WO LIEGT SKANDINAVIEN?
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Skandinavien ist in erster Linie eine geografische Bezeichnung und bezieht sich auf die skandinavische Halbinsel. Es umfasst die Länder Schweden, Norwegen und Dänemark – was nicht auf der Halbinsel liegt –, Finnland zählt jedoch nicht dazu, auch wenn das Land an Schweden und Norwegen grenzt. Ist die Verwirrung schon komplett?
Die meisten Skandinavier würden Finnland durchaus zu Skandinavien zählen, wenngleich die Finnen sich selbst nicht immer dazurechnen. Einige schon, aber eben nicht alle. Das führt manchmal zu unangenehmen Situationen, in denen betretenes Schweigen eintritt und alle auf den Boden blicken und sich krampfhaft fragen, über was man sprechen könnte. Dann erinnern wir uns daran, dass die Finnen Eishockey, Saunagänge und den Eurovision Song Contest genauso lieben wie wir, und schon sind wir wieder beste Freunde. Was interessiert es uns, wie andere uns nennen? Offiziell jedoch zählt Finnland zu den nordischen Ländern und nicht zu Skandinavien.
Wenn man über die nordischen Länder (als Kulturgemeinschaft) und den Nordischen Rat (ein geopolitischer Interessenverbund, der 1952 gegründet wurde, um die Zusammenarbeit zwischen den führenden nordischen Ländern zu fördern) spricht, dann meint man Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland, Island, die Färöer, Grönland und die Ålandinseln. Hier sind wir vereint – auch wenn wir geografisch nicht eng zusammenliegen. Dieses Buch über Skandinavien richtet den Blick auf Schweden, Norwegen und Dänemark.
Geografisch gesehen setzt sich Skandinavien aus drei Flächen zusammen. Eigentlich aus zwei großen Gebieten (Schweden und Norwegen) und einem winzigen Gebiet (Dänemark). Mit einer Landmasse, die dreimal größer ist als die gesamte Fläche Großbritanniens, sind wir kulturell verschieden und in der Länge getrennt – vor allem, wenn man bedenkt, dass hier nur 19 Millionen Menschen leben. Die Landschaft im Norden Norwegens hat genauso viel Ähnlichkeit mit dem Süden Dänemarks wie Schottland mit Portugal; die Distanzen sind wirklich enorm.
Dennoch einen uns ähnliche Sprachen, das Vermächtnis der Wikinger, die nordische Mythologie und die Zeiten, in denen wir gekämpft, Länder getauscht, wieder gekämpft und uns zusammengerauft haben, bis wir schließlich zu einem der progressivsten und glücklichsten Orte der Erde wurden. Das raue Klima, dem wir ausgesetzt sind, schweißt uns zusammen – inmitten des Schnees, der Dunkelheit, des fantastischen Lichts und der grünen Natur. Wir sind so unterschiedlich und doch wieder so ähnlich, dass die Grenzen zwischen den Nationen verwischen. Dieses Buch möchte kleine trennende Unterschiede auflösen und das große Ganze zeigen, das uns stolz macht, Skandinavier zu sein.
Außenstehende Nationen nehmen die skandinavischen Länder meist als eine große einheitliche Fläche wahr. Sie sehen Norwegen, Schweden und Dänemark überhaupt nicht – sondern nur Fjorde, Schnee, blonde Menschen und Fleischbällchen, mit etwas ABBA mittendrin. Für die Welt da draußen ist „Skandinavien“ eine Marke, die uns eint, sobald wir unsere heimatlichen Gestade verlassen und in die Welt hinausgehen.
Wenn du Skandinavier fragst, wie sie sich selbst sehen, wirst du – garantiert – niemals die Antwort „skandinavisch“ hören. Weder in Dänemark noch in Schweden oder Norwegen wird sich jemand in erster Linie als Skandinavier fühlen. Nur weil es eine geografische Bezeichnung ist, bedeutet dies nicht, dass dadurch eine gemeinsame Nation definiert wird. Menschen in England können sich zwar als Briten oder Engländer begreifen, aber ein Däne wird immer ein Däne bleiben, sofern es nicht gerade um eine geografische Bestimmung geht – in dem Fall kann er skandinavisch sein. Oder nordisch, wenn es um den Nordischen Rat geht. Ein Skandinavier wird sich niemals in erster Linie als Skandinavier fühlen und es fällt uns unheimlich schwer zu verstehen, warum die Welt da draußen das nicht verstehen will.
Seit Jahrhunderten haben wir Seite an Seite gelebt und gemeinsam viel durchgemacht. Es hat Kriege gegeben, viele Kriege. Es gab Zeiten des Friedens und der Ruhe und Zeiten, in denen wir Teile unserer Länder notgedrungen einander überließen. Im Laufe der Zeit haben sich unter uns Nachbarn ein liebevolles Miteinander und ein tiefes gegenseitiges Verständnis entwickelt. Diese Beziehung basiert auf Vertrauen, Respekt und einem gegenseitigen kulturellen Einvernehmen – trotz unserer massiven Landmasse zeigen unsere Kulturen viele Gemeinsamkeiten (sowohl kulturell als auch linguistisch) und so werden wir von Außenstehenden als eine große Nation wahrgenommen. Doch trotz dieser Nähe sind wir auch weit voneinander entfernt und nehmen uns selbst als unterschiedlicher wahr, als Außenstehende es tun.
Beim Blick von außen überwiegen meist die Stereotypen: blonde Männer und Frauen, Gleichheit, Natur, Schnee, Seen und Fjorde, Fahrräder, mutige Wikinger. Der Sozialstaat regiert, bis zum Rand gefüllt mit Zimtschnecken und schönen Menschen. Manchmal noch ergänzt um einen Hauch von Nacktheit. Und natürlich dürfen ABBA, das DJ-Trio Swedish House Mafia, nordische Melancholie und Strickpullover-Mode nicht fehlen.
Dänen halten sich selbst für recht locker – keine staatlichen Alkoholläden, die Freiheit, schon morgens um sieben trinken zu dürfen. Die Norweger sehen sie als entspanntes Volk – die Dänen haben Zeit für alles, keinen Stress, während die Schweden finden, dass die Dänen sich in Sachen Alkohol und Ähnlichem nicht beherrschen können. Schweden weiß, dass Dänemark unter dem „kleinen Bruder“-Syndrom leidet, da es das kleinste der drei Länder ist, und verteilt darum ausreichend Streicheleinheiten.
Sowohl Schweden als auch Norweger tun sich schwer damit, die Dänen zu verstehen, da es sich bei ihnen immer so anhört, als hätten sie beim Sprechen eine heiße Kartoffel im Mund.
Norweger finden Dänen supercool; die Kontinentaleuropäer unter ihnen. Groß, modisch und immer in Schwarz gekleidet. Norwegen lacht darüber, dass der höchste „Berg“ in Dänemark 147 Meter hoch ist. Norweger mögen Dänen, da man mit ihnen gut auskommt. Das liegt vermutlich auch darin begründet, dass sie nicht genau wissen, was die Dänen sagen (wegen der heißen Kartoffel und des ständigen Alkoholrausches), und somit einfach nur lächeln und nicken. Es ist alles unheimlich hyggeligt.
Die Dänen sehen sich selbst als Vorfahren der Wikinger, die früheren Herrscher über Skandinavien und die wahren Besitzer von Schonen (dem unteren Teil Schwedens). Dänemarks Meinung zählt, da können die Schweden und Norweger sagen, was sie wollen: Dänemark fühlt sich im Recht und verteidigt es notfalls lautstark. Dänemark weiß, dass es nicht wirklich viel erfunden hat (die Dänische Dogge ebenso wenig wie das dänische Plundergebäck). Daher ist es nicht immer schön, als Däne im Schatten derer zu stehen, die Berge, majestätische Fjorde und coole Erfindungen (wie den Käseschneider, Tetra Pak oder Dynamit) ihr Eigen nennen.
Norwegen ist das schönste der drei Länder – und der Natur am engsten verbunden. Obwohl Norwegen und Dänemark viele, viele Jahre vereint waren, spricht heute niemand mehr davon. Dänen sehen in den Norwegern nur eine blondere, reichere Ausgabe ihrer selbst (aber mit teurerem Alkohol und Bergen).
Die Schweden haben einen etwas anderen Blick auf Norwegen. Norweger haben diese träge Art, da sie durch ihr Öl so reich geworden sind (viele junge Schweden gehen nach Norwegen, um in Cafés für 20 Euro die Stunde zu arbeiten). Und die Norweger interessieren sich mehr für die Natur als für schlichte und coole Kleidung. Schweden glauben, dass Norweger selbstbewusst und naturverbunden sind. Insgeheim wünschen sich die Norweger, ein bisschen wie die Schweden zu sein, mit ihrem billigen Essen und dem süßen Akzent.
Norweger muss man wegen ihrer fröhlichen und lustigen Art einfach mögen – ihr Akzent macht gute Laune, selbst wenn sie ärgerlich sind (eine Betonung nach oben am Satzende ist hilfreich).
Schweden ist das technikaffinste, zukunftsorientierteste und am stärksten unternehmerisch denkende der drei Länder. Der geschäftstüchtige große Bruder, immer gut organisiert. Die Schweden zeigen in ihrem Land ein hohes Maß an Selbstbeherrschung und sowohl Dänemark als auch Norwegen loben die Ordnung und die Einhaltung der Regeln. Die Schweden gehen dabei mit gutem Beispiel voran, und zwar so ausgeprägt, dass die Norweger sie manchmal für ein bisschen hochnäsig halten. In Norwegen gibt es einen Begriff für die Schweden: söta bror – was so viel bedeutet wie „süßer Bruder“. Niemand in Schweden kennt ihn, und die Norweger sind erstaunt, dass weder die Schweden noch die Dänen einen ähnlich netten Begriff für sie haben.
Die Dänen akzeptieren die Selbstgerechtigkeit der Schweden, denn sie wissen nur allzu gut, dass die Schweden sich um den Verstand trinken, sobald sie nur einen Fuß auf dänischen Boden setzen, und von den Dänen direkt wieder mit dem „Boot der Schande“ nach Schweden zurückgeschickt werden. In Dänemark gibt es zahlreiche Witze über die Schweden, zum Beispiel: „Ich werde dir ein Lied über die schönen Dinge in Schweden singen“ (und man wird dir ein Instrumentalstück vorspielen).
Schweden sehen sich selbst als die Hüter des Rechts schlechthin. Wenn eine Vorschrift möglich ist, dann wird sie erlassen. Es gibt Vorschriften fürs Anstehen, für Steuern, fürs Einkaufen und noch viel mehr. Vorschriften schaffen Ordnung und Schweden lieben Ordnung.
Aber ganz tief drinnen sind wir wirklich alle gleich …
Wenn man selbst nicht innerhalb der dänischen Grenzen geboren und aufgewachsen ist, hilft dieser Spickzettel, wirklich allen Stereotypen zu entsprechen und wie ein Däne zu leben.
1. Trag viel Schwarz. Von Kopf bis Fuß. Es unterstreicht dein (manchmal) blondes Haar. Dazu gehört unbedingt ein riesiges Halstuch – natürlich auch schwarz.
2. Sprich mit eingezogenem Atem, wenn du ja sagst – ausgesprochen „jä“.
3. Iss belegte Brote. Es sollte dunkles Roggenbrot sein. Und zwar jeden Tag. Belegte Brote werden nicht zusammengeklappt. Auf Käsebrote kommt noch ein Klecks Erdbeerkonfitüre.
4. Mittagessen gibt es um 11 Uhr.
5. Fühl dich in allen Hygge-Fragen überlegen. Du kennst dich aus. Du kennst dich wirklich aus.
6. Wenn dich jemand fragt, wie es dir geht, dann antwortest du ausführlich. Sehr ausführlich.
7. Du bist verärgert, wenn Leute dich fragen: „Bist du Niederländer?“ „Nein, Däne. Wir sind nicht mal Nachbarn. Was fällt dir ein? Meerjungfrauen und Lego kontra Windmühlen und Holzschuhe?“
8. Du hast einen ganz peinlichen Humor und lachst über nordische Witze wie „Weißt du, wie man einen Schweden vor dem Ertrinken rettet? Nein? Prima!“ Hahaha … Du musst dich über Schweden lustig machen. Und über Norweger. Und Isländer. Und Deutsche.
9. Du isst keine schwedischen Fleischbällchen. Denn sie sind typisch SCHWEDISCH. In Dänemark isst du DÄNISCHE Fleischbällchen: Sie sind größer und besser und heißen frikadeller.
10. Iss zu allem Remoulade. Das passt zu allem – von Pommes über Rindfleisch bis hin zu Fisch. Z.U. A.L.L.E.M.
11. Sei höflich, ohne Bitte zu sagen. Da wir kein passendes Wort für „bitte“ haben, sollte man es immer vermeiden.
12. Nå – verwende dieses Wort mit seinen unzähligen Bedeutungen, je nachdem, wie es ausgesprochen wird:
• Nå (kurz gesprochen) = überrascht
• Nå-nå (zweimal kurz gesprochen, am Ende Betonung nach unten) = Ist das so?
• Nå-nå (nicht betont) = entspann dich, bitte, beruhige dich
• Nåaaaaaaaa = ohhh, so ist das also …
• Nåååh (lachend) = Wie süß!
• Nå ja! = Oh, ja, natürlich!
• Nååh = Habe ich vergessen.
• Nå?! = Du hast recht.
1. Mehr Kaffee. Auch wenn du denkst, dass du schon genug Kaffee trinkst. Verdoppele die Menge. Am besten nimmst du starken Filterkaffee.
2. Frühstück: zwei Scheiben Knäckebrot, ein oder zwei gekochte Eier, ein klein wenig Kabeljaurogen zu den Eiern. Trink ein Glas Milch. Und noch mehr Kaffee.
3. Kleide dich modisch schick. Als schwedischer Mann bevorzugst du eng geschnittene Hosen, die deine langen schwedischen Beine unterstreichen. Haare zurückgegelt oder lang getragen, helles Hemd, spitze Schuhe.
4. Sag allen, wenn du aufs Klo musst. Das ist ganz wichtig. Selbst auf einer Vorstandssitzung? Klar, steh auf und verkünde „Jag måsta kissa“ (Ich muss mal pinkeln). Verlass den Raum, ohne dass es dir peinlich ist.
5. Jedes Mal, wenn irgendjemand irgendetwas über irgendetwas sagt, sagst du: „In Schweden haben wir das auch, nur besser.“
6. Bereite ein echtes schwedisches Abendessen zu: köttbullar och snabbmakaroner (Fleischbällchen und Schnellkochnudeln).
7. Plane deine Waschzeiten. Das ist typisch schwedisch. Wenn du nämlich in Schweden in einer Wohnung lebst, musst du dir meist die Waschküche mit anderen im Haus teilen. Richtig schwedisch wirst du, wenn du das auch im eigenen Haus durchziehst – schreib eine Notiz und klebe sie auf deine Waschmaschine.
8. Leg mindestens zweimal am Tag eine fika ein. Mach eine Pause und hol dir einen Kaffee. Iss eine Zimtschnecke. Unterhalte dich mit anderen, die das Gleiche machen.
9. Alles, was du fortan tust, muss unter dem Gesichtspunkt von lagom (Seite 144) beurteilt werden – nicht zu viel, nicht zu wenig. Alles in Maßen (außer Kaffee).
10. Richte deine Wohnung oder deinen privaten Raum schwedisch ein: leere Wände, klare Linien und eine effiziente Ausstattung. Füge dem Ganzen einen Hauch von IKEA hinzu. Und Kerzen und viele, viele Leuchten.
11. Es ist Freitagabend. Bleib zu Hause und mach dir einen gemütlichen Freitagabend, fredagsmys. Dazu gehört unbedingt eine große Tüte Dill-Chips, die du in eine große Schüssel schüttest. Bereite ein paar Dips zu. Vergiss nicht, jeden Chip vorher in den Dip zu tauchen.
12. An Bushaltestellen hältst du einen Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern zwischen dir und dem nächststehenden Fremden. Unterhalte dich auf keinen Fall, nicht mal übers Wetter.
13. Bleib fit. Für zwei Zimtschnecken am Tag muss man schon etwas tun. Also beginne mit einer oder allen der folgenden Aktivitäten: Skifahren, Skilanglauf, Wandern, Bergwandern, Nordic Walking, Dog Walking …
1. Geh jedes Wochenende wandern (ut på tur, wörtlich übersetzt: draußen auf Tour), möglichst in den Bergen.
2. Nimm immer und überall ein matpakke (Lunchpaket) mit.
3. Jedes Wochenende und die ganzen Ferien verbringst du in einer hytte (Hütte). Egal, welche Hütte. Ein Gartenhaus kann als Ersatz gelten. Das nennt sich hyttetur (Hüttentour).
4. In der Stadt, etwa auf Bürgersteigen, in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Geschäften, vermeidest du den direkten Augenkontakt mit deinen Mitbürgern. Doch denke daran, jeden mit „hei hei“ (hallo) zu grüßen, dem du beim Wandern begegnest.
5. Im Sommer machst du zwei Wochen Urlaub im Syden (Süden). Südskandinavien zählt nicht – es muss schon irgendwo südlich von Deutschland sein.
6. Iss mindestens einmal in der Woche warme Waffeln mit braunem Ziegenkäse. Wenn du Waffeln irgendwann nicht mehr sehen kannst, iss stattdessen Tiefkühlpizza Grandiosa oder einen Hotdog im Kartoffelpfannkuchen.
7. Wenn du über irgendein Thema sprichst, dann achte darauf, möglichst oft „ikke sant“ zu sagen. Je nach Betonung hat ikke sant ganz verschiedene Bedeutungen, meist im Sinne von „Ja, ich stimme dir vollkommen zu“, doch diese Zustimmung kann variieren:
• Ikke sant = Ja, ich stimme zu
• Ikke sant? = Stimmst du zu?
• Ikke Sant! = JA
• Ikke SANT? = Du machst Witze
• Ikke sant = Ja, ich stimme zu
• Ikke sant?! = Ja, und?!
8. Feiere jeden Tag deine Flagge, aber vor allem am 17. Mai. Das ist Norwegens Nationalfeiertag. An diesem Tag kaufst du sieben Flaggen für deine Sammlung.
9. Norweger werden mit Skiern an den Füßen geboren. Das ist zwar unbequem für die Mütter, aber sehr nützlich, wenn die Kinder irgendwann stehen und die schneebedeckten Berge hinabfahren können. Wenn du nicht Ski fährst, brauchst du gar nicht erst nach Norwegen zu ziehen.
10. Schweden wird niemals in irgendetwas besser sein als Norwegen. Vielleicht nur bei den Preisen (du solltest das jedoch nie in der Öffentlichkeit ansprechen). Wenn ein Schwede einen Norweger beim Skifahren schlägt, liegt das nur an der smørekrise, der „Wachskrise“ (die Art, wie die Skier vorbereitet sind). Es hat überhaupt nichts mit den Sportlern selbst zu tun.
11. Du solltest mindestens eine allværsjakke (Allwetterjacke) besitzen. Vorzugsweise in einer leuchtenden Farbe.
Norwegen hat eine Reihe von Norwegenfreunden, auch bekannt als Norgesvenner. Das ist im Allgemeinen ein Ausländer, der Norwegen liebt. Um ein Norwegenfreund zu werden, musst du das Land mehrmals besucht haben, gut über Norwegen sprechen und zumindest einmal angemerkt haben, dass du gern eines Tages dort leben möchtest, so ungefähr.
Der inoffizielle – aber sehr prestigeträchtige – Titel eines Norgesvenn wird oft ausländischen Politikern, Künstlern, Schriftstellern, Sängern und anderen berühmten Leuten verliehen, die Norwegen besuchen oder eine persönliche Beziehung zum Land haben. Wenn man einmal diesen Titel führt, ist es schwierig, ihn abzulegen – und Norwegen wird einen immer willkommen heißen und auch dann noch für dich da sein, wenn andere dich längst vergessen haben. Bekannte Beispiele sind Linda Evans aus der amerikanischen Fernsehserie Dallas, Bruce Springsteen und Roald Dahl (als Sohn norwegischer Eltern war er ein Norgesvenn). Bonnie Tyler, Smokie und Leroy aus Fame wurden ebenfalls als Norwegenfreunde ausgezeichnet.
Es gibt keine festgesetzten Regeln, wie man zum Norwegenfreund wird, aber es beginnt immer mit einer innigen Liebe zu Norwegen. Alle Ausländer, die Norwegen lieben, sind in gewissem Sinne ebenfalls Norgesvenner – aber natürlich zählen sie nicht alle zum Klub der berühmten Norgesvenner.
Es war im Jahr 1943, als ein 17-jähriger schwedischer Unternehmer namens Ingvar Kamprad IKEA gründete. Seitdem ist IKEA zur weltgrößten Einrichtungskette mit 123.000 Beschäftigten in 25 Ländern aufgestiegen, mit einem Jahresumsatz von 21,5 Milliarden Euro. IKEA ist verantwortlich für unzählige Streitigkeiten, Scheidungen und angeblich auch dafür, dass zehn Prozent aller Europäer in einem IKEA-Bett gezeugt wurden.
Der Name IKEA steht für Ingvar Kamprads Initialen, für den Anfangsbuchstaben des Bauernhofs, auf dem er aufwuchs (Elmtaryd), und für den Anfangsbuchstaben seiner Heimatstadt Agunnaryd.
IKEA ist in der ganzen Welt berühmt für seine Selbstbaumöbel. Man fährt zu einem Laden, der praktischerweise genau am anderen Ende der Stadt in einem verlassenen Industriegebiet liegt, geht hinein, schaut sich kurz um und lädt dann die Teile ein, die man braucht, fährt wieder nach Hause und baut sie selbst zusammen.
Anfangs gab es keine Selbstbaumöbel bei IKEA. Sie wurden erst von einem der ersten Mitarbeiter, Gillis Lundgren, erfunden, als er versuchte, einen Tisch in den Kofferraum zu laden, und dazu die Tischbeine abschrauben musste. Gillis ist auch der Mann hinter dem Entwurf des Billy-Regals – du hast sicherlich schon mehrere davon bei dir zu Hause –, dem wohl beliebtesten IKEA-Produkt, von dem alle zehn Sekunden eines verkauft wird.
Schweden überall auf der Welt fühlen sich überlegen, wenn von IKEA die Rede ist, denn sie sind die Einzigen, die die Produktnamen verstehen. Sie werden sich nicht verkneifen können, „Frykantig“ korrekt auszusprechen oder „Flärdfull“ richtig zu betonen. Vor einigen Jahren untersuchte eine dänische Zeitung die Produktnamen von IKEA und behauptete, dass die Schweden einige Produkte, auf die man tritt, wie Türmatten oder Teppiche, absichtlich nach dänischen Orten benannt hätten. IKEA wies diese Behauptung natürlich sofort zurück, führt jedoch nach wie vor die Öresund-Toilettensitze (Öresund ist die Meerenge zwischen Dänemark und Schweden). Finnland bekommt die rustikalen Tische, Norwegen die eleganten Schlafzimmereinrichtungen und Dänemark … Teppiche und Toilettensitze eben.
IKEA-Läden sind riesig. Wenn du einen Laden betrittst, findest du dich in einem Labyrinth aus wunderschön dekorierten Minizimmern wieder, die aussehen wie das perfekte Heim, ordentlich, sauber und aufgeräumt. Auf dem Boden sind Pfeile, die dir den Weg weisen. Das Labyrinth ist so geplant, dass du möglichst viele „Die will ich“-Produkte siehst. Du kannst sie hier ohne Einkaufswagen noch nicht mitnehmen, aber wenn du ein Produkt schon zweimal gesehen hast, bist du eher geneigt, es beim dritten Mal einzupacken – das ist die einfache Einkaufsphilosophie.
Statt nun aktiv einzukaufen, schreibst du die spezielle Nummer mit einem KOSTENLOSEN Bleistift auf und hast gleichzeitig noch ein KOSTENLOSES Maßband in der Hand. Du kannst so viele Produkte notieren, wie du willst – jetzt kostet es noch nichts.
IKEA erkannte recht schnell, dass Anfahrt und Aufenthalt im Laden lange dauerten und die Kunden wieder gingen, sobald sie Hunger bekamen, so entstand die IKEA-Cafeteria. Hier kannst du Fleischbällchen essen und dir als Dessert Kuchen mit merkwürdigen Namen gönnen.
Dann geht’s mit der Rolltreppe nach unten in die große Warenhalle. Hier füllst du deinen Vorrat an Kerzen wieder auf. Skandinavier, die im Ausland leben, gehen manchmal nur wegen der Kerzen zu IKEA. In der Warenhalle findest du außerdem Bilderrahmen, Töpfe und Käsehobel. Es hängt dort eine Nahaufnahme von Händen, die Preiselbeeren pflücken. Und du kaufst für zehn Euro ein Essservice für sechs Personen, nur damit du noch eines „in Reserve“ hast.
Nun wird es wirklich knifflig: Du musst die richtigen Teile für deine Einrichtung einpacken – und zwar alle Nummern, die du in Halle 1 aufgeschrieben hast, von denen du aber gar nicht mehr genau weißt, warum sie auf dem Papier stehen, aber für solche Überlegungen ist es nun ZU SPÄT. In diesem Bereich entdeckst du häufig über dir die kreisenden Geier. Und hier entscheiden sich Paare oftmals, sich zu trennen oder ihre Kinder zurückzulassen.
Dann stellst du dich an der Kasse an. Wie die Schweden reihst du dich in eine ordentliche Schlange ein. Du kaufst drei blaue IKEA-Tragetaschen (ideal für die Wäsche) und stellst fest, dass du 692 Euro für irgendwelchen KREMPEL und ein Bücherregal ausgegeben hast. Du verlierst jeden Lebenswillen. Wie willst du den ganzen Kram bloß nach Hause transportieren? Du kannst nicht mit dem Bus fahren! Es passt nicht alles ins Auto! Mit wem willst du fortan zusammenleben, nachdem du deine Verlobte in der Malm-Abteilung sitzen gelassen hast?
Und dann siehst du es – es leuchtet dir aus der Ferne entgegen. Das Neonschild, der Leuchtturm der Hoffnung: der Hotdog für 1 Euro. In froher Erwartung reichst du der Kassiererin deine arg gebeutelte Kreditkarte und läufst mit deinem Einkaufswagen auf das Schild zu …
In Schweden nennt man diesen Hotdog auch tröst korv – Trost-Würstchen. Der 1-Euro- Hotdog macht dich die 692 Euro vergessen, die du dir gar nicht leisten kannst, und lässt dich in dem Glauben, dass du wirklich SCHNÄPPCHEN erworben hast. Du fühlst dich gleich viel besser. In einigen Stunden wird deine Wohnung wundervoll aussehen. Sie ist aufgeräumt und von Kerzen beleuchtet. Und wo hast du noch mal deine Verlobte gelassen?
Das Leben der Norweger kreist um die hytte. Eine hytte ist eine Hütte, zu der die Norweger wandern oder die sie zum Ausgangspunkt ihrer Wanderungen machen, an Wochenenden und in den Ferien. Eine hytte ist aus Holz gebaut, grau oder rot gestrichen und liegt immer im Nirgendwo (was dem Großteil von Norwegen entspricht). Der nächste Laden liegt mindestens eine Stunde entfernt. Hytter rufen in der norwegischen Seele ein Gefühl von koselig (gemütlich) und hyggelig hervor.
Die Innenwände sind mit Holz verkleidet, Möbel, Fußboden und auch möglichst alles andere ist aus Holz, es entsteht ein Gefühl von wirklicher Natur. In einer traditionellen hytte hängen Kupfertöpfe und -pfannen an den Wänden, einige Skier und vielleicht sogar ausgestopfte Tiere. Egal, was du in der hytte auch isst, es wird auf bunt zusammengewürfeltem Geschirr serviert. Einige hytter haben kein fließendes Wasser (das kommt aus dem Fjord, dem Brunnen oder dem Bach in der Nähe, auch wenn du eventuell erst durch das Eis hacken musst, um an das Wasser zu gelangen), andere wiederum haben zumindest kaltes Wasser. Manche haben nur einen Kamin zum Heizen und brauchen ungefähr 16 Stunden, um den Raum vor deiner Ankunft aufzuwärmen (doch dann ist es dort während der restlichen Zeit heiß wie in einer Sauna).
Die Toilette wird utedo genannt und liegt manchmal draußen. Sie hat kein Licht, und wenn du fertig bist, musst du alles mit einigen Holzschnitzeln abdecken, damit die Toilette sauber bleibt. Natürlich haben neuere hytter auch eine Toilette, eine Heizung und alle anderen modernen Annehmlichkeiten. Draußen zu pinkeln gehört zum natürlichen Hytte-Leben einfach dazu und du wirst dich schnell daran gewöhnen. Eins sein mit der Natur …
Hyttehytte