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Das Hilf bei
Leaky Gut

Wie ein durchlässiger Darm uns krank macht
und was wir dagegen tun können

Dr. med. Heike Bueß-Kovács | Prof. Dr. Dr. med. Claus Muss | Dr. med. Götz Nowak

Inhalt

Vorwort

Kapitel 1: Der Darm ist das Tor zum Leben

Ein Organ, das einen genaueren Blick lohnt

Die Darmwand – ein geniales Schichtsystem

Ein wichtiger Teil des Gesamtsystems

Verdauung beginnt ganz oben

Der Magen als Zwischenspeicher

Die kurvige Fahrt durch den Darm

Nahrungsverdauung durch dünn und dick

Das Ende der Reise durch den »Verdauungsschlauch«

Kapitel 2: Die Darmflora – Ökosystem mit reicher Artenvielfalt

Ein Superorganismus aus Keimen

Bakterienkulturen – von der Darmbarriere geschützt

Special: Bakterien im Darm entscheiden darüber, ob ein Mensch gesund bleibt oder krank wird

Die Darmbarriere – unsichtbare Grenze zwischen zwei Welten

Physikalische und chemische Trennlinie

Eine riesige Barrierefläche

Das Mikrobiom als weites Forschungsfeld

Lenken Mikroben unsere Gefühlswelt?

Das Mikrobiom macht Muckis

Kapitel 3: Der Darm – das zweite Gehirn im Bauch

Die enge Verbindung von Gefühl und Verstand

Wie funktioniert die Kommunikation zwischen Kopf und Bauch?

Nervus vagus – Hauptakteur des »Ruhenervs«

Gefühle – im Bauch gebildet, im Kopf verarbeitet

Das geniale Netzwerk von Nerven und Organintelligenz

Wunderwerk Gehirn

Neurotransmitter: Kleine Moleküle – große Wirkung

Sympathikus und Parasympathikus – die zwei großen Spieler des vegetativen Nervensystems

Dauerstress und seine Folgen

Special: Ist der Darm Sitz der Seele?

Kapitel 4: Nicht mit uns! Vom Kampfgeist unserer Abwehr-Armada

Allzeit bereit zur Verteidigung der Gesundheit

Die mächtigste Schutzpatrouille der Welt

Starke Helfer gegen Krebs, Infektionen & Co.

Die drei großen Verteidigungssysteme unserer Körperabwehr

Die Schutzbarrieren der Körperhülle

Die erste Verteidigungslinie des Immunsystems

Die zweite Verteidigungslinie des Immunsystems

Schwachstellen unseres Immunsystems

Allergie: Die Abwehr spielt verrückt

Zuckerkrankheit und Rheuma: Attacke gegen den eigenen Körper

Krebs: Kontrollverlust über entartete Körperzellen

Special: Die Schule der Immunzellen

Kapitel 5: Leaky-Gut – Alarm im Darm

Wenn die Darmbarriere durchlässig wird

Wer hat ein erhöhtes Risiko?

Morbus Crohn – eine Autoimmunerkrankung des Darms

Leaky Gut – die biochemischen und immunologischen Abläufe

Die häufigsten Triggerfaktoren für Leaky Gut

1. Triggerfaktor: Ungesunde Ernährung

2. Triggerfaktor: Medikamente

3. Triggerfaktor: Nahrungsmittelunverträglichkeiten

4. Triggerfaktor: Stress

Special: Was ist dran an der Diagnose »Reizdarmsyndrom«?

Kapitel 6: 100 Krankheiten, eine Ursache: Leaky Gut

Auswirkungen auf Körper und Seele

Was haben Depressionen mit dem Darm zu tun?

Psychoneuroimmunologie: Schulterschluss verschiedener Wissenschaften

Eine verhängnisvolle Aufspaltung

Leaky-Gut-Syndrom: Die dramatischen Folgen für den Körper

Warnsignal 1: Blähungen, Verstopfung, Durchfall, Bauchschmerzen

Warnsignal 2: Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Warnsignal 3: Chronische Gelenk- und Muskelschmerzen, rheumatische Beschwerden

Warnsignal 4: Migräne, Kopfschmerzen

Warnsignal 5: Depressive Verstimmungen, Ängste

Warnsignal 6: Chronische Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Erschöpfung bis hin zum Burn-out

Warnsignal 7: Konzentrationsschwäche, Gedächtnisstörungen, Leistungsabfall

Warnsignal 8: Ekzeme, Neurodermitis, Psoriasis

Warnsignal 9: Allergien, Autoimmunerkrankungen

Warnsignal 10: Geschwächtes Immunsystem mit wiederkehrenden Infekten

Warnsignal 11: Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen

Warnsignal 12: Übergewicht, Adipositas

Leaky Gut: Ein Syndrom in der Grauzone zwischen gesund und krank

Den Teufelskreis durchbrechen

Kapitel 7: Mit Spezialdiagnostik dem Leaky-Gut-Syndrom auf der Spur

Ein Krankheitsbild mit vielen Gesichtern

Leaky Gut labordiagnostisch erfassen

Der Zonulintest

Der Test des sekretorischen IgA im Stuhl

Der Lactulose-Mannitol-Test

Bestimmung der α-1-Antitrypsin-Konzentration im Stuhl

Der EPX-Test

Test auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Special: Innovative Diagnostik zur Erkennung des Leaky-Gut-Syndroms

Leaky-Gut-Diagnostik: Je ganzheitlicher, desto besser

Kapitel 8: Die Therapie des Leaky Gut

In drei Schritten zum Therapieerfolg

Fallbeispiele aus der Praxis

1. Missempfindungen der Nerven durch LGS

2. Allergiesymptome und Histaminintoleranz durch LGS

3. Müdigkeit, Verdauungsprobleme und Leistungsabfall durch LGS

4. Ständiger Juckreiz und Nesselsucht durch LGS

5. Chronisches Lymphödem durch LGS

6. Unruhe und Konzentrationsstörungen durch LGS

7. Chronische Schmerzen durch LGS

8. Erfolgloses Abnehmen über längere Zeit durch LGS

9. Chronische Müdigkeit durch LGS

Wichtige Helfer bei der Darmsanierung

Probiotika und Präbiotika – Fitmacher für den Darm

Akazienfaser – der absolute Geheimtipp

Salutosil – Schutzfilm für den Darm

Lezithin, Zink & Co. – wertvolle Nahrungsergänzungen für den Darm

Der Kompakt-Guide für eine umfassende Darmsanierung

Darmsanierung: So wird Ihr Darm wieder fit

Fastenkuren

Intervallfasten – perfekt für den Alltag

Fasten – Großputz für Körper und Seele

Leibwickel und Massagen

Mikrobiom-Aufbau

Ernährungsumstellung

Ein Wort zum Schluss

Hilfreiche Adressen

Register

Impressum

Vorwort

Leaky-Gut-Syndrom: Die fremdartig anmutende Krankheitsbezeichnung stammt aus dem Englischen und heißt übersetzt »durchlässiger Darm«. Tatsächlich ist beim Leaky-Gut-Syndrom die Barrierefunktion der Darmschleimhaut nicht mehr intakt. Und das hat fatale Folgen: Durch die durchlässigen Stellen des Darms können schädliche und teilweise hochtoxische, also giftige, Stoffe in den Blutkreislauf und damit in den gesamten Organismus gelangen. Die Fremdstoffe rufen das Immunsystem auf den Plan, das mit allen Mitteln versucht, die Substanzen abzuwehren. Dadurch kommt es zu entzündlichen Reizungen und in der Folge zu chronischen Krankheiten, vor allem zu Allergien und Autoimmunerkrankungen, die als unheilbar gelten. Eine Vielzahl an Symptomen und Beschwerden können so durch das Leaky-Gut-Syndrom ausgelöst werden:

Obwohl das Syndrom des »lecken«, also durchlässigen, Darms schon seit den 1980er-Jahren bekannt ist und erforscht wird, bringen es die meisten Ärzte noch immer nicht in Zusammenhang mit chronischen Krankheiten und verpassen so die Chance einer Behandlung, die die Ursachen der Beschwerden angeht. Bleibt aber die Barrierestörung der Darmschleimhaut über Jahre unerkannt, kann es zu schweren Komplikationen kommen. So werden die beiden gravierenden Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, die den Darm regelrecht zerstören können, mit dem Leaky-Gut-Syndrom in Verbindung gebracht. Sogar Krebserkrankungen können auf das Konto ständiger Darmschleimhautirritationen gehen.

So weit muss es nicht kommen. Das Syndrom des lecken Darms ist gut behandelbar und heilbar. Und mit der Heilung verlieren sich auch alle Krankheiten, die ursächlich mit dem Leaky-Gut-Syndrom in Zusammenhang stehen. In diesem Ratgeber erfahren Sie, welche Möglichkeiten es gibt, den Darm zu regenerieren und eine intakte Schleimhautbarriere wiederaufzubauen. Fallbeispiele von Patienten mit schweren chronischen Erkrankungen zeigen eindrucksvoll auf, wie durch eine konsequente, zielgerichtete Therapie des Darms der Genesungsprozess eingeleitet und die Gesundheit wiederhergestellt werden konnte.

Die kurvige Fahrt durch den Darm

Jeder, der schon einmal eine Serpentinenstraße an Meeresklippen entlanggefahren ist oder eine Hochgebirgsroute genommen hat, um vom Skiurlaub heimzukehren, kennt diese Kurverei: rechts rum, links rum, rechts rum, links rum in zuweilen ziemlich engen, nervigen Kehrschleifen. So ähnlich muss sich der Speisebrei fühlen, wenn er mithilfe der Peristaltik – den aktiven, von Muskelkräften ausgelösten Bewegungen des Darms – durch dessen Windungen geschoben wird.

Die Dünndarmreise beginnt mit dem Zwölffingerdarm, Duodenum genannt. Seinen Namen erhielt der Zwölffingerdarm durch seine Länge, die von Anatomen früherer Zeiten auf etwa eine Länge von zwölf Fingern berechnet wurde, was etwa 30 Zentimetern entspricht. In diesem zwölf Finger langen Abschnitt des Dünndarms finden weitere bedeutsame Verdauungsprozesse statt, indem etwa Hormone und andere Botenstoffe, zum Beispiel des Immun- und Stoffwechselsystems, zur Verfügung gestellt werden. Ins Duodenum münden auch die Säfte der Bauchspeicheldrüse und der Gallenblase. Die darin enthaltenen Enzyme führen den Verdauungsprozess fort, indem sie Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße aufspalten und in so kleine Einzelteile zerlegen, dass diese aus dem Darminnern über die Darmwand in den Blutkreislauf aufgenommen werden können.

Dem Duodenum folgt das Jejunum, das im Deutschen als Leerdarm bezeichnet wird. Diese etwas ulkige Bezeichnung stammt wohl daher, dass das Jejunum nach dem Tod zumeist leer sein soll. In dem etwa zweieinhalb Meter langen und ausgesprochen kurvigen Abschnitt werden Nährstoffe und Wasser aus dem Nahrungsbrei resorbiert, also aufgenommen. Im Jejunum setzt sich also die Aufspaltung der Nahrungsbestandteile durch Enzyme, die schon in oberen Abschnitten des Verdauungstraktes begonnen hat, fort. Die dabei entstehenden Bausteine sind vor allem Einfachzucker, Aminosäuren und Fettsäuren. Aber auch Vitamine, Elektrolyte und Spurenelemente gelangen über diesen langen Dünndarmabschnitt mit seiner enormen Resorptionskapazität in den Blutkreislauf – und natürlich jede Menge lebenswichtiger Flüssigkeit, die hier dem Nahrungsbrei besonders gründlich entzogen wird.

Die unzähligen Ausstülpungen der Darmschleimhaut schaffen eine enorme Resorptionsfläche.

Die Serpentinenfahrt durch den Dünndarm findet im Ileum, dem Krummdarm, ihr Ende. Dieser letzte Abschnitt bildet mit 60 Prozent den längsten Abschnitt der gesamten Dünndarmlänge. Er kann beim Erwachsenen durchaus bis zu drei Meter lang sein. Im Krummdarm verschwinden die Zotten und Falten, die für das Innenleben des Jejunums so charakteristisch sind, und weichen anderen Organstrukturen wie etwa Ansammlungen von Lymphknötchen, die den würdevollen Wissenschaftsnamen Peyer-Plaques tragen. Die durch Ein- und Ausstülpungen enorm vergrößerte Resorptionsoberfläche der Darmschleimhaut kommt im Ileum zunehmend weniger vor, und zwar deshalb, weil die meisten verwertbaren Nahrungsbestandteile bereits im Duodenum und Jejunum ins Blut aufgenommen wurden. Statt Resorption von Nahrungsbausteinen kommt dem Ileum eine andere wichtige Aufgabe zu, nämlich die Abwehr von Krankheitserregern und anderen Stoffen, die vom Magen durch die Salzsäure nicht schon eliminiert wurden. Man kann mit Fug und Recht sagen: Das Darmimmunsystem ist hauptsächlich im Ileum, dem letzten Teil des Dünndarms, angesiedelt. Zur enormen Bedeutung dieses enterischen Immunsystems (»enterisch« stammt aus dem Altgriechischen und steht für »Darm«) werden Sie später noch mehr erfahren.

Nahrungsverdauung durch dünn und dick

Der Dickdarm ist dicker als der Dünndarm. Das klingt zunächst wie eine Plattitüde, aber es ist tatsächlich so. Doch nicht nur das: Dünndarm und Dickdarm unterscheiden sich einerseits im Erscheinungsbild deutlich voneinander und haben andererseits auch ganz verschiedene Funktionen.

Nach dem Ileum sind wir also im Dickdarm angekommen. Dieser etwa ein Meter lange Darmabschnitt verläuft überhaupt nicht mehr kurvig, sondern umgibt den Dünndarm wie einen Rahmen. Entsprechend unterscheiden die Mediziner beim Hauptteil des Dickdarms, dem Grimmdarm oder Kolon, einen aufsteigenden Teil (Colon ascendens), einen quer verlaufenden Teil (Colon transversum) und einen absteigenden Teil (Colon descendens). Zum Dickdarm gehört auch der Blinddarm mit dem als Appendix bezeichneten Wurmfortsatz – der für seine gewisse Entzündungsneigung berühmt-berüchtigt ist – und das Sigma, ein leicht S-förmig verlaufendes Stück des Kolons (Colon sigmoideum) sowie der circa 16 Zentimeter lange Mastdarm, in der Fachsprache Rektum genannt, der über den After (Anus) die Verbindung nach außen bildet.

Während der Dünndarm in Kurven und Windungen verläuft, zieht sich der Dickdarm recht geradlinig durch den Bauchraum.

Eine wichtige Aufgabe des Dickdarms ist, dem Speisebrei weiter Wasser zu entziehen, um ihn auf diese Weise einzudicken. Parallel dazu mengt der Dickdarm dem Darminhalt Schleim bei, damit dieser eine gute Gleitfähigkeit erhält und nicht etwa während der Darmpassage ins Stocken gerät.

Die sehr unangenehmen Erscheinungen einer ins Stocken geratenen Verdauung und Bildung von trockenem, hartem Stuhl, der sich manchmal tagelang nur unter größten Schwierigkeiten in die Toilette befördern lässt, kennen wir alle als Verstopfung. Diese Verdauungsstörung, die in der medizinischen Fachsprache Obstipation genannt wird, kann durch falsche Ernährung mit zu wenig Ballaststoffen, durch veränderte Ernährungsgewohnheiten, mangelnde Bewegung, Fernreisen und vieles mehr ausgelöst werden. Typische Begleiterscheinungen sind Bauchschmerzen, Völlegefühl und Blähungen.

Unregelmäßigkeiten oder Probleme beim Stuhlgang sollten abgeklärt werden.

Das Gegenteil einer Obstipation tritt ein, wenn die sogenannten Becherzellen – das sind die Zellen, die im gesamten Magen-Darm-Trakt für die Produktion von Schleim verantwortlich sind – plötzlich übermäßig stark Schleim absondern. Bei Entzündungen des Dickdarms beispielsweise kann die Absonderung des Schleims so stark sein, dass reine Schleimstühle ausgeschieden werden.

Diese Unregelmäßigkeiten des Stuhlgangs können ein erstes wichtiges Zeichen sein, dass mit dem Darm etwas nicht in Ordnung ist und Sie genauere Abklärungen durchführen lassen sollten – denn Krankheiten des Darms sind immer ernst zu nehmen, da sie für eine Vielzahl anderer Leiden und Störungen verantwortlich sein können. Darüber erfahren Sie im weiteren Verlauf dieses Buches mehr.

Das Ende der Reise durch den »Verdauungsschlauch«

Nach dem letzten S-förmigen Abschnitt des Kolons, dem Sigma, schließt sich der Mastdarm an, dem die Mediziner den Namen Rektum gegeben haben. Hier finden keine Verdauungsprozesse mehr statt. Das Rektum dient ausschließlich als Speicher von Kot, damit dieser nicht ständig, sondern nur etwa einmal am Tag oder sogar in noch größeren Zeitabständen ausgeschieden werden muss. Bis zu fünf Tage kann der Mastdarm seinen Inhalt »aufbewahren«.

Im allerletzten Abschnitt des Darms, also am Ende des Rektums, findet sich wieder ein Sphinkter, ein Schließmuskel. Nach dem Mageneingangs- und dem Magenausgangsschließmuskel ist er der Dritte im Bunde. Es handelt sich um den Anus – auch After genannt –, ein starker Muskelring, der den Darmausgang einerseits ohne bewusste Kontrolle durch das Gehirn verschließen kann, andererseits uns die bewusste Kontrolle über den Stuhlgang ermöglicht. Diese Kontrolle erwerben wir im Kindesalter, denn die Darm- sowie auch die Blasenkontrolle hängen von gewissen Reifeprozessen ab und werden – angepasst an die individuelle kindliche Entwicklung – vom Gehirn gesteuert.

Eine dramatische und für die Betroffenen schwer belastende Situation tritt ein, wenn der Schließmuskel des Afters durch operative Eingriffe, Verletzungen oder bestimmte Krankheiten verletzt beziehungsweise geschwächt wurde. Dann kann es zur Stuhlinkontinenz kommen, bei der die Stuhlabgabe nicht mehr kontrolliert werden kann. Das ist eine immer noch tabuisierte Erkrankung, die sehr oft mit einem großen Leidensdruck einhergeht. Am häufigsten kommt es nach einem chirurgischen Eingriff, meist wegen Darmkrebs, zu dieser Inkontinenz. Glücklicherweise helfen moderne Operationstechniken, etwa mit speziellen endoskopischen Methoden, diese schwerwiegende Komplikation zu verringern.

Appendix: Wurmfortsatz ohne Funktion?

Würde man in der Fußgängerzone eine Umfrage starten, bekäme man sicher Antworten dieser Art: »Der Blinddarm? Der ist doch zu nichts nutze!« Oder: »Der ist doch nur zum Entzünden da und dafür, dass Chirurgen Geld verdienen.«

Nein, so viel Unfug treibt die Natur nicht: Organe zu schaffen, die später nur Probleme bereiten oder nur zum Geldverdienen da sind. Aber welche Bedeutung hat der Blinddarm denn nun wirklich? Zunächst ein bisschen Klarheit in die Sprachverwirrung: Der Blinddarm ist das etwa sechs bis acht Zentimeter lange Stück, das den Übergang vom Dünn- zum Dickdarm bildet. Er wird auch Caecum genannt und befindet sich in den allermeisten Fällen in der rechten unteren Bauchhöhle. Am Blinddarm sitzt ein kleines Anhängsel, der Wurmfortsatz, im Fachjargon Appendix genannt. Spricht man von Blinddarmentzündung, ist genau dieser Wurmfortsatz gemeint, deshalb heißt die Dia- gnose auch Appendizitis (die lateinische Endung -itis bedeutet »Entzündung«).

Eine akute Appendizitis ist in der Tat kein Spaziergang. Sie verursacht meist heftige Bauchschmerzen und kann sogar lebensgefährlich werden, sollte der akut entzündete Wurmfortsatz aufbrechen und schädliche Bakterien in den Bauchraum entlassen. Chirurgen greifen daher meist schnell zum Skalpell und entfernen den Appendix sogar gelegentlich vorsorglich im Rahmen eines anderen Eingriffs im Bauchraum.

In die Reihe der vermeintlich nutzlosen Organe findet sich der Blinddarm mit Appendix zusammen mit Organen wie den Rachenmandeln oder der Milz. Forschungen zeigen jedoch: Genauso wie die Rachenmandeln oder die Milz, spielt der Blinddarm eine wichtige Rolle im Immunsystem. Zusammen mit dem Appendix ist er ein Reservoir von lymphatischen Zellen, die der Körperabwehr wertvolle Dienste leisten. Zudem soll der Blinddarm auch ein Depot für »gute« Darmbakterien sein, die nach einem Darminfekt dort – geschützt wie in einer Höhle – überleben können. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse findet gerade ein Umdenken statt, den Appendix nicht vorschnell zu entfernen, sondern dem Körper dieses wertvolle Immunorgan zu überlassen, solange es gesund ist.