ÜBER DIE AUTORIN
SHARON GANNON, Autorin, Musikerin, Tierrechtlerin und vegane Aktivistin, ist zusammen mit David Life Mitbegründerin der Jivamukti-Yogamethode, einem Weg zur Erleuchtung durch Mitgefühl für alle Wesen.
www.jivamuktiyoga.com
www.simplerecipesforjoy.com
Mein
MAGISCHER
MORGEN
10 Übungen für mehr Achtsamkeit,
Gesundheit und inneren Frieden
SHARON GANNON
Aus dem amerikanischen Englisch
von Christina Raftery
INHALT
Einführung: Den Weg beginnen
Wegbegleiter: Über dieses Buch
WOCHE 1: Den Weg ins Leben bringen • Dankbarkeit
WOCHE 2: Segenswünsche für den Weg • Segen bringen
WOCHE 3: Wegzehrung • Die Vögel füttern
WOCHE 4: Verbindung mit dem Weg • Asana
WOCHE 5: Be-wegen • Tanz
WOCHE 6: Den Weg frei machen • Kriyas
WOCHE 7: Den Weg erhellen • Kapalabhati
WOCHE 8: Die Richtung des Wegs • Pranayama
WOCHE 9: Auf dem Weg sein • Meditation
WOCHE 10: Loslassen • Entspannung
Eine Geschichte
Nachwort
Glossar
Dank
Über die Autorin
Impressum
EINFÜHRUNG: DEN WEG BEGINNEN
Der Begriff »Yoga« stammt aus dem Sanskrit und bedeutet »sich (neu) verbinden«. Damit bezieht er sich sowohl auf den Prozess als auch das Ziel der Praxis. Was Yoga erreichen will, ist – Yoga: sich an die eigene Verbindung mit einer größeren Kraft zu erinnern, des ewigen Im-Frieden-Seins.
Yoga lehrt, dass jedes Lebewesen über eine unsterbliche Seele, Atman, verfügt. Die Übungen ermöglichen uns, uns wieder mit ihr in Verbindung zu setzen und unsere vergänglichen Körper als vorübergehende Heimat für diese ewig währende Energie zu verstehen. Auf fast alchemistische Weise verändert die Praxis des Yoga die Wahrnehmung unserer Identität. Der Körper des erleuchteten Yogi beherbergt das Licht der Wahrheit, gleichzeitig wirkt er in der Welt als Instrument dieser Wahrheit. Die Übungen, die uns auf diesem Weg der magischen Erinnerungen an unser wahres Selbst begleiten können, sind sehr vielfältig. Einige von ihnen erforsche ich in diesem Buch.
In den yogischen Schriften und heiligen Büchern Indiens gibt es viele Darstellungen dieses Wegs. Oftmals finden sich darin Beschreibungen über das Leben großer Yogis, Einblicke in ihre damalige Welt und wie sie ihren persönlichen Weg gestalteten. Diese Erzählform greife ich in diesem Buch auf, um die Übungen zu zeigen, die mir auf meinem Weg geholfen haben. Darüber hinaus vermittle ich meine persönlichen Anmerkungen zur Geschichte des Yoga sowie Ideen über eine mögliche Verbindung mit dem alten Ägypten. Ich liebe Indien und habe größten Respekt vor der indischen Kultur. Genauso intensiv fühle ich mich von den Geheimnissen des alten Ägypten angezogen und glaube, dass Yoga universeller verankert ist, als üblicherweise angenommen wird. Vielleicht teilen sich beide Systeme den Ursprung.
Vor zehn Jahren veranlasste mich diese Intuition, nach Ägypten zu reisen. In der Königskammer der Cheopspyramide hatte ich eine außerkörperliche Erfahrung. Einen Tag später sah ich im Ägyptischen Museum in Kairo das Gemälde einer Figur, die aussah, als würde sie eine Yogahaltung ausführen (siehe hier). Dort traf ich auch einen Ägyptologen, der mir eine »Kartusche« (siehe hier) genanntes heiliges Oval zeigte. Es enthält zehn Hieroglyphen, in denen ich auch Asanas sehe – faszinierenderweise exakt die zehn Haltungen, die ich jeden Morgen übe.
Daher beginnt jedes Kapitel dieses Buchs mit der Abbildung einer ägyptischen Hieroglyphe, dazu mit einer Überlegung, wie sich die Bedeutung des Zeichens in die beschriebene Yogapraxis übersetzen lässt. Die Übungen, die ich zu einem Zehn-Wochen-Kurs zusammengefasst habe, stehen für sich selbst. Wenn Sie aber tiefer einsteigen und mehr über die Hieroglyphen und deren Hintergründe erfahren wollen, erzählt das Kapitel »Eine Geschichte« am Ende des Buchs von meinem Yogaabenteuer in Ägypten sowie von seinem Bezug zur Sadhana, die ich in diesem Buch beschreibe.
Der Sanskrit-Begriff Sadhana bedeutet »bewusste spirituelle Praxis«. Was eine Reihe von Yogaübungen von einem Fitness-Workout unterscheidet, ist unter anderem die Intention. Wenn Sie eine Handlung mit der Absicht vollziehen, sich dem Zustand der Erleuchtung zu nähern – damit meine ich die Erkenntnis des Eins-Seins von allen und allem –, handelt es sich um Sadhana. Sadhana betreiben Sie niemals nur für sich selbst. Hierbei geht es immer darum, sich selbst – das separate Ego-Selbst – zu überwinden und zu spüren, dass man Teil eines höheren, ja göttlichen Selbst ist. Ohne das wichtige Element des Bhakti, der Hingabe oder Liebe zu Gott, enthält Sadhana nichts Interessantes oder gar Transzendentes, sondern lässt uns egozentriert in der Alltagsrealität verharren, dazu verurteilt, durch die Anhäufung materieller Werte nach vergänglichem Glück zu suchen.
Durch die Verbreitung von Yogastudios überall auf der Welt sind die Möglichkeiten, gute Yogaanleitungen zu finden, immens gestiegen. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, aber wir sollten uns immer bewusst sein, dass es bei Yoga um die Anbindung an Gott geht und damit in letzter Konsequenz um eine individuelle Reise nach innen. Als Yogis sollten wir äußere und innere Unabhängigkeit entwickeln. Die innere Reise ist der Weg zu nachhaltiger Zufriedenheit. Mit anderen eine Yogastunde zu besuchen ist eine wunderbare Erfahrung und hat viele positive Wirkungen. Aber was ist mit all jenen, denen das aus Zeit-, Budget- oder anderen Gründen nicht möglich ist? Das bedeutet nicht, dass sie kein Yoga üben können! Das Einzige, was man dazu braucht, sind einfache, nachvollziehbare Übungsvorschläge, die jederzeit und überall umsetzbar sind. Das macht unabhängig von Stundenplänen und integriert Yoga ganz selbstverständlich in den Alltag. Auch in der Tradition lernten Yogis zunächst bei ihrem Lehrer, setzten ihren Weg jedoch später allein fort.
Ich selbst liebe Yogaunterricht in der Gruppe, aber oft kann ich die Termine nicht wahrnehmen. Ich übe täglich für mich selbst. Meine Morgenpraxis beginnt direkt nach dem Aufwachen, wenn ich noch im Bett liege, mit dem Gedanken, dankbar zu sein. In diesem Buch zeige ich, wie sich meine Praxis danach weiter entfaltet. Ich berichte, wie mich mein persönliches Sadhana – das ich über viele Jahre zu Hause, auf Reisen, in Hotelzimmern oder wo immer ich mich gerade aufhielt entwickelt habe – positiv in den Tag entlässt und mir hoffentlich hilft, eine bessere, freundlichere, gelassenere und spirituellere Person zu sein.
Mein magischer Morgen ist meine Art, dieses Sadhana mit Ihnen zu teilen. Die zehn Übungsreihen präsentiere ich als Zehn-Wochen-Kurs zur Umsetzung zu Hause und sie richten sich sowohl an Einsteiger als auch an erfahrene Yogis. Sie können sie nacheinander als komplette Serie üben, aber auch als »Warm-up« für eine längere Asana-Reihe einsetzen. Enthalten sind Vorschläge, um jeden Morgen gut gelaunt aufzuwachen, sowie Tipps, um mehr Fülle ins Dasein zu bringen und Prana, die Lebensenergie, zu erhöhen. Ich gebe Tipps zu körperlicher und seelischer Entgiftung und Entschlackung, die Ihnen helfen können, bis ins hohe Alter fit und geschmeidig zu bleiben und darüber hinaus alte Beziehungsprobleme zu lösen. Abgerundet werden meine Empfehlungen durch eine Schritt-für-Schritt-Meditationsanleitung, die als Befreiung von der Angst vor dem Tod wirken kann – und/oder Sie einfach für den Rest Ihres Lebens Leichtigkeit empfinden lässt und zu umfassendem Wohlbefinden führt.
WEGBEGLEITER: ÜBER DIESES BUCH
Damit eine Praxis Früchte trägt oder sich einfach wohltuend auf alle Bereiche des Lebens auswirken kann, sollte sie täglich ausgeführt werden. Sie sollte wie etwa das Zähneputzen zur guten Routine werden – und ähnlich wenig Zeit beanspruchen. Praktizieren Sie Yoga gleich nach dem Aufstehen und spüren Sie, wie sich die Wirkung über den gesamten Tag entfaltet. Transformation vollzieht sich immer subtil und allmählich, ist bei regelmäßigem Üben allerdings garantiert.
Dieses Buch ist in mehrere Kapitel und Übungswochen gegliedert. Die Überschrift jeder Woche beschreibt den »Weg« – eine kompakte Einführung in eine bestimmte Übung – zusammen mit praktischen Anweisungen, wie sie speziell in dieser Woche auszuführen ist. Zum besseren Verständnis der im Buch verwendeten Sanskrit- und anderen Fachbegriffe findet sich am Ende des Buchs ein Glossar.
Option 1: Nutzen Sie das Buch für eine Praxis, die Sie über einen Zeitraum von zehn Wochen schrittweise intensivieren können. In der ersten Woche üben Sie beispielsweise täglich Dankbarkeit. Dann fügen Sie jede Woche ein zweites Thema hinzu. Am Ende der zehnten Woche üben Sie täglich alle zehn Vorschläge als Sequenz hintereinander.
Option 2: Suchen Sie sich einzelne Übungen aus, die Ihren momentanen Bedürfnissen entsprechen, und üben Sie sie »à la carte«.
Option 3: Wählen Sie die gesamte »Magic Ten«-Serie an Yogahaltungen, die ich in Woche 4 (Verbindung mit dem Weg: Asana) vorstelle: Eine einfache Übungsreihe, die in zehn Minuten absolviert werden kann und Ihren Körper fit und geschmeidig hält.
Option 4: Nutzen Sie alle zehn Übungen oder einzelne davon als Einstimmung oder Warm-up für Ihre eigene Asanapraxis. In diesem Fall üben Sie Shavasana, die Endentspannung, die ich in Woche 10 erkläre, im Anschluss an die gesamte Reihe.
Option 5: Passen Sie die Reihenfolge innerhalb der Sequenz Ihren eigenen Vorlieben an. So können Sie etwa die Meditation (Übung 9) ganz nach vorn stellen. Anschließend können Sie die Reihe langsam entfalten, indem Sie die Elemente Dankbarkeit, Segenswünsche und so weiter praktizieren.
Sie haben immer die Freiheit, die Übungsvorschläge zu variieren und so Ihren Möglichkeiten und Ihrem Lebensstil anzupassen. Auch hierfür liefere ich Vorschläge. Mein letzter Tipp an dieser Stelle lautet jedoch: Geben Sie Ihr Bestes, Gott besorgt den Rest.
• WOCHE 1 •
DEN WEG INS LEBEN BRINGEN
DANKBARKEIT
Auf ihre vollkommen selbstlose, freundliche Art versorgt die Sonne alle Lebewesen auf der Erde mit Wärme, Licht und Energie – auf dass auch wir unser volles Potenzial als liebevolle Wesen entfalten.
Das Leben ist ein Privileg. Daher ist Demut für den Yogi eine wichtige Tugend. Durch sie können wir Egozentrik verringern und Selbsterkenntnis ermöglichen. Jeder neuer Tag gibt uns die Gelegenheit, uns darauf zu besinnen, wer wir wirklich sind – und auf unsere göttliche, ewige Verbindung mit der höchsten Kraft. Dankbarkeit erweckt Demut, und Demut führt zur Erleuchtung. Wie Sie Ihren Morgen beginnen, wird Ihren ganzen Tagesablauf beeinflussen. Wenn Sie darin Güte erfahren und geben möchten, ist es ideal, sich bereits beim Aufwachen an den Ursprung der Güte zu erinnern.
Gut aufzuwachen ist etwas, das sich trainieren lässt. Genau dies macht eine Praxis aus, denn sie entsteht nicht von selbst oder aus sich selbst heraus. Zu Beginn ist bewusstes Üben unerlässlich. Im Lauf der Zeit wird Ihre Disziplin zu Ergebnissen führen, die Praxis wird zur zweiten Natur und Sie werden mühelos in dankbarer Stimmung aufwachen.
Yoga bedeutet, »sich an Gott zu erinnern«. Die meisten von uns wachen am Morgen jedoch mit selbstbezogenen Gedanken auf, mit Fragen wie: »Was steht an? Was werde ich heute tun?« Sofort beschäftigen wir uns mit Planung. Vor lauter Organisation vergessen wir die eigentliche Quelle unseres Tuns. Wenn wir Gott vergessen, konzentrieren wir uns auf uns selbst als Handelnde. Das kann angesichts der vielen Dinge, die zur Erledigung anstehen, notwendig erscheinen, aber auch ziemlich erdrückend sein. Die unzähligen Probleme, die wir zu Hause, in der Arbeit und in der Welt beheben müssen – sie alle lasten scheinbar auf unseren Schultern. Vielleicht haben wir sogar die Angewohnheit, uns über unser Leben, andere Menschen, die uns behindern, und die Ungerechtigkeit von all dem zu beklagen. Dabei ist erwiesen, dass Jammern das Hirn regelrecht umprogrammiert: Je mehr wir uns beklagen, desto selbstverständlicher wird es, und mit der Zeit finden wir uns in einer Negativspirale wieder.
Das Gegenmittel für dieses Gift ist Dankbarkeit. Wenn wir in einer Jammertirade etwas finden können, das uns in Dankbarkeit wieder aufrichtet, entkommen wir diesem Teufelskreis, der zu Selbstverachtung, Grübelei, Lebensangst und dem Widerwillen, morgens aufzustehen, führen kann. Durch Dankbarkeit erfahren wir Demut: Wir stellen uns als Werkzeuge des höheren Selbst zur Verfügung. So komplex das klingt: Es entspannt, da wir uns als Mitwirkende beim kreativen Spiel des großen, »Leben« genannten Geheimnisses erkennen können.
Viele Menschen finden es schwierig, einen Bezug zu Gott herzustellen. Aber die Kraft Gottes oder – um es anders zu nennen – das Prinzip der Erleuchtung oder die Macht bedingungsloser Liebe begegnen uns durchaus auf greifbare Weise. Eine Form davon sind spirituelle Lehrer. Jeder kann diese Aufgabe erfüllen. Am Anfang stehen unsere Eltern. Es liegt an uns, in jeder Person diesen Lehrer zu sehen, diese Lehrer mit Respekt zu behandeln und den Botschaften zuzuhören, die sie uns senden. Auf unserer Lebensreise werden wir – bei entsprechender Offenheit – Lehrern begegnen, die uns in die richtige Richtung führen und uns helfen, uns an unsere Essenz zu erinnern. Dankbarkeit für ihre Präsenz in unserem Leben zu empfinden, ist ein kraftvoller Weg, Demut zu entwickeln und uns dem Zustand des Yoga näherzubringen – der Erleuchtung.
DIE ÜBUNG
Sprechen Sie nach dem Aufwachen, noch im Bett liegend, laut oder im Stillen ein Gebet, das Dankbarkeit für Ihr Leben ausdrückt, Dankbarkeit für die Gelegenheit, sich an Gott zu erinnern, und den Wunsch, mitfühlend mit anderen umzugehen.
Option 1: Danken Sie Gott zum Beispiel so für diesen Tag: »Alles, was ich heute tue, jede Handlung widme ich dir. Möge dein Segen in dieser Welt zunehmen.«
Option 2: Chanten Sie das Sanskrit-Versprechen: »Lokah Samasta Sukhino Bhavantu.« Oder sprechen Sie es auf Deutsch: »Mögen alle Wesen überall glücklich und frei sein und mögen meine Gedanken, Worte und Handlungen dazu beitragen.«
Option 3:
Drücken Sie Dankbarkeit für die Lehrer in Ihrem Leben aus. Erinneren Sie sich an deren Verdienste für Sie und andere Lebewesen. Sprechen Sie die Namen dieser Lehrer aus und danken Sie dafür, dass Sie ihnen begegnen durften.
Chanten Sie das traditionelle Sanskrit-Mantra zum Guru : Oder auf Deutsch: »Unsere Schöpfung ist dieser Guru. Die Dauer unseres Lebens ist dieser Guru. Unsere Prüfungen, Krankheiten und persönlichen Katastrophen sind dieser Guru. Es gibt einen Guru, der in der Nähe ist, und einen Guru, der jenseits des Jenseits ist. In Demut begegne ich dem Guru, der die Unwissenheit entfernt: dem Erleuchtungsprinzip, das in mir ist und mich immer umgibt.«