Cover

Inhalt:

Die junge Comedian Dana Diaz begegnet nach einem missglückten Auftritt der IT-Spezialistin Amanda. Als Frauen in typischen Männerberufen klagen sie sich ihr Leid, denn beide sahen sich in der Vergangenheit häufig mit sexuellen Belästigungen oder Übergriffen konfrontiert. Lange haben sie dies einfach erduldet, jetzt wollen sie selbst für Gerechtigkeit sorgen. Sie schließen einen Pakt: Jede soll sich an den Gewalttätern der anderen rächen. Nach kurzer Zeit übertrumpfen sich die beiden Frauen in ihren Rachespielen, geraten in eine Spirale aus Gewalt, Betrug und Täuschung. Bis sich Dana irgendwann fragt, ob sie ihrer neuen Freundin eigentlich wirklich blind vertrauen kann. Und was, wenn nicht? Wäre es dann für einen Absprung aus dem teuflischen Spiel nicht schon viel zu spät …?

Autorin:

Amy Gentry ist freie Literaturkritikerin und unterrichtet in Austin, Texas, englische Literatur an einer High School. Außerdem engagierte sie sich mehrere Jahre lang als Ehrenamtliche in einer Organisation für Opfer sexueller Gewalt. Ihr Debüt »Good as Gone« wurde zu einem internationalen Bestseller und erschien in über 20 Ländern. Amy Gentry lebt mit ihrer Familie in Austin.

AMY GENTRY

WIE DU MIR

So ich dir

Thriller

Aus dem amerikanischen Englisch
von Astrid Arz

C. Bertelsmann

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Die Originalausgabe erschien 2019
unter dem Titel Last Woman Standing
bei Houghton Mifflin Harcourt, Boston New York.
Copyright © 2019 Amy Gentry
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019
beim C. Bertelsmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: www.buerosued.de
Umschlagabbildung (Vorderseite): Arcangel Images/Alaina Burri-Stone
Umschlagabbildung (Rückseite): Trevillion Images /Stephen Carroll
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-23626-7
V002
www.cbertelsmann.de

Für AJZ, eine ausgesprochen kluge Frau

NANCY: Ich sollte zu dir gehen, wenn ich Ideen brauche.
SYLVIA: Zu irgendwem jedenfalls.

Die Frauen, 1939

1

»Und jetzt: Bühne frei für Daaaaana Diaz!«

Ein paar Leute klatschten, während ich die hölzerne Bühne bestieg und dabei den Lautsprechern auswich. Im Scheinwerferlicht zupfte ich ein letztes Mal den T-Shirt-Saum vom Bund meiner Jeans, strich mir eine dunkelbraune Strähne vom Lipgloss-Lächeln, umfasste das Mikrofon mit einer Hand und löste sorgsam das Kabel vom Ständer. Es war Quatsch, zwei Minuten mit dem Runterschrauben auf meine Körpergröße zu verlieren: 1,65 m auf Zehn-Zentimeter-Absätzen, ohne die ich mich so gut wie nie auf die Bretter stelle.

»Hallo zusammen«, sagte ich. »Ich bin Dana und heute Abend eure Quoten-Latina.«

Ich wartete auf das betretene Gekicher, doch alles, was kam, war die dumpfe, beleidigte Schweigepause eines Kneipenpublikums, dem die Musik abgedreht worden war, gefolgt von einem bellenden Husten. Weiter im Text.

»Und sag mir ja keiner, ich soll dahin zurückgehen, wo ich herkomme. Amarillo liegt am Arsch der Welt.« Wieder Schweigen. Ich nestelte am Mikroständer herum. »Irgendwer aus Amarillo im Publikum? Nein?« Kein Gejohle. »Schon okay, ich würd’s auch nicht zugeben, wenn es nicht mein Job wäre. Na ja, Hobby.«

Ich war seit etwas über einem Jahr wieder in Austin, absolvierte so viele Open Mics, Gastauftritte und Newcomer-Sets wie möglich und hatte mir meinen Slot auf der Third-Thursday-Bühne im Nomad redlich verdient. Aber in letzter Zeit wollte der Funke einfach nicht überspringen, und ich wusste nicht, woran es lag.

Ich fuhr fort. »In Amarillo ist wenig los. Na ja, der zweitgrößte Arbeitgeber ist ein Heliumwerk. Als ich zur Highschool ging, hingen wir immer hinter dem Seven-Eleven rum …«, ich tat so, als saugte ich an einem Heliumballon, und sagte mit hoher Piepsstimme: »Hey, Alter, reich Mickymaus mal weiter.«

Ausdruckslose Mienen. Mein Schnüffler-Gag klang wenig überzeugend, weil meine Wochenenden in der Highschool-Zeit tatsächlich eher clean gewesen waren. Jason und ich hatten gesehen, was Drogen mit seinem großen Bruder angerichtet hatten, und wollten nichts damit zu tun haben. Ich nahm mir fest vor, an meiner komischen Stimme zu arbeiten, und preschte voran. »Als ich klein war, hat meine Mom in der Heliumfabrik gearbeitet. Ich dachte immer, sie wär Kindergeburtstagsclown.« Kurze Pause. »Der Tag, an dem sie mich mal mit zur Arbeit nahm, war eine herbe Enttäuschung für mich.«

Ich suchte auf den bühnennächsten Plätzen nach einem freundlichen Gesicht, sah aber nur dumpfäugige Trinker und verkorkste Tinder-Dates. In Gedanken driftete ich in die grellen Untiefen der Scheinwerfer ab. Jason, mein Co-Autor und bester Freund, seit wir vierzehn waren, hatte mir vor vielen Jahren den Tipp gegeben, mir das freundlichste Gesicht in der Menge auszugucken, wenn ich floppte, und mir vorzustellen, dass ich nur diesem Menschen alle meine Witze erzählte. Zwar hatte ich mit Jasons Trick nur selten das Publikum zurückgewonnen, war mittlerweile aber oft genug gefloppt, um zu wissen, dass es gar nicht so sehr darauf ankam. Sondern darauf, dem Publikum zu zeigen, dass es einem da oben bestens ging, danke der Nachfrage. Es gibt kein schlimmeres Fremdschämen als zuzusehen, wie jemand auf der Bühne hilflos herumzappelt. Ich hatte dieser Regel einen geheimen Namen gegeben: Kein Blut im Wasser.

Ich merkte, dass ich fahrig herumfuchtelte, mit angespannter Stimme, um mich größer zu machen. Nach vier Jahren in Los Angeles fiel es mir schwer, mich in dieser etwas zu lockeren Stadt zu entspannen. Mir fehlte die Plackerei. Das Publikum in L. A. war hart gewesen, hatte mich aber abgehärtet; hier in Austin hingegen setzte einem die Gleichgültigkeit zu. Als ich aus L.A. abgehauen war, hatte Jason kaum noch mit mir geredet, und da hatte ich es mir geschenkt, ihm die gleiche Leier zu erzählen wie allen anderen: Ich würde eine Auszeit brauchen, nur kurz, und dann wiederkommen. Doch das war leichter gesagt als getan. Beim letzten Umzug war ich fünf Jahre jünger gewesen, und nicht allein. Mit Jason war mir alles leichter gefallen. Er wusste, wo wir herkamen und wie wichtig es war, sich nicht den Wind aus den Segeln nehmen zu lassen, nie zurückzufallen.

So viel dazu. Nach vier Jahren Abwesenheit kam es mir vor, als würde ich in Austin wieder von vorne anfangen, nur dass die Konkurrenz mittlerweile größer und das Bier teurer geworden waren. In ein paar Monaten, wenn mein alter Mietvertrag auslief, würde ich für meine schäbige Wohnung astronomische Summen zahlen müssen, mein Anteil an der Trinkgeldkasse reichte kaum für ein Bier nach dem Auftritt, und ich rackerte mich immer noch mit angstschweißgebadeten Auftritten in Kellerbars und Coffeeshops ab. Achtundzwanzig war vielleicht nicht alt, aber doch zu alt dafür.

»Ich danke meiner Mom für meine passenden Initialen: Doppel-D«, mit einem vielsagenden Blick auf meinen Busen, was mir immerhin etwas Gekicher einbrachte. Ah, Tittenwitze. Comedy-Krönung. »Damit war ich der Hit in der Mittelstufe.«

»Geile Möpse!«, rief einer aus den hinteren Reihen.

»Bobby Micklethwaite, bist du das?«, schoss ich zurück, während ich mit einer Hand die Augen abschirmte, als wollte ich an den Scheinwerfern vorbeispähen. »Du hast dich ja seit der Siebten überhaupt nicht verändert. Bis auf – was bloß? Ach ja, du bist noch viel hässlicher geworden.«

Unbeeindruckt rief dieselbe Stimme: »Ausziehen!«

»Dafür immer noch die gleiche geschliffene Ausdrucksweise«, murmelte ich und wollte weitermachen.

»Zeig uns deine Titten!«

Ein paar Buhrufe ertönten. Jemand rief: »Halt’s Maul!« Ich spürte das Prickeln des hochkochenden Ärgers im Publikum, wusste aber, wenn mir die Situation jetzt entglitt, hätte es der Zwischenrufer endgültig geschafft. Ich kämpfte gegen die aufsteigende leichte Panik an. Kein Blut im Wasser, sagte ich mir. Zeig ihnen, dass du damit klarkommst.

Mit zuckersüßer Stimme fragte ich: »Hat dich etwa jemand verletzt?«, dann, in normalem Tonfall: »Vor- und Nachnamen, bitte. Ich will wissen, wen ich dafür bezahlen kann, dass es wieder passiert.« Unsicheres Gelächter im Publikum bei der Erwähnung von Gewalt. »Und immer und immer wieder.«

Der Zwischenrufer lenkte bloß noch mit betrunkenem Gemurmel ein, doch kaum jemand im Publikum lachte. »War bloß ’n Witz, Leute!«, rief ich mit weit ausgebreiteten Armen. »Dafür verdien ich nicht genug. Vielleicht sollten wir ein Crowdfunding für mich starten?«

Eine Mischung aus Lachen und Buhrufen, unklar, ob sie mir oder dem Zwischenrufer galten. Der Türsteher näherte sich endlich dem Störenfried, also nahm ich den Faden meiner Nummer wieder auf und ging zu Witzen über meinen Brotberuf über. Mein Adrenalinspiegel war zeitgleich mit dem der Menge angestiegen, aber es war kein gutes Gefühl. Die Zuschauer waren schon vorher nicht mitgegangen, und der Zwischenrufer hatte nur das Gift im Raum so aufgesogen und verdichtet, dass es fast greifbar wurde. Nicht die Augen schließen, sagte ich mir, nicht blinzeln, bis du sie zurück hast. Doch in meinem Blickfeld tanzten immer mehr schwarze Punkte.

Zuerst hörte ich ihr wild bellendes Lachen, dann sah ich sie: das freundliche Gesicht. Die Frau saß an einem Tisch in Wandnähe, den strubbeligen blonden Haarschopf von grüner Neon-Bierwerbung beleuchtet. Ich erhaschte einen Blick auf große, weit auseinanderstehende Augen in tief liegenden Höhlen, hohe Wangenknochen, weiße Zähne in einem zum Grinsen verzogenen Mund. Ich fragte mich, warum sie mir zuvor nicht aufgefallen war; entweder hatte sie noch nicht unter dem Licht gesessen oder nicht gelacht. Jetzt nickte sie wie eine Löwenzahnblüte im Wind, ein sicherer Hafen hingerissener Zustimmung, und ich spürte, wie ich mich entspannte. Ich merkte mir ihr Gesicht und blickte den restlichen Auftritt über zwar wie immer ins Publikum, erzählte meine Witze aber ausschließlich der Löwenzahnfrau, die immer mal wieder schallend loslachte. Die zehn Minuten vergingen zum Glück wie im Flug, und schon trat ich vom teppichbespannten Podest, aus dem Scheinwerferkegel und ins übliche Dämmerlicht einer schmuddeligen Kneipe.

»Noch mal einen Riesenapplaus für Dana Diaz!«, rief der Moderator Fash ins verhaltene Klatschen, während ich über die Lautsprecherkabel stakste und mich an der Wand entlang zur Theke vorschob. »Als Nächstes …«

Als Nächstes kam Toby, ein Hipster aus Minneapolis, kurz vor dem Ortswechsel nach L. A. – »geben wir ihm also einen fetten Applaus mit auf den Weg!« (Vereinzeltes Klatschen.) Nach ihm war Kim dran, alias das Andere Girl, mit buschigem blondem Pony und Slip Dress à la Courtney Love; dann James, mit Hosenträgern und Ukulele. Als Letzter Fash Banner, der Moderator und Organisator, der voriges Jahr im »Funniest Person in Austin«-Wettbewerb Platz drei belegt hatte. Ich konnte mich nicht dazu durchringen, mir anzusehen, wie sie einer nach dem anderen toppten oder floppten, sondern wollte meinen Drink im Nebenraum genießen, und heute Abend musste es etwas Stärkeres sein. »Whiskey Soda«, sagte ich zu Nick, dem Donnerstags-Barkeeper, während Toby mit seinem Programm loslegte.

»Der geht auf mich«, hörte ich eine Stimme in Ellenbogennähe, dann knallte jemand eine Kreditkarte auf den Tresen und schob sie rüber. Ich drehte mich um und sah die Frau mit dem freundlichen Gesicht.

»Danke«, sagte ich. Ich würde mir ja wohl kaum einen Gratisdrink entgehen lassen, und dieser Fremden fühlte ich mich noch verbunden, weil sie mir geholfen hatte, den verkorksten Auftritt durchzustehen. Ich musterte die Blonde, die neben mir stand, oder besser über mir aufragte – dazu gehört ja nicht viel –, und erkannte aus nächster Nähe, dass ihr gewellter Haarschopf in breiten Strähnen blondiert war, die an den dunkelblonden Ansätzen herauswuchsen. Der Stehkragen ihrer abgetragenen Bikerjacke verlieh ihr den Hauch einer priesterlichen Aura.

»Für mich auch einen«, rief sie Nicky zu. Anscheinend wollte sie wohl gemeinsam etwas trinken. Weil es zu spät war, dem zu entgehen, nahm ich meinen Whiskey Soda, mahnte sie mit einer Geste in Richtung Toby auf der Bühne zum Schweigen und machte mich ins Nebenzimmer auf. Noch keine Minute war herum, da tauchte sie mit ihrem Glas in der Tür auf und steuerte meinen Tisch an. Hier im Nebenraum waren die Lautsprecher leiser, das Stimmengewirr gedämpft.

»Ich bin Amanda«, sagte sie und hielt mir die Hand hin. »Ich fand’s toll, wie du mit diesem betrunkenen Typen umgesprungen bist, und da wollte ich dir einen ausgeben.«

Hatte ich’s mir doch gedacht: Sie hatte meinen ganzen Auftritt gesehen, aber erst beim Vorfall mit dem Zwischenrufer aufgehorcht. Das verpasste meinem Gratisdrink irgendwie einen schalen Beigeschmack.

»Dana«, sagte ich und schüttelte ihr die Hand. »Und danke. Beim restlichen Publikum hab ich mir damit allerdings nicht gerade Pluspunkte eingehandelt.«

»Die Leute können die Wahrheit schlecht vertragen«, sagte sie. »Aber Typen wie der gehören wirklich außer Gefecht gesetzt.«

Typen wie der! Das war schon fast niedlich. »Du gehst nicht oft zu Comedy, oder?«

Amanda lächelte. »Nein«, gab sie zu. »Ich bin erst vor ein paar Wochen hergezogen.« Ob sie damit erklären wollte, warum sie sich noch kaum Comedy angesehen hatte oder warum sie an diesem Abend gekommen war, blieb offen.

»Also, Amanda«, sagte ich, »›Ausziehen‹ ist quasi Zwischenruf-Vorschule für weibliche Stand-up-Comedians. Wenn man damit nicht fertig wird …« Ich zuckte mit den Schultern.

»Dann wirst du also andauernd so belästigt?«, fragte sie mit ungläubig aufgerissenen Augen. »Und musst dir das einfach bieten lassen?«

»Zwischenrufer belästigen jeden«, sagte ich peinlich berührt. »Das gehört zum Geschäft. Aber so schlimm ist es auch wieder nicht. Ehrlich …«, ich lachte. »Ich mein, besser ein Zwischenrufer als eine anzügliche Bemerkung vom Moderator.«

»Das kommt auch vor?«

»… oder ein Schwung Vergewaltigungswitze vom Typen vor mir. Oder, das hab ich am allerliebsten, wenn einer aus dem Publikum hinterher ankommt und sagt: ›Für ’ne Frau ganz witzig.‹« Ich hatte schon lange die Nase voll von diesen alten »Frauen und Comedy«-Kamellen und hielt mich sonst raus, wenn meine Kolleginnen rummeckerten. Nicht, dass es nicht stimmte, aber es war einfach sinnlos, sich darin zu verbeißen. Doch jetzt, wider Erwarten amüsiert von Amandas empörtem Gesichtsausdruck, ertappte ich mich dabei, wie ich das ganze Arsenal genüsslich aus dem Hut zog.

»Da musst du dir aber ein dickes Fell zulegen«, sagte sie kopfschüttelnd.

»O ja, früher hab ich in Größe 34 gepasst«, scherzte ich. Der Humor entging ihr, was ich seltsam liebenswert fand. Meine Mutter verstand meine Witze auch nicht, aber mir war nie klar, wie viel davon auf die Sprachbarriere ging und was ihr Selbstschutz gegen die Erinnerung an meinen Spaßvogel von einem Vater war, der uns längst verlassen hatte. Manchmal suchte sie sich aus, was sie verstand und was nicht.

Amanda sah mich erwartungsvoll an, gespannt auf das Ende der Geschichte. Nach einem großen Schluck Whiskey Soda gab ich es auf und erklärte: »Ich mein ja nur, man hat ziemlich schnell den Dreh raus, wie man mit Zwischenrufern umgeht. Sonst lässt man sich bloß aus dem Konzept bringen.«

»Ich könnte niemals so schnell zurückschießen.«

»Es geht nicht wirklich drum, was besonders Geistreiches zu sagen. Sondern darum, schnell weiterzumachen, damit man seinen Auftritt durchkriegt. Ihm zu zeigen …« Ich verbesserte mich: »… nein, dem Publikum zu zeigen, dass er einem nichts anhaben kann.«

»Wirklich? Hat es dir nicht auch ein bisschen Spaß gemacht? Dem Typen gerade eins vor den Latz zu knallen, bis er sich so klein mit Hut vorkam?« Sie verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und lächelte verschwörerisch. »Gib’s ruhig zu.«

Der Whiskey wärmte mir den Bauch. Ich lachte. »Ein bisschen vielleicht schon«, räumte ich ein. In dem Augenblick, als ich mich über den »Geile Titten«-Rufer lustig machte, hatte ich die Vorstellung, dass es ihm wehtat, tatsächlich ein wenig genossen. Der Gedanke war mir unangenehm. Es hatte etwas Unanständiges, obwohl jede Menge Komiker diesem Impuls nachgaben. Ein Themenwechsel war angesagt. »Du meintest, du bist gerade hergezogen? Von woher?«

»Los Angeles«, sagte sie. »Ich wollte Schauspielerin werden.«

Das überraschte mich nicht, sondern kam mir durchaus bekannt vor. Ihre Mischung aus Naivität und Selbstsicherheit erinnerte mich an bestimmte Frauen, die mir in Schauspielkursen begegnet waren, zierliche, umwerfend attraktive Persönchen, die in Waschsalons entdeckt worden oder in ihrem Heimatort jemandem beim Zigarettenholen in der Kioskschlange aufgefallen waren. Auf Girl Groups und Nebenrollen in Seifenopern getrimmt, gelang ihnen nur selten der Durchbruch. Fürs Schauspielern hatten sie zu wenig Fantasie und zu viel Realitätssinn, und irgendwann ließen sie sich hinter die schöne Kulissenwelt von L. A. zurückfallen oder zogen weiter.

»Da hab ich auch eine Zeit lang gewohnt«, sagte ich. »Vielleicht haben wir gemeinsame Freunde.«

»Ich war bloß ein Jahr lang da«, sagte sie und rührte in ihrem Drink. »Hab’s gehasst.«

»Ja, ich auch«, flunkerte ich, während mir plötzlich eine Idee zu einem Pilotfilm kam: Gescheiterte Schauspielerin gründet Kleintheater in ihrer Heimatstadt; irgendwas zwischen Wie im Himmel und Crazy Ex-Girlfriend. Ich knetete an meiner Serviette herum und ärgerte mich, dass ich keinen Stift dabeihatte. »Wahrscheinlich bist du hingezogen, kurz bevor ich weg bin. Mal sehen …« Ich ratterte eine lange Liste von Gelegenheiten runter, bei denen wir uns hätten über den Weg laufen können: Improtheater, Schauspielworkshops, Networking-Events und sogar das Culver City Diner, wo ich als Kellnerin gejobbt hatte. Jedes Mal schüttelte sie den Kopf. Wir hatten uns knapp verfehlt, doch während ich mögliche Berührungspunkte aufzählte, nahm mein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit ihr eher zu als ab. »Mit wem warst du denn unterwegs?«, fragte ich.

»Eigentlich mit niemand. Ich hab alle meine Freunde mit meinem IT-Job verloren.« Als sie meinen fragenden Blick sah, ergänzte sie: »Ich war Programmiererin bei Runnr.«

Selbst ich mit meiner Borderline-Technophobie hatte von der Dienstleistungs-App gehört, die alle anderen vom Markt verdrängt hatte, auch wenn ich mehr Freunde in der Unterhaltungsbranche hatte, die sich mit Aushilfsjobs als Set-Runner über Wasser hielten, als solche, die die gleichnamige App nutzten. Etwas von meiner Überraschung musste mir anzusehen gewesen sein, dazu Reue über mein Schubladendenken – Girl Groups und Seifenopern! –, weil sie mich mit schiefem Grinsen beäugte. »Ja, ja, schon klar. Ich seh nicht aus wie ’ne Softwarespezialistin. Aber dir sieht man die Komikerin ja auch nicht gerade an.«

Ich wurde rot. Es stimmte schon, von meinem Äußeren – klein, braunhäutig und mit der Figur meiner Mutter, nur ohne die Bauch-weg-Strumpfhose – konnten die wenigsten auf meine freiberufliche Tätigkeit schließen. »Sorry.«

»Schon okay«, erwiderte sie. »Sagen wir einfach, von meinen Kollegen fand auch keiner, dass ich wie eine Programmiererin aussah. Das haben sie mir überdeutlich zu verstehen gegeben.« Sie nahm noch einen Schluck. »Und zwar noch bevor mein Abteilungsleiter anfing, mir Penisfotos zu schicken.«

»Ekelhaft«, sagte ich. Typen wie der also. »Hast du deshalb deine Stelle verloren?«

»Genau.« Sie trank aus, hielt den Strohhalm zur Seite und leerte das Glas. »Blöd, wie ich bin, hab ich doch glatt eine Beschwerde bei der Personalabteilung eingereicht. Zwei Jahre unter Beschuss in einem Prozess wegen sexueller Belästigung haben mir zwar ein hübsches Abfindungssümmchen eingebracht, das schon. Aber von da an war ich wirklich bei jedem einzelnen Start-up im Silicon Valley unten durch. Und dann die Trolle – auf Reddit hat jemand aus einem Nachrichten-Spot meinen Namen erraten. Kann nicht schwer gewesen sein, da draufzukommen. Bei Runnr gab es keine Unmengen von Programmiererinnen.«

»Und wie bist du schließlich in L. A. gelandet?«

»Es kam mir wie der beste Ort vor, um unterzutauchen.« Sie schaute in ihr leeres Glas. »Einer von ihnen hat mich geswattet – du weißt, was das heißt, oder? Sie haben ein SWAT-Team zu mir nach Hause geschickt. Ich wurde mitten in der Nacht von einem Haufen bis an die Zähne bewaffneter Typen geweckt, die gegen meine Tür hämmerten. Danach war ich ein Nervenbündel. Ich hab mein Online-Profil gelöscht, damit sie mich nicht wiederfinden konnten, bin ins Darknet abgetaucht. Und hab gemacht, dass ich aus der Stadt raus bin.«

»Warum Schauspielerei?«, fragte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich hab was gesucht, was möglichst weit weg von der IT-Welt war. Hab mir gedacht, Na gut. Dann schaun wir doch mal, wie das so ist, wenn man mit seinem Aussehen punktet.« Zugegeben, mir imponierte, wie sie das bekannte: offen und ehrlich, ohne die üblichen selbstironischen Gesten. »Ehrlich gesagt, ich war grottenschlecht, aber mit meinem hübschen Gesicht hab ich immer wieder Vorsprechtermine gekriegt.«

Da konnte ich mir einen Anflug von Bitterkeit nicht verkneifen und hob das Glas. »Schön für dich.«

»Es war okay«, räumte sie ein. »Bis ich meinen Ex kennengelernt hab. Der hat jede Chance kaputtgemacht, die sich mir bot, als Schauspielerin weiterzukommen. Er war krankhaft eifersüchtig. Ist ausgerastet, wenn ich bis spät auf einer Party blieb oder gar, Gott bewahre, mit einem Mann sprach. Dabei ist schließlich jeder, auf den es ankommt, männlich, oder? Aber das ist wieder eine andere Geschichte.« Seufzend klapperte sie mit den Eiswürfeln in ihrem Glas. »Kaum waren wir zusammengezogen, fing er damit an, mein Handy zu verstecken, damit ich zu keinem Vorsprechen mehr ging. Hat mich ausspioniert. Und bedroht.« Sie musterte mich forschend, fast so, als wollte sie eine Reaktion aus mir herauskitzeln. Dabei fiel mir auf, dass ihre weit auseinanderstehenden Augen graugrün waren, und was ich anfänglich für Scheu in ihrem Blick gehalten hatte, etwas anderes war, irgendein unbestimmter Hunger.

Dann sagte sie: »Er hat mich nicht geschlagen, wenn du das denkst.«

In meiner Unsicherheit, wie ich darauf reagieren sollte, nahm ich Zuflucht zu Ironie. »Klingt nach ’nem Märchenprinzen.«

»Er hat andere Sachen gemacht. Hat mich in einem schalldichten Raum eingesperrt.« Sie schauderte. »Früher oder später hätte er mir Schlimmeres getan, wenn ich geblieben wäre.«

»Gut, dass du von ihm weg bist«, sagte ich.

Ein Beifallssturm im Nebenraum verriet, dass Toby seinen Auftritt beendet hatte, der Lautstärke nach erfolgreicher als ich. Das Andere Girl wurde vorgestellt, und ich fragte mich unwillkürlich, ob sich der »Geile Titten«-Rufer wieder zu Wort melden würde. Ich stellte mir vor, er hätte draußen nur darauf gelauert, dass eine Frauenstimme aus den Lautsprechern kam.

Ich hielt mein leeres Glas hoch und sagte: »Die nächste Runde geht auf mich?«

Aus der nächsten Runde wurde nahtlos die übernächste, bis ich zu spät und verschwommen merkte, dass ich mich betrank. Nämlich daran, dass ich angefangen hatte, vom Comedy-Wettstreit »Funniest Person in Austin« zu erzählen.

»Es ist albern«, sagte ich. »Noch dazu minimale Erfolgschancen.«

»Garantiert nicht«, sagte sie, so betrunken, dass ihr die Ellenbogen auf der Tischplatte wegrutschten.

Aber es stimmte. Mit meinen Freunden aus der Branche hätte ich es nie so angesprochen – beiläufig, hoffnungsvoll –, weil wir alle gewinnen wollten, was uns allen peinlich war. Doch für Amanda war Stand-up-Comedy Fremdland und ich ihre einzige Führerin. Es war eine Erleichterung, meine lächerlichen Träume einer anzuvertrauen, die nicht ahnen konnte, wie unrealistisch sie waren.

»Jedes Jahr gibt’s diesen großen Wettbewerb im Bat City Comedy Club. Wirklich alle Stand-ups der Stadt machen mit. Es gibt ein Preisgeld.« Der erste Preis betrug fünftausend Dollar, genug für mich, um nach L. A. zurückzuziehen; vielleicht bliebe sogar noch ein kleiner Rest für ein Low-Budget-Comedy-Filmchen übrig. Oder für einen Serien-Pilotfilm, wenn mir bloß die richtige Idee dazu einfiel. Wenn ich gewann, sagte eine leise, aber hartnäckige Stimme in meinem Kopf, würde Jason mich vielleicht wieder als Co-Autorin akzeptieren, und wir könnten das Pilot-Drehbuch zusammen schreiben. »Letztes Jahr hab ich die Anmeldung verpasst«, fuhr ich fort. »Aber dieses Jahr …« Amandas Augen leuchteten auf, und ich fuhr rasch fort: »Nein, es hat eh keinen Sinn. Alle Komiker der Stadt, wirklich jeder, den ich kenne, macht mit.« Und mit einer Geste in Richtung Nebenraum, wo James einen Klagegesang zu seiner Ukulele anstimmte: »In der Jury sind allerdings lauter Branchengrößen aus L. A., New York und Toronto, das heißt, selbst wenn man es nur bis in die Endrunde schafft …« Ich brach ab. Leute, die ich kannte, waren bei Managern und Agenten gelandet, hatten Einladungen zu Festivals und sogar kleine Auftritte in Vorabendserien abgestaubt, nachdem sie einen vorderen Platz belegt hatten. Es erschien mir vermessen, all diese Möglichkeiten aufzuzählen.

Sie musste meinen resignierten Gesichtsausdruck bemerkt haben. »Warum bist du überhaupt hierher zurückgekommen?«

Es hatte reichlich Gründe gegeben, aus L. A. wegzuziehen – unsere Miete stieg und stieg, und mein Kellnerinnen-Job im Diner schlauchte mich –, doch den Ausschlag hatte zuletzt mein katastrophales Meeting mit Aaron Neely gegeben. Neely war das wandelnde Klischee eines ehemaligen Starkomikers mit selbstzerstörerischen Zügen, der nach dem üblichen Aufenthalt in einer Entzugsklinik die unübliche Entscheidung gefällt hatte, auf dem Höhepunkt seiner Karriere die Weichen neu zu stellen und junge Talente zu lancieren. In vier Jahren hatten Jason und ich ein paarmal kurz vor dem Durchbruch gestanden, aber als Jason durch ein mittleres Networking-Wunder das Meeting bei Neely ergatterte, dachten wir, das wär’s, wir hätten den großen Coup gelandet. Wir hatten einander hoch und heilig versprochen, nie ohne den anderen zu einem Meeting zu gehen – solche L. A.-Typen waren wir nicht –, aber als Jason sich vor der Smoothie-Bar, wo Neely wartete, nicht blicken ließ, brachte ich es nicht über mich, mir die Gelegenheit entgehen zu lassen. Nach einem letzten prüfenden Blick auf mein Handy – immer noch keine Nachricht von Jason – ging ich rein, gewappnet mit meinen Prada-Imitat-High-Heels, meinem Diane-von-Furstenberg-Imitat-Wickelkleid und meiner Marc-Jacobs-Imitat-Tasche, um unseren Pilotauftritt allein zu pitchen.

Was dann kam, war schon fast komisch unwirklich: der Smoothie, den Aaron mir an seinem Tisch in einer Nische bestellt hatte, eine rotbraune gequirlte Brühe aus Grünkohl und Roter Bete mit kalkigem Nachgeschmack, zu der ich mir begeisterte Ausrufe abrang, während ich sie runterwürgte. Wie der Barhocker nach der Hälfte der Zeit unter mir wegzukippen schien, die Wände um mich her ins Rutschen gerieten. Das laute Flüstern, offenbar von den Topffarnen, die uns vom Rest der Smoothie-Bar abschirmten, übertönte irgendwann jedes andere Geräusch außer seiner Stimme, die sagte: »Mädchen, du siehst ja schlimm aus, komm, ich bring dich nach Hause.«

Und dann war da natürlich Neely selbst, den ich als Komiker verehrte, mit seiner roten, großporigen Nase und den Riesenpranken. Überlebensgroß. Später, auf dem schwarz gepolsterten Rücksitz seines SUV, hinter schwarz getönten Scheiben, nur noch größer als ich.

Als er mich schließlich zu Hause absetzte, wackelig auf den Beinen, aber erleichtert, dass ich überhaupt gehen konnte, fand ich Jason, dem auch schlecht war, in seinem Elend über die Toilettenschüssel gebeugt vor. Der Blick, den er mir zuwarf, ging mir durch Mark und Bein: so vernichtend und verächtlich wegen meines Vertrauensbruchs, dass ich wusste, er würde niemals über das Vorgefallene sprechen. Und irgendetwas in mir wollte es auch nicht, aus Angst, mich vom Treibsand der Erinnerung auf Neelys Autorücksitz zurückzerren zu lassen. Es reichte zu wissen, dass wir nie eine Zusage zur Show bekommen würden. Ich hatte unseren Pitch eindeutig vermasselt.

Amanda wartete immer noch auf Antwort.

Nach kurzer Pause sagte ich: »Träume sind Schäume – manchmal soll es halt einfach nicht sein. Aber man darf sich davon nicht unterkriegen lassen. Sondern muss zurück auf Anfang, es noch mal versuchen.«

Amanda fixierte mich wieder lange mit ihrem intensiven Blick, der nahtlos von Naivität zu Scharfsinn und wieder zurück zu springen schien, als wären es zwei Seiten einer Medaille. »Bewundernswert«, sagte sie schließlich.

Mit Frauenfreundschaften hatte ich es nicht so. Dem gängigen Geben und Nehmen konnte ich nichts abgewinnen: Wenn du mir dieses Geheimnis anvertraust, verrate ich dir dafür meine heimlichste Unsicherheit. Und immer so weiter. Selbst als Kind war ich einfach nicht interessiert. In der fünften Klasse bildeten sich Grüppchen heraus: Die einen würden groß und hübsch werden, die anderen Streberinnen, wieder andere Jungs hinterherlaufen, noch andere all diese Dinge auf Spanisch tun, das ich nicht spreche, obwohl ich aussehe, als sollte ich das, und nur verstehe, wenn meine Mutter es spricht. Mit Witzigsein kam man in keine dieser Cliquen. Als Jason ein paar Jahre später mit seinen Furz-Witzen und Saturday-Night-Live-Zusammenfassungen aufkreuzte, war ich dankbar, ein für alle Mal vor den komplizierten Pas-de-deux-Tänzchen dieser Mädchengespräche gerettet zu sein.

Doch als ich jetzt spürte, dass Amanda etwas auf Distanz ging, hatte ich noch genügend Erfahrung, um ihr im Gegenzug ein eigenes Geständnis anzubieten. Ich ließ es auf einen Versuch ankommen. »Also eigentlich hab ich zurzeit eine Art Schreibblockade«, hangelte ich aufs Geratewohl nach etwas Erfundenem und merkte erst in dem Moment, als ich es aussprach, dass es stimmte. »Alles in meinem Programm kommt mir irgendwie so tot vor. Manchmal fühle ich mich wie tot.« Diese verdammten Whiskey-Sodas!

Amanda beugte sich vor, mit einem Mal kämpferisch, und umklammerte mein Handgelenk mit ihren spillerigen Fingern. »Hör zu, Dana«, sagte sie. »Ich weiß, wie es ist, wenn man aus der Stadt verjagt wird, sein Einkommen verliert, seine Selbstachtung, einfach alles. Ich hab mich von meinem Ex einsperren und mir einreden lassen, ich wäre nichts wert. Dabei sah er nicht mal gut aus.« Sie gluckste leise vor sich hin, aber es klang verbittert und unschön. »Ich hätte ihn keines Blickes gewürdigt, wenn ich mich nicht innerlich tot gefühlt hätte. Aber ich bin nicht tot. Ich bin noch da. Genau wie du.« Ihr betrunkener Blick funkelte, und ihre Knöchel drückten in meinen Handwurzelknochen. »Was auch immer dir in L. A. passiert ist, du bist nicht tot. Der dir das angetan hat, sollte sich so fühlen, nicht du.«

»Nichts ist mir in L. A. passiert«, sagte ich und löste sanft ihre Finger.

Sie ließ mich los und zog sich etwas zurück, als käme sie zur Besinnung. Dann sah sie mein Handgelenk an, das ich mit der anderen Hand rieb, und lachte, dieses kurze Bellen, das ich während meines Auftritts gehört hatte, wie ein Fuchs. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück.

»Na klar«, sagte sie grinsend. »Ich wüsste bloß gern, wer dieser Nichts ist, damit ich ihn finden und ihm für dich die Kniescheiben zertrümmern kann.«

Erster Punkt an die Wörtlichnehmerin. »Ich könnte es dir sagen, aber dann müsste ich dich töten.«

»Darauf lasse ich’s ankommen.«

Plötzlich ließ meine innere Anspannung nach, und ich hatte es satt, mich zu verstellen. »Ich hab ’ne bessere Idee. Wie wär’s damit: Während du diesem Nichts die Kniescheiben brichst, stöber ich deinen Ex-Freund auf und schlag ihn zusammen?«

»Das wär doch mal was für den Anfang«, sagte sie. »Aber ich warne dich, wenn du nach Typen zum Zusammenschlagen suchst, ich hab eine lange Liste.«

»Ich zeig dir meine, wenn du mir deine zeigst.«

»Abgemacht.«

Ich hob das Glas. Wir stießen an und nahmen synchron einen Schluck. Ich hörte, dass Fash im Nebenraum mit seinem Auftritt ans Ende kam, und die Komiker-Kollegen, die als Zuschauer geblieben waren, sammelten sich, um weiterzuziehen – wahrscheinlich ins Bat City zum Late-Night Open Mic. Jeden Moment konnte einer von ihnen den Kopf zur Tür hereinstecken und fragen, ob ich mitkäme. Wenn ich mich davor drücken wollte, ihnen Amanda vorzustellen, war jetzt Zeit zum Aufbruch.

»Hey, es war echt nett, dich kennenzulernen«, sagte ich. »Das war kein leichter Auftritt. Und jetzt fühle ich mich schon…«, mit einer Hand auf dem Herzen, »viel betrunkener.« Sie lachte. »Aber im Ernst, danke.« Und als mir einfiel, was ich aus Karrieregründen nicht versäumen durfte, ergänzte ich noch rasch: »Wenn du wissen möchtest, wann ich hier in der Stadt auftrete, kannst du mir auf Facebook folgen.«

»Ich halt mich fern von Social Media«, sagte Amanda. »Nenn mich paranoid, aber seit meiner Zeit bei Runnr weiß ich, was die mit den Daten anstellen. Gibst du mir stattdessen deine Nummer?« Sie schob eine Serviette zu mir rüber und reichte mir einen Stift.

Nach kurzem Zögern sagte ich: »Klar.« Ich notierte rasch meine Telefonnummer und stand auf. Als ich ihr den Kuli zurückgab, fiel mir eine weitere Idee für einen Pilotfilm ein: Gescheiterte Komikerin erstellt den Instagram-Auftritt eines erfundenen Lifestyle-Gurus. Der Account geht viral. Die Komikerin muss den Rest ihres Lebens Ernsthaftigkeit vortäuschen. Ich wandte mich zum Gehen.

»Viel Glück für den Wettbewerb nächste Woche«, rief sie mir hinterher.

»Du meinst Hals- und Beinbruch«, sagte ich reflexartig.

»Nur bei jemand anderem.«

Ich registrierte ihren zweiten lahmen Versuch, einen Witz zu reißen, und gluckste zur Antwort leise vor mich hin. In dem Moment schien es mir möglich, dass sie, wenn schon kein Fan, so doch etwas werden könnte, was ich noch mehr brauchte: eine Freundin.