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Das lebendigste Innenstadtviertel – rings um die Plaza de Santa Ana und die Calle Huertas sind Einheimische und Touristen auf der Suche nach marcha (Foto) zur Karte (siehe auch »1) (siehe auch »2)
Ein Garten in der Senkrechten und ein Haus voll gelungener Überraschungen: das Architekturhighlight von Herzog und de Meuron (Foto) zur Karte (siehe auch »)
Einst war der Fluss Manza-nares von Autobahnen eingeschnürt, heute ist er in einen Park voller Leben eingebettet – ein ganz neues Stadtgefühl, ideal mit dem Rad zu entdecken zur Karte (siehe auch »1) (siehe auch »2)
Goya und Velázquez, Dürer und Bosch: Der Prado ist eine der bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt zur Karte (siehe auch »1) (siehe auch »2)
Ideale Ergänzung zum Prado mit alten italienischen und flämischen Meistern und deutschen Expressionisten zur Karte (siehe auch »)
Der Kybele-Brunnen vor dem Postpalast: Madrids heimliches Wahrzeichen zur Karte (siehe auch »)
Madrids harmonischer Hauptplatz zur Karte (siehe auch »1) (siehe auch »2)
Im alten königlichen Park schlägt das wahre Herz Madrids: ein Ort der Straßenkünstler, Liebespaare, Dauerläufer, Kleinfamilien zur Karte
Ein verzaubertes barrio rund um den Königspalast zur Karte (siehe auch »)
Äußere Strenge, innere Pracht – der Königspalast der Bourbonen zur Karte (siehe auch »)
Die großen spanischen Künstler des 20. Jhs.und Picassos weltberühmtes „Guernica“ zur Karte (siehe auch »)
Die Bahnhofshalle von 1891, verwandelt in einen tropischen Palmengarten zur Karte (siehe auch »)
Sonntags auf dem Flohmarkt: stöbern, feilschen, kaufen – und hinterher in die Bar zur Karte (siehe auch »)
Klassisches Nachtvergnügen: nach dem Tanzen churros con chocolate im historischen Café zur Karte (siehe auch »)
Aus dem alten Schlachthof im Süden der Stadt ist eines der spannendsten Kulturzentren Spaniens geworden zur Karte
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Von allen Insider-Tipps finden Sie hier die 15 besten
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Die Plaza Olavide: einer der schönsten Plätze Madrids voller Straßencafés in einem Viertel abseits der Touristenströme
Versteckt zwischen Messe und Flughafen liegt der Park El Capricho de la Alameda de Osuna mit romantischen Ruinen, Wasserspielen und einem Labyrinth
Hinterm Stadtwald Casa de Campo versinkt die Sonne und taucht den Templo de Debod in goldenes Licht. Es gibt keinen schöneren Platz für dieses Schauspiel! (Foto)
Der Komfort des 21. in Mauern des 19. Jhs.: Die Posada del Dragón ist eine der stilvollsten Hoteladressen Madrids
In vielen Klöstern Spaniens werden noch köstliches Gebäck, Marmeladen und andere süße Leckereien zubereitet. Im kleinen, versteckt gelegenen Altstadtladen El Jardín del Convento bekommt man die handgemachten Raritäten. Meistens sind sie schön altmodisch verpackt
Im Museo Reina Sofía (Foto) gibts zeitgenössische Kunst – darunter den 16-Minuten-Film Ein andalusischer Hund von Salvador Dalí und Luis Buñuel, der heute so faszinierend ist wie 1929, als er uraufgeführt wurde
Im 9. Stockwerk des Kaufhauses El Corte Inglés erwartet Sie die Gourmet Experience Gran Vía zum Essen mit unübertroffener Aussicht
Malasaña ist nicht schick, aber angesagt. In der Calle Espíritu Santo kaufen die jungen Madrider auf der Suche nach Ausgefallenem ein
Der Mercado San Antón ist die hippe Alternative zum Mercado de San Miguel. Jede Etage ist anders. Perfekter Ort zum Ausspannen über den Dächern von Chueca: die Chillterrasse
Alles dufte oder was? Das zauberhafte Adhoc Flores ist eine Mischung aus Blumenladen und Boutique
Madrid ist eine der Welthauptstädte der Malerei. Neben den berühmten Pinakotheken gibt es kleine, selbst von den Einheimischen oft übersehene Museen wie das Museo Lázaro Galdiano, die in jeder anderen Stadt eine Sensation wären
Das Ocho y Medio (benannt nach Federico Fellinis Film 8 ½) am Madrider „Walk of Fame“ ist Treffpunkt der Cinephilen der Stadt: Buchladen für Filmliteratur und gemütliches Café
Im Juli und August treten im Rahmen der Veranos de la Villa in den Jardines de Sabatini neben dem Königspalast die größten Flamencokünstler auf
Der Cementerio de San Isidro ist ein historischer Friedhof mit pompösen, zum Teil etwas verfallenen Grabanlagen und immer wieder wunderbaren Ausblicken auf die Stadt
Die Calle de Ponzano voller Bars und Kneipen ist die neue Adresse für Tapas und die Aperitiftour am Wochenende
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Neues entdecken und den Geldbeutel schonen
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Der ehemalige Schlachthof, der Matadero Madrid, ist ein Gewinn. Nicht nur für Künstler, Performer, Designer und andere Kreative, die hier Platz für ihre Ideen haben: Besucher kommen umsonst in den Genuss von Ausstellungen und Aktionen
Das Reina Sofía ist eines der weltbesten Museen für die Kunst des 20. und 21. Jhs. Die wichtigsten Werke hängen im Hauptgebäude am Rand von Lavapiés, doch in zwei schönen Dependancen im Retiro, dem Palacio de Velázquez und dem Palacio de Cristal, können Sie sich Sonderausstellungen ansehen – und der Eintritt ist frei
Madrid wäre nicht Madrid ohne seine Könige. Philipp II. machte das Städtchen 1561 zur spanischen Hauptstadt, Philipp V. ließ 200 Jahre später den modernen Palacio Real bauen, der heute fast ganz den Touristen gehört. Montags bis donnerstags können EU-Bürger ihn die letzten beiden Stunden vor Schließung umsonst besichtigen
Vor der abendlichen marcha noch mal bei einem Bild vorbeischauen, das man schon immer oder immer wieder sehen möchte, das geht im wunderbaren Prado-Museum: Zwischen 18 und 20 (sonntags von 17 bis 19) Uhr ist der Eintritt frei!
Nur nicht neidisch werden: Im Museo Cerralbo erleben Sie, wie ein reicher Marquis im ausgehenden 19. Jh. in Madrid lebte. Sonntags (und samstags zwischen 14 und 15 Uhr) ist der Besuch umsonst
Sofas, Sessel und Loungezonen im neuen Centro Centro an der Plaza de Cibeles werden eifrig genutzt, vor allem, da es Tageszeitungen und WLAN umsonst gibt
Das erleben Sie nur hier
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Wenn es kalt ist oder die Nacht so lang wurde, dass sich am Himmel schon der Morgen zeigt, dann wird es Zeit für chocolate con churros. Am berühmtesten ist die Chocolatería San Ginés zwischen Puerta del Sol und Plaza Mayor. Die dickflüssige, heiße Schokolade wird nicht getrunken: Tunken Sie die churros, frittierte Teigstangen, einfach rein – boah, ist das lecker!
Zur Fiesta de San Isidro ziehen viele Madrider ihr traditionelles Kostüm an. Höhepunkt ist eine Wallfahrt mit Picknick zur Ermita de San Isidro. Das sieht noch immer so aus wie auf Goyas Gemälde „La Pradera de San Isidro“, das im Prado hängt
Man glaubt es erst, wenn man da ist: Mitten in der Nacht staut sich auf der Gran Vía der Verkehr und die Gassen und Straßen des centro sind voller Menschen. Die Madrider zelebrieren mit beneidenswerter Selbstverständlichkeit, dass das Leben immer jetzt ist – z. B.in Open-Air-terrazas wie dem The Passenger
Tränen, Schreie, schmerzverzerrte Gesichter: Flamenco ist für manch einen recht gewöhnungsbedürftig, beinhaltet aber auf jeden Fall die komplette Palette liebestoller Gefühlswelten. Madrid ist eine der Flamencometropolen Spaniens. Überzeugen Sie sich selbst davon in einem echten Kultlokal wie dem Casa Patas oder Las Tablas
Der Rastro, Madrids Flohmarkt, ist eine Institution, ein Ritual, eine Leidenschaft für Vintage, Antiquitäten und uralten Trödel. Ständiger Begleiter: Flamencoklänge und die Bars und Kneipen rund um den Rastro, die spätestens ab 14 Uhr proppenvoll sind
Essen und Ausgehen verbinden sich beim tapeo, bei einer Tapatour, wie sie die Madrider lieben. Unverzichtbare Station: die Cava Baja im Stadtteil La Latina
Aktivitäten, die Laune machen
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Das Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía ist nicht nur der Ort, wo man berühmte Gemälde von Dalí und natürlich Picassos Guernica studieren kann. Die Vielfalt der Moderne, ihre Themen, Utopien und Tyranneien wirbeln durch die Kabinette, dass einem schwindlig wird
Wer einmal den Arbeitsplatz von Cristiano Ronaldo und Toni Kroos kennenlernen will, schließe sich dem geführten Rundgang durchs Bernabéu-Stadion an – die Heimat des Clubs der Clubs: Real Madrid
Das Capitol in der Gran Vía ist Madrids berühmtestes Premierenkino. Der Hauptsaal mit Tribüne atmet noch den Geist der großen Leinwandära von Hollywood und den Fünfzigerjahren
Der Círculo de Bellas Artes hat das wohl schönste Café der Stadt. Unter Deckengemälden und Kristalllüstern macht es nichts, dass die Kellner sich gerne viel Zeit lassen. Irgendwann kann man sich dann auch dem Ausstellungs- und Kulturprogramm des Hauses widmen
Hier ist es trocken, warm und grün, egal, was draußen los ist. Seit vom Bahnhof Atocha der Hochgeschwindigkeitszug Ave nach Sevilla eilt, ist die alte Bahnhofshalle ein üppiger Wintergarten
Mode, Möbel, Kosmetik, Gastronomie und Kinos und alles unter einem Dach: Im Príncipe Pío, dem größten Shoppingcenter der Innenstadt am gleichnamigen Bahnhof, werden aus einer schnell mehrere Stunden
Durchatmen, genießen und verwöhnen lassen
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Nichts gegen den Retiro – doch manchmal gehts dort zu wie auf einem Jahrmarkt. Wer Ruhe sucht, mache sich auf den Weg in den Campo del Moro, den Park zu Füßen des Palacio Real
Eine Zeitreise ins Madrid der Mauren ist der Besuch der arabischen Bäder Hammam Al Andalus. Im Heißwasserbecken unter steinernen Bögen lässt sich der Hauptstadtlärm für anderthalb Stunden vergessen. Einschließlich Massage ist die Entspannung perfekt
Sicher, der Estanque ist nur ein Teich – aber hier geht es ja auch gar nicht um Sport: Rudern im Retiro-Park ist ein urbane Form der Meditation: ein wenig mit den Paddeln plätschern, sich treiben lassen, loslassen ...
Es ist Sommer, es ist heiß und das Hotel oder die Pension hat keinen Pool? Da hilft nur eins: Badesachen packen und ins schönste Freibad der Stadt im Stadtwald Casa de Campo fahren!
Gut, dass es diese Doppeldeckerbusse gibt: Für einen ersten Eindruck von Madrid sind sie ebenso ideal wie für eine Pause vom Pflastertreten zwischendurch. Bleiben Sie einfach eine ganze Runde auf dem Sonnendeck der Busse von Madrid City Tour sitzen!
Über die Baumwipfel des Parque del Oeste und der Casa de Campo schweben seit 1969 die Gondeln des Teleférico, der Drahtseilbahn, die ihre Gäste ins Herz des Madrider Stadtwalds bringt und sie auf der beschaulichen Fahrt mit grandiosen Ausblicken auf den Königspalast und die Sierra de Guadarrama beschenkt
Entdecken Sie Madrid!
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Wer tagsüber durchs Zentrum von Madrid läuft, bekommt unweigerlich das Gefühl, dass die einzelnen Viertel wie kleine Dörfer für sich funktionieren. Jeder kennt jeden, immer wieder fallen freundliche Worte zur Begrüßung. „¿Qué tal, wie gehts?“, „Hab einen schönen Tag!“, „Arbeite nicht zu viel!“ Die Madrider lieben es, den Vormittag mit einem kleinen Frühstück in einer der unzähligen Cafeterias einzuleiten. Für rund 2,50 Euro bekommt man einen café solo oder einen café con leche inklusive Croissant oder Toast mit pürierter Tomate und Olivenöl. Kein Mensch käme auf die Idee, zu Hause zu frühstücken, schneller geht es in der Bar nebenan, bei einem netten Plausch mit den Nachbarn. Stammgäste müssen ihren Kaffee normalerweise gar nicht erst bestellen, sondern bekommen alles automatisch vor die Nase gestellt. Die spanischen Kellner kennen schließlich ihre Kundschaft – und das trifft sogar auf Touristen zu, wenn sie mehr als zwei Mal mit der gleichen Bestellung dasselbe Café aufsuchen. Probieren Sie es aus!
Glauben Sie den Madridern kein Wort: „Die Stadt geht gerade gewaltig den Bach runter!“, sagen sie und schimpfen über den Dreck oder den schlechten Zustand der Straßen. Dabei sehen die Touristen das ganz anders und betonen gern, wie sauber die Stadt sei, oder freuen sich über die gut erhaltenen Hausfassaden. Madrid ist Weltmeister im Fassadenrenovieren. Zugegeben, in den Vierteln abseits des Zentrums wird nicht so viel gefegt, das liegt jedoch auch an den Sparmaßnahmen, die in der Wirtschaftskrise ergriffen wurden. Allerdings hat sich vieles geändert, seit 2015 Manuela Carmena zur Bürgermeisterin gewählt worden ist. Der erstmalige Schwenk nach links in Madrid, seit Spanien eine Demokratie ist, hat viel verändert. Madrids Schuldenberg ist geschrumpft, aber Carmena spart nicht am falschen Ende: Es herrscht mehr soziale Gerechtigkeit und das Stadtbild wurde dennoch poliert, schön zu sehen etwa an der kompletten Fassadensanierung der Plaza Mayor. Aber natürlich gibt es immer noch Motzer, denen der Linkskurs nicht gefällt.
In Wirklichkeit sind die Madrider aber trotzdem fürchterlich stolz auf ihre Stadt, so wie alle Spanier stolz auf ihre Heimatorte sind. Das Leben ist seit der Krise härter geworden in Spanien – wovon Sie als Besucher allerdings nichts mitbekommen. Die Cafés sind voll, die Geschäfte sind voll, die Straßen sind voll. Die Häuser sehen gepflegt aus, die Menschen sowieso. Wenn man bedenkt, dass das Durchschnittseinkommen in Spanien bei 25 000 Euro im Jahr liegt und dabei, auf 14 Monate verteilt, netto rund 1200 Euro pro Monat auf der Hand bleiben, fragt man sich zu Recht, wie kann das sein? Die Madrider lieben das Leben außerhalb ihrer Wohnung, in den Cafés, Tavernen, Restaurants und Bars. Am Ende des Monats ist oft das Konto leer; Sparen ist ein Fremdwort, aber man hat gelebt und das Leben genossen – eine andere Lebenseinstellung, als sie in Nord- und Mitteleuropa vorherrscht.
Die Madrider schimpfen trotzdem. Sie haben aber auch in besseren Zeiten geschimpft, so sind die Hauptstädter in aller Welt: nie zufrieden. Javier Marías, der Schriftsteller und bekannteste Madridnörgler, schrieb einmal, die Stadt sei eine einzige Baustelle und trotzdem merke man nirgends Verbesserungen. Er hatte unrecht. Die Bauwut der 1990er- und frühen 2000er-Jahre hat die Stadt lebenswerter, fußgängerfreundlicher und bunter gemacht. Die ehemals grauen Fassaden erstrahlten, die trüben Altstadtstraßen verwandelten sich in grüne Alleen – Madrid hat sich optisch um 180 Grad gewandelt. Und mit dem Boom kamen Ausländer in die Stadt, vor allem Lateinamerikaner, Rumänen, Chinesen und Marokkaner.
Madrid ist mittlerweile eine kosmopolitische Weltstadt, hat aber sein authentisches spanisches Wesen beibehalten. Und auch wenn viele Immigranten nach Ausbruch der Krise 2008 in ihre Heimat zurückkehrten, weil der Stadt, wie dem ganzen Land, die Arbeit ausgegangen war, blieb Madrid, selbst mitten in der Krise, einer der wirtschaftlichen Motoren des Landes. Dennoch ist Madrid mehr als seine von buntem Leben erfüllte Innenstadt.
Man muss genauer hinschauen, um die Menschen zu sehen, die in Mülltonnen nach Essbarem suchen oder sich vor Kirchen oder dem Roten Kreuz zur Armenspeisung anstellen. Die Not prägt nicht das Bild der Stadt, aber noch ist sie hier und da zu finden: hinter der schön geputzten Fassade, wo beide Eltern arbeitslos geworden sind und mit Kind und Kegel zu den Großeltern ziehen mussten, weil sie die Hypothek nicht mehr bedienen oder die Miete nicht mehr zahlen konnten. Oder wenn Hochschulabgänger Jobs annehmen müssen, für die sie heillos überqualifiziert sind. Aber die Arbeitslosigkeit sinkt und Spanien hat gute wirtschaftliche Prognosen.
Mit 3,2 Mio. Ew. ist Madrid die größte Stadt Spaniens, aber eine mit ländlichen Wurzeln – was vielleicht das Geheimnis hinter dem Zusammenhalt in der Not ist. Es gibt nur wenige alteingesessene Familien in der Stadt, die Bewohner sind Zugezogene oder Kinder von Zugezogenen oder höchstens Enkel von Zugezogenen. Deswegen macht sich auch an jedem Brückenwochenende eine Autokarawane von Madrid in alle Winkel Spaniens auf. Voy al pueblo sagen sie dann, ich fahr aufs Dorf: Gemeint ist das Dorf der Eltern, der Onkel oder Tanten oder Großeltern. Jeder Madrider hat irgendwo in Spanien seine zweite Heimat.
Seit der Habsburgerkönig Philipp II. das unbedeutende kastilische Städtchen 1561 zur Hauptstadt seines Reichs machte, hat Madrid nicht aufgehört, Immigrantenstadt zu sein. Über Jahrhunderte war es vor allem der königliche Hof, der Arbeit versprach. Doch die Lebensbedingungen der meisten Bewohner waren so miserabel, dass mehr Menschen starben, als geboren wurden. Ohne die Zugezogenen aus Galicien, Andalusien, der Extremadura, dem Baskenland oder dem kastilischen Umland hätte Madrid nicht überlebt. Trotzdem wuchs die Stadt sehr langsam. 1910 lebten in Paris fast 3 Mio. und in Berlin gut 2 Mio. Menschen – in Madrid gerade 500 000.
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Der Anschluss an Europa sollte noch Jahrzehnte auf sich warten lassen. Spanien und Madrid erlebten das Drama des Bürgerkriegs 1936–1939 und der anschließenden Diktatur des Generals Francisco Franco. Politisch blieb das Land auf dem Nullpunkt, wirtschaftlich begann es sich erst ab den 1960er-Jahren langsam zu entwickeln. Mit Francos Tod 1975 kam die Befreiung aus fast 40 Jahren Muff und Enge. Madrid erlebte eine Explosion der Lebenslust. „Es war eine unbesonnene, verspielte, kreative Epoche, voller fiebriger Nächte“, sagt Filmregisseur Pedro Almodóvar. Für ein paar Jahre war Madrid die heißeste Stadt der Welt. Die heute 50- bis 60-Jährigen trauern den Tagen dieser Movida Madrileña immer noch hinterher. Doch nicht nur die Lust auf marcha – auf lange, durchtanzte Nächte – hat überlebt, sondern auch der weltoffene Geist. Das Schwulenviertel Chueca ist der Stolz der Stadt, der Día del Orgullo Gay, der „Tag des schwulen Stolzes“, das größte Volksfest Madrids.
Besucher aus dem Rest Spaniens finden die Stadt vor allem groß und laut. Die Größe ist eine Frage der Perspektive, der Lärm ist messbar. Der Autoverkehr ist lästiger als in anderen Städten, weil Madrid extrem dicht bebaut ist und die Straßen vor allem im Zentrum kleinstädtisch schmal sind. Das schlägt sich auch auf die Luftqualität nieder. Die Madrider lassen sich davon nicht schrecken. Sie trinken ihren Kaffee auf den Bürgersteigen der Gran Vía oder den terrazas des Paseo de Recoletos. Das Phänomen der abends und sonntags ausgestorbenen Fußgängerzonen kennt die spanische Hauptstadt nicht: Die Madrider lieben das Leben auf der Straße, zu jeder Zeit (und außerdem haben die meisten Geschäfte lange geöffnet, auch feiertags).
Madrid ist übrigens die höchstgelegene Hauptstadt Europas (wenn man von San Marino und Andorra la Vella absieht), eine Tafel am Sitz der Regionalregierung an der Puerta del Sol zeigt die Meter über Normalnull an: 650,7. Doch ansonsten sehen die Madrider keinen Grund, ihre Stadt für etwas Besonderes zu halten. Sie motzen gern, das gehört hier zum guten Ton. Als die Stadtverwaltung 2014 einen öffentlichen Elektrofahrradverleih auf die Beine stellte, war das zum einen eine Revolution: Radfahrer waren in der spanischen Hauptstadt bis dahin Exoten gewesen und ein bisschen lebensmüde. Zum anderen ging in den ersten Wochen alles schief: überlastete Server, Kartenlesegeräte, die keine Karten lasen, ratlose Gesichter vor den Ausleihstationen. Da sieht man’s ja mal wieder, sagten die Nörgler, in dieser Stadt klappt einfach nichts!
Die Kinderkrankheiten des Systems waren dann doch schnell kuriert. Die Stadt war plötzlich voller Radfahrer und damit wieder ein wenig lebenswerter geworden, allen Widrigkeiten zum Trotz. So schwer die Krise Madrid auch zugesetzt hat, die Stadt hat sich davon nicht unterkriegen lassen. Sie hat ihre Lebenslust bewahrt. Es ist keine ganz sorglose, unbekümmerte Lebenslust, sondern eine, die sagt: Gerade jetzt! Unsere Freude lassen wir uns nicht auch noch nehmen! Und so klettern Madrid und seine Menschen gerade wieder aus dem langen Tal der Krise hervor, noch etwas benommen, aber mit dem festen Vorsatz, dass es ab jetzt nur noch bergauf gehen soll.
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In Madrid gibt es viel Neues zu entdecken. Das Spannendste auf diesen Seiten
Seit sich ein paar Destillerien aus Katalonien (Gin Mare), Galicien (Nordés) oder Jerez (The London No. 1) an neue Geschmacksvarianten wagten, mit natürlichen Aromen experimentierten und nebenbei auch das Design ihrer Flaschen pflegten, ist die Ginwelle auch nach Madrid geschwappt. Um den Überblick zu bewahren, verbringen Freundesgruppen ganze Abende bei der Ginprobe (cata de ginebras). Erste Anlaufadresse: die Casa del Pez (C/ Jesús del Valle 1) in Malasaña.