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Fußnoten

Theodor Fontane, Briefe an Georg Friedländer, hrsg. von Kurt Schreinert, Heidelberg 1954, S. 124.

Theo Buck, Goethes theatralische Sendung. Vom »Urgötz« zu »Faust II«, Köln/Weimar/Wien 2015, S. 73.

Hellmuth Karasek, »Iphigenie, ein Frauenstück«, in: Der Spiegel , 1471980, S. 157.

Die Figurenkonstellationsskizze wurde für diesen Lektüreschlüssel von Marc Andreoli (Universität Bonn) konzipiert, ebenso die Werkaufbauskizze (S. 26).

Buck (s. Anm. 2), S. 83; und Benedikt Jeßing, Erläuterungen und Dokumente. Johann Wolfgang Goethe: Iphigenie auf Tauris, Stuttgart 2010, S. 69–84.

Dieter Borchmeyer, »Iphigenie auf Tauris«, in: Interpretationen. Goethes Dramen, hrsg. von Walter Hinderer, Stuttgart 2010, S. 126.

Borchmeyer (s. Anm. 6), S. 125.

Homer, Odyssee, übers., Nachw. und Reg. von Roland Hampe, Stuttgart 2017, S. 190 f.

Buck (s. Anm. 2), S. 72

Johann Joachim Winckelmann, Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst, 2., verm. Aufl., Dresden/Leipzig 1756, S. 3.

Winckelmann (s. Anm. 10), S. 21.

Friedrich Schiller, Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen, hrsg. von Klaus L. Berghahn, Stuttgart 2000 [u. ö.], S. 137.

Schiller (s. Anm. 11), S. 143.

Schiller (s. Anm. 11), S. 142.

Friedrich Schiller, »Ankündigung der Horen. Die Horen, eine Monatschrift, von einer Gesellschaft verfaßt und herausgegeben von Schiller«, in: F. S.: Sämtliche Werke, Bd. 5: Erzählungen, Theoretische Schriften, hrsg. von Wolfgang Riedel, München/Wien 2004, S. 870.

Friedrich Schiller, »Vorsatz des Musenalmanach für das Jahr 1797«, in: F. S.: Schillers Werke. Nationalausgabe, Bd. 1: Gedichte in der Reihenfolge ihres Erscheinens. 17761799, hrsg. von Julia Petersen und Friedrich Beißner, Weimar 1943.

Immanuel Kant, »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«, in: Philosophisches Lesebuch. Von den Vorsokratikern bis heute, hrsg. von Volker Steenblock, Stuttgart 2007 [u. ö.], S. 240.

Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Terence James Reed, »Iphigenie auf Tauris«, in: Goethe-Handbuch, Bd. 2: Dramen, hrsg. von Theo Buck, Stuttgart/Weimar 1997, S. 211215.

Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Borchmeyer (s. Anm. 6), S. 137 f.

Borchmeyer (s. Anm. 6), S. 138.

Johann Wolfgang Goethe, »Das Göttliche«, in: J. W. G., Gedichte, hrsg. von Stefan Zweig, Stuttgart 1967 [u. ö.], S. 90 f.

Zitiert nach: Benedikt Jeßing, Erläuterungen und Dokumente. Johann Wolfgang Goethe: »Iphigenie auf Tauris«, Stuttgart 2010, S. 107.

Peter von Matt, Die Intrige – Theorie und Praxis der Hinterlist, München/Wien 2006, S. 256.

Buck (s. Anm. 2), S. 95.

Jean-Jacques Rousseau, Emile oder Über die Erziehung, hrsg. von Martin Rang, übers. von Eleonore Sckommodau [u. a.], Stuttgart 2014, S. 112.

Zitiert nach: Jeßing (s. Anm. 22), S. 48, 51, 53.

Johann Wolfgang Goethe, Italienische Reise, Bd. 1, hrsg. von Christoph Michel, Frankfurt a. M. 1976, S. 29.

Johann Wolfgang Goethe, Novelle – Das Märchen, Stuttgart 1988, S. 29.

Die Zitate, die in diesem Kapitel nicht mit einer Fußnote ausgewiesen sind, stammen aus: Jeßing (s. Anm. 22), S. 85108.

Friedrich Schiller, Schillers Werke: Nationalausgabe, Bd. 31: Schillers Briefe. 1.1.180131.12.1802, hrsg. von Stefan Ormanns, Weimar 1985, S. 90.

Buck (s. Anm. 2), S. 104.

Buck (s. Anm. 2), S. 107.

Vgl. Richard Friedenthal, Goethe. Sein Leben und seine Zeit, Berlin / Frankfurt a. M. / Wien 1978, S. 283.

Benno von Wiese, Die deutsche Tragödie von Lessing bis Hebbel, Hamburg 1948, S. 103 f.

Ebd.

Kurt R. Eissler, Goethe – Eine psychoanalytische Studie, hrsg. von Rüdiger Scholz [u. a.], übers. von Peter Fischer, Bd. 1, Basel / Frankfurt a. M. 1983, S. 355.

Reed (s. Anm. 11), S. 220.

Am 29. April 1890 schrieb Theodor Fontane über Johann Wolfgang von Goethes Schauspiel Iphigenie auf Tauris Folgendes: »Wer mir sagt: ›Ich war gestern in Iphigenie, welch Hochgenuß‹, der lügt oder ist ein Schaf und Nachplapperer.«1

Doch man kann – auch bei berechtigter Kritik an Goethes Schauspiel – dem großen Fontane sehr wohl widersprechen. Die Lektüre oder Aufführung der Iphigenie auf Tauris kann auch heute ein ästhetischer »Hochgenuß« sein, und das Drama vermag auch durch seine moralische und völkerrechtliche Aktualität zu überzeugen.

Iphigenie auf Tauris ist zwar in der Von der Antike bis ins 21. JahrhundertAntike angesiedelt, bezieht sich aber auch auf die Klassische Literaturepoche Deutschlands und berührt seine Leser auch noch im 21. Jahrhundert, weil das Stück genügend dramaturgisches Potenzial besitzt.

Im Mittelpunkt des Dramas steht die Griechin Zentralfigur IphigenieIphigenie, die notgedrungen in der Fremde, auf der Insel Tauris, als Priesterin dient. Sie sehnt sich nach ihrer Heimat, aber der König der Taurer, Thoas, hält um ihre Hand an, sie lehnt ab, deshalb führt er aus Rache wieder Menschenopfer ein: Jeder Fremde, der Tauris betritt, soll von der Priesterin geopfert werden. Prompt tauchen zwei Ausländer auf der Insel auf, die Griechen Orest und Pylades. Orest ist Iphigenies Bruder und er wird von den Rachegöttinnen verfolgt, weil er seine Mutter Klytemnestra getötet hat, um ihren Mord an seinem Vater Agamemnon zu rächen. Iphigenie müsste also ihren eigenen Bruder töten und seinen Freund, ein furchtbares Dilemma für sie, auch weil Thoas kategorisch Gehorsam von ihr einfordert. Der listige Pylades möchte Thoas betrügen, um Iphigenie, sich und seinen Freund Orest, der fast schon wahnsinnig geworden ist, zu retten.

Abb. 1: Orestes wird von Furien gehetzt. Ölgemälde von William-Adolphe Bouguereau, 1862

Iphigenie schwankt zwischen der Lüge – dem geplanten Fluchtversuch – und der Wahrheit; schließlich entscheidet sie sich für die »Iphigenie entscheidet sich für die WahrheitWahrheit« (V. 1919) und beichtet Thoas den Fluchtplan. Er, der »rohe Scythe, der Barbar«, vernimmt ihre »Stimme / Der Wahrheit und der Menschlichkeit« (V. 1937 f.) und schenkt ihr, Orest und Pylades die Freiheit. Dieses gewaltfreie Ende ist erstaunlich, aber passt zu Goethes Sicht: »Darum verzichtete er völlig auf die überlieferten Strafmechanismen mythischer Mächte in Gestalt

Das brachte 1980 der Literaturkritiker Hellmuth Karasek pointiert auf den Punkt: »Denn das Stück, das mit seinen makellos schönen Versen zum Deklamieren einlädt, ist eine Mischung aus klassizistischer Griechenbegeisterung und dem Goetheschen Goethes »Kavaliersglauben«Kavaliersglauben, wilde Männer würden durch zarte Frauenworte gezähmt, die ihnen mit edler Sanftmut die krause Stirne glätten, sie sogar manchmal das blutdurstige Schwert aus der Hand legen lassen.«3

Das Schauspiel Iphigenie auf Tauris besteht aus fünf Aufzügen (Akten).

Erster Aufzug

1. Auftritt: Iphigenie betritt den Schauplatz der gesamten Handlung, den Hain vor dem Tempel der Göttin Diana. Sie beschreibt ihr Schicksal als »zweiten Tod[ ]« (V. 53), weil sie ihre griechische Heimat und ihre Familie schmerzlich vermisst: »Das Land der Griechen mit der Seele suchend« (V. 12). Außerdem erfüllt sie ihren Dienst als Priesterin bei dem Taurerkönig Thoas nur mit »stillem Widerwillen« (V. 36), aber pflichtbewusst.

Sie beklagt auch den »Zustand« (V. 24) der Unterdrückte FrauenFrauen: Sie müssen ihr Leben den Männern unterordnen, die wiederum können sich beweisen und Ehre einheimsen: »Zu Haus und in dem Kriege herrscht der Mann / Und in der Fremde weiß er sich zu helfen. / Ihn freuet der Besitz; ihn krönt der Sieg« (V. 2527).

Iphigenie bittet am Ende des Auftritts ihre Gönnerin Diana um Hilfe: »Und rette mich, die du vom Tod errettet, / Auch von dem Leben hier, dem zweiten Tode.« (V. 52 f.)

2. Auftritt: Thoas, der seinen letzten Sohn im Krieg verloren und ihn inzwischen gerächt hat, fürchtet um seine Erbfolge, deshalb schickt er Arkas, seinen Vertrauten, zu Iphigenie, um seinen Thoas’ HeiratswunschHeiratswunsch vorzutragen.

Außerdem bittet Arkas sie, ihre Identität, die sie bisher verheimlicht hat, zu Iphigenie soll ihre Abstammung offenbarenoffenbaren; doch Iphigenie verschweigt ihre Herkunft aus der fluchbeladenen Familie des Tantalos. Arkas’ Werbung im Dienst des Thoas lehnt sie ab, nicht nur wegen des bedrohlichen Familienfluches, sondern auch, weil sie ihr »Frauenschicksal« (V. 116) als ein »unnütz Leben« (V. 115) bezeichnet. Arkas wirft ihr auch ihre Verschlossenheit vor: »Noch bedeckt / Der Gram geheimnisvoll dein Innerstes; / Vergebens harren wir schon Jahre lang / Auf ein vertraulich Wort aus deiner Brust.« (V. 6669)

Iphigenie lehnt das Iphigenie lehnt eine Heirat trotz Drohung abHeiratsangebot ab, obwohl Arkas hervorhebt, wie segensreich ihr Wirken für die Taurer ist. So hat sie zum Beispiel den Brauch abgeschafft, jeden Fremden, der die Insel betritt, Diana zu opfern. Arkas setzt Iphigenie schließlich weiter unter Druck und droht, dass Thoas den Opferritus wieder einführen könnte; sie indes bleibt standhaft.

3. Auftritt: Thoas hält, wie von Arkas angekündigt, nun persönlich um Iphigenies Hand an; sie weicht aber aus: »Der Unbekannten bietest du zu viel« (V. 251).

Schließlich drängt Thoas sie, ihre Abstammung offenzulegen; und in der Hoffnung, dass er durch die Preisgabe ihrer fluchbeladenen Familiengeschichte abgeschreckt werde, Iphigenie offenbart ihre Abstammungoffenbart sie dem König ausführlich ihre wahre Identität: »Vernimm! Ich bin aus Tantalus’ Geschlecht.« (V. 306)

Doch Thoas lässt sich durch den grausamen Fluch, der auf ihr lastet, nicht abschrecken – er wiederholt

Der enttäuschte Thoas reagiert auf die Absage trotzig: Er befiehlt, die Thoas führt das Opferritual wieder einMenschenopfer wieder einzuführen. Zwei Fremde, die zuvor »in des Ufers Höhlen« (V. 532535537