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Fußnoten

Verschiedene Nebenpersonen.]

Ein Kammerdiener des Präsidenten.

Ein Kammerdiener der Ladi.

Einige Bediente derselben, auch 2 Jäger, ein Läufer, ein paar Kammermädchen.

Ein Bedienter des Präsidenten.

Drei Gerichtsdiener.

Satan infame] Henker, du ehrvergeßne

Mist im Sonanzboden] Sand im Resonanzboden

Hure] Matreß

auf seinem] seinen

pestilenzialischen] verfluchten

Maul –] Maul – so –

treten auf.] Hernach DER KAMMERDIENER.

Musikus] Musikanten,

Herzogin,] Prinzessinn,

Der Herzog] Der Prinz

seh] Seh

PRÄSIDENT.] VORIGER. Hernach DER SECRETAIR WURM.

Herzog?] Fürsten?

Herzogthum ist sie das] Lande ist sie’s

Würden Sie Vater zu dem Schurken Sohne] würden sie Vater zu dem ehrlosen Sohn

privilegierte Bulerin heuratete?] offenbare Bulerin freite?

wenn sie einen Fünfziger möchte] wenn ihr ein Fünfziger anstünde

Schurken] ehrlosen

geizen, … wechseln?] geizen – –

FERDINAND.] FERDINAND. (schnell einfallend)

einen ganzen Körper] eine unbescholtene Tugend

der besten Frau im Herzogthum würdig.] die beste Frau im Lande verdienst.

Bosheit] Grausamkeit

Was bläßt so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?] was macht dich auf einmal so blaß?

Herzogtum.] Fürstenthum.

fliehe] fürchte

Herzog] Prinzen

[Da die Regieanweisung im Soufflierbuch nicht gestrichen ist, bezieht sie sich dort auf die Lady statt auf Sophie.]

Herzog] Prinzen

EIN ALTER … DIE VORIGEN.] VORIGE. EIN ALTER KAMMERDIENER DES FÜRSTEN, der ein Schmukkästchen trägt. Hernach BEDIENTER.

Herzog für diese Steine?] Fürst für diese Juwelen?

Minister und Kuppler] Staatskluge Köpfe

Herzogthum.] ganzen Land.

Herzogs –] Prinzen –

Herzog] Prinz

Herzog] Prinzen

Herzog] Fürst

Fürst] Prinz

hieher] ins Land

sie schon in diesem Lande] seine Wollust in diesem Lande schon

MILLERIN.] FRAU.

Rabenaas?] Klatschbase?

Donnermaul] Sündenmaul!

Ministers,] Präsidenten,

Herzog] Fürsten

der Schwefelregen von Sodom! –] alle Teufel! – – –

Stell zum Minister] Stell’ zum Präsidenten

dien ich nicht. … Bürgersleut’.] bin ich dermalen nicht versehen – wenn Monsieur Ferdinand Geschmack an dergleichen haben, helfen ihm ia der gnädigste Prinz von oben herunter aus.

diese.] diese.

Herzog.] Fürsten.

Herzog] Fürsten

Herzog] Fürsten,

Herzog] Fürsten,

Herzogs] Fürsten

Heulhure] Memme

wer nicht … vermiethet hat] wenn die Gerechtigkeit nicht auch die Hirnschale bezalt hat.

WURM kommen.] WURM. Hernach KAMMERDIENER.

einem] unserm

unterhölt,] untergraben

Mein Geschmak … hieße.] Ein solcher Nebenbuler, gnädiger Herr, kann ihren Sohn nicht in Schrecken sezen.

Herzog.] Fürsten.

mich ja.] mich ja.

PRÄSIDENT. Desto schlimmer!

Herzogs.] Prinzen.

Herzogs?] Prinzen?

Herzog] Fürst

Herzog] Fürsten

Herzog.] Fürsten.

Herzog!] Fürsten!

Herzog willfahren wird.] Prinz Ihnen helfen wird.

zurüktreten] zurüktreten, und dazu müssen Sie helfen.

beliebe? … zum zweitenmal)] beliebe? – Eine Bulerin in den Augen der Welt und meines Geliebten, oder Mörderin meines Vaters? – O Gott, du weist allzugut, daß unser Herz an natürlichen Trieben, so fest als an Ketten ligt – Nunmehr ist alles gleich. Alles verloren – Ich denke nichts mehr. Die unerhörte Büberei überwältigt meine Bedenklichkeit und Schaam. Ich weiche der überlistenden Hölle. (sie sezt sich)

Darf die Taube nun fliegen?] Sie haben den abscheulichen Brief – werden Sie mir meinen Vater iezt wiedergeben?

mit mir, und das Sakrament darauf nehmen,] erst einen Eid darauf schwören,

verwahren? (Wurm zieht sie fort.)] verwahren? Kommen Sie! kommen sie! – das Opfer ist fürchterlich! so liebte kein Kind noch! aber mein Vater ist ia gerettet.

WURM. (zieht sie fort)

stand kein Gedanke] kein Gedanke stand,

Millionen Seelen nach dir –] Millionen verlorener Selen nach dir.

Sehr gut, … sezen?] (steht betreten still – nachdem er Ihn eine zeitlang betrachtet hat, mit erzwungener Güte) Du kehrst die Augen von mir? – du weichst meinem Anblick aus? – Ferdinand! – es ist das erstemal, daß wir uns begegnen – (seine Hand fassend, sanft) Ich suche meinen Sohn – hab ich ihn noch nicht gefunden?

(sieht ihn lange Zeit starr an)] (nach einer grosen Pause, worinn schreckliche Empfindungen in seinen Minen arbeiten)

Vater! Ich] Vater! – ich

Ich habe ihre Güte … zu spät –] Ich habe ihre Warnung verachtet – ich habe Ihre redliche Meinung verkannt – (lebhaft auf ihn zu gehend)

Ihren Seegen,] (mit weichem Ton vor ihm niderfallend) Ihren Segen,

(heuchelt … sprichst.] Was hast du? – Steh auf! dein ganzes Gesicht glüht? du zitterst?

O Sie] O! Sie

Ihre Wut … (ab)] an Stelle der gestrichenen Passage steht im Soufflierbuch: Ihre Mißbilligung war Weisheit – Ihre Härte war väterliche Huld! – Vater! Sie hatten eine weißagende Sele – Jezt ists zu spät – (aufspringend) Es ist zu spät! (nach einer stürmischen Umarmung) Unglücklicher Vater! Bete für deinen Sohn! (er stürzt aus dem Saal)

(ihm nachgehend) Bleib! Bleib! Wohin stürmst du?] (stürzt Ihm nach) Was ist das? – Bleib! – Welche Andung!

treten herein.] hernach DER KAMMERDIENER.

Milady?] Milady? –

O lieber … spielen! – – –] [an Stelle der gestrichenen Passage steht im Soufflierbuch:] warum wollen sie einem armen Insekt den Wassertropfen verleiden – den Wassertropfen, der bisher sein Himmel war? – –

Herzog.] Fürsten.

Herzog] Prinzen

deine Sorge … Deinesgleichen] ihre Sorge, Herr Hofmarschall. Leider weis ich, daß Sie und Ihres Gleichen

Mein Rath … Teller –] Unterdrücken Sie das Billet! überlifern sies! – wozu sie izt Lust haben! – aber ihren Kopf halten Sie fest, wenn das Hohngelächter des Landes, ihrem Prinzen erzälen wird, was diese Zeilen enthilten.

So erwägen Sie doch … Lady!] und sie erwägen nicht – und Sie bedenken nicht, welcher Disgrace Sie sich aussezen!

LADI (gros) Ich bedenke und erwäge, daß mich einst diese Minute verklagen wird, die ich auf eine Antwort verschwende.

HOFMARSCHALL. (geht, mit sich selbst kämpfend, ab)

Herzog –] Fürsten.

eilt ab.] und geht ab.

LOUISE. (spricht … das?] [an Stelle dieser Passage steht im Soufflierbuch:]

LOUISE. So hab ich ihn ia wieder! So ist er ia gerettet, mein Vater?

MILLER. (springt auf) Ach Gott! da ist sie! Sie ists! (mit Feuer sie umarmend) und keine Gewalt auf Erden, soll uns mehr auseinander reissen!

LOUISE. Im Thurm ist er gewesen? Und aus dem Thurm kommt er iezt, Vater?

MILLER. Aus dem Thurm, Unglückselige, wo verurtheilte Mörder ligen, und eisgraue Straßenräuber, der langen Todesangst müde, nach Strang und Schwert sich sehnen; – wo Gotteslästerungen und schauerliche Flüche in das Gerassel der Ketten heulen – aus einem Thurm, gute Tochter, wozu Niemand als der Henker den Schlüssel führt, aus welchem nur Todes-Urtheile, und die lezten Posaunen erlösen –

LOUISE. Allmächtiger Himmel!

MILLER. Ja mein Kind, und hier lag dein Vater – das Gespött frecher Missethäter, die Morgen auf dem Hochgerichte sterben, und ihn iezt ihren Bruder nannten. – – Schreckliche Nacht um ihn her; und eherne Herzen, und taube fühllose Mauren – vor seinen Augen ein fürchterlicher, schmälicher Tod! Auf einmal gehen die eisernen Rigel auf, eine Stimme ruft herunter – – es war eines Teufels Stimme – Du kennst sie – aber die Stimme rief: »deine Tochter hat dich gerettet!«

LOUISE. O Gott mit allem was sie nur theures besaß! – Unglücklicher Vater! was deine Ketten brach, brach das Herz deines Kindes! – Doch wo bleibt meine Mutter?

MILLER. Deine Mutter legte sich krank im Gefängnis.

LOUISE. Arme Mutter, so wirst du deine Tochter nicht wiedersehen?

MILLER. (stuzt) Was? wie versteh ich das?

diß Billet] diesen Brief

Will] will

erbreche den Brief.] erbrech ihn.

Karmeliterthurm.] Dominikanerthurm.

Louise … nicht mehr.] [an Stelle der gestrichenen Passage steht im Soufflierbuch:] – Ich sage dir nichts mehr –

ihn] es,

Hörst du ihn] hörst du, wie er

treiben?] treibt?

Ja!] Ich schrieb ihn.

einzusteken … zugesezt.] auszufüllen. – Meine ganze Baarschaft von Liebe wuchert bei dieser einzigen Tochter!

allmächtige] grosmächtige

ich] Ich

Zimmer] Zimmer,

dem Mädel] meiner Louise

Sie soll dran! Sie] sie soll dran! sie

Engel läßt sie fahren –] Engel verläßt sie – (indem er Gift hineinschüttet) Woltätiger abscheulicher Trank! was der feurigsten Liebe unmöglich war, kannst du: – uns vereinigen!

FERDINAND und] FERDINAND.

O Himmel! … gefürchtet.] O wenn sie wüsten, Walter, wie ungeheuer sie mich beleidigen!

Es] O Es

(stürzt ihr heftig weinend an den Hals)] (Er betrachtet sie eine Weile mit Trunkenheit, darauf stürzt er ihr, heftig weinend, an den Hals) O!

Mäze] Dirne

meine Mannheit]meinen Mut

Dieser Brief … hören –] Fasse dich, ihn auf ewig zu verlieren!

Entspringe] entfliehe

zürnende] strafende

wie deine hölzerne Puppe.] die hölzerne Puppe, deine Kabale.

Laßt mich!] Laßt mich! (Er stürzt herein)

[An Stelle der Streichung treten im Soufflierbuch auf:]

GERICHTSDIENER (sammeln sich im Hintergrund)

Mein Kind! Mein Kind!] Meine Luise! meine Tochter!

diesem hier] diesem!

(fällt an ihr zu Boden) O Jesus!] (bleibt eine schreckliche Pause lang in stummer Verzweiflung und mit starrem Blick vor der Leiche stehen. Dann hohl und schrecklich) Gott sei meiner Sele gnädig! (er stürzt schnell hinaus)

In wenig Worten Vater] Geht Ihm nach! – er verzweifelt – (Einer geht ab) – In wenig Worten, Vater!

niemals] nimals

nicht] nicht.

Du] du

zumuthen wirst] zumuten wirst,

hinzuschleppen,] hin zu schleppen;

selber … halten ihn)] selber. (Er fühlt die Wirkungen des Gifts) Die Ewigkeit ruft. – Luise – Luise! – Unendlich ist die Barmherzigkeit Gottes. (er fällt nider)

Diesem! (er] diesem! (Er

Mir?] mir?

Verfluchter] (zu Wurm) Verfluchter

Von] von

Ueber Dich] Uiber Dich

Ueber] Uiber

(er fängt] – (Er fängt

weiß] weis

Ueber mich] Uiber mich,

War es mein] war es mein

War ich] war ich

Ueber] Uiber

Ueber] Uiber

verlohren] verloren

Du] du

seyn] seyn.

Auf!] auf!

Wekt] weckt

Führt] führt

aufdeken,] aufdecken,

soll] soll.

(hält ihn)] (hält Ihn zurück.)

jezt] iezt

Dir] Dir

Dir] Dir

Dir] Dir

seyn (er] seyn. (Er

steht … fällt.)] (eilt schnell nach)

(Der Vorhang fällt)

Kabale und Liebe

Ein bürgerliches Trauerspiel

PERSONEN.

PRÄSIDENT VON WALTER, am Hof eines deutschen Fürsten.

FERDINAND, sein Sohn, Major.

HOFMARSCHALL VON KALB.

LADY MILFORD, Favoritin des Fürsten.

WURM, Haussekretair des Präsidenten.

MILLER, Stadtmusikant, oder wie man sie an einigen Orten nennt, Kunstpfeifer.

DESSEN FRAU.

LOUISE, dessen Tochter.

SOPHIE, Kammerjungfer der Lady.

Ein Kammerdiener des Fürsten.

Verschiedene Nebenpersonen.1

ERSTER AKT.

Erste Szene.

Zimmer beim Musikus.

MILLER steht eben vom Seßel auf, und stellt seine Violonzell auf die Seite.

An einem Tisch sizt FRAU MILLERINN noch im Nachtgewand, und trinkt ihren Kaffe.

MILLER.

(schnell auf und abgehend.) Einmal für allemal. Der Handel wird ernsthaft. Meine Tochter kommt mit dem Baron ins Geschrei. Mein Haus wird verrufen. Der Präsident bekommt Wind, und – kurz und gut, ich biete dem Junker aus.

FRAU.

Du hast ihn nicht in dein Haus geschwazt – hast ihm deine Tochter nicht nachgeworfen.

MILLER.

Hab ihn nicht in mein Haus geschwazt – hab ihm’s Mädel nicht nachgeworfen; wer nimmt Notiz davon? – Ich war Herr im Haus. Ich hätt meine Tochter mehr koram nehmen sollen. Ich hätt dem Major besser auftrumpfen sollen – oder hätt gleich alles Seiner Exzellenz dem Herrn Papa steken sollen. Der junge Baron bringts mit einem Wischer hinaus, das muß ich wissen, und alles Wetter kommt über den Geiger.

FRAU.

(schlürft eine Tasse aus.) Possen! Geschwäz! Was kann über dich kommen? Wer kann dir was anhaben? Du gehst deiner Profeßion nach, und rafst Scholaren zusammen, wo sie zu kriegen sind.

MILLER.

Aber, sag mir doch, was wird bei dem ganzen Kommerz auch herauskommen? – Nehmen kann er das Mädel nicht – Vom Nehmen ist gar die Rede nicht, und zu einer daß Gott erbarm? – Guten Morgen! – Gelt, wenn so ein Musje von, sich da und dort, und dort und hier schon herumbeholfen hat, wenn er, der Henker weiß was als? gelöß’t hat, schmekts meinem guten Schluker freilich, einmal auf süß Wasser zu graben. Gib du acht! gib du acht! und wenn du aus jedem Astloch ein Auge strektest, und vor jedem Blutstropfen Schildwache ständest, er wird sie, dir auf der Nase, beschwazen, dem Mädel eins hinsezen, und führt sich ab, und das Mädel ist verschimpfiert auf ihr Lebenlang, bleibt sizen, oder hat’s Handwerk verschmekt, treibts fort. (die Faust vor die Stirn) Jesus Christus!

FRAU.

Gott behüt uns in Gnaden!

MILLER.

Es hat sich zu behüten. Worauf kann so ein Windfuß wohl sonst sein Absehen richten? – Das Mädel ist schön – schlank – führt seinen netten Fus. Unter’m Dach mags aussehen, wie’s will. Darüber kukt man bei euch Weibsleuten weg, wenn’s nur der liebe Gott par Terre nicht hat fehlen lassen – Stöbert mein Springinsfeld erst noch dieses Kapitel aus – heh da! geht ihm ein Licht auf, wie meinem Rodney, wenn er die Witterung eines Franzosen kriegt, und nun müssen alle Segel dran, und drauf los, und – ich verdenks ihm gar nicht. Mensch ist Mensch. Das muß ich wissen.

FRAU.

Soltest nur die wunderhübsche Billeter auch lesen, die der gnädige Herr an deine Tochter als schreiben thut. Guter Gott! Da sieht man’s ja sonnenklar, wie es ihm pur um ihre schöne Seele zu thun ist.

MILLER.

Das ist die rechte Höhe. Auf den Sak schlagt man; den Esel meynt man. Wer einen Gruß an das liebe Fleisch zu bestellen hat, darf nur das gute Herz Boten gehen lassen. Wie hab ich’s gemacht? Hat man’s nur erst so weit im Reinen, daß die Gemüther topp machen, wutsch! nehmen die Körper ein Exempel; das Gesind machts der Herrschaft nach und der silberne Mond ist am End nur der Kuppler gewesen.

FRAU.

Sieh doch nur erst die prächtigen Bücher an, die der Herr Major ins Haus geschaft haben. Deine Tochter betet auch immer draus.

MILLER.

(pfeift) Hui da! Betet! Du hast den Wiz davon. Die rohe Kraftbrühen der Natur sind Ihro Gnaden zartem Makronenmagen noch zu hart. – Er muß sie erst in der höllischen Pestilenzküche der Bellatristen künstlich aufkochen lassen. Ins Feuer mit dem Quark. Da saugt mir das Mädel – weiß Gott was als für? – überhimmlische Alfanzereien ein, das läuft dann wie spanische Muken ins Blut und wirft mir die Handvoll Christentum noch gar auseinander, die der Vater mit knapper Noth so so noch zusammen hielt. Ins Feuer sag ich. Das Mädel sezt sich alles Teufels Gezeug in den Kopf; über all dem Herumschwänzen in der Schlaraffenwelt findet’s zulezt seine Heimat nicht mehr, vergißt, schämt sich, daß sein Vater Miller der Geiger ist, und verschlägt mir am End einen wakern ehrbaren Schwiegersohn, der sich so warm in meine Kundschaft hineingesezt hätte – – Nein! Gott verdamm mich (er springt auf, hizig) Gleich muß die Pastete auf den Heerd, und dem Major – ja ja dem Major will ich weisen, wo Meister Zimmermann das Loch gemacht hat. (er will fort.)

FRAU.

Sei artig Miller. Wie manchen schönen Groschen haben uns nur die Präsenter – –

MILLER.

(kommt zurük und bleibt vor ihr stehen) Das Blutgeld meiner Tochter? – Schier dich zum Satan infame2 Kupplerin! – Eh will ich mit meiner Geig’ auf den Bettel herumziehen, und das Konzert um was Warmes geben – eh will ich mein Violonzello zerschlagen, und Mist im Sonanzboden3 führen, eh ich mirs schmeken laß von dem Geld, das mein einziges Kind mit Seel und Seeligkeit abverdient. – Stell den vermaledeyten Kaffe ein, und das Tobakschnupfen, so brauchst du deiner Tochter Gesicht nicht zu Markt zu treiben. Ich hab mich satt gefressen, und immer ein gutes Hemd auf dem Leib gehabt, eh so ein vertrakter Tausend Sa Sa in meine Stube geschmekt hat.

FRAU.

Nur nicht gleich mit der Thür ins Haus. Wie du doch den Augenblik in Feuer und Flammen stehst! Ich sprech ja nur, man müß den Herrn Major nicht disguschthüren, weil Sie des Präsidenten Sohn sind.

MILLER.

Da liegt der Haas im Pfeffer. Darum, just eben darum, muß die Sach noch heut auseinander. Der Präsident muß es mir Dank wissen, wenn er ein rechtschaffener Vater ist. Du wirst mir meinen rothen plüschenen Rok ausbürsten, und ich werde mich bei Seiner Exzellenz anmelden lassen. Ich werde sprechen zu Seiner Exzellenz: Dero Herr Sohn haben ein Aug auf meine Tochter; meine Tochter ist zu schlecht zu Dero Herrn Sohnes Frau, aber zu Dero Herrn Sohnes Hure4 ist meine Tochter zu kostbar, und damit basta! – Ich heisse Miller.

Zweite Szene.

SEKRETAIR WURM. DIE VORIGEN.

FRAU.

Ah guten Morgen, Herr Sekertare. Hat man auch einmal wieder das Vergnügen von Ihnen?

WURM.

Meinerseits, Meinerseits, Frau Base. Wo eine Kavaliersgnade einspricht, kommt mein bürgerliches Vergnügen in gar keine Rechnung.

FRAU.

Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Bläsier, doch verachten wir darum niemand.

MILLER.

(verdrüßlich) Dem Herrn einen Seßel, Frau. Wollen’s ablegen, Herr Landsmann?

WURM.

(legt Hut und Stok weg, sezt sich) Nun! Nun! Und wie befindet sich denn meine Zukünftige – oder Gewesene? – Ich will doch nicht hoffen – kriegt man sie nicht zu sehen. – Mamsell Louisen?

FRAU.

Danken der Nachfrage Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist doch gar nicht hochmüthig.

MILLER.

(ärgerlich, stößt sie mit dem Elnbogen) Weib!

FRAU.

Bedauern’s nur, daß sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn Sekertare. Sie ist eben in die Meß, meine Tochter.

WURM.

Das freut mich, freut mich. Ich werd einmal eine fromme christliche Frau an ihr haben.

FRAU.

(lächelt dumm-vornehm) Ja – aber Herr Sekertare –

MILLER.

(in sichtbarer Verlegenheit kneipt sie in die Ohren) Weib!

FRAU.

Wenn Ihnen unser Haus sonst irgendwo dienen kann – Mit allem Vergnügen Herr Sekertare –

WURM.

(macht falsche Augen) Sonst irgendwo! Schönen Dank! Schönen Dank – Hem! hem! hem!

FRAU.

Aber – wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden haben –

MILLER.

(voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend) Weib!

FRAU.

Gut ist gut, und beßer ist beßer, und einem einzigen Kind mag man doch auch nicht vor seinem Glük seyn. (bäurischstolz) Sie werden mich je doch wohl merken Herr Sekertare?

WURM.

(rükt unruhig im Seßel, krazt hinter den Ohren und zupft an Manschetten und Chapeau) Merken? Nicht doch – O ja – Wie meynen Sie denn?

FRAU.

Nu – Nu – ich dächte nur – ich meyne (hustet) Weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will haben –

WURM.

(fährt vom Stul) Was sagen Sie da? Was?

MILLER.

Bleiben sizen! Bleiben sizen Herr Sekretarius. Das Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen? Was für ein Esel strekt sein Langohr aus diesem Geschwäze?

FRAU.

Schmäl du so lang du wilst. Was ich weis, weis ich – und was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.

MILLER.

(aufgebracht, springt nach der Geige) Wilst du dein Maul halten? Wilst das Violonzello am Hirnkasten wissen? – Was kannst du wissen? Was kann er gesagt haben? – Kehren Sich an das Geklatsch nicht Herr Vetter – Marsch du in deine Küche – Werden mich doch nicht für des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich obenaus woll mit dem Mädel? Werden doch das nicht von mir denken Herr Sekretarius?

WURM.

Auch hab ich es nicht um Sie verdient Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen, und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut, als unterschrieben. Ich habe ein Amt das seinen guten Haushälter nähren kann, der Präsident ist mir gewogen, an Empfehlungen kanns nicht fehlen, wenn ich mich höher poußieren will. Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Louisen ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adelichen Windbeutel herumgehohlt – –

FRAU.

Herr Sekertare Wurm! Mehr Respekt, wenn man bitten darf –

MILLER.

Halt du dein Maul sag ich – Lassen Sie es gut seyn, Herr Vetter. Es bleibt beim alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab, bring ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an – wol und gut, so mag sie zusehen, wie sie glüklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf – noch beßer – – in Gottes Namen wolt ich sagen – so steken Sie den Korb ein, und trinken eine Bouteille mit dem Vater – Das Mädel muß mit Ihnen leben – ich nicht – warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmeken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen? – Daß mich der böse Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret herumheze – daß ichs in jedem Glas Wein zu saufen – in jeder Suppe zu fressen kriege: Du bist der Spizbube der sein Kind ruinirt hat!

FRAU.

Und kurz und gut – ich geb meinen Konsenz absolut nicht; meine Tochter ist zu was hohem gemünzt, und ich lauf in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwazen läßt.

MILLER.

Wilst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul?

WURM.

(zu Millern) Ein väterlicher Rath vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?

MILLER.

Daß dich alle Hagel! ’s Mädel muß Sie kennen. Was ich alter Knasterbart an Ihnen abkuke, ist just kein Fressen fürs junge naschhafte Mädel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein Mann fürs Orchester sind – aber eine Weiberseel ist auch für einen Kapellmeister zu spizig. – Und dann von der Brust weg, Herr Vetter – ich bin halt ein plumper gerader teutscher Kerl – für meinen Rath würden Sie sich zu lezt wenig bedanken. Ich rathe meiner Tochter zu keinem – aber Sie misrath’ ich meiner Tochter, Herr Sekretarius. Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft, trau ich – erlauben Sie, – keine hole Haselnus zu. Ist er was, so wird er sich schämen, seine Talente durch diesen altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen – Hat er’s Kourage nicht, so ist er ein Hasenfus, und für den sind keine Louisen gewachsen – – Da! hinter dem Rüken des Vaters muß er sein Gewerb an die Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater und Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt – oder selber kommt, dem Vater zu Füßen sich wirft, und sich um Gottes willen den schwarzen gelben Tod, oder den Herzeinzigen ausbittet, – Das nenn ich einen Kerl! Das heißt lieben! – und wer’s bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll – – auf seinem5 Gänsekiel reiten.

WURM.

(greift nach Hut und Stok, und zum Zimmer hinaus) Obligazion, Herr Miller.

MILLER.

(geht ihm langsam nach) Für was? Für was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Sekretarius. (zurükkommend) Nichts hört er und hin zieht er – – Ist mirs doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federnfuchser zu Gesichte krieg. Ein konfiszierter widriger Kerl, als hätt ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert – Die kleinen tükischen Mausaugen – die Haare brandroth – das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stük Arbeit meinen Schlingel da angefaßt, und in irgend eine Eke geworfen hätte – Nein! Eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir – Gott verzeih mirs –

FRAU.

(spukt aus, giftig) Der Hund! – Aber man wird dir’s Maul sauber halten.

MILLER.

Du aber auch mit deinem pestilenzialischen6 Junker – Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht – Bist doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen Bescheid seyn soltest. Was hat das Geträtsch von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte. Dem muß man so was an die Nase heften, wenns morgen am Marktbrunnen ausgeschellt seyn soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Häusern herum riechen, über Keller und Koch räsonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort über’s Maul –7 Bumbs! haben Fürst und Matreß und Präsident, und Du hast das siedende Donnerwetter am Halse.

Dritte Szene.

LOUISE MILLERIN kommt, ein Buch in der Hand. VORIGE.

LOUISE.

(legt das Buch nieder, geht zu Millern und drükt ihm die Hand) Guten Morgen lieber Vater.

MILLER.

(warm) Brav meine Louise – Freut mich, daß du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.

LOUISE.

O ich bin eine schwere Sünderin, Vater – War er da Mutter?

FRAU.

Wer mein Kind?

LOUISE.

Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt – Mein Kopf ist so wüste – Er war nicht da? Walter?

MILLER.

(traurig und ernsthaft) Ich dachte, meine Louise hätte den Namen in der Kirche gelassen?

LOUISE.

(nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen) Ich versteh Ihn Vater – fühle das Messer, das er in mein Gewissen stößt; aber es kommt zu spät. – Ich hab keine Andacht mehr Vater – der Himmel und Ferdinand reissen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte – ich fürchte – (nach einer Pause) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachläßigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt. – Wenn meine Freude über sein Meisterstük mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergözen?

MILLER.

(wirft sich unmuthig in den Stul) Da haben wirs! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.

LOUISE.

(tritt unruhig an ein Fenster) Wo er wol jezt ist? – Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen – ihn hören – ich bin ein schlechtes vergessenes Mädchen (erschrikt an dem Wort, und stürzt ihrem Vater zu) Doch nein! nein! verzeih er mir. Ich beweine mein Schiksal nicht. Ich will ja nur wenig – an ihn denken – das kostet ja nichts. Dis Bischen Leben – dürft ich es hinhauchen in ein leises schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen! – Dis Blümchen Jugend – wär es ein Veilchen, und Er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben! – Damit genügte mir Vater. Wenn die Müke in ihren Stralen sich sonnt – kann sie das strafen, die stolze majestätische Sonne?

MILLER.

(beugt sich gerührt an die Lehne des Stuls, und bedekt das Gesicht) Höre Louise – Das Bißel Bodensaz meiner Jahre, ich gäb es hin, hättest du den Major nie gesehen.

LOUISE.

(erschroken) Was sagt er da? Was? – Nein! er meynt es anders der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden (sie steht nachdenkend) Als ich ihn das erstemal sah – (rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: Er ists, und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekräftigte, Er ists, und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt. Damals – o damals gieng in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schoßen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenns Frühling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn ich mich, daß sie niemals so schön war. Ich wußte von keinem Gott mehr, und doch hatt’ ich ihn nie so geliebt.

MILLER.

(eilt auf sie zu, drükt sie wider seine Brust) Louise – theures – herrliches Kind – Nimm meinen alten mürben Kopf – nimm alles – alles! – den Major – Gott ist mein Zeuge – ich kann dir ihn nimmer geben. (er geht ab)

LOUISE.

Auch will ich ihn ja jezt nicht mein Vater. Dieser karge Thautropfe Zeit – schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wollüstig auf. Ich entsag ihm für dieses Leben. Dann, Mutter – dann, wenn die Schranken des Unterschieds einstürzen – wenn von uns abspringen all die verhaßte Hülsen des Standes – Menschen nur Menschen sind – Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld, aber der Vater hat ja so oft gesagt, daß der Schmuk und die prächtigen Titel wolfeil werden wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann reich seyn. Dort rechnet man Tränen für Triumphe, und schöne Gedanken für Ahnen an. Ich werde dann vornehm seyn Mutter – Was hätte er dann noch für seinem Mädchen voraus?

FRAU.

(fährt in die Höhe) Louise! Der Major! Er springt über die Planke. Wo verberg ich mich doch?

LOUISE.

(fängt an zu zittern) Bleib sie doch Mutter.

FRAU.

Mein Gott! Wie seh ich aus. Ich muß mich ja schämen. Ich darf mich nicht vor Seiner Gnaden so sehen lassen. (ab)

Vierte Szene.