Teal Swan
EINSAMKEIT
HEILEN
Die Wurzeln erkennen
und zu tiefer Verbundenheit
zurückfinden
Aus dem amerikanischen Englisch
von Elisabeth Liebl
The Anatomy of Loneliness
All Rights Reserved
Text Copyright © Teal Swan 2018
First published in the UK and USA in 2018 by Watkins,
an imprint of Watkins Media Ltd
www.watkinspublishing.com
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1. Auflage 2019
© 2019 der deutschsprachigen Ausgabe by Irisiana Verlag,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Projektleitung: Andrei-Sorin Teusianu
Redaktion und Korrektorat: Claudia Fritzsche
Umschlagsgestaltung: Geviert, Grafik & Typografie, München
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN: 978-3-641-24228-2
V001
INHALT
EINFÜHRUNG: DIE DREI PFEILER DER EINSAMKEIT
Teil I – Der Pfeiler der Trennung
Teil II – Der Pfeiler der Scham
Teil III – Der Pfeiler der Furcht
Teil IV – Verbundenheit schaffen
Teil V – Verbundenheit bewahren
ZU GUTER LETZT: Mut zur Liebe
Versprich mir jetzt …
Versprich mir immerdar
Selbst wenn sie Dich mit Hass und Gewalt niederstrecken
Selbst wenn sie Dich verstümmeln und vernichten,
kann kein Mensch je Dein Feind sein.
Denn alles, was zählt, ist die Liebe.
Bedingungslose, unbesiegbare und grenzenlose Liebe.
Eines Tages, wenn Du dieser Welt gegenübertrittst,
frei von der Tyrannei der Angst, des Hasses und der Gier,
dann werden Deine Mitmenschen Dich sehen.
Wie Du durch tausend Zyklen des Lebens und des Sterbens hindurch erblüht bist,
und Deine Freude Ewigkeit erlangt.
Und weder Sonne noch Mond sie je verblassen sehen werden.
VERSPRICH MIR JETZT
von Teal Swan
EINFÜHRUNG
DIE DREI PFEILER
DER EINSAMKEIT
Wir werden in Verbundenheit empfangen. Wir werden in der Sicherheit und Wärme der Verbundenheit genährt von dem Moment an, in dem unsere Mütter uns an ihre Brust legen. Wir nehmen keinen Unterschied wahr zwischen uns selbst und unserer Mutter. In diesem Augenblick, in dem wir völlig eins sind, sind wir gleichzeitig ganz wir selbst, sind der Mensch, der wir tatsächlich sind. Wir sind einem anderen Wesen so nah, dass wir uns nicht einmal fragen: »Wer bin ich?« Das ist auch nicht nötig, denn wir sind nicht getrennt.
In der Ekstase der Verbundenheit liegt eine tiefe Stille des Seins. Unser Weg durchs Leben ist nicht von der Angst bestimmt, etwas erobern zu müssen, was uns fehlt. Unser Tun ist einfach nur ein natürlicher Ausdruck des Seins. Dieses Sein ist unser Naturzustand. Doch eben diese Verbundenheit in uns ist beschädigt worden.
Dieses Buch will Ihnen zeigen, wie das ohne unser Zutun geschehen konnte und was Sie dagegen unternehmen können. Der Verlust dieser natürlichen Verbundenheit verursacht Gefühle der Einsamkeit und einen tiefen Schmerz. Aber es gibt einen Weg, sich dieses wunderbare Gefühl zurückzuholen, das schließlich Ihr Geburtsrecht ist.
Wir leben in dieser Welt zusammen mit Milliarden anderer Menschen. Und doch hat beinahe jeder Mensch auf dieser Erde das Gefühl, im Grunde völlig allein zu sein. In den vielen Jahren, seit ich die Welt bereise, die verschiedensten Menschen unterrichte und eine spirituelle Bewegung anführe, wurde mir schmerzlich bewusst, dass wenn die meisten Menschen dieses Gefühl des Alleinseins teilen, Einsamkeit ein komplexeres Phänomen sein muss, als es auf den ersten Blick scheint. Dabei geht es um mehr als nur darum, unter Menschen zu sein. Dieses tiefe Gefühl der Isolation verlangt nach Heilung. Aber als ich mir dieser Epidemie bewusst wurde, hatte ich darauf noch keine Antwort. Einfach deshalb, weil ich mich ganz genauso fühlte.
Der Begriff »Einsamkeit« beschreibt nicht einmal annähernd, welche Qual unser Hunger nach Verbundenheit verursacht. Mein Leben war von Einsamkeit überwuchert. Und der Ruhm, der sich als Folge meiner Karriere ganz selbstverständlich eingestellt hatte, machte dies nur noch deutlicher, so, als wäre er ein Vergrößerungsglas. Mein Leben lang hatte ich das Gefühl gehabt, nicht wirklich gehört, gesehen, verstanden zu werden, nicht erwünscht zu sein. Und der Ruhm erschwerte mir die Suche nach der Nähe, die ich mir so verzweifelt ersehnte, nur noch mehr. Für einen Außenstehenden sah es so aus, als akzeptierte und schätzte mich jeder. Nichts konnte der Wahrheit ferner sein. Weniger denn je sahen, fühlten, verstanden die Menschen mich. Ich war zwar ständig von anderen Menschen umgeben, doch war ich für sie nicht mehr als das, was sie auf mich projizieren wollten. Das Einzige, was mich in ihren Augen wertvoll machte, das Einzige, was sie an mir schätzten, war das, was sie durch mich für sich selbst erlangen konnten.
Wenn Sie vor einem Problem stehen und keine Lösung haben, bleibt Ihnen nur eines übrig: Sie müssen diese Lösung selbst suchen. Ich war sozusagen eine Pionierin, die unerforschtes Gebiet betrat. Ich sah nur allzu deutlich, dass Einsamkeit die Leidensquelle Nr. 1 in unserer Welt war und dass wir unzählige Strategien entwickelt haben, um ihr aus dem Weg zu gehen. Aber Sie können einer Sache, die Sie erforschen wollen, nicht aus dem Weg gehen. Also beschloss ich, genau das Gegenteil zu tun. Die spirituellen Lehrer der Alten Welt gingen in die Wüste oder zogen sich in eine Höhle zurück, wenn sie nach neuen Erkenntnissen suchten. Ich entschied, dasselbe zu tun. Doch statt mich in einer Höhle zu verstecken, tauchte ich in die Einsamkeit ein, indem ich eine schamanische Reise nach Mittelamerika unternahm, wo ich dem Teufel direkt ins Gesicht sehen wollte. Diese Phase der Auseinandersetzung nahm etwas mehr als ein Jahr in Anspruch. Dass ich die Einsamkeit als das sah, was sie war, ihre Beschaffenheit erkannte, ermöglichte mir, ihr Gegenteil besser zu verstehen. Als ich in die Welt zurückkehrte, konnte ich den Menschen erklären, was es mit Einsamkeit und Verbundenheit auf sich hat. Mit diesem neu gewonnenen Verständnis in Herz, Geist und Körper habe ich dieses Buch geschrieben.
Einsamkeit heilen entstand aus den Notizen, die ich verschiedentlich gemacht hatte, nicht selten auf tränenfeuchtem Papier. Blätter, die ich dann in meinen Rucksack stopfte, um auf dieser schamanischen Reise in diesem Abschnitt meines Lebens weiterzuziehen. Das Buch schrieb sich durch mich gleichsam selbst. Was ich dabei erfuhr, ermöglichte mir, die Einsamkeit in meinem Leben in Verbundenheit zu verwandeln, und das gilt auch für jedes Mitglied meiner spirituellen Gemeinde.
Mangelnde Bewusstheit ist wie ein Virus, der sich von einer Generation zur nächsten fortpflanzen kann. Aber dies gilt natürlich ebenso für das Erwachen. Meine Vision ist, dass die Informationen in diesem Buch ihren Weg in jeden Winkel dieser Erde finden, bis wir ganz offiziell sagen können, dass hier Milliarden Mitmenschen leben und dass sich keiner von uns mehr allein fühlt.
Jeder von uns hat seine eigene Geschichte, was den Verlust der Verbundenheit angeht. Aber irgendwann im Lauf unseres jungen Lebens haben wir alle diesen Fall aus der Gnade erlebt – aus diesem tiefinneren Gefühl der Verbundenheit. Als Ergebnis liegt der Großteil von uns den Rest seines Lebens in einem Dauerkonflikt zwischen dem Aspekt von uns, der diese Verbundenheit um jeden Preis zurückgewinnen will, und dem, der Verbundenheit auf Biegen und Brechen abwehren möchte.
Der Schmerz über den Verlust des Verbundenseins ist die tiefste Form von Trauma, die wir erfahren können. Ein Trauma lässt uns innerlich zersplittern. Es macht aus Symmetrie Chaos, aus Stille Panik. Aus Harmonie Krieg. Aus Freude Leid.
Wenn wir dieses Trauma erfahren, ist das so, als setzten wir eine graue Brille auf, und die meisten von uns tragen sie den Rest ihres Lebens. Wir sehen die Welt durch den Schmerz dieser grauen Gläser. Durch diese Optik nehmen wir uns als getrennt von den Menschen und Dingen um uns herum wahr. Wir erleben uns als … allein.
Der grundlegende Schmerz des Menschen besteht darin, dass wir mit Milliarden anderer Menschen auf dieser Erde leben und sich doch jeder allein fühlt. Das Trauma unserer inneren Isolation sorgt dafür, dass wir uns als getrennt von allem wahrnehmen, das wir als »das andere« wahrnehmen.
Es ist schon schlimm genug, dass diese Trennung uns Schmerz zufügt. Doch damit ist das Unglück noch nicht zu Ende. Der Schmerz verbreitet sich über die ganze Erde. Wenn Sie mit einem anderen wahrhaft verbunden sind, können Sie ihm keinen Schmerz zufügen, ohne selbst darunter zu leiden. Wenn wir uns jedoch selbst als getrennt erleben, spüren wir dieses Einssein nicht mehr, das unsere grundlegende Wahrheit ist. Wir spüren nicht mehr, dass alles auf uns zurückwirkt, und dass wir auf alles zurückwirken. Das Ergebnis ist, dass wir anderen Wesen oder Dingen Schmerz zufügen können, ohne seinen Widerhall in uns selbst zu fühlen.
Die Vorstellung, dass das Getrenntsein schmerzhaft, ja gefährlich ist, erscheint auf den ersten Blick abstrakt und theoretisch, bis wir uns klarmachen, dass sich aus eben diesem Grundganze Völker in Parteien und Gruppen zersplittern. Menschen mit dunkler Haut wurden ihren Familien entrissen und auf einen fremden Kontinent gebracht, wo man sie als Sklaven hielt, sie schlug, lebendig verbrannte und lynchte. In den 1940er-Jahren wurden in Europa Juden und andere den Nazis missliebige Bevölkerungsgruppen nach Auschwitz und in weitere Vernichtungslager transportiert, um sie vollständig auszurotten.
Die Vorstellung vom Getrennsein ist dafür verantwortlich, dass die USA 1945 eine Atombombe auf Hiroshima warfen. Dass die Schergen des Pol-Pot-Regimes 1979 gut 21 Prozent der Bevölkerung Kambodschas ermordet haben. Dass in unserer heutigen Zeit junge Menschen jahrelang in Lagern trainieren mit dem einzigen Wunsch, am Ende als lebende Bomben Terror und Zerstörung über jene Menschen zu bringen, die sie als ihre Feinde betrachten.
Jedes Verbrechen, das je begangen wurde, konnte geschehen, weil der Täter sich als von seinem Opfer isoliert und getrennt wahrnahm. Daher lässt sich mit Fug und Recht sagen, dass die Vorstellung vom Getrenntsein nicht nur der größte Schmerz ist, den wir in diesem Leben erfahren können. Sie ist darüber hinaus der gefährlichste Gedanke überhaupt.
Warum aber entstehen in unserer angeblich so erleuchteten Welt unausgesetzt solche Gefühle tiefster Verzweiflung? Sie werden verursacht von einer Einsamkeit, die sich nicht auflösen lässt, indem man sich mit mehr Menschen umgibt. Denn die schmerzhafteste Form der Einsamkeit ist jene, die wir in einem Raum voller Menschen empfinden. Jene Form der Einsamkeit, bei der man sich nicht einmal dann verbunden fühlt, während man de facto mitten unter seinesgleichen ist, lässt sich bildlich damit vergleichen, als würde man in einem Supermarkt verhungern. Um eben diese Art der Einsamkeit geht es mir in diesem Buch.
Ein Sprichwort sagt, dass das Licht nur kennt, wer auch um die Dunkelheit weiß. Anders ausgedrückt: Bewusstwerdung erfolgt über das Erleben von polaren Qualitäten. Auf dieselbe Weise werden wir also die Verbundenheit klar erkennen lernen, indem wir uns zuerst mit der Einsamkeit beschäftigen.
Wir werden dabei dem Prinzip des Gewahrseins folgen. Sie werden die Verbundenheit erfahren, indem Sie sich in die Einsamkeit vertiefen. Sie werden die Verbundenheit wiederherstellen, indem sie die Einsamkeit mit ungetrübtem Blick sehen und mit reinem Herzen fühlen lernen. Und Sie werden die Verbundenheit verstehen, indem Sie sich ein klares Verständnis der Einsamkeit erwerben.
Verbundenheit setzt eine Art Harmonie voraus. Also nimmt man für gewöhnlich an, dass in der Einsamkeit keinerlei Harmonie existiere. Doch tatsächlich wohnt auch der Einsamkeit eine Art Harmonie inne. Es handelt sich dabei um das Dritte, das die Gegensätze in sich vereint.
Zur Einheit, die die Drei symbolisiert, kommt man nicht, indem man die Zwei (den Gegensatz) ausradiert, um jenes Element zu beseitigen, das für den Konflikt verantwortlich ist. Die Drei verschmilzt vielmehr die vorausgehenden Elemente, um daraus etwas völlig Neues zu erschaffen … etwas, worin die Gegensätze harmonisch vereint sind. Daher ist die Drei die Zahl der Integration.
Gegensätze zusammenzubringen – hier also die Eins und die Zwei – setzt ein gemeinsames übergeordnetes Ziel voraus, das ich hier als »Drei« bezeichne. Die Drei ist größer als die beiden vorangegangenen Elemente. Diese Gleichung kommt Ihnen jetzt vielleicht noch sehr abstrakt vor, doch wenn Sie dieses Buch durcharbeiten, werden Sie erleben, wie göttlich fein die Dinge hier aufeinander abgestimmt sind. Und Sie werden erfahren, was dies im Hinblick auf die Verbundenheit bedeutet.
Stellen Sie sich nur einen Moment lang vor, die Eins stünde für »das Gute«, die Zwei für »das Böse«. Das ist unzweifelhaft ein Gegensatzpaar. Die Drei hingegen steht für das, was nötig ist, um Gut und Böse zusammenzuführen zu einem Ziel, das größer ist als jedes einzelne Element des Gegensatzpaars. Dieses Ziel kann das Einssein sein, die höchste Form der Verbindung.
Interessanterweise ruht die Einsamkeit auf drei Grundpfeilern. Diese drei Pfeiler legen, wenn man sie durch die innere Kraft der Drei sieht, die Vermutung nahe, dass die Antwort auf das Ende der Einsamkeit im Gewebe der Einsamkeit selbst zu suchen ist. Dort liegt also die Lösung.
DIE DREI PFEILER DER EINSAMKEIT SIND:
Sobald Sie diese drei entscheidenden Elemente richtig verstanden haben, sobald Sie aufgedeckt haben, wie beziehungsweise inwieweit sie Ihr Leben bestimmen, können Sie mithilfe der beiden letzten Kapitel in diesem Buch Mittel und Wege zu neuer Verbundenheit in Ihrem Leben finden. Und Sie können lernen, diese Verbundenheit stark und kraftvoll zu halten, sodass sie all Ihre Beziehungen prägt.
Und wir schrien nach Krieg,
als wäre er nicht Menschenwerk.
Die Seele des Menschen,
die Synagoge des gewaltsamsten aller Kämpfe:
zwischen Gut und Böse.
Jahrhunderte des Blutvergießens zwischen diesen beiden Rivalen.
Jede Seite schreit nach dem Tod der anderen.
Aber es wird keinen Abgesang geben.
Es wird kein Klagelied geben, denn die eine kann nicht sterben
ohne die andere.
Nur die Liebe kann diesen Krieg beenden.
Und doch tobt er weiter und weiter.
Sein Klang allein ist
Gotteslästerung.
Lästerung am Heiligtum des menschlichen Herzens.
DIE TRENNUNG
von Teal Swan