Theodor Fontane
Gedichte
Ausgewählt von Günter de Bruyn
FISCHER E-Books
Theodor Fontane, am 30. Dezember 1819 in Neuruppin/Brandenburg geboren, war beinahe 60 Jahre alt, als sein Romanschaffen mit dem historischen Roman ›Vor dem Sturm‹ 1878 einsetzte. Der Weg dorthin war lang und führte Fontane vom Apothekerberuf über journalistische Tätigkeiten schließlich zu seinen großen realistischen Zeit- und Gesellschaftsromanen. Fontane starb am 20. September 1898 in Berlin.
Günter de Bruyn wurde am 1. November 1926 in Berlin geboren und lebt heute im brandenburgischen Görsdorf bei Beeskow als freier Schriftsteller. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. dem Heinrich-Böll-Preis, dem Thomas-Mann-Preis, dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung, dem Eichendorff-Literaturpreis und dem Johann-Heinrich-Merck-Preis. Zu seinen bedeutendsten Werken gehören u.a. die beiden kulturgeschichtlichen Essays »Als Poesie gut« und »Die Zeit der schweren Not«, die autobiographischen Bände »Zwischenbilanz« und »Vierzig Jahre« sowie die Romane »Buridans Esel« und »Neue Herrlichkeit«.
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Originalausgabe
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2019 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
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ISBN 978-3-10-491021-5
Siehe Götz von Berlichingen, Anmerkung für unliterarische Leser
will ooch nich mehr!
Erst Münchner Bräu aus vollen Krügen,
Die Deckel klappten wie ein Reim,
Dann Neckarwein in vollen Zügen
Und endlich Rot von Ingelheim.
Und all die Zeit kein regentrüber
Verlorner Tag, kein nasser Schuh,
Die Bilder zogen uns vorüber,
Wir taten nichts als schauten zu.
Und graue Dome, bunte Fresken
Und Marmor reichten sich die Hand,
Und weinblattdunkle Arabesken
Zog drum das Rhein- und Schwabenland
Mit achtzehn Jahr und roten Wangen
Da sei’s, da wandre nach Paris,
Wenn noch kein tieferes Verlangen
Sich dir ins Herze niederließ;
Wenn unser Bestes: Lieb und Treue,
Du nicht begehrst und nicht vermiß’st,
Und all das wechselvolle Neue
Noch deine höchste Gottheit ist.
Mir sind dahin die leichten Zeiten,
Es läßt mich nüchtern, läßt mich kalt,
Ich bin für diese Herrlichkeiten
Vielleicht zu deutsch, gewiß – zu alt.
Und wieder hier draußen ein neues Jahr, –
Was werden die Tage bringen?!
Wird’s werden, wie es immer war,
Halb scheitern, halb gelingen?
Wird’s fördern das, worauf ich gebaut,
Oder vollends es verderben?
Gleichviel was es im Kessel braut
Nur wünsch ich nicht zu sterben.
Ich möchte noch wieder im Vaterland
Die Gläser klingen lassen,
Und wieder noch des Freundes Hand
Im Einverständnis fassen.
Ich möchte noch wirken und schaffen und tun
Und atmen eine Weile,
Denn um im Grabe auszuruhn,
Hat’s nimmer Not noch Eile.
Ich möchte leben, bis all dies Glühn
Rückläßt einen leuchtenden Funken
Und nicht vergeht wie die Flamm im Kamin,
Die eben zu Asche gesunken.
Ich bin hinauf, hinab gezogen,
Und suchte Glück und sucht es weit,
Es hat mein Suchen mich betrogen,
Und was ich fand, war Einsamkeit.
Ich hörte, wie das Leben lärmte,
Ich sah sein tausendfarbig Licht,
Es war kein Licht, das mich erwärmte,
Und echtes Leben war es nicht.
Und endlich bin ich heimgegangen
Zu alter Stell und alter Lieb,
Und von mir ab fiel das Verlangen,
Das einst mich in die Ferne trieb.
Die Welt, die fremde, lohnt mit Kränkung,
Was sich, umwerbend, ihr gesellt;
Das Haus; die Heimat, die Beschränkung,
Die sind das Glück und sind die Welt.
Sonntagsruhe, Dorfesstille,
Kind und Knecht und Magd sind aus,
Unterm Herde nur die Grille
Musizieret durch das Haus.
Tür und Fenster blieben offen,
Denn es schweigen Luft und Wind,
In uns schweigen Wunsch und Hoffen,
Weil wir ganz im Glücke sind.
Felder rings, – ein Gottessegen
Hügel auf- und niederwärts,
Und auf stillen Gnadenwegen
Stieg auch uns er in das Herz.
»Auf, hinaus in die weite Welt«,
Drauf war mir ehdem der Sinn gestellt,
Mehr als Weisheit aller Weisen
Galt mir reisen, reisen, reisen;
Tsad-See, Kongo, Land der Zwerge,
Kapstadt und die Tafelberge,
Zulus, Nigger mit dickem Flunsche,
Mongolen umfaßt ich mit gleichem Wunsche,
Und Bürgers Lenore mit fliegenden Haaren,
Die so romantisch ums Morgenrot gefahren,
Ob mit ihm, ob ohne, – daß einer so fährt,
Erschien mir allein schon beneidenswert.
(Freiligrath und den »Löwenritt«
Nahm ich so nebenher noch mit.)
Nach Salas y Gomez wurd ich getrieben,
Wo der Mann die drei Schiefertafeln geschrieben.
Jetzt zwischen Link- und Eichhornstraße
Meß ich meine bescheidenen Maße,
Höchstens bis Königin Luise
Wag ich mich vor, umschreitend diese,
Bleib dann ein Weilchen noch in dem Bereiche
Des Floraplatzes am Goldfischteiche.
Der Wrangelbrunnen bleibt mir zur Linken,
Rechtsher seh ich Goethe winken.
Zuletzt dann vorbei an der Bismarckpforte
Kehr heim ich zu meinem alten Orte,
Zu meiner alten Dreitreppen-Klause
Hoch im Johanniterhause. –
Schon seh ich grüßen, schon hör ich rufen –
Aber noch fünfundsiebzig Stufen!
Rom im Siebenhügelkranz, –
Cremmen, Schwante, Vehlefanz.
Nemi-See, Genzano-Sträußchen, –
Stralau, Treptow, Eierhäuschen.
Blick aufs Forum, Ara Celi, –
Tasse Kaffee bei Stehely,
Lockt auch Fremde, Schönheit, Pracht, –
Glücklicher hat mich die Heimat gemacht.
Berlin, 4. Novemb. 89
Th. Fontane
Am Waldessaume träumt die Föhre,
Am Himmel weiße Wölkchen nur;
Es ist so still, daß ich sie höre,
Die tiefe Stille der Natur.
Rings Sonnenschein auf Wies’ und Wegen,
Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach,
Und doch, es klingt, als ström ein Regen
Leis tönend auf das Blätterdach.
Blaue Havel, Grunewald,
Grüß mir alle beide,
Grüß und sag, ich käme bald
Und die Tegler Heide.
Blumen, o Freundin, dir mitzubringen
Von diesem Feld, es wollt nicht gelingen.
Hafer nur, soweit ich sah,
Hafer, Hafer nur war da.
Märkische Rosse gewannen die Schlacht,
Haben das Feld berühmt gemacht.
Und das Feld, es zahlt mit Glück
Alte Schulden in Hafer zurück.
Ein Zugwind ging durch die Stuben,
Auf standen Hall und Tor,
Als die Mittelmärk’schen begruben
Ihren alten Otto von Rohr.
Sechs Rohrsche Vettern ihn tragen,
Sechs andre nebenher,
Dann folgen drei von der Hagen
Und drei von Häseler.
Ein Ribbeck, ein Stechow, ein Zieten,
Ein Rathenow, ein Quast,
Vorüber an Scheunen und Mieten,
Auf den Schultern schwankt die Last.
Um den Kirchhof her ein Blitzen
Von Herbstessonnenschein,
Die roten Berberitzen
Hängen über Mauer und Stein.
Eine dreizehner Landwehrfahne
Der alte von Bredow trug,
Und Hans Rochow von Rekahne
Schloß ab den Trauerzug.