Isabel Hartmann
Reiner Knieling
Gott: Wie wir den
Einen suchten
und das Universum
in uns fanden
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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Umschlagmotiv: © Judy Kaufmann – Fotolia.com
ISBN 978-3-641-24069-1
V002
www.gtvh.de
Inhalt
Gott mittendrin
Verwurzelt und freigesetzt
Religiös auf eigene Faust
Anfänge am Ende der Welt
Wo wohnt Gott? – Dialog
Gott, Buttercremetorte und Altersdiabetes
Die Welt verbessern
Ernüchterung in Fernost
»Zu so einem Kraftzentrum will ich gehören«
Gottesüberraschungen in der Gemeinde
Wie Fragen uns führte
Braucht man »Sünde«? – Dialog
Enttäuscht und überrascht
Ein Überfall der anderen Art
Außergewöhnliche Welten
Eine freie Frau
Unternehmen Gemeinde
Vaterstolz
Herbst 1989
Gott in unserer Sehnsucht – Dialog
Gescheitert
Gott ist nicht schmerzfrei – Dialog
Mit Gott Tacheles reden
Sollen Todesmächte frech grinsen?
Kraft zur Versöhnung – Dialog
Unter freiem Himmel
»Don’t tell mama«
»Willkommen im Club« – Dialog
Verwundet, vernarbt, verheilt
Reise in die Stille
Kraftworte
Gott. Konstrukt und Wirklichkeit – Dialog
Mit dem »Jesus-Mantra« unterwegs
»Ich bin hier in München, weil ich Gott suche. Können Sie mir helfen?«
Gott in München – Dialog
Glaube als Aufmerksamkeit
Mystische Wege und Gottesmomente – Dialog
»Ganz von selbst geschieht das alles«
Christus arbeitet im Hintergrund
Hingabe – Dialog
Eine Nacht im Armenhaus
Der kleine Junge in mir
Mich selbst lieben
Gestärkt und verbunden
Es muss sich etwas ändern!
Aufbruch im Osten
Eine universelle Kraft
Gott im Kreis
Persönlich verbunden
Das Glück findet mich
Wunderbar streiten – Dialog
Die Gnade des Waldes
Resonanzraum Körper – Trialog mit Jasmin
Gott in allen – Eine Begegnung mit den Quäkern
Kosmische Energie und mehr – Dialog
Kreuz
Ist Gott eine politische Kraft?
Epilog
Literatur
Gott mittendrin
Energiegeladen leben. In der Welt verwurzelt. Den Himmel im Herzen. Und Gott mittendrin. Danach haben wir uns gesehnt. In diesem Buch erzählen wir, wohin uns die Sehnsucht führte.
Über 40 Jahre waren wir auf eigenen Pfaden unterwegs. Unabhängig voneinander. Unser Leben verlief nicht nur glatt nach unseren Vorstellungen und Träumen. Reiner gründete eine Familie, wurde Vater von drei Kindern und erlebte, wie seine Familie auseinanderbrach. Isabel wartete lange vergeblich darauf, ihre Liebe mit einem Partner zu teilen. Das hielt uns in Bewegung und verhinderte, dass wir uns einrichteten.
Außerdem sind wir neugierig. Unbekanntes fasziniert uns. Isabel ist gerne unterwegs in abgelegenen Regionen: in den Bergen beim Klettern, in der Wüste auf dem Kamelrücken. In fremden Kulturen lauern Entdeckungen, die sie nicht verpassen will. Reiner liebt das Forschen und Schreiben. Unterwegs lässt er kein Galerienviertel aus, immer auf der Suche nach der Idee hinter der Idee. Zu seinem Fünfzigsten bekam er das schottische Whisky-Abi.
Wir sind Menschen mit einer starken Sehnsucht. Sehnsucht nach Lebendigkeit und Begeisterung, nach vertieften Beziehungen und Freiheit. Wir haben uns was zugetraut und uns engagiert. Haben geträumt und gearbeitet. Haben uns Schrammen geholt und weitergemacht. Unsere Sehnsucht hat uns an den Rand der Verzweiflung geführt und uns beflügelt.
Was wir suchen, suchen wir auch bei Gott. Er gehört für uns dazu, ist Teil unserer Welt und unserer Zukunft. Er ist auch in unserer Sehnsucht zu finden.
Seit einigen Jahren sind wir gemeinsam unterwegs. Angefangen hat es als Kollegin und Kollege am gemeinsamen Arbeitsplatz. Wir arbeiteten ambitioniert an gemeinsamen Projekten. Daraus wurde mehr. Unsere Sehnsucht fand Resonanz in der Sehnsucht des anderen. Wir verliebten uns. Heute sind wir auch im Herzen als Paar verbunden. Und haben geheiratet. Wir schätzen das Gespräch miteinander. Über die Erfahrungen auf unserer Reise durch das Leben.
Wir leben mit dem Blick in die Zukunft. Die Sehnsucht nach einer besseren Wirklichkeit hält uns wach. Und die Hoffnung, noch mehr von Gott darin zu finden. Wir freuen uns, wenn Sie als Leserin und Leser uns begleiten. Wenn dabei Ihr eigener Film mitläuft. Und Sie Ihren Fragen nachgehen. Auch wir sind Menschen, die weiter fragen. Wir finden uns nicht einfach ab: Mit Zumutungen und Enttäuschungen. Mit einfachen Antworten. Mit Beschwichtigungen. Wir haben erlebt: Diese Anspruchshaltung lohnt sich. Neue Horizonte öffnen sich. Und Bereiche ohne Antworten. Gott ist ein Geheimnis geblieben. Er verbindet sich mit der Energie, die das Universum bewegt. Und übersteigt es zugleich. Unsere Faszination für ihn wächst. Unsere Vorstellungen von Gott haben sich in all den Jahren sehr verändert. Unsere Gottesreise geht weiter.
Machen Sie dieses Buch zu Ihrem Buch. Legen Sie es weg, wenn Sie Ihre eigene Geschichte lockt. Oder Ihre Phantasie und Ihre Sehnsucht. Ab und zu laden wir Sie ein, sich bewusst eine Auszeit zu gönnen.
Wir danken dem Gütersloher Verlag für die Aufnahme dieses Buches in sein Programm und unserem Lektor, Diedrich Steen, für alle Unterstützung und die hervorragende Betreuung.
Erfurt, im Advent 2018
Isabel Hartmann und Reiner Knieling
Verwurzelt und freigesetzt
Religiös auf eigene Faust
Gott hat meinen Eltern mit meiner Geburt ein religiöses Ei ins Nest gelegt. Ich, Isabel, war die Religiöse in unserer Familie. Bis heute weiß ich nicht wirklich, wie es dazu kam. Die Atmosphäre der Nach-68er prägte mein Aufwachsen. In religiöser Hinsicht war ich weitgehend auf mich allein gestellt. Meine Eltern gehörten der evangelischen Kirche an. Mein Vater hielt das Christentum für eine gute Grundlage einer demokratischen Gesellschaftsordnung. Meine Mutter war in einem Pfarrhaus groß geworden. Aber die kirchlichen Formen und Rituale waren ihr zu leer. Sie vermisste, persönlich berührt zu sein. Weil meine Eltern es selbst nicht waren, gaben sie es auch nicht vor. Sie waren authentisch. Für mich waren Religion und Glaube mit keinerlei Verpflichtungen verbunden. Ich war frei, hatte aber auch wenig Orientierung. So ging ich »auf eigene Faust« an den christlichen Glauben heran. Ich besuchte sporadisch den Kindergottesdienst und las die Kinderbibel.
Es war nicht leicht, Gesprächspartner zu finden. Ich habe es versucht in der Gemeinde in unserer Kleinstadt. Menschen in der Kirche hatten viele Worte. Von den Kanzeln wurden christliche Wahrheiten verkündigt. Dennoch blieb mir immer nebulös, wie Menschen heute tatsächlich mit Gott im Kontakt sind. Wie geht das konkret? Wie wirkt sich das praktisch im Leben aus? Das schien ein Tabu zu sein. In der Bibel spielte Gott für Menschen in früheren Zeiten eine wichtige Rolle. Und heute? Die Sprache im Gottesdienst war mir fremd. Im Konfirmandenunterricht lernten wir Katechismustexte auswendig und hatten die christliche Moral. In einer Jugendgruppe sahen wir Filme, deren Inhalte ich vergessen habe. Gott und Glaube waren kaum Thema. Atmosphärisch war zu spüren: Das Thema »Gott« ist zu persönlich und irgendwie zu fromm. Das gehört hier nicht hin. Wir wussten, wie man sich als Christin verhalten sollte. Natürlich stellten wir klare Forderungen zum Weltfrieden und zur Pflicht, die Erde zu bewahren. Wir fuhren nach Bonn zur Demonstration gegen den NATO-Doppelbeschluss. Wir fürchteten den atomaren Erstschlag und lasen Jugendbücher zum fiktiven Leben nach einem Atomkrieg. In Tschernobyl explodierte ein Atomreaktor und verstrahlte Menschen, Tiere, Pflanzen. Wir wähnten uns in ernster Gefahr. Wir Menschen waren allein mit unserer Erde. Wo war Gott? Wo war er angesichts der Zukunftsangst? In unserer Sorge um die Erde, in unserer Sehnsucht nach Frieden – jetzt!?
Die kirchlichen Menschen um mich herum träumten von einer besseren Welt. Sie setzten sich dafür ein – für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Gott war wichtig als Hintergrund für die Gültigkeit unserer Forderungen. Und als Auftraggeber für unser Engagement. Für mehr brauchte man ihn nicht. Er wurde nicht gesucht inmitten von all dem. Wir erwarteten nicht, auf Gott zu treffen. Das fehlte mir. Könnte nicht Gott auch was tun? Müsste nicht von Gott selbst Kraft ausgehen? Dann müssten wir doch etwas davon spüren können. Und wenn es zum Äußersten kommt und ein Atomkrieg ausbricht, könnte uns Gott doch schützen und eine neue Welt erschaffen, wenn er Gott ist!
Ich suchte nach mehr Kontakt mit Gott selbst. Mit dieser Sehnsucht fand ich damals in der Kirche keine Resonanz. Im Gegenteil, ich fühlte mich fremd und konnte keine Witterung aufnehmen. Also kultivierte ich sie für mich alleine weiter.
Was mir quasi natürlich zu sein schien, war zu beten. Ich weiß nicht, wann ich damit begonnen habe. Gefühlt war ich mit Gott schon immer im Gespräch. Erst eher gelegentlich, dann auch zu festen Zeiten. Aus der Kinderbibel wurde die Lutherbibel. Um sie besser zu verstehen, suchte ich mir Erklärungshilfen für Jugendliche. Besonders nahe fühlte ich mich Gott, wenn ich alleine in der Natur unterwegs war, im Wald oder auf einer Anhöhe mit Blick in die Ferne. Ich suchte mir ein schönes Plätzchen unter einem Baum und ließ allem freien Lauf, was mich beschäftigte. Es wurden Zeiten, in denen ich zu mir kommen und mich klären konnte. Manche Themen kamen immer wieder. Darunter fand ich meine Sehnsüchte und Hoffnungen. Es tat mir gut, ihnen einen Platz zu geben. Mit ihnen nicht allein zu sein. Hier hatte ich das Gefühl, dass auch Gott da war. Ich fühlte mich gehört und verstanden. Oft las ich nach einer Weile einen Abschnitt aus der Bibel und erfuhr, wie mich diese Worte unmittelbar ansprachen – ganz persönlich. Ich bekam auch Antworten, wenn ich nicht weiterwusste. Diese stillen Zeiten wurden zu wertvollen Rendezvous mit Gott. Ich hatte etwas gefunden, wo ich mich mit ihm verbunden wusste.
Und ich hielt weiter Ausschau nach anderen, die meine Sehnsucht teilten.
Anfänge am Ende der Welt
Auf einmal war ich da: Reiner. An der Grenze, die die Welt geteilt hat. Und die Menschen. In hüben und drüben. Drüben war die DDR. Und die Tschechoslowakei. Hüben war der Westen. Und der schien gut zu sein.
Wir konnten weit in die DDR hineinsehen. Und den dunklen Wolken nachschauen, die in den Osten zogen. Der Wind kam aus dem Westen. In der Regel jedenfalls. Und war spürbar frischer als in vielen anderen Teilen Deutschlands. Die klare Luft über dem Schnee, den es damals noch gab, gehörte dazu. Und die seltene Schwüle des Sommers.
Meine Heimat hatte ihren eigenen Stolz und fühlte sich zugleich am Rand. Nicht in der Mitte Deutschlands. Nicht in der Mitte der Entwicklungen. Die Kälte des Kalten Krieges wurde verdrängt, so gut es ging. Aber latent war sie da. Die Angst, überrollt zu werden. Die Kubakrise 1962 hat gezeigt, wie schnell es gehen könnte. Da waren es noch wenige Monate bis zu meiner Geburt.
Gott war da. Klar. In dieser Region. In meiner Familie. Mit diesem Bewusstsein bin ich aufgewachsen. Es reicht zurück, soweit ich denken kann. Gott sorgte für Stabilität und Frieden. Er war bei den Guten. Und bei denen, die ihre Fehler einsehen und daraus lernen. Bei denen, die auf ihn hören. Hüben und drüben. Wobei es die drüben viel schwerer hatten. Aus unserer Sicht jedenfalls.
Gott war gut. Er verhalf zu einem guten Leben und gab uns eine zweite Chance. Aber die sollte man nicht zu oft nutzen müssen. Einigermaßen gut sollte das Leben verlaufen. Deshalb blieben bestimmte Fehltritte besser verborgen. Bewusst wahrgenommen habe ich das erst später. Aber ich hatte schon früh den Eindruck: Es gibt einiges, über das man besser nicht spricht. Oft dachte ich: Leute gehen 30 Jahre in die Bibelstunde und es ist so wenig von Liebe und Erlösung zu spüren. So wenig Barmherziges und Großzügiges. Das war schwer auszuhalten für mich. Viele wirkten angestrengt. Damit beschäftigt, den schönen Schein aufrechtzuerhalten. Das hat mich abgestoßen und zugleich in die eigene Suche gelockt. Es war Gegenwind und Antrieb für meine Sehnsucht. Sehnsucht nach Orten, an denen die Masken abgelegt werden. An denen sich Menschen unmittelbar und ehrlich begegnen. An denen tragfähige Beziehungen wachsen. An denen die Liebe auch das Dunkle erreicht. Sehnsucht nach göttlicher Kraft.
Zur Atmosphäre meiner Kindheit gehörte auch: Gott passt auf dich auf. Darin liegt Trost. Und Kontrolle. Ich war für beides empfänglich. Die Kontrolle hat meinem schlechten Gewissen zu viel Gewicht gegeben. Damit musste ich mich später auseinandersetzen. Genauso wichtig war das andere: Der Trost. Die Unterstützung durch göttliche Kraft. Die Ermutigung, etwas zu wagen. Die Liebe Gottes, die stärker ist als das, was schief läuft. Aber wie viel Kraft hatte das wirklich? Ich habe Gott seine Liebe geglaubt. Aber gespürt habe ich sie selten. Auch das war Antrieb für meine Sehnsucht und Suche: Wenn Gott Liebe ist und wenn diese spürbare Wirkungen in der Welt haben soll, dann muss davon doch etwas zu erleben sein, dachte ich. Und zwar richtig. Kraftvoll. Nachhaltig. Lebensverändernd.
Gott suchte ich mit Freunden, in gemeinsamen Unternehmungen, in Nachtgesprächen, am Lagerfeuer. Gott roch nach Feuer und Wärme. Und schmeckte nach Stockbrot, Bratwurst und Kartoffelsalat. Nicht nur im vordergründigen Sinn. Es ging um Wärme und Nahrung für die Seele. Um unmittelbare Berührung. Beim Schwimmen im sommerwarmen Wasser oder im kühlen Bergsee habe ich das manchmal empfunden: kein Boden unter den Füßen, aber getragen. Und erfrischt. So habe ich mich nach Gott gesehnt.
In der Schule und Jugendgruppe habe ich mich ausprobiert. Miteinander haben wir Jugendgottesdienste vorbereitet: Ein Kumpel zauberte wunderbare Musik aus einem Wasserschlauch. Mit einem schlichten Trompetenmundstück. Eine Mitschülerin, für die ich schwärmte, sprach zaghaft ihr persönliches Gebet. Andere erzählten, was sie mit Gott erlebt hatten. Oder woran sie zweifelten. Ich hatte den Mut zu predigen. Und habe eingeladen, an Gott zu glauben. »Tut Buße. Kehrt um. Glaubt an Gott.« Das bedeutete, Fehler einzusehen und sich für Gott zu entscheiden. So kannte ich das. Gleichzeitig spürte ich damals schon, dass mir das zu wenig war. Zu oberflächlich. Glaube muss doch mehr sein als eine Kopfentscheidung. Er muss doch tiefer gehen. Ich wollte, dass mein »ganzer Kerl« davon erfasst wird.
Wo wohnt Gott? – Dialog
Ich kann mir das richtig vorstellen, wie du mit deinen Freunden rund ums Lagerfeuer sitzt. Wurde davon nicht der »ganze Kerl« erfasst?
Ja und nein. Die Lagerfeuerromantik hat mich erfasst. Und noch mehr die Gespräche, die dabei entstanden. Aber manchmal wusste ich nicht: Ist darin wirklich Gott? Oder nur das gute Gruppengefühl? Ich fragte mich: Wie unterscheide ich beides? Ich wollte ja keiner Illusion aufsitzen.
Gott war für mich immer da oben. Das war sein eigentlicher Platz. Sein Wohnort. Natürlich war er auch da unten. Bei uns. Wie damals in Jesus. Aber spürbar war das nur in Ausnahmefällen. Es war, als ob Gott Halt gemacht hat, kurz bevor ich ihn spüren konnte. Als ob ein Meter Sicherheitsabstand zu seinem Wesen gehört.
So ein Abstand hat ja auch was. Es entsteht eine Spannung. Wenn ich mich nach etwas sehne und die Erfüllung von Gott erwarte, kommt etwas in Bewegung, ins Fließen.
Oben und unten war für mich nie ein Problem. Für mich war Gott immer Gegenüber, ohne da oben zu entschwinden. Er war mir nah, aber auch widerständig, zum Beispiel dann, wenn er mir nicht das geschenkt hat, was ich mir ersehnte. Es fühlte sich an, als hätte er sich mir verweigert. Er hatte mich enttäuscht. Gleichzeitig habe ich mich aber auch verstanden gefühlt in meiner Sehnsucht.
Gott da oben hat sich überlebt.
Ich frage mich, wofür das »oben« für mich steht. Es steht, glaube ich, für diese Erfahrung: dass Gott sich entzieht. Dass er manchmal gerade dann, wenn es darauf ankommt, nicht da ist. Gott »da oben« steht für die Berührung, die ich vermisste. Ich war immer überzeugt, dass Gott irgendwie da ist. Aber gewohnt hat er im Himmel. Weit weg von meinem kleinen Leben. Das hatte auch etwas mit Respekt zu tun.
Respekt? Das schließt doch dein kleines Leben nicht aus. Hast du nicht gebetet, dass er sich um deine Angelegenheiten kümmert?
Natürlich habe ich gebetet. Der Gott da oben konnte die Gebete doch viel besser erhören als einer da unten. Er musste doch den Überblick haben. Und die Macht. Und manchmal hat er ja auch einen Wunsch erfüllt.
Das gehört für mich bis heute zu meiner Gottesvorstellung, dass in Gott mehr Weisheit versammelt ist als in meinem kleinen Geist. Es ist für mich eine Entlastung, ihm meine Situation anzuvertrauen. Allerdings empfinde ich mich und die betroffenen Menschen dabei nicht von ihm getrennt. Ich überlasse mich einem liebenden Gegenüber, von dem Energie kommt, das ausstrahlt und Gutes wirkt.
So ähnlich könnte ich das mittlerweile auch sagen. Aber der Weg dahin war weit.
Gott, Buttercremetorte und Altersdiabetes
Soviel war mir schon früh klar: Gott ist eine Macht. Er hat Ecken und Kanten. Und ist manchmal unbequem. Gott sagt nicht einfach zu allem Ja und Amen. Das wäre ein harmloser Gott. Ein Friede-Freude-Eierkuchen-Gott.
In meiner Verwandtschaft gab es das. Bei den Seniorengeburtstagen. Es musste genug geben nach den Hungerjahren im Krieg und danach. Buttercremetorte war das Symbol für »genug«. Überfluss wollte man nicht sagen. Auch wenn der gedeckte Tisch ein bisschen danach aussah. Und die Menschen, die sich zum Geburtstagskaffee einfanden, auch. Wenn Altersdiabetes das schlechte Gewissen aktivierte und dieses wagte, mal vorsichtig zu fragen, ob das jetzt … dann hieß es: »Wir sündigen heute mal.« Die Haltung war: Wir haben uns das verdient. Durch die Not, die wir durchlitten haben. Der liebe Gott drückt heute mal ein Auge zu. Ich habe mich damals schon gefragt, ob das so viel mit dem lieben Gott zu tun hatte. Oder nicht viel mehr mit der Gesundheit. Und dem Arzt.
Einen Gott, der Ausnahmegenehmigungen für Tortenkonsum erteilt, fand ich nicht sonderlich attraktiv. Und ich dachte manchmal: Das kann Gott doch auch keinen Spaß machen.
Es gibt doch andere Dinge, um die er sich kümmern müsste. Größere. Wichtigere. Das, was in dieser Welt wirklich schief läuft. Den Hunger rund um den Globus. Die Gewalt. Menschen quälen Menschen, demütigen sie, foltern sie. Jede einzelne Tat ist zu viel. Die Gewalt im großen Stil konnte ich nicht zu oft an mich heranlassen. Ich hatte zu viel Einfühlungsvermögen. Dazu kommt: Was wir unserem Planeten antun, wie wir unsere Erde ausbeuten, Lebensgrundlagen für Tiere und Menschen vernichten, kann auf Dauer nicht gut gehen. Darum musste Gott sich doch kümmern! Wenn er seinen Namen verdient hat. Er konnte uns Menschen doch nicht einfach gewähren lassen. Es hieß doch immer, dass er allmächtig ist. Und uns liebt. Wenn beides stimmt, dann muss er doch eingreifen. Dann kann er doch das Böse nicht einfach so laufen lassen. Gleichzeitig war mir klar: Ich kann handeln, bevor ich solche Fragen geklärt habe.
Die Welt verbessern
Ich wollte die Welt verändern. Um Gottes willen. Schon als Jugendlicher. Nicht nur einzelnen Menschen helfen, sondern die Verhältnisse verbessern. Ich glaubte an einen Gott der Gerechtigkeit. Ich habe wenig durchschaut, wie er die selbst herstellte. Aber ich habe es als Auftrag verstanden. Mit 17 habe ich einen Verkaufsstand organisiert. Was Menschen in der dritten Welt – so hieß das damals – gefertigt haben, haben wir zu fairen Preisen verkauft. 1980 war das nicht selbstverständlich. Wir haben ein Geschäft in Hof dafür gewonnen und konnten uns im Eingangsbereich platzieren. In den zwei Monaten vor Weihnachten haben wir Honig und Tee, Jutetaschen und Strohsterne, Mützen und andere Weihnachtsgeschenke verkauft. Viele haben mitgeholfen. Aus der Schule und der Jugendgruppe. Es war eine starke Erfahrung, sich gemeinsam einzusetzen. Wir wollten Problembewusstsein schaffen. Den Herstellern faire Preise zahlen. Unseren Glauben konkret werden lassen. Dafür standen wir Woche für Woche in der Fußgängerzone.
Das hat mich mehr befriedigt als später die Resolutionen in der Landesjugendkammer der Evangelischen Jugend in Bayern. Warum? Dort haben wir tonnenweise Papiere für den Umweltschutz verabschiedet. Oder die Bewahrung der Schöpfung. Den Ressourcenverbrauch haben wir mit der Bedeutung unserer Anliegen gerechtfertigt. Sich engagieren für ein höheres Ziel. Aber die Texte waren zu abstrakt. Zu weit weg von der konkreten Wirklichkeit. Ich hatte nicht die Hoffnung, dass die Resolutionen viel bewirkten. Es waren moralische Appelle. Kein Wunder, dass es wenig Resonanz gab. Mich bewegte mehr und mehr die Frage: Woher kommt die Kraft für das Engagement? Gott konnte doch nicht nur dann ins Spiel kommen, wenn er als Autorität einer moralischen Forderung Nachdruck verleihen sollte! Wenn Gott eine Wirklichkeit war, dann musste er doch auch als Kraftquelle erfahrbar sein.
Ernüchterung in Fernost
Mit 19 machte ich mich auf den Weg nach Asien. Mit einer Berufung im Gepäck. Und dem Wunsch … wonach eigentlich genau? Ich erhoffte mir Bestätigung meines Berufsziels. Arzt wollte ich damals werden. Missionsarzt. Dafür wollte ich Erfahrungen sammeln.
Außerdem war ich neugierig, wie Menschen woanders leben und glauben. Ich erlebte, wie Kaffeebauern für ihre harte Arbeit fast nichts bekamen. Ich lernte, wie sehr die Kultur den Glauben prägt. Und dass man fragen kann: Muss man den Satz von Jesus »Ich bin das Brot des Lebens« hier nicht besser mit »Ich bin der Reis des Lebens« übersetzen? Reis ist das Grundnahrungsmittel, Brot nur ein Snack für unterwegs.
Statt auf lebendigen Glauben stieß ich zunächst auf deutsche Formen. Kirchen in Nordsumatra waren nach deutschem Vorbild gebaut. Kirchenbänke, Harmonium, Liedertafel gehörten zur Ausstattung. »Lobet den Herren« erklang im Gottesdienst und »Nun danket alle Gott«. Die Gottesdienstsprache war Indonesisch. Alles andere kannte ich. Ludwig Ingwer Nommensen (1834-1918) war der christliche Pionier in dieser Region. Ich fragte mich, was sich seitdem verändert hatte. Es kam mir alles so vertraut vor. Und genau das irritierte mich.
Ich hatte die Vorstellung, dass in den sogenannten Missionsgebieten Gottes Wirken ursprünglicher, intensiver, unmittelbarer zu erfahren wäre. Dass die Menschen das ausstrahlen. Die Einheimischen und die Missionare. Punktuell habe ich das auf meiner Reise auch erlebt. Aber es war nicht anders als zu Hause. Nicht intensiver. Eher im Gegenteil.
Ich konnte in Nordsumatra nicht viel spüren vom Glauben der Menschen. Lag es daran, dass ich ihre Sprache nicht richtig deuten konnte? Oder dass sie wenig davon gezeigt haben? Lag es daran, dass der Glaube nicht wirklich lebendig war? Überall hieß es: Die meisten Menschen in Indonesien seien im Herzen weder Muslime noch Christen oder Hindus oder Buddhisten oder Taoisten. Sie sind geblieben, was sie immer waren: Animisten. Es bestehe eben Religionspflicht. In Wirklichkeit aber werden die Ahnen verehrt. Die Gräber waren oft reicher und schöner ausgestattet als die Häuser. Und besser gepflegt als die Straßen. Ein Beispiel: Ein Mädchen träumte von ihren Großeltern. Im Traum beklagten sie sich, dass sie Regen und Sturm ausgesetzt seien. In den nächsten Tagen versah die Familie das Grab mit einem Dach und einer Mauer. Um die Verstorbenen vor peitschender Nässe zu schützen. Dass sie selbst in einer Holzhütte wohnten, durch die der Wind pfiff, spielte dabei keine Rolle.
Die Verehrung der Ahnen prägte den Alltag der Menschen. Gott war scheinbar ohnmächtig. Gegen den Ahnenkult kam er nicht an. Jedenfalls der Gott, der in der Religion verehrt wurde. Welche Energien waren im Ahnenkult verborgen? Hatten sie etwas mit Gott zu tun? Wie vertrugen sich dann der Gott der Religion und die Energien des Ahnenkults?
Mit meinen Fragen kam ich nicht weit. Ich habe schnell gelernt, dass sich bestimmte Fragen »nicht gehören«. Oder dass mit der Antwort freundlich das Thema gewechselt wird. Asiaten lassen sich nicht so leicht in ihr Inneres schauen. Ich habe auch gelernt: All das ist westlich geurteilt. Warum sollten gerade unsere Maßstäbe gelten?
Punktuell habe ich andere Erfahrungen gemacht: Gottvertrauen war spürbar. Menschen haben sich für andere eingesetzt. Mit Haut und Haaren, Zeit und Kraft. Verbundenheit entstand über kulturelle Grenzen hinweg. Da konnte ich andocken und habe mich als Teil von etwas Größerem erlebt. Das waren besondere Erfahrungen. Aber sie waren rar.
Alles zusammen hat meine Sehnsucht nach Gottes Lebendigkeit angestachelt. Nach seinem Wesen hinter den unterschiedlichen kulturellen Formen. Was ist göttlich, was ist menschlich, was ist kulturell bedingt?
Als ich aus Asien zurückkam, war mir klar: Missionsarzt ist es nicht. Das passt nicht mehr. Ich hatte erlebt, dass auch sogenannte Missionsgebiete nicht einfach Orte besonderer Gottesnähe sind. Ich hatte mir falsche Hoffnungen gemacht. Ich kann Gott überall auf der Welt gleichermaßen finden oder verpassen. Heute kann ich formulieren, was ich damals nur geahnt habe: Ich hätte zu viel geben müssen und zu wenig bekommen. Ich wollte ein Stück »Welt retten« und hätte dazu mehr Kraft gebraucht. Mehr als ich auf meiner Asienreise entdeckt hatte.
Ich musste eine andere Richtung einschlagen: Gott auf den Grund gehen. Wissen, was man wissen kann. Denken, so weit die Gedanken reichen. Gott und Kultur unterscheiden lernen. Am besten gleich Theologie studieren! Am Anfang war ich nicht sicher, ob das der richtige Weg ist. Aber er hat sich bestätigt. Ich habe gelernt: Ich kann meine Gottsuche nicht anderen Menschen überlassen. Nicht anderen Kulturen, nicht Missionaren, nicht der Kirche. Ich muss mich selber auf die Suche machen.
»Zu so einem Kraftzentrum will ich gehören«
Mein Weg in meinen Beruf als Pfarrerin lief nicht gradlinig und war von Zweifeln verschiedenster Couleur behaftet. Nach der Schule war mir klar: Ich würde den Glauben an Gott gerne in einer späteren Tätigkeit zur Hauptsache machen. Ich wollte selbst noch mehr darüber lernen und ihn mit Kopf und Herz durchdringen. Und ich wollte anderen Menschen helfen, mit Gott als unsichtbarem Kraftzentrum verbunden zu sein.
Etwas davon hatte ich noch in der Schulzeit eindrücklich erlebt: Ich gehörte zu einem christlichen Jugendchor. Wir wurden von evangelischen Gemeinden in Polen zu einer Konzertreise eingeladen. Das bedeutete damals, wir reisten hinter den Eisernen Vorhang in ein Land des Ostblocks. In Polen herrschte höchste Anspannung. Die Solidarnosc-Bewegung mit Lech Walesa an der Spitze war gerade sehr aktiv. Wir waren in acht polnischen Städten zu Gast. Die Kirchen waren klein, unsere Gastgeber sehr engagiert. Sie nahmen uns Sängerinnen und Instrumentalisten mit zu sich nach Hause. Wir übernachteten in ihren Wohnungen. Auch die waren klein und beengt, die Gastgeber räumten ihre Betten für uns und schliefen auf dem Sofa im Wohnzimmer. Nach den Proben kochten sie für uns ihre besten Gerichte. Mit Worten konnten wir uns kaum verständigen, aber wir spürten ihre herzliche Gastfreundschaft. Und hatten Respekt vor dem, was sie wagten. Sie standen nicht unter dem Schutz der katholischen Kirche, die in Polen relativ mächtig war. Trotzdem luden sie 60 junge Leute aus dem Westen ein. Sie gingen mit einem christlichen Programm in die Öffentlichkeit und warben dafür unter ihren Freunden und Kollegen. Die Konzerte waren gut besucht. Unser Programm war eine Mischung: moderne christliche Popmusik, deren Inhalte übersetzt wurden, und Klassik, auch ein Choral auf Polnisch. Ein Höhepunkt des Programms war das Halleluja aus dem Messias von Georg Friedrich Händel. Kaum erklangen die ersten Akkorde, stand das Publikum geschlossen auf und blieb während des ganzen Stücks stehen. Die Menschen waren ergriffen, viele hatten Tränen in den Augen. Als es das erste Mal geschah, war ich irritiert. Dann beflügelte es mich. Das war uns in Deutschland noch nie passiert, hier passierte es fast in jedem Konzert. Die Menschen brachten ihre Ehrfurcht gegenüber Gott zum Ausdruck. Denn das war es, was gerade geschah. Wir sangen einen großen Lobgesang auf Gott, den Herrscher der Welt: »Halleluja, der Herr wird König sein für immer und ewig.« Die Musik mit ihrer Dynamik und den Triumphakkorden strahlte Selbstbewusstsein, Fröhlichkeit und Souveränität aus. In dieser politischen Situation spürte ich auch einen stillen Kampfgeist der Polen. Das bestätigten sie mir: Sie legten ihre Hoffnungen und ihre Sehnsucht nach Freiheit hinein. Ihre Ehrfurcht vor Gott machte sie stark. Das gab ihrer Hoffnung Autorität. Es war auch dann zu spüren, wenn wir uns spontan aufstellten und einige klassische Stücke aus unserem Programm, das wir auswendig konnten, aufführten. Als wir die wunderbaren historischen Kirchen in Kattowitz oder Krakau besichtigten, hatten wir diesen Impuls, ihren Raum mit Lobgesang zu erfüllen. Einmal taten wir es Open Air in Warschau mitten auf einem großen Platz. Im Nu umringten uns ca. 200 Passanten. Bevor die Polizei sich nähern konnte, lösten wir unsere Formation wieder auf.
Ich kam von der Chorreise zurück und schrieb in der Woche darauf meine Abi-Klausuren. Ich konnte zwar vorher nichts mehr lernen, die kurzen Nächte wirkten noch nach, aber ich war beflügelt. Die Gemeinschaft der Tage über Kultur- und Systemgrenzen hinweg hatte mich gestärkt. Die Gemeinden dort waren von unserem Besuch aus dem freiheitlichen Westen Deutschlands und unserer Musik gestärkt worden, und wir durch sie, durch ihre Gastfreundschaft, ihre Hoffnung und ihre Durchhaltekraft.
Der gemeinsame Glaube an Gott hat uns vernetzt und verbunden. Zu so einem Kraftnetzwerk will ich gehören, das will ich ausbauen. Dachte ich. Aber wie?
Gottesüberraschungen in der Gemeinde
Nach dem Abitur folgte ich meinem inneren Impuls, den Glauben an Gott zur Hauptsache zu machen. Erstmal hypothetisch. Ich lernte die alten Sprachen, die ich für das Theologiestudium brauchte. Altgriechisch und Hebräisch. Mit ihnen konnte ich die Bibel im Originaltext lesen. Eine solche Investition kam mir lohnend vor. Ich schrieb mich an der Universität in Göttingen ein: Evangelische Theologie. Damit war ich ja noch nicht festgelegt darauf, dass ich tatsächlich Pfarrerin in der Kirche werden müsste. Vor dieser Rolle schreckte ich zurück. Herrschte in der Kirche nicht diese Scheu, über Gott zu reden? Ich befürchtete, dass es in den Kirchengemeinden hauptsächlich um Rituale ging. Man lässt seine Kinder taufen, geht zur Konfirmation, heiratet kirchlich (wenn überhaupt) und lässt sich kirchlich bestatten. Zwischendurch feiert man Jubiläen dieser Rituale. Das war mir zu wenig. Ich wollte keine reine Zeremonienmeisterin sein. Würde der Pfarrberuf genug Chancen bieten, mit Menschen im normalen Leben, das zwischen diesen Eckpunkten stattfindet, nach Gott zu suchen?
Zum Theologiestudium gehörten sechs Wochen Gemeindepraktikum. Das war die Möglichkeit für einen Realitätscheck in Sachen Pfarrberuf. Und tatsächlich – ich musste mein bisheriges Bild korrigieren. Ich war in einer Landgemeinde bei einem engagierten Pfarrer und lebte im Pfarrhaus in der Familie mit drei Töchtern mit. Ich war mit ihm unterwegs, erlebte, wen er traf und welche Gespräche er führte: in den Häusern der drei Dörfer, im Krankenhaus, mit ehrenamtlichen Mitarbeitern, in der Schule im Religionsunterricht. Auch bei Besuchen, in denen es darum ging, ein Kind zu taufen, eine Trauung vorzubereiten oder eine Angehörige zu bestatten. Und ich wurde überrascht von Gott und wie er sich überall einmischen konnte. Er hatte mit allen Lebenslagen und -fragen der Menschen zu tun. Gott tröstete, stärkte, half weiter in Not. Er war die Adresse für Klagen, wenn niemand mehr helfen konnte. Menschen fanden Gott in ihrer Freude und Dankbarkeit. Natürlich nicht alle. Es gab auch Abwehr gegen zu viel Religiöses. Viele waren gleichgültig. Schüler, die froh waren, wenn die Religionsstunde vorbei war. Konfirmandinnen, die von den christlichen Themen kaum etwas aufnahmen und vor allem darauf warteten, zum Fest mit einem Startkapital fürs Erwachsenenleben ausgestattet zu werden. Ich weiß noch, wie sehr sich mein Mentor wünschte, dass mehr Menschen sich für Gott in ihrem Leben öffneten und darum betete. Und dass es nur wenige waren, die sich für mehr Glauben und Engagement gewinnen ließen. Aber ich erlebte auch: Als Pfarrerin in der Kirche kann ich dafür werben, dass man Gott im Alltag tatsächlich erfahren kann.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Pfarrberuf war getan. Es folgten noch viele weitere. Ich entwickelte mich und weitete meinen Horizont. Ich war viel unterwegs, studierte in drei verschiedenen Städten und tingelte durch verschiedene Gemeinden. Es gab ja die unterschiedlichsten Formen von ihnen im Land.