50 Routen von Island bis Kreta
leicht
mittel
schwer
Dauer
Streckenlänge
Tour Hauptroute |
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Tour Transfer Fähre, Eisenbahn, Bus |
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Tourrichtung |
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Nevers |
Start-/Zielort |
Transfer Fähre |
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Transfer Eisenbahn |
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Transfer Bus |
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Flugplatz |
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Flughafen |
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Internationaler Flughafen |
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Kirche |
Brennerpass 1379 |
Pass |
Zugspitze |
Berg |
LONDON |
Orte 1 |
DUBLIN |
Orte 2 |
Limerick |
Orte 3 |
Cork |
Orte 4 |
Tralee |
Orte 5 |
Baltimore |
Orte 6 |
Staatsgrenze/Grenzband |
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Autobahn |
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Schnellstraße |
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Fernstraße |
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Nebenstraße |
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Eisenbahn |
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Eisenbahntunnel |
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Fähre |
Nordpfeil |
Maßstab |
Vorwort
Einleitung
50 TRAUMTOUREN ZWISCHEN POLARKREIS UND MITTELMEER
Nordeuropa
1492 km
1Westfjorde und Hochland
Erhaben, still, weit
288 km
2Helgelandküste
Die Magie des Nordens
423 km
3Fjorde und Fjell mit Rallarvegen
Radreise durch die Heimat der Trolle
1039 km
4Nordseeküsten-Radweg
Radeln wie durch einen Bildband
287 km
5Stockholm und Umgebung
Wohlfühlrunde
575 km
6Småland
Fahrradtour für kleine und große Kinder
262 km
7Ålandinseln und Schärengarten
Radeln, wo sich Land und Meer vereinen
614 km
8Saimaa-Seengebiet
Panoramaradtour im Land der Seen
426 km
9Seeland
Autos sind hier zweite Wahl
629 km
10Radweg Berlin – Kopenhagen
Von Hauptstadt zu Hauptstadt
Westeuropa
562 km
11Nordkanal und Sperrin Mountains
Immer schön links fahren
465 km
12County Cork
Ein Urlaubstraum
363 km
13Avenue Verte Paris – London
Vom Eiffelturm zur Towerbridge
465 km
14Flandern
Schlemmen von Stadt zu Stadt
411 km
15IJsselmeer-Runde
Radlerland mit weiten Ausblicken
233 km
16Kunstwegen-Vechtetalroute
Ein Weg zum Staunen
642 km
17Loire-Radweg
Genussradeln durch das Tal der Schlösser
405 km
18Elsass
Radtour durch das Schlemmerparadies
348 km
19Languedoc-Roussillon
Auf den Spuren der Katharer
394 km
20Provence
Sehnsuchtsziel im Süden Frankreichs
Mitteleuropa
506 km
21Seenroute
Seen, Schoggi, Schweiz
476 km
22Alpenpanorama-Route
Hoch hinaus!
322 km
23Graubünden-Route
Ein Abenteuerspielplatz für Radler
530 km
24Inn-Radweg
Auf leichten Wegen durch die Berge
369 km
25Via Claudia Augusta
Das kulturelle Erbe Roms
567 km
26Von München nach Venedig
Spektakuläre Fahrt an die Lagune
406 km
27Alpe-Adria-Radweg
Ab in den Süden!
396 km
28Donau-Radweg
Der Klassiker
282 km
29Salzkammergut-Radweg
Seen, Sonne, Salz
283 km
30Drau-Radweg
Radeln an der Drau? Ja, schau!
124 km
31Neusiedler-See-Radweg
Hier rollt es!
Osteuropa
500 km
32Geheimtipp Estland
Inselhüpfen und Altstadtzauber
429 km
33Ostseeküste
Stilles Radvergnügen im Osten
427 km
34Memel und Kurische Nehrung
Stadt, Land, Fluss
459 km
35Ostsee-Radweg
Panoramaradtour im Norden Polens
700 km
36Green Velo
Entdecke den Osten
612 km
37Moldau und Elbe
Ein Fluss wie eine Sinfonie
233 km
38Balaton
Radeln an der Badewanne der Nation
346 km
39Theiß-Radweg
Genussradeln im Tiefland
Südeuropa
205 km
40Piemont
Radeln im Land der Trüffel
368 km
41EuroVelo 9
Ein Land, eine Woche, ein Traum
280 km
42Istrien
Küstenperlen und Schlemmerparadies
233 km
43Transsilvanien und Region Moldau
Radtour durch die Zeit
206 km
44Toskana
Radeln mit Sonne im Herzen
233 km
45Algarveküste
Sonne und Me(h)er
221 km
46Andalusien
Al-Andalus – das kulturelle Erbe der Mauren
390 km
47Apulien
Im Rausch der Farben
244 km
48Sizilien
Im Schmelztiegel der Kulturen
622 km
49Dinarisches Gebirge und Skutarisee
Geheimtipp im Südosten Europas
483 km
50Kreta
Urlaubsfeeling der Extraklasse
Tourenliste
Register
Impressum
Gehören Sie auch zu den Menschen, denen ein Lächeln über das Gesicht huscht, wenn Sie an Radfahren denken? Die im Winter schon Landkarten studieren? Und fast ihren gesamten Jahresurlaub für Reisen eintragen? Europa bietet spannende Touren: Jedes Land hat seine Stärken, jede Region ihren Charme. Auch Radler teilen sich in verschiedene Gruppen auf: Die einen zieht es in den Norden, dorthin, wo im Sommer die Tage lang sind. Andere lieben die Wärme des Südens, das Mediterrane. Abenteurer lockt der Osten Europas, denn auch dort gibt es lohnende Routen. Und Genießer? Diese folgen einem der Flussradwege, von Stadt zu Stadt. Unser Kontinent bietet die verschiedensten Landschaften auf engstem Raum. Die Alpen zum Beispiel – ein Traum für sportliche Radler. Oder die Küsten. Wer einmal mehrere Tage am Wasser entlanggerollt ist, der weiß, wie gelassen man wird, wie entspannt. In den nächsten Jahren entsteht ein weltweit einzigartiges Projekt. Es zielt auf den langsamen Tourismus. Die Rede ist von EuroVelo: The European cycle route network. Seit Mitte der 1990er-Jahre redet man, plant und schildert neue Radwege aus – Land für Land. Die Aufgabe ist enorm. Bis 2020 entstehen in 42 Ländern rund 70 000 Kilometer Wege. Sie verbinden die Klippen des Nordkaps mit der Akropolis in Athen, genauso wie die Strände Spaniens mit denen in Zypern. In manchen Regionen kann man die Routen bereits gut befahren. Ganz oben auf der Wunschliste der Radler stehen die Flussrouten. Die Schlagworte lauten: Donau, Etsch, Loire und Rhône. Doch haben Sie schon einen der Geheimtipps kennengelernt? Denn interessante Fahrten versprechen auch Memel, Drau, Moldau und Theiß. Bergfreunde zieht es in die Alpen. Dort gibt es Klassiker wie die Via Claudia Augusta, den Alpe-Adria-Radweg und den Salzkammergut-Radweg. Radler stellen sich immer die gleichen Fragen: Welche Route passt zu mir? In welche Richtung soll ich fahren? Wo finde ich passende Unterkünfte? Und vor allem, wie fit muss ich sein? Hier hilft dieses Buch weiter. Ist das Rad erst einmal gepackt und man steht am Startort, geht alles wie von selbst: In den Sattel klettern, losradeln, genießen.
Erkunden Sie Europa mit dem Fahrrad oder E-Bike. Folgen Sie einem der Flussradwege, überqueren Sie die Alpen oder steuern Sie die Länder an der Ostsee an. Es lohnt sich. Ich wünsche günstigen Wind, Sonne satt und viel Spaß beim Nachradeln der Touren!
Thorsten Brönner
Wer mehrtägige Ausfahrten unternehmen möchte, ist mit einem Reiseoder Trekkingrad bestens beraten. Die robusten Gefährte lassen sich mit mehreren Packtaschen beladen. Breit bereifte Fahrräder kommen auch auf grob geschotterten Kieswegen gut voran. Sogar bei Flussrouten gibt es Anstiege zu bezwingen, sodass man auf eine bergtaugliche Übersetzung von 27 bis 30 Gängen achten sollte. Fahrräder sind simpel aufgebaut und doch wie ein Wunder, egal, ob Sie mit dem Zweirad die Heimat erkunden oder es als Türöffner zu fremden Kulturen nutzen. Jedoch fährt oft die Angst vor Defekten mit, denn wehe, es geht etwas kaputt! Meist hat man einen platten Reifen. Also zwei Reifenheber, eine kleine Luftpumpe und Ersatzschlauch einpacken. Bei längeren Ausfahrten sind zudem ein Kettennieter und Kettenöl hilfreich. Dabei zwei Paar Plastikhandschuhe und einen kleinen Lappen nicht vergessen! Ebenfalls in die Packtasche gehört ein Faltschloss, das spart Platz.
Seit Jahren erleichtern einem Elektroräder das Reisen deutlich. Man sieht sie in den Städten, auf den Flussradwegen und vor allem in den Bergen. Dort spielen sie ihre Stärken aus. Als Radler schaltet man am Beginn der Steigung die Trittunterstützung zu und strampelt gewohnt weiter. Je nach Fitness wählt man die entsprechende Stufe. So können unterschiedlich starke Radler gemeinsam ihre Ausfahrt genießen. Bei Pedelecs (Pedal Electric Cycle) hilft ein Elektromotor dem Fahrer mit bis zu 250 Watt Leistung. Ab einer Geschwindigkeit von 25 km/h ist eine Sperre eingebaut, sodass man nur per Muskelkraft weiter tritt. Unter dem Fachbegriff E-Bike versteht man ein Elektromofa, bei dem man nicht in die Pedale tritt. Für längere Reisen empfiehlt es sich, mit einem Pedelec mit herausnehmbaren Akku auf die Tour zu gehen. Diesen kann man leicht an einer Steckdose laden, z. B. im Hotelzimmer oder unterwegs bei einer Rast in einem Café. Beachten sollte man das hohe Gewicht der Elektroräder. Dies spürt man vor allem bei der Anreise per Bahn. Oft bieten Reiseveranstalter Räder mit Trittunterstützung vor Ort an.
Die umweltfreundlichste Art der Anreise erfolgt mit der Bahn. Einige Städte Europas erreicht man bequem über Nacht mit dem ÖBB-Nightjet (www.oebb.at, Tel. +43/51717). Wer sein Fahrrad anmeldet, bekommt in einem speziellen Abteil einen Abstellplatz. Man kann nur in den ICE-Zügen der Baureihe 4 Fahrräder mitnehmen. Es besteht jedoch die Möglichkeit, das Fahrrad an eine feste Adresse, z. B. die Hoteladresse oder einen Bahnhof liefern zu lassen. Die Bahn (www.bahn.de) bietet diesen Service in Kooperation mit Hermes für Deutschland, Österreich, die Schweiz und Italien an. Eine günstige Alternative sind die Fernbusse, die häufig auch Fahrräder befördern. Auf der Webseite www.fernbusse.de kann man aus verschiedenen Fernbuslinien das passende Angebot auswählen. Vor allem Eurolines (www.eurolines.de) und Flixbus (www.flixbus.de) steuern Ziele im europäischen Ausland an. Für die Anreise über ein Meer bietet sich die Anreise per Schiff an. Bei der Suche nach der richtigen Fährlinie hilft die Webseite www.aferry.de.
Verfahren hat sich wohl schon jeder. Zum Glück wird einem nun das Navigieren leicht gemacht. Denn GPS-Geräte und Smartphones zeigen zuverlässig den Weg an. Bei den Recherchen für den vorliegenden Radführer hat der Autor alle 50 Routen abgefahren und die Wegverläufe erfasst. Aus den Daten erstellte er für jede der Radrouten einen GPS-Track. Auf der Webseite http://gps.bruckmann.de können Interessierte die Touren herunterladen. Nach dem Aufspielen der Datei auf das GPS-Gerät oder Smartphone zeigt dieses die Strecke als farbige Linie an; ihr steuert man einfach hinterher. Erstklassige Dienste leisten die handlichen Geräte auch bei der Suche von Hotels, Pensionen, Campingplätzen, Restaurants, Sehenswürdigkeiten und Supermärkten. Kostenfreie Fahrradkarten kann man von der Webseite www.velomap.org herunterladen, auf dem PC installieren und zum Outdoorgerät übertragen. Streckenverläufe verschiedener Radwege weltweit gibt es auf cycling.waymarkedtrails.org. Für Smartphones ist die App OsmAnd die erste Wahl, denn die Karten decken ganz Europa ab. Besonders zu empfehlen sind die Points of Interest des ADFC. Aktuell beinhalten sie über 5500 Bett+Bike-Gastbetriebe. Diese lädt man auf mobile GPS-Geräte (www.bettundbike.de).
EuroVelo ist ein Projekt des Europäischen Radfahrer-Verbands (ECF). Das länderübergreifende Netz (42 Staaten) besteht derzeit aus 15 Strecken. Circa 45 000 Radwegekilometer sind bereits vorhanden, über 70 000 Kilometer sollen bis zum Jahr 2020 beschildert sein. Infos gibt es bei ECF, Rue Franklin 28, B-1000 Brüssel, Tel. +32/2/8809274, www.ecf.com und www.eurovelo.com.
EV1: Atlantikküsten-Route: Nordkap – Sagres (NO, GB, IE, FR, ES, PT)
EV2: Hauptstadt-Route: Galway – Moskau (IE, GB, NL, DE, PL, BY, RU)
EV3: Pilger-Route: Trondheim – Santiago de Compostela (NO, SE, DK, DE, BE, FR, ES)
EV4: Mitteleuropa-Route: Roscoff – Kiew (FR, BE, DE, CZ, PL, UA)
EV5: Via Romea Francigena: London – Brindisi (GB, FR, BE, LU, DE, CH, IT)
EV6: Fluss-Route: Nantes – Constanta (FR, CH, DE, AT, SK, HU, RS, RO), www.eurovelo6.org
EV7: Sonnen-Route: Nordkap – Malta (NO, SE, DK, DE, CZ, AT, IT, MT)
EV8: Mittelmeer-Route: Cádiz – Nikosia (ES, FR, MC, IT, SI, HR, ME, AL, GR, CY)
EV9: Bernstein-Route: Danzig – Pula (PL, CZ, AT, SI, IT, HR)
EV10: Ostseeküsten-Route: Rundkurs (NO, FI, SE, DK, DE, PL, LT, LV, EE)
EV11: Osteuropa-Route: Nordkap – Athen (NO, FI, EE, LV, LT, PL, SK, HU, RS, MK, GR)
EV12: Nordseeküsten-Route: Rundkurs (DE, DK, SE, NO, GB, NL), www.northsea-cycle.com
EV13: Eiserner-Vorhang-Route: (NO, RU, FI, EE, LV, LT, PL, DE, CZ, AT, SK, HU, SI, HR, RO, RS, BG, MK, GR, TR), www.ironcurtaintrail.eu
EV15: Rhein-Radweg: Andermatt – Rotterdam (CH, LI, AT, DE, FR, NL), www.rheinradweg.eu
EV 17: Rhône-Radweg: Andermatt – Montpellier (CH, FR), www.veloland.ch/de/routen/route-01.html, ww.viarhona.com
Wer sich von dem rauen Wetter Islands nicht abhalten lässt, den überwältigt die Landschaft: hier riesige Gletscher und donnernde Wasserfälle, dort aktive Vulkane und Geysire. Dazwischen radelt man durch bizarre Lavawüsten und wilde Fjorde. Die Natur ist hier draußen im Atlantik noch lange nicht fertig mit der Gestaltung.
Charakter
Der Rundkurs beinhaltet unbefestigte Abschnitte und gute Asphaltstraßen. Die größten Höhenunterschiede bewältigt man in den Westfjorden und bei der Durchquerung des Hochlands. Das Fahrrad sollte aufgrund der Schotterpisten über breite, ausreichend profilierte Reifen verfügen. Bei dieser Tour muss man für die entlegenen Gebiete seine Lebensmittelvorräte vorplanen.
Wegmarkierung
Auf Island gibt es nur in den Städten Radwege und aktuell keine markierten Radrouten.
Bett & Bike
Für Unterkünfte siehe de.visiticeland. com, dazu gibt es Campingplätze, Berghütten und Ferienhäuser.
E-Bike
E-Bikes wären in Island sinnvoll, es gibt aber kaum Möglichkeiten zum Laden des Akkus. In Reykjavík (www.visitreykjavik.is) kann man Räder leihen.
An- und Rückreise
Vom Flughafen von Keflavík westlich von Reykjavík mit dem Bus weiter (www.flybus.is). Mit dem Schiff erreicht man ab DK-Hirtshals via Tórshavn auf den Färöern die Stadt Seyoisfjörour im Osten der Insel (Smyril Line, Sellspeicher Wall 55, 24103 Kiel, Tel. 0431/200886, www.smyrilline.de). Island verfügt über ein gut ausgebautes Busnetz (www.straeto.is, de.visiticeland.com). In den Überlandbussen kann man Fahrräder mitnehmen.
Information
de.visiticeland.com
Von Keflavík nach Stykkisholmur – 402 km Wer Radreisen wie einen Wettkampf sieht, für den ist Island die Weltmeisterschaft. Der kleine Mensch alleine gegen die überwältigende Natur. Stollenreifen gegen Pistengeröll. Entschlossenheit gegen Regen und Wind. Warum man sich das antut? Ganz einfach – weil Island ein Traum ist! Selten erlebt man eine Radreise so intensiv wie auf der größten Vulkaninsel der Welt. Hinter dem Flughafen von Keflavík beginnen die ersten Lavafelder, darüber macht man in der Ferne die ersten Vulkane aus. Nach 40 Kilometern tauchen die ersten Vororte Reykjavíks auf: moderne Wohnanlagen, Büroblocks, Parks. Hin und wieder sticht zwischen den Häusern der 74,5 Meter hohe, spitz zulaufende Turm der Hallgrimskirkja in den Himmel. Dort angekommen, erblickt man die Statue von Leifur Eiriksson dem Glücklichen. Er trug sich als Entdecker Nordamerikas in die Geschichtsbücher ein und schaut beherzt hinaus auf die Bucht, Richtung Westen. In Reykjavík wohnen 123 000 Einwohner, auf der gesamten Insel 336 000 Menschen. Also so viele wie in der Stadt Bielefeld. Dort pfercht man sich auf 258,82 Quadratkilometern zusammen; die Isländer schätzen die 103 000 Quadratkilometer ihrer Insel. Hier hat man also viel Platz für einen Aktivurlaub. Auf guten Radwegen steuern wir ostwärts aus Reykjavík hinaus. Hinter Mosfellsbær ist die Ringstraße erreicht, der Hauptweg Islands. Wir folgen ihr für eine Stunde, dann zwingt der 5800 Kilometer lange Tunnel Hvalfjarðargöng Radler zu einem Umweg. Doch was heißt hier Umweg? Auf Island gibt es keine Umwege, nur Alternativen, und jene um den Fjord Hringvegur ist sehr lohnend. Die Piste ist ruhig. Überall sieht man von den steilen Berghängen Wasserfälle in Kaskaden herabstürzen. Wir überqueren einige große Flüsse, die sich durch das grüne Terrain zum Fjord hinunterschlängeln, und erreichen Borgarnes. Die Siedlung nimmt eine Landzunge im Borgarfjörður ein. Hier sollte man gut einkaufen, denn das nächste Lebensmittelgeschäft ist weit entfernt. Die Straße 54 führt uns wieder in die erhabene Landschaft hinein. Der Blick schweift über baumlose Flächen. Ziel ist die Snæfellsnes-Halbinsel. Dort ragt der mächtige Snæfellsjökull 1446 Meter auf. Um ihn ranken sich mehrere Island-Sagas. Weltweit berühmt wurde der Stratovulkan durch Jules Verne. In dessen Roman Reise zum Mittelpunkt der Erde ließ er hier seine Helden in die Tiefe steigen. Aber auch an der Oberfläche ist es spektakulär. Wir radeln vom Dorf Arnarstapi aus um den Westteil der Halbinsel; rauf und runter. Die Straße verläuft durch hohe Felder aus erkalteten Lavaströmen, die sich über das westliche Areal der Halbinsel ausbreiten und zum Meer hin abbrechen. Dazwischen ragen kleine Vulkanschlote auf und untermalen das düstere Landschaftsbild. Als wir die Nordseite der Halbinsel erreichen, empfängt uns ein heftiges Geschnatter und Gepiepse. Neben der Straße brüten überall Küstenseeschwalben auf dem Boden. Mit Scheinangriffen aus der Luft versuchen die mutigen Flieger die Fremden auf ihrem rollenden Etwas zu vertreiben. Da es auf Island bis auf wenige Polarfüchse keine Landraubtiere gibt und es draußen im Breiðafjörður nur so von Fischen wimmelt, befindet sich hier eine der größten Kolonien von Küstenseeschwalben. Die putzigen Vögel fliegen auf ihrem Zug in die antarktischen Überwinterungsgebiete eine Strecke von bis zu 30 000 Kilometern, so weit wie kein anderer Zugvogel.
Die Ringstraße
Jeder Islandreisende kennt sie, fährt wenigstens ein Stück auf ihr – die Ringstraße. Sie ist fast komplett asphaltiert und 1340 Kilometer lang. Die Einheimischen nennen sie Hringvegur oder þjóðvegur 1 (Nationalstraße 1). Sollte nicht gerade einer der gefürchteten Gletscherläufe Teile der Straße weggespült haben, kann man so einmal um die Insel strampeln. An der Ringstraße liegen zahlreiche Attraktionen wie Wasserfälle, Thermalfelder und mit dem Vatnajökull-Nationalpark eine Kulisse, die häufig in Filmen zu sehen ist. Immer wieder zweigen rechts und links Pisten ab. Eine Raftingtour? Einen Vulkan besteigen? Oder besser Tiere beobachten? Hier geht alles!
Von Stykkisholmur nach Blönduos – 730 km Eine Woche steuern wir die Küste Islands entlang und nähern uns nun dem Höhepunkt der Tour, der uns seit über 400 Kilometern antreibt: Vestfirðir – die Westfjorde. Eine 14 Kilometer schmale Landenge verbindet den Nordwesten Islands mit dem Rest der Insel. Das von Meeresarmen durchzogene Bergland ist dünn besiedelt. Weniger als 7400 Menschen trotzen den Elementen der See. Vorbei an abgelegenen Farmen strampeln wir weiter. Rechts die dunklen Basaltberge, links das Meer. Nach 40 Kilometern dreht die Straße in Richtung Berge ab und wir erklimmen den ersten Pass der Reise. Um uns wird es still. Einzig das Murmeln der klaren Bäche ist zu hören. Das Wasser stürzt durch kleine Canyons, springt über Steine, umspült Flechten und Moose. Oben auf der Passhöhe halten sich hartnäckig die letzten Schneereste. Die Piste kippt ab, die Räder rollen los und kommen erst wieder an einem Schiffswrack zum Stehen. Es ist der Trawler Garðar aus dem Jahr 1912. Hier zweigt eine Stichstraße zum Vogelfelsen Látrabjarg ab. Vor uns bauen sich nochmals zwei kräftezehrende Hügel auf, die die verbliebene Energie aus den Beinen saugen. Dann ist es geschafft, man steht am Kap Bjargtangar; 65° 30‘ 16‘‘ Nord, 24° 32‘ 2‘‘ West. Nur die Azoren liegen in Europa westlicher. Die Steilküste, an der sich Island mit dem Atlantik auf dramatische Weise vereint, nennt man Látrabjarg. Hier geht es nur zu Fuß weiter. Man spaziert die bis zu 440 Meter hohe und 14 Kilometer lange Steilküste entlang und hält ehrfürchtig inne. Unten krachen hohe Brecher an die Felsen – Stunde um Stunde, Monat für Monat, seit Jahrmillionen. Bis an die Gestade von Grönland nichts als Wasser, Wellen, Wind. Und Vögel. Papageitaucher tänzeln vor der Kameralinse. Darunter brüten Tausende Tordalken, Eissturmvögel, Dreizehenmöwen, Lummen. Es ist ein Kommen und Gehen, ein Geflatter und Geschnatter, ein großes Spektakel!
Die Fahrt durch die Westfjorde ist intensiv, das Höhenprofil sieht aus wie ein HerzEKG, es geht steil hinauf, steil herunter, dazwischen kurze Verschnaufpausen. Dort folgt man einem Fjordufer. Die Halbinsel der Westfjorde hat eine Fläche von 9409 Quadratkilometer und umfasst 30 Prozent der Küstenline von ganz Island. Im Süden gibt es eine schmale Landenge, die einzige Verbindung mit dem Rest der Insel. Gegenüber, im Nordwesten, liegt die Dänemarkstraße, im Nordosten die Grönlandsee. Es kam schon vor, dass sich Eisbären hierher verirrten. Der Wasserfall Dynjandi ist einer der Höhepunkte der Region. Bereits von Weitem hören wir sein tiefes Donnern. Am Ende eines Seitenarms des großen Arnarfjörður stürzt der Dynjandi-Fluss über eine Basaltkante und bildet einen atemberaubenden Wasserfall mit einer Höhe von 100 Metern, der sich im unteren Teil bis zu 60 Meter breit auffächert. Die Siedlungen auf unserem Weg heißen Patreksfjörður, þingeyri und Isafjörður. Letzterer ist der Hauptort der Westfjorde. Hier widmet man dem einträglichsten Wirtschaftszweig, dem Fischfang, ein Museum. Die Anlage öffnet sich zum Eisfjord hin. Ein gutmütig dreinblickender »Seebär« mit Rauschebart führt durch die grasüberwucherten Fischerhütten. In einem der Häuser hängen getrocknete Fische von der Decke herab. Es riecht streng. »Eishai«, erklärt er freudig. Das Leben der isländischen Fischer war bis ins 19. Jahrhundert mühsam. In den Wintermonaten brachen fast täglich in aller Früh Nussschalen mit sieben Mann Besatzung auf. Die Seeleute mussten drei bis vier Stunden zu den reichen Fischgründen hinausrudern, bevor sie die Seile mit den Ködern auslegen konnten. Dann begann die Zeit des Wartens, der Kampf gegen die eisige Kälte. Nach Stunden holten sie die Netze ein, ruderten zurück. Am späten Abend trafen sie in ihrer Siedlung ein. Erst als der Fang eingesalzt sowie aufgehängt und das Boot an Land gezogen war, konnte man zum Abendessen gehen. Ein hartes Los. Auf den nächsten Etappen erklimmen wir kurvenreiche Passstraßen, campen in abgelegenen Fjorden und sind begeistert von der rauen Schönheit Islands. Am Ende des Hrútafjörður hat uns die Ringstraße wieder. Auf dem Asphalt rollen die Räder leicht ins 80 Kilometer entfernte Blönduós, einem 900-Seelen-Ort an der Nordküste.
Die Besiedelung Islands
Zu welchem Zeitpunkt Island besiedelt wurde, kann man heute nicht genau sagen. Als Erster erwähnte im 4. Jahrhundert v. Chr. Pytheas von Marseille die Insel Thule in einem Reisebericht. Er stieß bei einer Entdeckungsreise »sechs Tagesfahrten nördlich von Britannien« auf Land. Lange war es still, dann verschlug es vermutlich irische Mönche auf die Insel. Auf den vorgelagerten Westmännerinseln legte man Grundmauern aus dem 7. Jahrhundert frei. Diese könnten von Wikingern stammen. Ihre eigentliche Besiedelung fand jedoch später statt und füllt die Seiten des Landnahmebuchs. Es listet 400 Siedler aus Skandinavien auf, die Island zwischen 870 und 930 als neue Heimat wählten.
Von Blönduos nach Keflavík – 360 km In Blönduos beginnt ein neuer Abschnitt: die Kjölur-Hochlandpiste. Sie steht für 160 Kilometer Einsamkeit. Wer hier radelt, sollte ein Zelt dabeihaben und viel Proviant. Oben, in der endlos weiten Steinwüste, ist man alleine mit dem schneidenden Wind und dem wechselhaften Wetter. Wer Glück hat und einen sonnigen Tag erwischt, sieht in der Ferne den Langjökull. Er ist mit ca. 925 Quadratkilometern der zweitgrößte Gletscher Islands.
Der Gullfoss ist der nächste Höhepunkt der Reise. Schäumend donnert der Gletscherfluss Hivta über zwei breite Stufen in einen felsigen, bis zu 70 Meter tiefen Canyon. Das Dröhnen wird mit jedem Schritt bedrohlicher, die Wasserschleier mystischer. Eine Frau hatte eine besondere Beziehung zu dem Wasserfall – Sigríður Tómasdóttir. Sie lebte auf dem nahe gelegenen Hof Brattholt. Als Anfang des 20. Jahrhunderts eine britische Firma den Gullfoss kaufen wollte, um einen Staudamm samt Kraftwerk zu errichten, drohte Sigríður Tómasdóttir, sich in die Fluten zu stürzen. Die Umweltschützerin hatte Erfolg, der Staat kaufte das Gebiet, das heute zum »Goldenen Ring« gehört, einer beliebten Touristenstrecke. Ein noch beeindruckenderes Werk als den »Goldenen Wasserfall« hat die Natur mit dem geothermalen Gebiet Haukadalur geschaffen. Der Liebling der Fotografen ist der Geysir Strokkur. Man blickt auf ein großes, fast kreisrundes Loch, das in den malerischsten Blautönen leuchtet. Dann ein kurzes Blubbern. Eine Wassersäule bäumt sich auf. Explosionsartig schießt der Strahl in die Höhe, bis zu 30 Meter – einfach atemberaubend. Mit diesem Spektakel endet ein weiterer Tag unserer Reise auf der Insel der Kontraste.
Die dritte Attraktion des »Goldenen Rings« ist das 50 Kilometer entfernte þingvellir. Den Ort kennt in Island jedes Kind. Denn hier gibt es nicht nur einen Nationalpark, sondern auch den geschichtlich bedeutendsten Punkt der Nation. Ab dem Jahr 930, also gegen Ende der Landnahme, versammelten sich die Siedler jedes Mal im Juni an diesem Ort, um die Versammlung Althing abzuhalten. Hier sprach man Recht und traf andere wichtige Entscheidungen, so beschloss anno 1000 die Versammlung die Annahme des Christentums. Am 17. Juni 1944 rief man in þingvellir die Republik Island aus. Heutige Besucher staunen zudem über den Grabenbruch (Nordatlantischer Rücken). Denn hier sieht man hautnah das Auseinanderdriften der amerikanischen und eurasischen Kontinentalplatten. Ein wahrlich mystischer Flecken Erde, das fand auch die UNESCO und verlieh 2004 den Titel als Weltkulturerbe.
Die Sommersonne scheint am nördlichen Polarkreis rund um die Uhr. 24 Stunden lang. Immer! Sie ist wie eine Vitaminspritze, die Radler vorantreibt. Auch weiter südlich wirken die Tage endlos, das Licht ist weich, die Wege nahezu leer. Besonders ist der Kystriksveien. Wer ihm gen Norden folgt, schaut rechts auf die Berge und links über das Meer.
Charakter
Die sehr ruhige, komplett asphaltierte Naturroute orientiert sich am Küstenverlauf und überwindet zwischen den Meeresarmen einige niedrige Bergrücken. Innerorts und in Siedlungsnähe gibt es oft Radwege.
Wegmarkierung
Diese Radtour ist Teil der Landesroute Nr. 1 und mit roten Schildern markiert.
Bett & Bike
Im kostenlosen Kystriksveien-Reisehandbuch sind auch Unterkünfte aufgelistet, einige für Radler. Die Regionalfluggesellschaft Wideroe bietet ein »fly and bike«-Programm an. Dabei kann man Fahrräder am Flughafen abholen; aktuell in Namsos, Rorvik, Brønnøysund, Sandessjoen und Bodo (www.wideroe.no).
E-Bike
Verleih von E-Bikes und Fahrrädern über www.kystriksveien.no.
An- und Rückreise
Zum Startort Brønnøysund und vom Reiseziel Bodø per Flug via Oslo. Anreise mit der Fähre ab Kiel (www.colorline.de), DK-Frederikshavn (www.stenaline.de) oder Kopenhagen (www.dfdsseaways.de), dazu zahlreiche Fährverbindungen unterwegs (www.kystriksveien.no)). Zurück nach Brønnøysund mit der Hurtigruten-Linie (www.hurtigruten.de).
Information
Helgeland Reiseliv AS, Ole Tobias Olsens gate 3, N-8602 Mo i Rana, Tel. +47/75/018000, www.visithelgeland.com; www.kystriksveien.no; Innovation Norway, Caffamacherreihe 5, 20355 Hamburg, Tel. 040/2294150, www.visitnorway.de; www.nordnorge.com; www.cyclingnorway.no; www.nasjonaleturistveger.no
Von Brønnøysund nach Sandnessjøen – 187 km Im Norden Norwegens, dort wo sich das Gebirge zu felsigen Inseln zerfranst, ragt ein lang gestreckter Bergrücken aus der kalten See, der stutzig macht. Fast genau in seiner Mitte klafft ein 35 Meter hohes und etwa 160 Meter langes Loch. Was ist das? Wie in aller Welt ist es entstanden? Die Einheimischen nennen den Berg, der aussieht wie ein Hut, Torghatten. In einer Sage heißt es: »Einst lebten am Vestfjord der König Vagakallen mit seinem Sohn und der Herrscher Sulitjelmakongen, der gleich sieben Töchter hatte. Als sich eines Abends der ungestüme Sohn Vagakallen in die Jungfrau Lekamoya verliebte, entbrannte eine wilde Verfolgungsjagd. Nach einer Weile enteilte Lekamoya dem Prinzen Hestmannen. Verzweifelt schoss dieser einen Pfeil auf sie ab. Der König Somnaberge sah die Szene und warf rasch seinen Hut dazwischen. Er landete zerschossen auf der Insel Torgar. In diesem Moment ging die Sonne auf und alle versteinerten an der Stelle, wo sie gerade standen. Aus dem Hut wurde der Torghatten, die sieben Schwestern bilden eine lang gestreckte Bergkette bei Sandnessjoen, und Lekamoya findet man in den Felsformationen der Insel Leka. Die wissenschaftliche Erklärung ist weniger romantisch. Forscher nehmen an, dass die Brandung der anrollenden See den Berg aushöhlte. Und doch haftet dieser Landschaft Magisches an. Sie beflügelt die Fantasie, schlägt Besucher sofort in den Bann. Vor allem Radfahrer folgen dem Ruf des Nordens an die Helgelandküste. Die Straßen sind leer, die Topografie leicht zu bewältigen und hinter jeder Kurve wartet eine neue Überraschung. Der Kystriksveien (»Küstenstraße«) ist ihre Leitlinie in Richtung Polarkreis. Sie führt über kühn geschwungene Brücken, zu Buchten und versteckt gelegenen Fischerdörfern.
Als Einstieg bietet sich der Flughafen von Brønnøysund an. Die Stadt hat etwa 5000 Einwohner und eine Anlegestelle für die Schiffe der Hurtigruten. Sonst ist hier nicht viel los und das ist gut so. Reisende zieht es vor allem deswegen hierher. Die entspannte Radtour durch den Schärengarten bringt uns nach sechs Kilometern mit einer Delikatesse in Berührung, die in Norwegen auf eine jahrtausendealte Tradition zurückblicken kann: dem Lachs. Bereits die Wikinger holten den nahrhaften Speisefisch aus den Wogen des Nordatlantiks. Heutzutage sind die Bestände des Atlantischen Lachses überfischt und das Geschäft mit den Fischfarmen floriert. Touristen können sich im Norsk Havbrukssenter in Toft über die Aufzucht informieren. Wenige Minuten sind es zum Fähranleger in Horn. Dort kann man weiterhin dem Küstenweg folgen oder auf die Insel Vega übersetzen. Letzteres sollte man sich nicht entgehen lassen.
An der Helgelandküste liegen rund 14 000 Inseln im Europäischen Nordmeer. Vega ist eine der größten und zählt seit 2004 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Hier betreten Reisende das Reich der Eiderenten. Seit 1000 Jahren profitieren die Bewohner von den Zugvögeln. Alljährlich im März errichten sie zum Schutz vor Räubern Nistplätze unter Steinwällen und in Holzkästen. Nachdem die Eiderenten weitergezogen sind, erntet man die hochwertigen Daunen und exportiert sie ins europäische Ausland. In der Siedlung Nes ist den Tieren mit dem E-huset ein Museum gewidmet. Die Ausstellung mit einer breit gefächerten Sammlung residiert in einem dottergelb angestrichenen Haus. Die Holzwände versprühen eine heimelige Atmosphäre und sind mit Fotogalerien und Schautafeln ausgeschmückt. Davor können Besucher Exponate des Insellebens studieren. Wenige Schritte weiter kann man in einem Rorbu – einer ehemaligen Fischerhütte – Quartier für die Nacht beziehen. Aber was bedeutet das knapp unterhalb des Polarkreises? Mitte Juni gehen die Tage nahtlos ineinander über. Kurz vor 24 Uhr wandert der rote Sonnenball Richtung Horizont. Die Strahlen haben an Kraft verloren und modellieren die Konturen der Berge. Eine wohltuende Stille erfasst die Insel. Im Naturhafen stehen kleine Fischerboote neben bunten Holzhäusern kopf und fügen sich mit der archaischen Szenerie ringsum zu einem prächtigen Gemälde zusammen. Alles leuchtet! Zurück auf dem Festland, vertrauen wir uns der Straße Fv. 17 an. Hinter diesem schlichten Namen verbirgt sich eine der beeindruckenden Panoramastraßen des Kontinents. 18 Landschaftsrouten ziehen sich durch das Königreich; von der Barentssee bis zur Nordsee. Am Kystriksveien hat man an besonders schönen Plätzen Aussichtspunkte und Rastplätze eingerichtet. Die Straße verbindet die Städte Steinkjer und Bodø. Aufgrund der zahlreichen Fähren gibt es kaum Verkehr. Die Topografie der Strecke ist zudem für norwegische Verhältnisse äußerst radfahrerfreundlich.
Das Reich der Mitternachtssonne
Nachts Rad fahren? Klingt nicht schlecht. Nördlich des Polarkreises wird dieser Traum wahr. Der Grund ist, dass die Erdachse um aktuell 23,43 Grad geneigt ist. So spricht man im Zeitraum der Sonnenwenden vom Polartag. In Bodø, dem nördlichsten Punkt dieser Tour, scheint die Sonne vom 4.6. bis 8.7. Fotografen und Romantiker haben es in Nordnorwegen leicht, denn die Küste öffnet sich Richtung Nordwesten. Also wandert der rote Sonnenball um Mitternacht am Horizont entlang. Ein Schauspiel, für das man spät zu Bett geht. Das Licht ist weich, die Wege nahezu leer. Lohnende Radtouren in Nordnorwegen gibt es zudem auf den Inseln der Lofoten, der Vesteralen und auf Senja.
Also weiter, in Richtung Norden. Die Anmut der Landschaft zieht einen von Stunde zu Stunde mehr in ihren Bann. Rechter Hand ragen über 1000 Meter hohe Berge in den Himmel. An den Flanken donnern Wasserfälle zu Tal, um sich wenig später in den nächsten Fjord zu ergießen. Auch kulturell ist am Wegesrand einiges geboten: Man kann im Dorf Forvik die älteste Handelsstation Nordnorwegens mitsamt der nördlichsten Kaffeerösterei der Welt besuchen und in Alstahaug per Audioguide das Petter Dass Museum kennenlernen. Die Sammlung befindet sich in einem futuristischen, nach den Plänen des renommierten Architekturbüros Snohetta AS errichteten Bauwerk. Besonders eindrucksvoll ist das moderne Panoramafenster. So eröffnet sich, während man in das Leben des Dichterpriesters eintaucht, ein Blick hinaus auf die Bucht. Gewiss fand Petter Dass hier Inspiration. Auf zwei Ebenen veranschaulichen Vitrinen und Schautafeln sein Leben und Wirken. Dazu gibt es eine Diashow. Nebenan laden die Kirche von Alstahaug und der alte Bauernhof zu einer Zeitreise ein. Immer wieder lohnt es sich, die Hauptroute zu verlassen.
So setzen wir mit der Fähre zur vorgelagerten Insel Heroy über und stehen nach wenigen Minuten vor der Bygdesamling. Die Ausstellung ist Teil des Helgeland-Museums. Der Zusammenschluss von 17 Stationen verteilt sich auf die gesamte Inselwelt. Das Freilichtmuseum besteht aus sechs historischen Gebäuden, in denen man mehr als 8000 Exponate aufbewahrt. Der Sommer an der Küste ist ideal zur Tierbeobachtung. Am Himmel kreisen Seeadler. In den Fjorden erspäht man mit ein bisschen Glück die Fluke eines Schweinswals und die Wälder sind die Heimat von Hirschen und Elchen. Wo die Bäume enden, beginnt die Stadt Sandnessjøen, die sich am Fuß der Bergkette »der sieben Schwestern« ausbreitet. Im Zentrum erinnert ein nachgebildetes Langhaus aus der Wikingerzeit an die einstige Bedeutung des alten Handelsplatzes.
Von Sandnessjøen nach Ørnes – 82 km Haben Sie Lust auf einen unvergesslichen Ausflug? Wie wäre es mit einer ruhigen Insel, weit draußen im Nordmeer? Lovund ist so ein Sehnsuchtsziel. Das vom Golfstrom umspülte Eiland besteht aus dem 623 Meter hohen Berg Lovundfjellet und einem 450-Einwohner-Dorf. Die Menschen leben von der Fischzucht und den Sommertouristen. In der Siedlung gibt es ein Museum, eine Kirche, einen Supermarkt und ringsum sieben markierte Wanderwege. Was man hier macht? Die Seele baumeln lassen, die Papageitaucherkolonie fotografieren und die traumhaften Sonnenuntergänge auskosten. Wer nicht genug bekommt von Stille und Magie der See, kann gleich die Nachbarinsel Træna ansteuern. Das Schnellboot bringt einen zurück auf das Festland. Am Fähranleger Stokkvagen drehen wir den Lenker erneut gen Norden. Bis zur nächsten Schiffspassage sind es 25 Kilometer. Es ist eine besondere Fahrt. Vor dem Bug taucht eine metallene Weltkugel auf. Wir überschreiten bei 66° 33’ 44“ nördlicher Breite eine magische Linie – den Polarkreis. Hier beginnt das Reich der Mitternachtssonne!
Von Ørnes nach Bodø – 122 km Anschließend läuft der Kystriksveien zur Höchstform auf. Jede Hügelkuppe und jede Kurve verwöhnt mit frischen Eindrücken. Mal rastet man an einem der makellos weißen Sandstrände, dann wieder fotografiert man die bunten Holzhäuser einer Siedlung. Die nächstgrößere ist Ørnes mit 1600 Einwohnern. Es gibt einen Anleger für die Schiffe der Hurtigruten und in der Nähe den zweitgrößten Gletscher des Königreichs – den Svartisen. Er liegt im Saltfjellet-Svartisen-Nationalpark. Das Schutzgebiet ist riesig; in seine 2100 Quadratkilometer passt fast ganz Luxemburg hinein. Es ist ein Traum für jeden Naturfreund – und eine gute Gelegenheit, um Elche und Rentiere zu beobachten. Selbst wenn sich keine Tiere zeigen, lohnt der Blick in die Landschaft, denn hier wachsen Alaska-Rhododendron und Weiße Silberwurz. Aber der Hauptgrund hierher zu reisen, ist der Svartisen-Gletscher. Warum also nicht das Rad abstellen und mit einem Boot über den Fjord schippern? Vom anderen Ufer führt ein vier Kilometer langer Weg zur Gletscherzunge. In der Sommersaison werden täglich geführte Wanderungen auf dem Eis angeboten. Danach muss man kehrtmachen, denn der 7624 Meter lange Svartistunnel ist für Radfahrer gesperrt. Doch das ist kein Problem. Das ruhige Sträßchen mit der Nummer 452 bleibt an der Küste, und da gibt es immer etwas zu sehen.
Der Gezeitenstrom Saltstraumen ist der nächste Höhepunkt, der einem den Atem nimmt. Wenige Stunden im Sattel, dann hat man Bodø erreicht. Ein Besuchermagnet in der Hauptstadt der Provinz Nordland ist das Norwegische Luftfahrtmuseum. In ihm kann man Raritäten wie ein Lockheed U-2-Aufklärungsflugzeug und eine Junkers Ju 52 bestaunen. Weitere Attraktionen sind die Domkirche (1956), die Bodinkirche (1240), das Nordlandmuseum in einem der ältesten Häuser (1903) des Ortes und das Freilichtmuseum Bodøsjøen. Wer sich einen Überblick auf die Stadt der Seeadler verschaffen möchte, erklimmt auf dem Fahrweg das Ronvikfjellet. Dort heißt es Abschied nehmen. Abschied von der Mitternachtssonne, den Bergen, den freundlichen Menschen. Schließlich steigen Reisende mit der Überzeugung vom Fahrrad, eine der malerischsten Küstenlandschaften Europas kennengelernt zu haben.
Das Meer gleicht einem Fluss
Am Saltstraumen scheint das Wasser zu kochen. Abgeriegelt von einer Felsenbarriere, zwängt sich das Wasser der einsetzenden Flut durch zwei winzige Öffnungen. Sie verbinden den Skjerstadfjord mit dem großen Saltenfjord. Mit einer Austauschmenge von 400 Millionen Kubikmetern Wasser bildet das berauschende Naturschauspiel den stärksten Gezeitenstrom der Welt. Pro Sekunde jagen 3000 Kubikmeter Wasser mit bis zu 20 Knoten über die Fjordschwelle. Hier und da entstehen gewaltige, weiß schäumende Strudel. Am Ufer reiht sich ein Angler an den nächsten. Sie ziehen vor allem Kabeljau, Steinbeißer und Heilbutt aus dem Saltstraumen.
Die Alpen haben viele mit dem Fahrrad bezwungen. Doch wer hat sich schon an den Passstraßen im hohen Norden versucht? Naturfans zieht es nach Fjordnorwegen. Dort wechseln die Panoramen im Stundentakt. Die Tage sind lang und am Ende der Reise möchte man am liebsten für immer dableiben. Aber Vorsicht – das Wetter kann launisch sein.
Charakter
Der meist abwärts führende Rallarvegen verläuft auf teils holperigen Schotterpisten. Die Strecke durch Fjordnorwegen nutzt gut ausgebaute Straßen. Die drei Pässe sind lang, aber nicht allzu steil. Bis auf die Abfahrt hinunter zum Geirangerfjord gibt es kaum Verkehr.
Wegmarkierung
Die Route ist teils mit den roten Schildern der nationalen Routen 4 und 6 markiert, dazu helfen die GPS-Daten dieses Buches.
E-Bike
E-Bikes sind nützlich, aber schwer vor Ort auszuleihen, eigenes mitnehmen.
An- und Rückreise
Per Flugzeug nach Oslo oder mit der Fähre ab Kiel (www.colorline.de) und Frederikshavn (www.stenaline.de). Von hier aus mit der Bergenbahn bis Geilo (www.nsb.no, Fahrradtransport). Die Züge transportieren Fahrräder. Ab dem Ziel Åndalsnes mit der Raumabahn nach Oslo zurück. Ålesund hat einen eigenen Flughafen. Fjordüberquerungen: Fodnes – Mannheller: mehrmals täglich (www.fjord1.no); Solvorn – Urnes: mehrmals täglich (www.lustrabaatane.no); Geiranger – Hellesylt: Mai bis September mehrmals täglich (www.fjord1.no); Øye – Ålesund: Ausflugsschiff 62 NORD AS-Hjørundfjords, Tel. +47/70/114430, www.62.no)
Information
Innovation Norway, Caffamacherreihe 5, 20355 Hamburg, Tel. 040/2294150, www.visitnorway.de; Fjord Norge AS, Torggaten 3, N-5014 Bergen, www.fjordnorway.com; www.cyclingnorway.no; www.nasjonaleturistveger.no
Von Haugastøl nach Lærdal – 159 km Wenn Norweger eine Radtour empfehlen, fällt stets der Name »Rallarvegen«. Die rund 80 Kilometer lange Strecke nutzt einen alten Transportweg, den Tausende Wanderarbeiter – sogenannte »rallare« – zum Ausbau der Bergenbahn anlegten. Vierzehn Jahre lang rackerten sie bis zur Fertigstellung im Jahr 1909. Nebenbei schufen sie eine der spektakulärsten Fahrradstrecken Europas. Die Reise beginnt am Rande der Hardangervidda, der mit über 8000 Quadratkilometern größten Hochebene Europas. Hinter dem Bahnhof Finse ist der Weg geschottert, mal liegt er unter kleinen Schneefeldern verborgen. Von einem Moment auf den anderen brechen die Berge jäh ab, die Räder schießen das wildromantische Flåmdalen hinunter. Kurve folgt auf Kurve – insgesamt zwanzig Spitzkehren. 1200 Meter tiefer greift man am Ufer des Aurlandsfjords zur Bremse und gibt den Norwegern recht: eine Wahnsinnstour!
Das zweite Teilstück führt den Aurlandsvegen (auch Snøvegen) empor, eine mit 1300 Höhenmetern gespickte Passstraße. Der 47 Kilometer lange »Schneeweg« ist eine von 18 norwegischen Landschaftsrouten. Sie ziehen sich vom Skagerrak bis zum Europäischen Nordmeer durch das gesamte Königreich. Radler fotografieren den tiefblauen Aurlandsfjord, tasten sich ans Ende des hölzernen Aussichtspunkts Stegastein, der wie eine Skisprungschanze 30 Meter über den Fjord hinausragt, und stoppen nach dem Pass die Räder im Zentrum von Lærdal.
Von Lærdal nach Lom – 139 km Lærdal ist ein charmanter Ort mit blumengeschmückten Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Einen Steinwurf entfernt spiegeln sich steil abfallende Felswände in einem Seitenarm des Sognefjords. Die Einheimischen nennen ihn stolz »König der Fjorde«. Seinen Titel trägt er zu Recht, denn die Urgewalten der eiszeitlichen Gletscher lieferten mit ihm ein Glanzstück ab. Sie schabten kraftvoll in das Gestein, hobelten Trogtäler aus und bügelten die Hänge ab. Heute greifen die zergliederten Meeresarme der Nordsee weit ins Skandinavische Gebirge hinein – am Sognefjord 204 Kilometer. Wir schieben die Fahrräder über die Rampe, lösen die Tickets und schauen zu, wie der Bug gen Nordwesten pflügt. Steuerbord voraus zieht sich die malerisch in der Amla-Bucht gelegene Siedlung Kaupanger einen Hang hinauf. In der Nähe des Schiffsanlegers spitzt der Turm der Kaupanger Stavkyrkje (»Stabkirche«) aus einem offenen Laubwäldchen hervor. Durch einen hölzernen Anbau gelangen Besucher in das dezent von kleinen Fenstern beleuchtete Kirchenschiff. Die Augen mustern den Raum. Sie treffen auf zwei Säulenreihen, die wie ein kerzengerade gewachsener Fjordwald den Blick nach oben lenken. Gut 800 Jahre, ein stattliches Alter! Nebenan spaziert man durch das Volkskundemuseum.
Dann führt uns der Weg ins 23 Kilometer entfernte Etappenziel. Den Anfang macht die Kurvenabfahrt Richtung Sogndal, gefolgt von einer Rollpassage längs des Barsnesfjords.
Schließlich kommen die Häuser der Gemeinde Solvorn in Sicht. An der Ostseite des Lustrafjords breitet sich das Dorf Urnes aus. Hier spazieren Reisende zur ältesten Stabkirche Norwegens. Die UNESCO verlieh ihr 1979 den Titel Weltkulturerbe. Nach der Besichtigung nähern wir uns dem Nationalpark Jotunheimen. Der Fjord liegt keine fünf Kilometer zurück, da erinnert schon nichts mehr ans Meereswasser. Soeben waren da Fischer- und Ruderboote, jetzt sprießen zu beiden Seiten üppige Sommerwiesen. Soeben zerriss das Geschrei der Möwen die Stille, jetzt geben die Wohlklänge der Schafsglocken den Rhythmus der langsam kreisenden Beine vor. Auf der Straße 55 klettern wir auf kühn angelegten Kehren bergwärts. In 1000 Metern Höhe lassen wir die Baumgrenze hinter uns. Das Asphaltband erreicht eine Hochfläche, die von Moosteppichen und Flechten durchzogen ist. Hoch oben kommt man sich vor wie in der Arktis. Dann zeigt eine unscheinbare Markierung die Passhöhe auf 1434 Metern an. Nochmals 1000 Meter darüber ragen die mächtigsten Gipfel Skandinaviens auf: Galdhøpiggen (2469 m) und Glittertind (2472 m), die Stars des Nationalparks Jotunheimen. An ihren Flanken schicken weißgraue Gletscher gewundene Bäche auf die Reise. Daneben erstreckt sich ein Geflecht aus Seen, Schneefeldern und Findlingen. Mittendrin bietet sich die Krossbu Mountain Lodge als Unterkunft an.
Von Lom nach Ålesund – 125 km