuum ausgesetzt gewesen waren, kamen in Druckkapseln, um wieder an die normalen Umweltbedingungen angeglichen zu werden, ohne dass die Sache unappetitlich wurde. Aber es gab nicht genügend Druckkapseln für die Oxomoco, in der ganzen Flotte nicht. Nein, sie würden gefrorene Leichen in der relativen Wärme einer Frachtstation stapeln müssen, und es würde ein primitives, zusammengeschustertes Provisorium werden. Wie alles, was sie heute taten.
Eyas nahm einen gepressten Atemzug von ihrem Luftvorrat. Wie sollten sie das nur hinbekommen? Wie sollten sie diese Leute würdig behandeln? Wie sollten sie das nur je wieder an ihnen gutmachen?
Sie schloss die Augen und holte noch einmal Luft, diesmal richtig tief. »Von den Sternen kam die Erde«, sagte sie zu der Leiche. »Von der Erde kamen wir. Zur Erde werden wir zurückkehren.« Es waren Worte für ein Begräbnis, nicht für eine Bergung, und mit Leichen zu sprechen war nichts, was sie jemals getan hatte (oder aller Wahrscheinlichkeit nach je wieder tun würde). Sie sah keinen Sinn darin, etwas zu Ohren zu sagen, die nicht hören konnten. Aber nur so würden sie sich von dieser Katastrophe erholen. Sie wusste nicht, wo diese Leiche oder auch die anderen landen würden. Sie wusste nicht, wie ihre Gilde weiter mit ihnen verfahren würde. Doch sie wusste, dass es Exodaner waren. Es waren Exodaner, und was auch immer sie auseinanderzureißen drohte, die Tradition hielt sie zusammen. Während sie mit ihrem Schützling zum Schiff zurückflog, rezitierte sie die Worte, die die Erste Generation aufgeschrieben hatte. »Hier, im Zentrum unseres Lebens, liegen unsere verstorbenen Lieben. Wir ehren ihren Atem, der unsere Lungen füllt. Wir ehren ihr Blut, das unsere Herzen füllt. Wir ehren ihre Körper, die unsere eigenen nähren …«
Nicht in einer Million Jahren hätte Kip gewollt, dass man ihn hochhob – das machte man mit Kleinkindern, aber nicht mit Elfjährigen –, doch beim Anblick der Dreikäsehochs, die zufrieden auf den Schultern ihrer Eltern hockten, empfand er unwillkürlich ein wenig Neid. Er war zu groß, um dort oben zu sitzen, aber auch zu klein, um über das Dickicht der Erwachsenen hinwegschauen zu können, die das Shuttledock bevölkerten. Er stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Hals hin und her, um mehr als nur Schultern und Hemdsärmel sehen zu können. Aber jedes Mal, wenn er irgendwo eine Lücke fand, stieß sein Blick dahinter bloß auf noch mehr Leute, die sich dicht aneinanderdrängten und Kinder auf den Schultern trugen, wegen denen er noch weniger sah. Er ließ sich wieder auf die Fersen sinken und stieß mürrisch den Atem aus.
Sein Dad bekam es mit und bückte sich zu ihm herunter. »Komm«, sagte er ihm direkt ins Ohr. »Ich habe eine Idee.«
Es war nicht ganz einfach, sich einen Weg aus der Mitte der Menschenmenge hinaus zu bahnen, doch sie schafften es. Sein Dad ging voraus, und Kip orientierte sich an den grauen Streifen auf seinem Hemd. Es war ein schönes Hemd, eines, wie man es zu Namenstagen oder Hochzeiten trug, oder wenn wichtige Leute zum Essen in die Hex kamen. Auch Kip hatte ein schönes Hemd an – gelb mit weißen Tupfen. Mit den Knöpfen hatte er Mühe gehabt, und seine Mutter hatte ihm beim Zumachen helfen müssen. Wenn er einatmete, spürte er, wie der Stoff sich über seiner Brust spannte. Außerdem fühlte er, dass seine Zehen von innen gegen die Schuhspitzen stießen. Seine Mutter hatte den Kopf geschüttelt und gesagt, er solle hinübergehen und seinen Vetter Wymer fragen, ob er noch irgendwelche abgelegten Schuhe für ihn habe. Kip wünschte sich, er könnte nagelneue Anziehsachen bekommen, wie die, die vor den Buden der Importhändler hingen. Sie waren ganz frisch und glatt und noch ohne Stopfnähte an den Stellen, wo jemand anders sie mit den Ellbogen durchgewetzt hatte. Doch auch am Hemd seines Vaters waren Stopfnähte zu sehen, genau wie an den meisten Hemden, an denen sie sich vorbeidrängten. Es waren trotzdem schöne Hemden, die schönsten, die diese Leute besaßen. Denn sie hatten sich für die Äluoner feinmachen wollen.
Aber ganz gleich, ob ihre Hemden nun neu oder gestopft waren, alle hier hatten sich um den rechten Oberarm ein weißes Band geschlungen. Man trug es in den Tagzehnten, die auf eine Bestattung folgten, damit die anderen wussten, dass sie nachsichtig und freundlich zu einem sein mussten. Im Moment hatte jeder eins an – jeder auf der Asteria, jeder in der Raumflotte. Kip hatte zwar niemanden persönlich gekannt, der auf der Oxomoco gestorben war, aber darum ging es nicht, hatte Mom gesagt, als sie die Binde an seinem Arm befestigte. Wir alle haben einen Teil unserer Familie verloren, hatte sie gesagt, egal, ob wir sie gekannt haben oder nicht.
Als sie aus der Menge heraus waren, sah Kip über die Schulter zurück. »Wo gehen wir hin?«, fragte er stirnrunzelnd. Von ihrem vorherigen Platz im Gedränge aus hatte er zwar rein gar nichts sehen können, aber inzwischen lag das leere Dock in weiter Ferne, und das Schiff würde jede Minute eintreffen. Sie würden es doch wohl nicht verpassen, oder? Das durfte nicht sein.
»Vertrau mir«, sagte Dad. Er winkte seinen Sohn weiter, und jetzt sah Kip, dass sie zu einem der Lastenkräne gingen, die in der Nähe aufragten. Ein paar andere hatten bereits dieselbe Idee gehabt und saßen in den Lücken der Stahlausleger. Sein Dad legte ihm den Arm um die Schultern. »Hör zu, du darfst niemals, unter gar keinen Umständen, noch mal das machen, was wir jetzt gleich tun werden. Aber das hier ist ein Notfall, okay? Meinst du, du schaffst es, mit mir dort raufzuklettern?«
Kip nickte. »Ja«, sagte er, mit heftig klopfendem Herzen. Dad verstieß nicht oft gegen die Regeln. Eigentlich nie. Mom hätte auf keinen Fall bei so etwas mitgemacht. Insgeheim war Kip froh, dass sie nicht mitgekommen war.
Sie stiegen die Leiter hoch und hangelten sich anschließend an den dicken Metallstreben entlang. Der Kran war viel höher, als er von unten ausgesehen hatte, und Kip hatte ein bisschen Angst. Nicht richtig natürlich, er war ja schließlich kein Baby. Und das Klettern an sich war nicht schwer. Der Kran war ein bisschen wie der Hindernisparcours auf dem Spielplatz, nur viel größer. Außerdem war Dad bei ihm. Wenn Dad sagte, dass etwas okay war, dann war es auch okay.
Die Leute, die schon oben saßen, lächelten zu ihnen herunter. »Nehmt Platz«, rief eine Frau.
Dad lachte. »Mit Vergnügen.« Er hievte sich zu einem leeren Sitzplatz hoch. »Na komm, Kip.«
Kip zog sich neben ihn. Dann hängte er die Arme über eine Strebe und ließ die Füße baumeln. Das Metall unter seinen Oberschenkeln war kalt und eindeutig nicht zum Sitzen geeignet. Er ahnte, dass ihm der Po einschlafen würde.
Aber die Aussicht war großartig. In dieser Höhe war es auch nicht mehr so schlimm, dass sie so weit weg waren. Von hier aus sah alles klein aus – die Leute in der Menge, die Wachleute am Rand und die Führungskräfte, die am Dock warteten. »Ist das da die Admiralin?«, fragte Kip und zeigte auf eine grauhaarige Frau in der charakteristischen grünen Ratsuniform.
»Ja, das ist sie«, sagte Dad.
»Hast du sie mal kennengelernt?«
»Nein.«
»Ich schon, im letzten Standard«, sagte die nette Frau, die sie vorhin begrüßt hatte. Sie schlürfte etwas aus einer Feldflasche. »Sie war in meinem Reinigungstrupp.«
»Ist nicht wahr«, sagte Dad. »Und wie war sie?«
Das Gesicht der Frau drückte ja, gar nicht übel aus. »Ich würde sie wieder wählen.«
Kip spürte, wie sich ein Knoten löste, ein Klumpen, der sich seit dem Unfall in seinem Inneren gebildet hatte. Da war sein Dad, der mit ihm einen Kran hinaufkletterte und sich unbefangen mit fremden Leuten unterhielt. Da waren all die Leute in ihren schönsten Kleidern, und niemand schrie oder brüllte mehr. Da war die Admiralin, die förmlich und gelassen und mächtig wirkte. Bald würden auch die Äluoner hier sein, und sie würden helfen. Sie würden die Dinge wieder ins Lot bringen.
Die Dockbeleuchtung wurde gelb und kündigte damit die Ankunft eines Schiffs an. Selbst von hier oben konnte Kip die Menge raunen hören. Und mit einem Mal war es da und schwebte lautlos in das Dock: ein glattes, schimmerndes Äluonerschiff mit runden Ecken und perlweißem Schiffsrumpf. Eigentlich sah es gar nicht wie ein Schiff aus, denn ein Schiff war eckig. Mechanisch. Etwas, das man zusammenschraubte und -schweißte, Stück um Stück, Block um Block. Dieses hier schien dagegen aus geschmolzenem Material zu bestehen, das man in eine Form gegossen und hinterher tagelang poliert hatte. Die Menge hielt den Atem an.
»O Sterne, was für ein Anblick«, sagte Dad leise.
»Drüben beim Ladebereich sehe ich die ständig«, sagte die Frau. »Aber satt kriege ich sie nie.«
Kip sagte nichts. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich das Schönste anzuschauen, was ihm je untergekommen war. Beinahe hätte er seinen Dad gefragt, wie man diese Art Schiff nannte, aber der hatte so eins offensichtlich auch noch nie gesehen. Und da Kip die Frau nicht kannte, wollte er sie auch nicht fragen. Sobald er zu Hause war, würde er in den Linkings nach Äluonerschiffen recherchieren. Er wusste über sämtliche Menschenschiffe Bescheid und interessierte sich außerdem für die Körper von Aliens, aber es war ihm noch nie in den Sinn gekommen, sich auch über ihre Schiffe zu informieren. Wer in der Flotte lebte, konnte leicht auf die Idee kommen, dass es nur Menschenschiffe gab.
Eine Luke öffnete sich. Kip hatte nicht sagen können, wie, denn am Schiffsrumpf waren keinerlei Fugen zu sehen, die auf Türen oder Öffnungen hindeuteten. Jubel brandete in der Menge auf, als drei Äluoner das Schiff verließen. Kip hätte sie schrecklich gern aus der Nähe gesehen, doch trotz der großen Entfernung klopfte sein Herz wie wild. Sie hatten kahle Silberköpfe, die, wie er wusste, mit winzigen Schuppen bedeckt waren, und Wangenflecken, in denen bunte Farben wirbelten. Und sie trugen seltsam aussehende graue, weiße und schwarze Kleidungsstücke, die sie vermutlich nicht von jemand anderem auftragen mussten.
»Wieso haben sie Masken auf?«, fragte Kip. »Können sie keinen Sauerstoff atmen?«
»Doch, das können sie, und sie tun es auch«, sagte Dad. »Aber vernunftbegabte Wesen, die nicht mit Menschen zusammenleben, empfinden unseren Geruch oft als … stechend.«
»Was heißt stechend?«
»Wir stinken, Kleiner.« Die Frau lachte in ihre Feldflasche hinein.
»Oh«, sagte Kip. Er wusste nicht recht, wie er das fand. Und je länger er dort saß, desto weniger war ihm klar, was er von dem gesamten Ereignis halten sollte, dem sie hier beiwohnten. Während er beobachtete, wie die Admiralin ihre Nachbarn von einer anderen Welt begrüßte, begann es in seinem Bauch erneut zu kribbeln. Jetzt fand er nicht mehr, dass die Uniform der Admiralin cool war und die Leute schön angezogen. Und auch das Dock machte nicht mehr viel her, angesichts des großen, fliegenden Edelsteins darin. Die Äluoner waren hier, um Ordnung in ein Chaos zu bringen, das die Flotte überforderte und zu dem es ohne ihre maroden Schiffe und die veraltete Technik gar nicht erst gekommen wäre. Sie schüttelten den stinkenden Ratsmitgliedern in den geflickten Hemden nach Menschenart die Hände, und Kips ausgelassene Freude wich einem Gefühl der Traurigkeit.
Er betrachtete die Äluoner, und er schämte sich.
Wenn man auf Mushtullo lebte, war es wichtig zu wissen, auf welchen Sonnenaufgang man warten musste. Ressoden ging zuerst auf, aber nur Spacer-Händler und Kinder machten den Fehler, so früh rauszugehen. Ressoden war winzig und spendete zwar brauchbares Licht, aber nicht ausreichend Wärme, um die Kälte abzuhalten. Der Nebel vor der Dämmerung brachte eine tückische Feuchtigkeit mit sich, die einem bis auf die Knochen ging. Und so konnte man es niemandem vorwerfen, wenn er abwarten wollte, bis die dritte Sonne – der dicke, fette Pelus – die Wolken endgültig vertrieben hatte. Aber auch das war ein Anfängerfehler. Nach Pelus’ Aufstieg hatte man etwa eine halbe Stunde, bis die umliegenden Sümpfe zu dampfen begannen und die glühend heiße Mittagsluft so dick wurde, dass man sie förmlich kauen konnte. Es war die zweite Sonne – Makarev –, auf die es ankam. Makarev hielt eine Stunde und sechzehn Minuten lang Hof, gerade lange genug, um aufzustehen und den Zug zu erwischen. In dieser Zeit war es weder zu klamm noch zu schwül und auch nicht zu heiß oder zu kalt. Man musste nicht mehrere Kleiderschichten übereinandertragen, kam aber auch nicht in einem durchgeschwitzten Shirt zur Arbeit, das dann nicht mehr trocken wurde. Ideal.
Sawyer drückte die Handfläche an die Innenwand seines Kapselbetts und sah, dass Makarevs Aufgang kurz bevorstand. Eigentlich hätte seine Kapsel klimatisiert sein sollen – und na schön, noch war er nicht erfroren oder so –, aber die Dämmung war genauso billig wie die Miete. Er blieb unter seiner Decke liegen und wartete ab, bis die Wand so warm wurde, dass er … jetzt. Er setzte sich im Bett auf und drückte einen der Knöpfe an der Wand. Das Waschfach glitt heraus, ein dickes Rechteck mit einem Becken, einem ausfahrbaren Spiegel und der fast leeren Schachtel Dentalbots, die er dringend nachfüllen musste. Sawyer wusch sich das Gesicht, trank einen Schluck Wasser, spülte den Mund aus und kämmte sich. Er drückte einen weiteren Knopf an der Wand. Das Waschfach glitt zurück, und eine größere Platte fuhr heraus, mit einem Schnellkocher und seinem Vorrat an Fertiggerichten, denen man nur noch Wasser zufügen musste. Er wusste, dass er einen langen Arbeitstag vor sich hatte, also wählte er zwei Päckchen Powermorgen-Haferbrei. Der Brei war noch nicht ganz warm, als er seinen Scribus zur Hand nahm und feststellte, dass er keinen Job mehr hatte.
Er machte sich gar nicht erst die Mühe, das förmliche Kündigungsschreiben durchzulesen, das ihm sein (ehemaliger) Arbeitgeber geschickt hatte. Schließlich wusste er, was darin stehen würde. Unvorhergesehene Mittelkürzungen, blablabla, bedauern wir aufrichtig, Ihnen kurzfristig kündigen zu müssen, blablabla, für Ihre Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute, blablabla. Sawyer ließ sich auf das Kissen zurücksinken und schloss die Augen. Er war neunzehn, arbeitete seit seinem zwölften Geburtstag und hatte es inzwischen bereits auf zehn Jobs gebracht. Seine Bilanz sah nicht gerade rosig aus.
»Na toll«, seufzte er. Er überlegte kurz, den Tag im Bett zu verbringen und die Extracreds aufzurauchen, die er, solange Pelus am Himmel stand, eigentlich für die Klimatisierung seiner Kapsel benötigte. Aber jetzt waren seine Creds sogar noch kostbarer als zuvor, und wenn er gefeuert war, dann galt das für die anderen aus der Fabrik ebenso. Sie alle würden nun hinunter zum Geschäftsplatz gehen und sich so lange bei den Firmenchefs anbiedern, bis einer ihnen einen Job anbot. So lief es zumindest bei den Harmagianern. Keine Lebensläufe oder Vorstellungsgespräche oder so. Man ging einfach hin und hoffte, dass sie einen mochten. Bei anderen Spezies war die Jobsuche eine weniger ermüdende Sache, aber die Harmagianer-Jobs waren die, die Credits einbrachten. Wahrscheinlich gab es auch Arbeit in seinem eigenen Viertel, aber mit Menschenarbeit kam man nicht weit. Es war deutlich schlauer, hinunter zum Platz zu gehen und dort sein Glück zu versuchen. Er konnte es schaffen. Er hatte es früher schon geschafft.
Lustlos setzte er sich wieder auf, verzehrte seinen Haferbrei und zog saubere Kleidung an (die er ebenfalls in der Wand aufbewahrte). Anschließend rutschte er vom Fußende seiner Matratze herunter und durch die Luke der Kapsel, wobei er seine Füße draußen routiniert auf der Leiter platzierte. Als er den Türrahmen umfasste, um sich hinunterzulassen, zog er augenblicklich angewidert die Hand zurück. »Ach nee«, seufzte er und schnitt angesichts der grauen Schmiere auf seinen Fingern eine angeekelte Grimasse. Kriechschimmel. Das klebrige graue Zeug liebte den nächtlichen Nebel und wuchs unglaublich schnell. Wenn man es vor dem Schlafengehen wegputzte, hatte sich bereits am nächsten Morgen wieder eine neue Schicht angesammelt, so wie die, die gerade Sawyers winziges Zuhause zu überziehen begann. Er wischte sich die Handfläche an einem alten Shirt ab und setzte seinen Abstieg fort, wobei er aufpasste, dass nichts von dem Zeug auf seiner Kleidung landete. Schließlich musste er potentielle Arbeitgeber beeindrucken. Und er wusste jetzt schon, dass das nicht sein Tag war.
Aber das würde sich noch ändern, redete er sich ein und fasste neuen Mut, während er hinunterkletterte. Er würde rausgehen und einen Job finden. Und zwar einen besseren als den, den er gestern noch gehabt hatte.
Er trat hinaus in Mushtullos zweiten Morgen und bahnte sich einen Weg durch das Viertel. Die schmalen gepflasterten Straßen waren ebenso überfüllt wie die hohen Gebäude, die sie säumten, und wie immer waren die meisten Fußgänger zu den Tram-Stationen unterwegs. In der Menge erblickte er noch ein paar andere überdurchschnittlich gut angezogene Leute und beschleunigte seine Schritte. Er musste unbedingt am Platz sein, bevor alle guten Stellen weg waren.
Aus dem Augenwinkel sah er etwas, das aus dem Rahmen fiel: eine kleine Gruppe – die meisten davon ältere Leute –, die sich vor der kleinen, verwitterten Statue eines exodanischen Wohnschiffspassagiers drüben vor dem Lebensmittelladen versammelt hatten. Sie waren gerade dabei, die Statue zu schmücken. Sie umwickelten sie mit Blumenkränzen und Schleifen, stellten rund um den Sockel brennende Kerzen auf und schrubbten Kriechschimmel von ihr ab. Sawyer erinnerte sich vage an ein Gespräch, das er vor ein paar Tagen bei der Arbeit aufgeschnappt hatte. Dabei war es um ein Wohnschiff gegangen, das explodiert war oder Druck verloren hatte oder so. Irgendetwas Scheußliches. Er nahm an, dass die Leute deshalb hier waren, und wäre weitergegangen, wenn er nicht eines der Gesichter erkannt hätte: Shani Brenner, eine seiner Vorgesetzten aus der Fabrik. Sie war nicht unterwegs zur Tram, sondern half einer älteren – besser gesagt, einer uralten – Frau, eine Kerze anzuzünden. Wusste sie denn nichts von den Kündigungen? Hatte sie ihren Scribus noch nicht gecheckt?
Sawyer zögerte. Er wollte keine Zeit verschwenden, aber Shani war in Ordnung. Als Sawyer einmal knapp bei Kasse gewesen war, hatte sie ihr Mittagessen mit ihm geteilt. Bisher war der Tag nicht gerade gut gelaufen. Vielleicht, dachte Sawyer, brachte er das Universum ja wieder auf seine Seite, wenn er jemandem half.
Er scherte aus und näherte sich der Statue. »He, Shani!«, rief er und winkte.
Shani sah auf und wirkte zunächst verwirrt, doch dann erkannte sie Sawyer. Sie tätschelte die Schulter der alten Frau (die inzwischen auf dem Boden saß) und kam zu ihm herüber. »Beschissener Morgen, was?«, sagte sie und rieb sich den Nacken.
»Dann hast du es also gehört«, sagte Sawyer.
»Ja. Ich hab einen Brief bekommen, wahrscheinlich den gleichen wie du. Hatte vorher keine Ahnung. Miese Geizkragen. Dabei habe ich Tolged erst vor drei Tagen ein Danke-dass-du-mein-Chef-bist-Geschenk gemacht.«
Sawyer zeigte mit dem Daumen in Richtung Straße. »Gehst du nicht runter zum Platz?«
Shani schüttelte den Kopf. »Heute nicht.« Sie nickte zu der Statue hinüber. »Das da drüben ist meine Oma. Hast du von der Oxomoco gehört?«
»Dieses Wohnschiff, das …?«
»Ja. Sie ist dort geboren. Ist zwar mit sieben Jahren hierhergekommen, aber trotzdem. Wurzeln sind wichtig, verstehst du?« Shani musterte Sawyer. »Bist du Exodaner?«
»Na ja …« Waren sie das irgendwie nicht alle? »Das ist ewig her. Ich … Ich weiß nicht, von welchem Schiff oder so. Ich bin nie dort gewesen.«
Shani zuckte mit den Schultern. »Zählt trotzdem. Willst du mitkommen?«
Sawyer blinzelte. »Danke, aber ich …«
»Arbeit gibt’s morgen auch noch«, sagte Shani. »Ich mach mir deswegen keine Sorgen, und das solltest du auch nicht tun. Wir kommen garantiert wieder auf die Beine, meinst du nicht? Wird schon werden.«
Sawyer sah, wie sich hinter Shani noch mehr Leute zu Oma Brenner auf den Boden setzten. Manche weinten. Einige hielten sich an den Händen oder reichten eine Flasche herum. Ein paar von ihnen sagten gemeinsam etwas auf. Es klang fast wie eine Liturgie, aber er verstand nur wenige Worte. Sein Ensk war ziemlich bruchstückhaft.
Shani lächelte Sawyer an. »Wie du willst«, sagte sie und ging zurück. Auch sie nahm auf dem Boden Platz und legte den Arm um ihre Großmutter.
Sawyer gesellte sich zwar nicht zu ihnen, aber er machte auch nicht kehrt. Eigentlich gab es keinen Grund, hierzubleiben, und dennoch … Er malte sich das Chaos und das Gedränge auf dem Geschäftsplatz aus, die langen Schlangen der Leute, die unbedingt Eindruck schinden wollten. Es war das genaue Gegenteil von dem, was er hier sah, die stille Trauer, die gemeinsamen Respektbezeugungen. Die Vorstellung, sich zu ihnen zu setzen, war ihm irgendwie unangenehm. Er wollte nicht stören. Er war keiner von ihnen und sollte sich nicht unter sie mischen. Doch als er beobachtete, wie sie zusammen weinten, sangen und füreinander da waren, hätte er gern dazugehört. Er hatte keine Gemeinschaft, mit der er sich in dieser Weise verbunden fühlte. Irgendwie schien das, selbst wenn man trauerte, etwas Schönes zu sein. Vielleicht sogar besonders dann, wenn man trauerte.
Als er mit der Tram zum Platz fuhr, musste er an die Worte denken, die er von dem Sprechgesang verstanden hatte. Sie gingen ihm nicht aus dem Kopf, während er hinter den verschimmelten Fenstern beengte Wohnviertel vorbeirasen sah.
Von der Erde.
FEED: Institut für interstellare Migration Reskit (allgemeiner Nachrichtenfeed)
ARTIKEL: Der moderne Exodus – Teil 1
AUTOR: Ghuh’loloan Mok Chutp
VERSCHLÜSSELUNG: 0
TRANSLATIONSPFAD: [Hanto:Kliptorigan)
TRANSKRIPTION: 0
NETZ-ID: 2310-483-38, Isabel Itoh
[Systemmitteilung: Bei dem von Ihnen gewählten Feed handelt es sich um eine Übersetzung aus dem geschriebenen Hanto. Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, gehört zum geschriebenen Hanto die Notation von Gesten, für die es in anderen Sprachen der GU keine symbolischen Entsprechungen gibt. Die auf Ihrem Scribus installierte Übersetzungssoftware war daher nicht in der Lage, das folgende Material direkt zu übersetzen. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine modifizierte Übersetzung, die für den durchschnittlichen Kliptorigan-Leser nachvollziehbar sein sollte.]
Seien Sie gegrüßt, lieber Gast, und willkommen! Ich bin Ghuh’loloan Mok Chutp, und dies sind meine Worte. Ich hoffe, dass ich mich Ihnen hinreichend verständlich machen kann, damit die Zeit, die Sie auf diesem Feed verbringen, ser Mühe Wert ist. Ich werde meine Fähigkeiten nach bestem Vermögen einsetzen, mit dem Ziel, Sie zu informieren und zu unterhalten. Sollte ich mit diesem Anliegen scheitern, so akzeptieren Sie bitte meine aufrichtige Entschuldigung und seien Sie versichert, dass der Fehler allein bei mir liegt und nicht auf meinen Arbeitgeber, meine Ausbilder oder meine Familie zurückgeht.
Für den Fall, dass Sie mit meiner Arbeit nicht vertraut sind, erlauben Sie mir, mich Ihnen kurz vorzustellen. Ich bin Ethnographin am Institut für interstellare Migration in Reskit. Ich bin seit zweiundzwanzig Standards auf diesem Gebiet tätig, und mein Schwerpunkt sind die nicht sesshaften und orbital lebenden Gesellschaften der Gegenwart. Mit einigen wenigen Ausnahmen bin ich bisher stolz auf meine Arbeit. Ich bin der Überzeugung, für die Aufgabe, die ich Ihnen kurz erläutern werde, qualifiziert zu sein, und hoffe, dass Sie mir zustimmen werden.
Woran denken Sie, lieber Gast, wenn von der Exodus-Flotte die Rede ist? Man könnte den Begriff wörtlich definieren: die Gesamtheit aller Schiffe, in denen die Überlebenden der menschlichen Spezies ihren untergegangenen Planeten verlassen haben. Vielleicht sehen Sie in der Flotte ein Symbol der Hoffnungslosigkeit, der Armut oder der Zähigkeit. Leben Sie in einer Gesellschaft, in der es auch Menschen gibt? Kennen Sie Personen, die in einem dieser altertümlichen Gefährte zur Welt kamen? Oder entstammen Sie einer homogeneren Gesellschaft und sind dementsprechend überrascht, dass die Flotte immer noch bewohnt wird? Vielleicht stellt Sie das ganze Konzept Flotte vor ein Rätsel. Vielleicht empfinden Sie es als geheimnisvoll oder aufregend. Womöglich sind Sie auch selbst ein Mensch, lieber Gast, und betrachten die Flotte als Ihr Zuhause – oder aber als einen Ort, der Ihnen ebenso fremdartig erscheint wie uns allen.
Was immer Ihr Hintergrund auch sein mag, die Flotte macht alle neugierig, die nicht persönlich mit ihr verbunden sind. Sofern Sie keine enge Freundschaft mit einem Menschen pflegen oder im Fernhandel tätig sind, ist es unwahrscheinlich, dass Sie sie besucht haben. Obwohl die Zahl der Menschen, die in GU-Territorien und Planeten-Kolonien leben, die der Exodaner insgesamt übersteigt, ist und bleibt die Flotte der Ort, wo man diese Spezies außerhalb des Sol-Systems in ihrer höchsten Konzentration antrifft. Und auch wenn viele Menschen nie einen Fuß in die großen Wohnschiffe gesetzt haben, ist der Zug der Flotte doch eine Geschichte, die fest in ihrem kollektiven Bewusstsein verankert ist. Ungeachtet ihrer jeweiligen Gründungsphilosophie ist jede moderne menschliche Gesellschaft elementar von dieser Abstammung geprägt. Auf die eine oder andere Weise hat sie Einfluss darauf, wie die Menschen sich selbst sehen und wie wir anderen sie wahrnehmen.
Und wie kann man sich die Raumflotte heute vorstellen? Wie leben diese Leute? Welches Bild haben sie von der GU? Warum halten sie an ihrer Lebensweise fest? Das sind die Fragen, auf die ich in der nächsten Zeit eingehen möchte. Ich, Ghuh’loloan, werde selbst ein Gast sein. Während ich diese Zeilen schreibe, bin ich unterwegs zur exodanischen Flotte, wo ich acht Tagzehnte bleiben werde. Ich werde an Bord eines exodanischen Wohnschiffs leben, mit exodanischen Bürgern sprechen und mich mit ihrer Kultur vertraut machen. Zwar wurde schon viel über den Zustand der exodanischen Flotte nach der Zeit des Erstkontakts und bis zum Eintritt in die GU geschrieben, doch seither wurde nur wenig über sie berichtet. Ich fürchte, man betrachtet die Präsenz der Menschen in multispeziären Gemeinschaften als Beweis dafür, dass sie sich in unsere vielfältigen Gesellschaften integriert und ihre alte Kultur aufgegeben haben. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Ich durchquere nun die Galaxis, um mich auf die Suche nach einer wahrheitsgemäßeren Geschichte zu machen.
Es ist meine Hoffnung, lieber Gast, dass Sie sich mir dabei anschließen werden.
EMPFANGENE NACHRICHT
VERSCHLÜSSELUNG: 0
TRANSLATIONSPFAD: 0
VON: Ashby Santoso (Pfad: 7182-312-95)
AN: Tessa Santoso (Pfad: 6222-198-00)
Hey Tess,
ich weiß zwar nicht, ob du die Feeds gelesen hast, aber wenn ja: Mir geht’s gut. Falls du sie nicht gelesen hast: Auf Hedra Ka sind ein paar schlimme Sachen passiert, aber mir geht’s, wie gesagt, gut. Das Schiff hat zwar schwer gelitten, aber es ist stabil, und wir sind nicht in unmittelbarer Gefahr. Fürs Erste habe ich alle Hände voll mit den Reparaturen und meiner Crew zu tun und melde mich über Sib, sobald ich kann. Dad schicke ich auch gleich noch eine Nachricht.
Mehr demnächst, versprochen. Knuddel die Kinder von mir.
Ashby
Getreu der alten Tradition sämtlicher Geschwister auf allen Welten hätte Tessa ihren Bruder am liebsten umgebracht.
Natürlich nicht richtig. Nur ein bisschen spacen, damit ihr Anliegen durchdrang, gefolgt von einer schnellen Wiederbelebung und einer heißen Tasse Tee. Das, würde sie dann sagen, während er schlotternd auf dem Fußboden saß und seine Tasse umklammerte, so wie früher, als er noch klein war. Das ist es, was du uns jedes Mal antust, wenn du von der Landkarte verschwindest. Wir alle halten den Atem an, bis du wieder da bist.
Tessa warf ihren Scribus auf den Schreibtisch und rieb sich mit den Fingerspitzen die Augen. »Scheiße«, flüsterte sie, voller Wut und Erleichterung. Sie hatte die Feeds gesehen. Darin hatte natürlich nicht gestanden, welches Zivilschiff die Toremi bombardiert hatten, aber Tessa hatte gewusst, wohin Ashby im letzten Standard geflogen war und welchen Auftrag er gehabt hatte. »Du blödes …« Sie atmete aus, ihre Augen brannten. »Es geht ihm gut.« Sie holte Luft, und ihre Stimme hörte auf zu zittern. »Es geht ihm gut.«
Sie war sofort in die Frachtstation gegangen, als der Nachrichtenfeed eintraf, obwohl ihre Schicht erst in zwei Stunden anfing und obwohl ihr Vater fand, sie solle zu Hause bleiben, bis klar sein würde, ob sie sich entspannen konnten oder ein Begräbnis vorbereiten mussten. Tessa ertrug es nicht, wie Pop mit der Situation umging: wie er vor dem Pixelprojektor Wache hielt und sich in Dauerschleife sämtliche Feeds ansah, bis ein neuer hochgeladen wurde. Wie er dabei ununterbrochen rauchte und vor sich hinmurmelte und mit wilden Theorien um sich warf. In ihren Augen war es sinnlos, herumzusitzen und auf Nachrichten zu warten, insbesondere da kein Mensch wusste, wann sie eintreffen würden. Also war sie mit der Angst, die ihr die Brust einschnürte, auf ihre eigene Weise umgegangen. Sie hatte Aya aus dem Bett geholt und Ky einen Minikuchen gegeben, damit er nicht quengelte, weil sich der gewohnte Tagesablauf geändert hatte. Anschließend hatte sie auch Aya einen Minikuchen gegeben, damit sie sich nicht über die Ungleichbehandlung beschwerte, und zu Pop gesagt, er solle sie über Vox benachrichtigen, falls es etwas Neues gab.
Wenn du zu Hause bleiben würdest, würdest du es selbst mitbekommen