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Jim Byrd lebt in Shula, einer vergreisten Kleinstadt in den Südstaaten. Er ist Kreditberater, ein absoluter Durchschnittstyp. Bis eines Tages sein Herz stehen bleibt. Er ist tot – wenn auch nur für ein paar Minuten. Das ist allemal Grund zur Beunruhigung. Was Jim aber vor allem beschäftigt, ist, dass er in diesen wenigen Momenten keinerlei Nahtoderfahrung gemacht hat. Er erinnert sich nur an eines: das totale Nichts. So wird ihm ein Gerät, das ihm zur Überwachung seiner Herzaktivität implantiert wird, zur Obsession. Und er kann nicht aufhören sich zu fragen: Was ist es, was uns nach dem Tod erwartet? Die Suche nach Antworten erschüttert seinen Glauben an alles, was ihn umgibt: die Realität selbst.

Doch als Annie, seine alte Highschool-Liebe, wieder in sein Leben tritt, muss Jim sich ganz anderen Herausforderungen stellen. Jenseits hin oder her, wenn er mit Annie zusammen sein will, muss er das Leben im Hier und Jetzt bei den Hörnern packen.

Thomas Pierce legt mit ›Die Leben danach‹ eine berührende Liebesgeschichte und gleichzeitig einen klugen philosophischen Roman vor: ein Buch, das vom Tod handelt und voller Wärme und Humor vom Leben erzählt.

 
autor

© Andrew Owen

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veröffentlichte 2016 mit dem Erzählband ›Hall of Small Mammals‹ sein Debüt und wurde dafür im selben Jahr von der National Book Foundation in die Liste der »5 under 35« aufgenommen. Seine Texte erschienen u. a. in The New Yorker, The Atlantic und dem National Geographic Magazine. Er wuchs in South Carolina auf und lebt mit seiner Familie in Charlottesville, Virginia.

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ist Autor und Übersetzer. Er arbeitete jahrelang als Musikjournalist und ist Mitbegründer des Hamburger Musikclubs Uebel & Gefährlich. 2011 erschien sein Roman ›So was von da‹.

Aus dem Englischen übersetzte er u. a. Texte von Eve Babitz und Bobette Buster.

Thomas Pierce

   

Roman

Aus dem Englischen
von Tino Hanekamp

 

 

FÜR MEINEN FREUND

CHARLES THOMAS

 

Der Hund brennt! Sie reißt die Decke vom Esstisch und rennt ihm hinterher in die Küche. Der Hund knallt gegen die Vitrine, lässt das Porzellan klirren und bricht vor ihren Füßen zusammen, sein Fell vollkommen verbrannt. Ihr armer Hund! Wie um alles in der Welt konnte das geschehen? Ihr kleiner Hund ist tot, und sie kann nur noch um Hilfe schreien.

I

FEHLZÜNDUNG

 

Abgang Herzschlag.

Abgang Atem.

Abgang jede Stimmung, jede Erinnerung.

Abgang du.

Wohin?

Zuerst ihre Stimmen – die der Schwester, des Arztes, meiner Eltern.

»Er ist so aufgedunsen«, hörte ich meine Mutter sagen. »Ist es normal, dass er so aufgedunsen ist?«

Ich war ein Kaninchen, das aus dem schwarzen Loch eines Zauberzylinders gezogen wurde. Der Arzt deutete auf den Fernseher an der gegenüberliegenden Wand und fragte, ob ich wisse, wozu der da sei. Ich hielt das für einen Scherz. Dann fragte er mich nach meinem vollen Namen, und diese Frage machte mir mehr Angst, als sie es wahrscheinlich hätte tun sollen. Ich war Jim Byrd, oder etwa nicht? Wusste er denn nicht, dass ich Jim Byrd war?

Meine Brust tat irrsinnig weh und war voller Blutergüsse. Erst Tage später würde ich mich an meinen Zusammenbruch in dem Parkhaus erinnern, das sich in derselben Straße befand wie mein Büro. Eine klaffende Wunde auf meiner Stirn war bereits genäht worden. Eine der Schwestern, ein Mädchen mit Henna-Tattoos auf den Händen und Handgelenken, erklärte mir, dass der Herr, der mich am Fuße der Treppe zum P2 gefunden hatte, so lange Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt habe, bis die Rettungssanitäter mit ihren Defibrillatoren angekommen waren.

»Ohne ihn«, sagte sie, »wären Sie wahrscheinlich immer noch tot.«

»Tot?«

Die Schwester errötete. Ich begriff, dass die Erwähnung meines Todes ein Ausrutscher gewesen war. Sie machte einen Rückzieher: Es sei kein echter Tod gewesen, eher ein metaphorischer beziehungsweise, besser, ein technischer. Ein Beinahe-Tod.

»Plötzlicher Herzstillstand« lautete die Diagnose. Ich hatte mein Leben lang hin und wieder Ohnmachtsanfälle gehabt, diese Episoden bis dahin aber immer nur für Symptome eines einfachen Kreislaufproblems gehalten. Als Kind hatten mir die Ärzte stets geraten, mehr zu essen, um meinen Blutdruck hoch zu halten, aber die aktuellen Untersuchungen offenbarten nun meine wahre Verfassung, die auf so was wie ein massives elektrisches Problem in meinem Körper hinauslief.

Mein Kardiologe nannte es eine »Fehlzündung«.

»Aber war ich wirklich tot?«

»Klinisch.«

Sterben, erklärte er, sei kein singuläres Ereignis, sondern ein Prozess. Es sei vergleichbar mit einer Welle, die vom Strand wegrollt, und während sich das Wasser zurückzieht, verändert sich die Farbe des Sandes, und was dunkel war, wird hell. Aber selbst dort, wo der Sand trocken erscheint, kann man zuweilen ein paar Zentimeter graben und immer noch Wasser finden. Man stirbt, dann stirbt man weiter und dann noch ein bisschen, bis man schließlich vollkommen tot ist – oder auch nicht, das kommt darauf an.

»Wie lange war ich tot?«, fragte ich.

»Tja, schwer zu sagen. Da Sie keinen Gehirnschaden davongetragen zu haben scheinen, vermutlich nicht mehr als fünf Minuten. Sie hatten großes Glück.«

»Ich habe nichts gesehen«, sagte ich.

»Wie bitte?«

»Während ich tot war. Nichts. Keine Lichter, keine Tunnel, keine Engel. Ich war einfach nur weg. Ich kann mich an nichts erinnern.«

Der Arzt hob die Augenbrauen, sagte aber nichts.

»Was schlussfolgern Sie daraus?«, fragte ich.

»Ich würde da nicht zu viel hineininterpretieren.«

»Zu viel hineininterpretieren?«

»Ich meine, dass ich mir darüber nicht so viele Gedanken machen würde. Sehen Sie’s positiv. Sie sind wieder zurückgekommen. Sie sind erst dreiunddreißig Jahre alt, immer noch ein junger Mann. Mr. Byrd, Sie haben noch eine Menge Leben vor sich.«

Um das gewährleisten zu können, schlug er vor, mir ein Gerät in die Brust einzusetzen, welches dieses elektrische Problem regulieren würde, und kurz darauf wurde ich zu einem der ersten Empfänger eines HeartNet, eines extrem hoch entwickelten implantierbaren Defibrillators, der ein bisschen wie ein kleines Zwiebelnetz aussieht, nur mit engeren Maschen. Das Netz wickelt sich eng ums Herz, presst es zusammen, verschmilzt mit ihm. Am oberen Ende befindet sich ein klein geschrumpfter Kopf – ein Knoten, sein Gehirn. Man hat mir gesagt, dass diese Technik so fortschrittlich sei, dass es sich dabei praktisch um eine künstliche Intelligenz handle. Wenn man es nicht ausschaltet, wird das HeartNet mein Herz so lange schlagen lassen, wie es die Batterien erlauben, also ungefähr zweihundert Jahre lang. Zuweilen hat das Gerät wegen der Langlebigkeit seiner Batterien sogar schon für Verwirrung gesorgt. Es soll Fälle gegeben haben, in denen das HeartNet den Tod eines Körpers nicht registriert hat und unbeeindruckt einfach weiter Blut pumpte. Krankenhäuser waren gezwungen, in ihren Leichenschauhäusern Körper aufzubewahren, deren Herzen noch schlugen.

Mein HeartNet steht im ständigen Austausch mit seinem Hersteller in Sheldrick, Kalifornien, und ich kann die Diagnosen, die es liefert, in Echtzeit auf meinem Handy überwachen. Ich muss nur ein paarmal auf das Display tippen, und schon erscheint dort eine Abbildung meines pumpenden, bebenden Herzens. Der Blutfluss durch die vier Kammern wird in roten und blauen Wellen dargestellt – Ausstoßen und Ansaugen, Schläge pro Minute, elektrokardiografische Diagramme, Echokardiografien, Herzfrequenzanalysen. Es ist alles da, an meinen Fingerspitzen. Wenn man eine bestimmte Option wählt, wird man sogar jedes Mal benachrichtigt, wenn einem das Gerät das Leben gerettet hat – also immer dann, wenn das Herz aufgehört hat, aus eigenem Antrieb richtig zu schlagen.

Das habe ich ungefähr zwei Wochen nach der Operation zum ersten Mal erlebt. Ich war nicht gerannt, hatte keine Gewichte gestemmt, keinen Sex gehabt oder mich sonst irgendwie körperlich betätigt, sondern saß einfach nur auf dem Sofa und sah fern. Als ich den Alarm empfing – ein zartes dreifaches Läuten, wie der Ruf zur Meditation in einem buddhistischen Tempel –, schaltete ich sofort den Fernseher aus und zog mich an.

Ich verschwendete mein Leben!

Ich musste hier raus, raus aus dem Haus – aber wohin? Ich hatte keine Ahnung. Es war ein Freitagabend, ungefähr neun Uhr, und ich musste nirgendwo sein. Ich ging ein paarmal die Straße hoch und runter, dann kehrte ich nach Hause zurück, las drei Seiten in einem Buch über die letzten römischen Kaiser und setzte mich schließlich wieder aufs Sofa vor den Fernseher.

In den Wochen danach quälte mich der Gedanke, dass ich meine Zeit vertat. Ich hatte eine zweite Chance bekommen. Ich musste sie nutzen! Also stieg ich eines Morgens ins Auto und fuhr einfach los, natürlich gen Westen. Vielleicht würde ich bis zum Pazifik fahren, ich war mir nicht sicher. Ich hatte keinen Plan. Als ich die Grenze von North Carolina überquerte und nach Tennessee kam, fühlte ich mich sehr lebendig, aber schon in Kentucky wurde mir die Fahrt monoton und ich verlor das Interesse. Ich verbrachte eine Nacht in einem netten Hotel in Louisville, besuchte die dortige Baseballschläger-Fabrik, trank ein wenig Whiskey und fuhr zurück nach Osten.

Eine Weile danach kaufte ich ein Flugticket und flog nach Irland. Dort trank ich alleine Bier in einem Pub in Cork und hörte recht anständige Musik. Dann flog ich nach München, um einen alten Freund zu besuchen, der sich dort nach dem Studium niedergelassen hatte, und eines Nachts ging ich mit einer seiner Kolleginnen nach Hause, einem deutschen Mädchen, das kaum Englisch sprach. Sie sah meine Narbe, fuhr mit den Fingern zärtlich daran entlang, Sorge und Mitleid im Blick, und machte mir mit Handzeichen und in gebrochenem Englisch klar, dass sie auf mir sitzen würde, damit ich mich nicht überanstrengte. Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich kein Problem mit den Rohren, sondern mit der Elektrik hatte, aber das verkomplizierte die Angelegenheit nur noch weiter. Sie zeigte mir ihre Toilette und hielt ihre Finger hoch: einer oder zwei?

Ein paar Tage später flog ich zurück nach Hause – nach Shula, North Carolina.

* * *

Wir nannten sie »die Weißhaarigen«, die alten Käuze, die in den letzten zwanzig Jahren in Shula eingefallen waren und in unserer Lokalregierung, den Bürgerinitiativen und Ausschüssen die Kontrolle übernommen hatten. Es war, als hätte ein Kongress stattgefunden – eine Versammlung aller alten Menschen der Nation –, auf dem sie Shula einstimmig zu ihrer neuen Heimat gewählt hatten. Man konnte es ihnen nicht wirklich verübeln. Alles in allem war Shula schön, idyllisch, aber belebt, mit einer beeindruckenden Aussicht auf die Blue Ridge Mountains.

Die Weißhaarigen waren zum wirtschaftlichen Rückgrat unserer Stadt geworden. Die Geschäfte in Downtown florierten – die Antikläden, Heimatkunst-Galerien und Sandwich-Shops. Die meisten Restaurants liefen gut, so lange sie nur früh genug aufmachten. Um die Weißhaarigen zu beherbergen, waren weiträumige Gated Communities aus dem Boden geschossen – Anlagen von Eigentumswohnungen und Stadthäusern mit gemeinschaftlichen Shuffleboard-Spielfeldern und Swimmingpools. Und um den mannigfaltigen medizinischen Bedürfnissen und Verfassungen der neuen Bewohner gerecht zu werden, hatten wir sogar ein zweites Krankenhaus geschaffen, ganz zu schweigen von all den Rehabilitationszentren und Privatpraxen.

Aufgrund meiner Tätigkeit als Unternehmenskreditberater hatte ich bei den meisten dieser Veränderungen sozusagen einen Platz in der ersten Reihe. Mein Onkel, ein weich wirkender Mann mit einem leichten britischen Akzent, den er sich in den kaum zwei Jahren seines Studiums in London zugelegt hatte, war ein leitender Angestellter in einer nationalen Bank, und mit seiner Hilfe hatte ich mir nach dem College einen Platz in einem Führungskräfteentwicklungsprogramm ergaunert, in dem vielversprechende neue Angestellte auf Karrieren in den Bereichen Kreditanalyse und Unternehmenskreditvergabe vorbereitet wurden.

Ich war meinem Onkel für seine Hilfe dankbar gewesen, aber er hatte mich damit auch überrascht. Mein Onkel und mein Vater hatten sich nie wirklich nahegestanden. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir ihn im Laufe meiner Kindheit nur zwei Mal bei sich zu Hause in Connecticut besucht – ein Anwesen mit riesigem Pool und Weinkeller. »Mehr Schein als Sein«, pflegte mein Vater über seinen Bruder zu sagen, und ich gestehe, dass mein Onkel stets großen Wert auf seine Erscheinung gelegt hat. Wenn er zum Beispiel eine schicke Urlaubsreise ans Meer plante, konnte man sicher sein, dass er einen Weg finden würde, diesen Leckerbissen in die Unterhaltung zu weben. Trotzdem, als er mir seine Hilfe anbot, nahm ich sie dankbar an. Was kümmerte es mich, dass er sich vielleicht nur einmischte, um sich vor meinem Vater mit seinem Erfolg und seinen Verbindungen aufzuspielen? Ein Vorteil war ein Vorteil. Nachdem ich das Programm abgeschlossen hatte, nahm ich in meiner Heimatstadt einen Job in einer Zweigstelle der Bank an.

Shula war keine wirklich alte Stadt, auch wenn wir die Geschichte und Kultur unserer Heimat mit regelmäßigen Paraden und Fotoausstellungen in der örtlichen Bibliothek feierten. Ein See am Rande der Stadt – heute kaum mehr als ein Abflusstümpel in der Mitte einer verunkrauteten Weide – war einst ein berühmtes Ausflugsziel gewesen. Im Pavillon hatte es Touristenattraktionen gegeben – Wettbewerbe, Tanzveranstaltungen. Es gab einen kleinen Vergnügungspark mit Achterbahnen und Kinderkarussellen. Einst waren die Menschen dort glücklich gewesen. Man sah sie auf alten Fotos in ihren Ganzkörperbadeanzügen und Badehauben. Frauen mit frisierten Hunden im Schoß; Männer mit pomadisierten Haaren auf Wasserskiern.

Ihre strahlenden, sorglosen Gesichter, von denen ihre Stimmen emporzusteigen schienen wie das geräuschlose Läuten zahlloser Glocken – was für Leben hatten sie gelebt? Nun waren sie weg, allesamt, verschwunden im blauen Dunst, der die Stadt umgab.

An manchen Morgen war der Nebel so dicht und undurchdringlich, dass man vergaß, dass sich dahinter der ganze Rest der Welt befand. Andere Städte, Länder, Leben. Die Berge – blau, verschwommen, erdentrückt – waren eher Andeutungen geografischer Strukturen als wirkliche Erhebungen. Sie verharrten stets in weiter Ferne. Man schien sie nie ganz erreichen zu können. Sie hatten keine Schärfe, keine fassbare Grenze, keinen Anfang. Die Landschaft war wild und doch vertraut. Wissenschaftler bestätigten ihr Alter. Wir lebten in den Ruinen von Megakontinenten, auf dahinfließenden Hügeln, abgetragen von Millionen von Jahren an Erosion.

Kruste. Sich überwerfende Wände. Muttergestein. Ich fand es irgendwie tröstlich, im Kontext dieser enormen Geschichte an meine begrenzte Zeit hier auf Erden zu denken.

Es war an einem dieser nebligen Morgen – etwa sechs Monate nach meiner Reise nach Deutschland –, als ich mich im Büro meiner Bank befand und eine Entdeckung machte, die – wahrscheinlich – den Verlauf meines weiteren Lebens änderte. Ich prüfte gerade den Kreditantrag eines Tex-Mex-Restaurants namens Su Casa Siempre. Der angefragte Kredit war relativ bescheiden. Das Restaurant wollte seinen Bewirtungsbereich in den ersten Stock erweitern. Ich saß an meinem Schreibtisch vor einer Tabellenkalkulation der Betriebskosten und raste durch die Zeilen an Ausgaben – Klimaanlagenreparaturen, Catering-Zubehör etc. –, bis ich an einen Posten geriet, der als »Ungezieferbekämpfung« ausgewiesen war, und dort einen ungewöhnlichen Betrag bemerkte:

JANUAR$79
FEBRUAR$79
MÄRZ$79
APRIL$2079

Ungezieferbekämpfungskosten in Höhe von zweitausend Dollar? Dieser Ausschlag im April schien mir unverhältnismäßig – ich war fasziniert. Wahrscheinlich handelte es sich lediglich um einen Tippfehler, aber ich sah die Kakerlaken schon vor mir, wie sie auf den Tellern tanzten, im Herd ihre Eier legten und aus den Abflüssen strömten. Ein gehetzter Hilfskoch sprang ins Bild und schlug mit seinem Bratenwender nach Ratten, die so groß waren wie Waschbären.

Ich rief die Restaurantbesitzerin an, aber da sie nicht ranging, musste ich eine Nachricht hinterlassen: »Bitte rufen Sie mich zurück, sobald es Ihnen möglich ist.«

Draußen im Foyer hörte ich die Kassierer lachend plaudern. Sie nannten sich die »Orakel«, weil einer von ihnen mal einen Stapel Tarotkarten mit zur Arbeit gebracht und an jeden der Schalter eine Karte geklebt hatte.

Narr, Magier, Tod.

Scherze wie diese werden an Arbeitsplätzen wie dem unsrigen nicht so einfach aufgegeben. Wir recycelten sie endlos: um die Zeit totzuschlagen, unangenehmes Schweigen zu vertreiben oder uns als Teil eines Ganzen zu fühlen. Zwei der Orakel waren Damen in den späten Fünfzigern – Susan und Diana. Sie waren sonnengebräunt, hatten kurze, modisch gefärbte Haare und tiefe Dekolletés und stellten stolz die Fotos ihrer Enkelkinder zur Schau, die sie in ihren Kabinen an die Wand zwischen ihnen beiden geklebten hatten. Das dritte Orakel hieß Darryl und war ungefähr so alt wie ich – ein Kiffer mit einem silbernen Stift im Ohr, der sich trotz der Firmenpolitik weigerte, sein Hemd in die Hose zu stecken, und in einem fort Energy-Drinks in sich hineinschüttete.

Unser Foyer war wie das der meisten Banken: ein Raum mit rotem Teppich, grauweißen Wänden und einem Briefkasten für die Überweisungsträger. Ich musste nur zwei oder drei Schritte aus meinem Büro heraustreten, um an den Unterhaltungen der Orakel teilnehmen zu können, was ich jedoch selten tat. Ich hatte das Gefühl, dass sie lieber unter sich bleiben wollten. Sie mochten keine Unterbrechungen von Außenstehenden, und als Außenstehende galten alle, die sich auf der anderen Seite ihres Schalters befanden. Die drei waren eine eingeschworene Clique.

Oft lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück und lauschte ihrem Geplapper. An jenem Morgen erzählte Diana den anderen beiden Auserwählten von einer medizinischen Prozedur, der sich zu unterziehen sie ernsthaft in Erwägung zog. Offenbar hatte sie die Farbe ihrer Augen, die sie als »schlammbraun« bezeichnete, nie wirklich leiden können und dachte nun darüber nach, etwas auszuprobieren, das man »Augentönung« nannte. Für fünftausend Dollar würde ihr ein Arzt einen speziell designten Virus in die Augäpfel injizieren – einen »Boutique-Virus«, was auch immer das war –, der binnen weniger Tage ihre DNS verändern und ihre schlammbraunen Augen in wasserblaue verwandeln würde.

Darryl war begeistert. Er sagte, dass er eine Cousine habe, die genau das gemacht hatte, und ob Diana sich nicht vielleicht mit ihr darüber austauschen wolle? Diana sagte, dass sie sich unbedingt mit Darryls Cousine darüber austauschen wollte. Das erinnerte Darryl an etwas, das er vor Kurzem gesehen hatte, eine neue Art Kondom, das sich grün verfärbte, sobald es eine sexuell übertragbare Krankheit registrierte.

»Wie jetzt?«, fragte Susan, die allzeit freudig die Rolle der altmodischen Schnarchtante übernahm. Sie verstand nicht so recht. Wie funktionierte dieses Kondom? Man stülpte es über und dann wurde es – was? Grün, wenn die andere Person AIDS hatte oder Herpes oder was auch immer?

Ja, bestätigte Darryl, genau, nur dass dir dieses magische Verhütungsmittel auch verriet, ob du diese Krankheiten hast. Es testete beide Partner, simultan, durch den Kontakt mit irgendeinem der zahlreichen abgesonderten Sekrete.

»Halt, warte, stopp«, sagte Susan. »Lass uns da mal einen Moment drüber nachdenken. Damit überhaupt irgendwelche Flüssigkeiten abgesondert werden können, muss es doch erst mal eine Penetration geben. Zuerst muss doch das eine Organ in das andere eindringen. Der sexuelle Akt muss erst mal beginnen, bevor dir das Kondom sagen kann, ob ihr, du oder dein Partner, krank seid, oder etwa nicht? Muss der Penis nicht wenigstens erst mal ein Quäntchen Flüssigkeit ejakulieren?«

Diese Frage blieb unbeantwortet, weil Susan, die Schnarchtante, in schneller Folge die Worte »Penetration«, »Penis« und »ejakulieren« hervorgestoßen hatte, und nun kicherten sie alle über die merkwürdige Wendung ihrer morgendlichen Unterhaltung. Ihr Gerede wirkte auf mich wie leeres Talkshow-Geplänkel. Von meinem Schreibtisch aus konnte ich die drei nicht sehen, stellte mir aber oft vor, dass sie ihre Worte an eine Kamera richteten, während sie auf Drehsesseln um einen Couchtisch saßen.

Als ich eine halbe Stunde später raus ins Foyer trat, sah ich Darryl, wie er o-beinig dastand und seine zu Pistolen geformten Hände an die Hüften hielt. Eine Duellhaltung. Er starrte mit zusammengekniffenen Augen auf einen an der gegenüberliegenden Wand hängenden Kätzchenkalender, bereit, jeden Moment zu ziehen und ein Loch in einen der Felidenköpfe zu ballern. Diana hielt sich ein Lachen unterdrückend die Hand vor den Mund, und Susan schlug heftig die Handflächen zusammen, die Finger steif und abgespreizt, während an ihren sonnengebräunten Handgelenken die Armreifen klirrten. Darryl zog seine Handpistole und feuerte auf die Wand.

»Und dann ist der andere Typ einfach tot umgefallen«, sagte er. »Einfach zusammengebrochen. Sah unglaublich echt aus.«

»Worum geht’s?«, fragte ich.

»Darryl war letzte Woche in Tombstone«, sagte Susan. »Als er in Arizona war, um seine Schwester zu besuchen.«

»Oh«, sagte ich, »dann hast du also eine dieser inszenierten Schießereien am O. K. Corral gesehen?«

»Ja, so ungefähr. Nur waren das keine Schauspieler. Das waren Hologramme der echten historischen Figuren. Wyatt Earp, Doc Holliday und all die anderen. Ich bin mir nur nicht sicher, wie sie das gemacht haben«, sagte Darryl. »Vielleicht haben sie Wyatt Earps Gesicht aus einer Fotografie geschnitten und auf den Körper eines Schauspielers gebastelt. Sah jedenfalls irre aus, nicht wie die lahmen Hologramme, die man sonst so zu sehen kriegt. Ich habe ein Foto, wie meine Schwester versucht, ihn zu umarmen. Er sah so echt aus wie du und ich, ich schwör’s! Die Härchen an seinem Schnurrbart haben sich im Wind bewegt.«

»Wahnsinn«, sagte Susan. »Wenn es so was nur schon gegeben hätte, als wir noch zur Schule gegangen sind! Vielleicht hätte ich dann in Geschichte besser aufgepasst. Stell dir nur mal vor, du sitzt da an deinem Pult und siehst, wie Anne Boleyn vor der ganzen Klasse der Kopf abgeschlagen wird.«

Diana lachte. »Kinder, die sich an öffentlichen Schulen Enthauptungen angucken. Manchmal bist du echt unglaublich, Susan, also wirklich.«

»Na ja, es wäre aber historisch korrekt, und außerdem war das jetzt nur die erste Szene, die mir in den Kopf gekommen ist.« Susan war sichtlich verlegen. »Die würden sich ja auch noch ganz andere Sachen angucken.«

»Wie die Spanische Inquisition?«, fragte Darryl. »Geständnisse auf der Streckbank?«

»All die stöhnenden und sterbenden Männer auf den Schlachtfeldern von Gettysburg?«, fragte ich.

»Wikingerüberfälle«, sagte Diana. »Vergewaltigungen, ermordete Babys.«

»Oh Mann, jetzt hört schon auf«, sagte Susan und lächelte kurz. »Ihr macht euch doch nur über mich lustig.«

Augentönung, holografische Cowboys – in den Monaten nach meiner Operation ergab die Welt immer weniger Sinn für mich, ganz grundsätzlich. Warum wollte der Zahnarzt Löcher in meine Backenzähne bohren und diese Löcher dann mit einer Glasmasse füllen? Wozu gab es Labradoodles? Zuweilen schien es mir, als hätte man mich auf dem falschen Planeten wieder zum Leben erweckt.

Mein Handy klingelte und ich verschwand wieder in meinem Büro, um ranzugehen. Es war Ruth Glazer, die Restaurantbesitzerin, die mich zurückrief. Nach dem Austausch einiger Nettigkeiten fragte ich sie, ob zwischen März und April vergangenen Jahres irgendetwas Ungewöhnliches vorgefallen sei.

»Hm, ungewöhnlich?«, fragte sie. »Rücken Sie mit der Sprache heraus, Jim. Gibt es ein Problem mit meiner Kreditanfrage?«

»Kein Problem, nein, ich glaube nicht. Erlauben Sie mir nur eine Frage.«

Die Restaurantbesitzerin war für ein paar Sekunden still. »Okay.«

»Die Kosten für Ungezieferbekämpfung?«

»Moment«, sagte Ruth Glazer und raschelte mit Papieren. »Okay, so, ja, da sind sie. Letzten April haben wir da ein bisschen mehr als zweitausend ausgegeben. Ist es das, was Sie beunruhigt?«

»Ich würde nicht sagen, dass es mich beunruhigt«, sagte ich, obwohl die Sache anfing, genau das zu tun, zumindest ein bisschen.

»Hören Sie, alle Restaurants müssen sich mit diesem Zeug rumschlagen. Das liegt an der Gegend. Tut mir leid, aber ich kann den Grund für Ihre Besorgnis nicht ganz nachvollziehen.«

Ihr Ton war mir egal. Ich war ihr Kreditberater. Ein Repräsentant der Bank. Ich konnte sie fragen, was ich wollte, solange sich meine Fragen auf die Kreditanfrage bezogen, auf die Investition, die wir in dem vorgeschlagenen Risikounternehmen tätigen würden, was in diesem Fall die Erweiterung des Restaurants in den ersten Stock war, eine räumliche Ergänzung, durch die man den Plänen des Architekten zufolge vierundzwanzig zusätzliche Essensgäste würde bewirten können.

»Hey«, sagte die Besitzerin, »sind Sie noch da?«

»Ich bin noch da.«

»Also?«

»Zweitausend wirken nur wie eine ziemlich große Summe für Ungezieferbekämpfung.«

»So viel ist das gar nicht.«

»Vielleicht nicht im größeren Zusammenhang«, sagte ich, ohne zu wissen, was ich damit meinte. Der größere Zusammenhang wovon? Ich dankte ihr für ihre Zeit – und dafür, dass sie sich für unsere Bank entschieden hatte – und legte auf.

* * *

Su Casa Siempre befand sich in einem hübschen zweistöckigen Haus in einem leicht heruntergekommenen Viertel am Rande von Shulas sogenannter historischer Altstadt. Der Charakter der Stadt veränderte sich mitunter von Straße zu Straße, und hier, in dieser Ecke, hätte man denken können, unsere Stadt befinde sich gerade mitten in einer gewaltigen Hipster-Renaissance. Eingangräder. Ein Bikram-Yoga-Studio. Eine Kletterhalle. Eine Pizzeria in einer alten Tankstelle mit noch funktionstüchtigen, aber stillgelegten Zapfsäulen. Nicht eine, sondern gleich zwei Mikrobrauereien. Das hier war das Epizentrum des Widerstandes gegen die Weißhaarigen, was aber nicht heißt, dass die Weißhaarigen diesen Teil der Stadt nicht besucht hätten – denn das taten sie. Sie fanden ihn charmant, wie alles andere auch. Sie kannten keine Reviergrenzen.

Ich hatte noch nie in der Su Casa Siempre gegessen, war aber bestimmt schon mehr als hundert Mal daran vorbeigefahren. Als ich ankam, saßen die Leute auf der Veranda, die sich um die Vorderseite des Hauses zog. Nach hinten raus lag ein Innenhof mit ruhenden Heizpilzen. Ein Zaun, an dem eine Lichterkette befestigt war, trennte den Innenhof von einer Schottergasse, in der ein großer grüner Müllcontainer stand.

Als ich mich hineinwagte, war der Hauptspeiseraum knallvoll und jeder Tisch mit Essensgästen besetzt. Die Empfangsdame sagte, dass ich eine halbe Stunde warten müsse, es sei denn, ich wolle am Tresen essen. Sie führte mich durch das Restaurant, und ich setzte mich auf einen metallenen Barhocker. Der Barkeeper brachte mir geschwind die Karte und fragte, ob ich etwas trinken wolle. Ich deutete auf die Tafel am Spirituosenregal, auf der Fangaritas stand.

»Einen von denen bitte«, sagte ich.

Ein paar Minuten später kam mein Drink: ein roter Margarita in einem beschämend großen Glas. Während ich an ihm nippte, fiel mir auf, dass ich die Frau, die am Ende des Tresens saß, kannte. Sie trug ein violettes Baumwollkleid mit dünnen Trägern über ihren sommersprossigen Schultern. Ihr Haar, glatt und dunkel, glitt sanft über ihr Gesicht, während sie auf einem Blatt Papier, das zuoberst auf einem Stapel lag, grimmig Notizen machte. Neben dem Papierstapel stand ein Glas Weißwein. Ihr Name war Annie. Wir waren in der Highschool ein paarmal miteinander ausgegangen, hatten seitdem aber keinen Kontakt mehr gehabt. Ich sah ihr ein paar Minuten lang bei der Arbeit zu, bis ich genügend Mut gesammelt hatte, um zu ihr hinüberzugehen und sie auf die Schulter zu tippen.

»Gibt’s ja nicht!«, sagte sie und sprang von ihrem Stuhl.

Wir umarmten uns. Sie roch genau wie damals. Nach Pfefferminz.

Annie war das erste Mädchen gewesen, das sich wirklich für mich interessiert hatte. Ich hatte sie, zumindest flüchtig, seit dem Kindergarten gekannt, aber erst in der neunten Klasse im Biologieunterricht waren mir bestimmte Dinge an ihr aufgefallen – die zarten Sommersprossen um ihre Augen, die man unter ihrem Make-up sehen konnte, der perfekte schmale Spalt zwischen ihren Schneidezähnen, die Pfefferminzwolke, die ihr überallhin folgte.

Immer Pfefferminz. Die Außentasche ihres Rucksacks schien einen endlosen Vorrat an grün verpackten Kaugummis zu enthalten. Sie wickelte jeden der Streifen mit größter Präzision aus der Folie, zog das Papier ab und strich die Folie auf ihrem Pult mit dem Fingernagel glatt, bevor sie den Kaugummi zu ihren leicht geöffneten Lippen führte. Begeistert beobachtete ich, dass sie sich erst das Vergnügen des Kauens gestattete, wenn sie die Folie zu einem kleinen silbernen Akkordeon gefaltet und dieses auf ihr Biologieheft platziert hatte. Diese Performance inszenierte sie im Laufe einer einzigen Unterrichtsstunde zuweilen drei oder vier Mal, was, trotz des im Raum hängenden Formaldehydgeruchs, auf eine kuriose Art erotisch war. Wie nur hatte dieses erstaunliche Mädchen so lange meiner Aufmerksamkeit entgehen können?

Annie war allein im Restaurant und wollte noch ein bisschen Arbeit erledigen, bevor sie zum Feierabend nach Hause ging, aber sie lud mich ein, ein paar Minuten mit ihr am Tresen zu verweilen. Ich erklärte ihr den Grund meines Besuchs, dass dies irgendwie eine verdeckte Ermittlung im Auftrag meines Arbeitgebers war. Das fand sie lustig.

Sie gab mir einen kurzen Abriss der letzten vierzehn Jahre ihres Lebens: ein Abschluss in Theaterwissenschaften am College von Charleston, zwei nicht so gute Jahre, in denen sie übers Telefon medizinische Gerätschaften verkauft hatte, fünf kaum bessere Jahre als Anwaltsgehilfin in einer auf Einwanderungsrecht spezialisierten Kanzlei und dann eine Stelle als Assistentin des Kulturmanagers in einem Theater in Charleston. Sie hatte eine zwölfjährige Tochter namens Fisher, die Annie zufolge »eines der coolsten Mädchen auf dem Planeten« war. Sie waren gerade erst zurück nach Shula gezogen, um näher bei ihren Eltern zu sein, und Annie hatte einen Job als PR-Beauftragte und Interims-Regisseurin in Shulas Theater angenommen.

Ich hatte gerüchteweise von einem Kind gehört, etwas von einer Ehe und auch von einem toten Ehemann. Vielleicht Ertrinken? Auf jeden Fall irgendwas Tragisches und ganz sicher ein Thema, das es zu vermeiden galt.

Ich fragte sie, ob es merkwürdig sei, wieder zurück in Shula zu sein.

»Ein bisschen. Ich habe die Berge vermisst. Die kleinen Spiegel an den Kreuzungen kurviger Straßen. Die kühlen Morgen. Aber es hat sich alles verändert. Wo mal mein liebstes Steakhouse war, ist jetzt ein Drugstore. Und haben sie eigentlich die Straßen umbenannt? Oder neue gemacht? Ich verirre mich die ganze Zeit. Ständig biege ich falsch ab und lande am Hintereingang irgendwelcher Shoppingmalls, die da früher nicht gewesen sind. Irgendwie komme ich nie da an, wo ich eigentlich hinwollte. Meine Eltern finden das witzig. Shula ist nicht gerade eine große Stadt, weißt du? Wahrscheinlich spielt das GPS in meinem Gehirn einfach ein bisschen verrückt. Und du bist also nie weggezogen, hm?«

»Nur fürs College. Chapel Hill.«

»Richtig, das wusste ich.«

Wir schwiegen für einen Moment.

»Hey, ich habe eine Idee«, sagte sie. »Wir brauchen ja nicht so zu tun, als würden wir nichts übereinander wissen. Lass uns ehrlich sein und zugeben, dass wir über die Jahre immer mal wieder geguckt haben, was der andere so macht. Wozu ist das Internet denn sonst da, wenn nicht um in den Leben der Leute rumzuschnüffeln, mit denen man mal ein bisschen gefummelt hat?«

»Okay, einverstanden.«

»Gut. Also, mein Mann ist gestorben.«

»Ja, das zu hören tat mir wirklich sehr leid. Wie lange ist das jetzt her?«

»Sieben Jahre. Fast acht.« Sie verzog das Gesicht. »Und mir tat es leid, von deinem Herzanfall zu erfahren. Übrigens, wie geht es dir?«

Kein Herzanfall, stellte ich klar, sondern ein Herzstillstand. Ein wichtiger Unterschied. An Herzinfarkten starben fette alte Männer, die ihr ganzes Leben lang nur Cheeseburger und frittierte Hühnchen gegessen hatten. Ein Herzstillstand aber kann jeden töten, jederzeit – sogar starke und kerngesunde Männer wie mich.

Ich holte mein Handy hervor und tippte auf den Bildschirm. Die digitale Ansicht meines Herzens erschien. Ich weiß nicht, warum, aber ich fand es beruhigend, es jederzeit anschauen zu können. Manchmal, wenn ich nachts nicht einschlafen konnte, drehte ich die Lautstärke auf und lauschte meinem Herzschlag. Wenn man einen Welpen das erste Mal mit zu sich nach Hause nimmt, soll man ja eine tickende Uhr in sein Körbchen legen, weil das Geräusch den Hund angeblich an den Herzschlag seiner Mutter erinnert und beruhigt. Auf eine Art war ich dieser Welpe. Solange ich mein Herz schlagen hören konnte, war ich noch am Leben. War ich immer noch hier. Und ich glaube, genau das – die Möglichkeit, dass ich jeden Moment nicht mehr hier sein könnte – war der Grund, warum es mir so schwer fiel, einzuschlafen.

Ich drehte die Lautstärke auf, damit Annie über den Lärm des Restaurants hinweg meinen Herzschlag hören konnte. Sie wirkte verwirrt, also hielt ich den Bildschirm über meine Brust, als wäre in meinem Brustkorb ein kleines Fenster.

»Spitzentechnologie«, sagte sie. »Sieht sehr gesund aus.«

»Ja, mir geht’s auch wieder bestens, auch wenn es für etwa vier oder fünf Minuten echt eng gewesen ist. Technisch gesehen war ich kurz ein bisschen tot.«

Sie drückte meinen Arm und ließ ihn wieder los. »Das ist echt merkwürdig, weil …« Sie schien peinlich berührt. »Also, ich gehe hin und wieder zum Gottesdienst in diese neue Kirche. Die Kirche der Suchenden. Hast du davon gehört? Sie ist nicht konfessionsgebunden. Stammt aus L.A., aber sie haben überall Ableger. Die Gemeinde in Shula trifft sich immer in dem alten Freimaurertempel hier in der Stadt. Ein Freund von mir meinte, dass ich es mal probieren sollte. Jede Woche hört man da einen Vortrag von einem anderen Redner – Astronauten, Walt-Whitman-Forscher und Theologen. So was wie TED Talks, aber mit einer Jesus-Schlagseite. Wie auch immer, vor ein paar Wochen hat da eine Frau einen Vortrag gehalten, die gestorben und dann wieder zurückgekommen ist. Sie nannte sich ›Miss Lazarus‹ und erzählte, dass sie Gott getroffen habe und Er wie eine gigantische Sonne sei, nur dass er statt Hitze Liebe ausstrahle. Hübsch, oder?«

»Sehr. Gefällt mir.«

»Also, bist du einer gigantischen Gott-Sonne begegnet? Hast du irgendwelche guten Nachrichten für mich von der anderen Seite? Sind deine toten Großeltern gekommen, um dich am Gate abzuholen?«

»Gott, ich wünschte, so wär’s gewesen. Aber leider kann ich die Existenz eines Himmels nicht bestätigen. Ich habe rein gar nichts gesehen.«

»Nichts?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Tja, das ist beunruhigend.«

»Nicht wahr?« Ich nippte an meinem Drink. »Und danke, dass du das sagst. Die meisten Leute wischen es einfach beiseite, wenn ich ihnen davon erzähle. Sie sagen, dass ich mir keine Sorgen machen solle. Mein Vater denkt, dass es gut für mich war. Ein Weckruf. Er ist seit der sechsten Klasse Atheist, weil er damals ein Buch über den Wärmetod des Universums gelesen hat. Wenn ich aber meiner Mutter von alldem erzähle, schmeißt sie mit Bibelzitaten um sich. Sie sagt, dass wir, wenn wir sterben, alle in eine Art tiefen Schlaf fallen, ein gedankenfreies Koma, und erst dann wieder erwachen, wenn Jesus zurückkommt, um über die Lebenden zu richten –«

»Und die Toten, klar.« Annie nickte. »Aber glaubt sie das auch wirklich?«

»Wenn ihr Pastor ihr sagen würde, dass man nur durch die Einhaltung einer strikten Froschschenkeldiät in den Himmel kommt, würde sie für den Rest ihres Lebens nur noch Froschschenkel essen.«

Annie hob die Augenbrauen. »Und du?«

»Ob ich die Froschschenkel essen würde?«

»Was hast du vor deinem Herzproblem gedacht, was passieren würde, wenn du stirbst?«

Während ich aufwuchs, erklärte ich, war mir immer gesagt worden (vor allem von meiner Mutter), dass uns alle eines der beiden Schicksale erwarte: die Hölle oder der Himmel. Glanz oder Verderben. Der Himmel sei ein funkelnder, glitzernder Ort voller üppiger, geschlechtsneutraler Engel und stürmischer Chöre, die so süße Lieder sängen, dass deine Ohren vor Freude weinten. Die Hölle hingegen sei so ziemlich genau so, wie man es erwarten würde: ewige Folter in der Hand des Teufels. Als Erwachsener war meine Vorstellung dieser beiden Orte natürlich wesentlich weiter entwickelt. Vielleicht war der Himmel das Erlangen der Einigkeit mit Gott. Vielleicht war die Hölle, vom Rest der Mutter Universum abgeschnitten zu sein; ewige Isolation und Finsternis. Aber durch die ersten Stufen des Todes gegangen und zurückgekommen zu sein, ohne auch nur eine Ahnung von dem zu haben, was dahinter lag, hatte, um es milde auszudrücken, meinen Glauben erschüttert.

»Na ja, vielleicht warst du einfach nicht lange genug tot«, sagte Annie. »Du bist nicht weit genug vorgedrungen.«

»Möglich. Ja. Ich weiß es nicht.«

Sie trank einen Schluck von ihrem Wein. »Ich finde übrigens, dass du von jetzt an lügen solltest, wenn dich Leute danach fragen. Sag ihnen einfach, dass auf der anderen Seite alles voller Einhörner und Zuckerwatte war. Betrachte es als einen Akt der Nächstenliebe.«

Sie lächelte; ein Witz.

»Ich glaube, so entstehen neue Religionen.«

»Nun, das Wichtigste ist, dass du überlebt hast und es dir wieder besser geht.« Sie legte ihre Hand auf meine. »Ich bin froh, dass du noch bei uns bist, Jim.«

Ich wusste nicht, ob sie mit mir flirtete oder Sympathie ausdrückte – oder beides. War es angemessen, das zu erwidern? Ihr Mann war seit sieben Jahren tot, und das schien mir lang genug zu sein, dass wir schuldfrei miteinander flirten konnten. Ich spürte jeden ihrer Finger auf meinen. Ihre Nägel waren rot lackiert. Ihre Berührung war sanft und kühl. Ich hatte das Gefühl, als wäre ein seltener, magischer Kolibri auf mir gelandet, und nur ein Blick könnte ihn wieder vertreiben. Ich versuchte ruhig zu bleiben, regungslos. Mein Herz schlug immer schneller, und weil ich die HeartNet-App in meinem Handy geöffnet gelassen hatte, hörten wir beide, wie es sich beschleunigte. Sie hätte mich auch mit einer Erektion erwischt haben können, so bloßgestellt fühlte ich mich.

Beschämt zog ich das Handy vom Tresen, und sie legte ihre Hand zurück in ihren Schoß. Dann sah ich am anderen Ende des Tresens die Restaurantbesitzerin, Ruth Glazer, mit einem Handtuch über der Schulter – eine schlanke, rothaarige Frau, die hinter einer Reihe auf dem Kopf stehender Schnapsgläser eine Fernbedienung hervorholte, sie in Richtung der beiden Flachbildfernseher an der Wand hielt und den Kanal zu einem Fußballspiel wechselte. Ich winkte kurz zu ihr herüber. Wir waren uns erst einmal begegnet, in der Bank, als sie einen Stapel Dokumente vorbeigebracht hatte, und nun eilte sie mir mit ausgestreckter Hand entgegen.

»Jim! Sie hätten mir sagen sollen, dass Sie kommen. Ich hätte etwas Besonderes vorbereiten lassen können.«

Ein spontaner Besuch, erklärte ich.

»Lassen Sie mich Ihnen wenigstens die obere Etage zeigen, wo Sie schon mal da sind. Unsere Pläne.«

Ich sah Annie an. »Möchtest du mal einen Blick in die obere Etage werfen?«

»Klar, warum nicht?«

Wir folgten Ruth um den Tresen herum und einen engen, mit Teppich ausgelegten Gang entlang, an dessen Ende sich eine Treppe befand – eine schmale Wendeltreppe aus dunkelrotem Holz, sehr hübsch, aber reparaturbedürftig.

»Bitte benutzen Sie das Geländer«, sagte Ruth und griff danach, als erwartete sie, dass jeden Moment die Stufen nachgeben würden. Wir folgten ihrem Rat und gingen hoch in den ersten Stock, in dem es ein Badezimmer gab und zwei Schlafzimmer, einen Wäscheschrank und alte, zerschlissene Teppiche auf den Böden lagen. Der Geruch von Mäuse-Urin vermischte sich mit den Kochgerüchen, die von unten aus der Küche zu uns emporstiegen. Wir hörten das entfernte Plappern und Klappern der Essensgäste.

Eines der Schlafzimmer war voller riesiger Kisten und kaputter Kartons. Ruth erklärte, dass sie die Etage bis jetzt vor allem als Lagerraum benutzt hatten. Nun wollten sie die meisten der Wände entfernen und Platz schaffen für mehr Tische.

»Sehr gut«, sagte ich nickend.

»Da braucht man ein bisschen Fantasie, nicht wahr?«, sagte Annie. »Für diese Art von Projekt?«

»Auf jeden Fall«, sagte Ruth stolz.

Wir gingen gerade zurück zur Treppe, als ich die Besitzerin zurückhielt.

»Entschuldigung«, sagte ich, »aber ich muss das kurz fragen. Es wird Ihren Kredit nicht beeinflussen, aber was hat es denn jetzt mit diesen zweitausend Dollar für die Ungezieferbekämpfung auf sich?«

»Das schon wieder?«, fragte Ruth und rieb sich den Nacken.

»Ich meine, hat hier oben eine Opossumfamilie gelebt oder so? Es ist einfach nur ein wirklich merkwürdig hoher Betrag.«

Sie saugte ihre Unterlippe an und kaute darauf herum, als sei sie beunruhigt.

»Okay, ich werde Ihnen etwas zeigen, wäre Ihnen für Ihre Diskretion allerdings dankbar. Es ist kein Geheimnis, aber auch nicht unbedingt etwas, das ich an die große Glocke hängen möchte.«

Sie ging ein paar Stufen die Treppe hinunter, und ich dachte, dass wir uns auf dem Weg in die Küche befänden, wo sie uns ein Loch in der Scheuerleiste hinter dem Herd zeigen würde, den Eingang zu einem Rattennest oder irgendwas anderes Schreckliches, das einem den Magen umdrehen würde, aber sie blieb auf halber Strecke auf der Treppe stehen und presste ihren Rücken gegen die Wand.

»Bitte stellen Sie sich auch so hin«, sagte sie.

Und so standen wir alle nebeneinander mit den Hintern an der Wand, als würden wir jemanden vorbeigehen lassen wollen, der ein großes Tablett trug. Zwei oder drei Minuten standen wir so herum, schweigend, bis ich sie fragte, so freundlich wie möglich, was zum Teufel wir hier taten.

»Sie werden es wissen, wenn es passiert«, sagte sie.

»Wenn was passiert?«, fragte Annie.

»Warten Sie einfach.«

Wir warteten.

»Manchmal dauert es ein bisschen«, sagte sie.

»Wie lange?«, fragte ich.

»Kommt drauf an. Man kann es nicht erzwingen.«

Annies Magen knurrte. »Sorry«, sagte sie.

Wir warteten noch ein paar Minuten, und dann sagte Ruth: »Es passiert einfach nur nie, wenn man es will. Sie müssen verstehen, dass ich darüber keine Kontrolle habe. Sie ist kein Zaubertrick oder so.«

»Sie?«, fragte Annie.

Ruth nickte und bat uns, für eine weitere Demonstration mit nach unten in ihr Büro zu kommen, wo sie uns etwas anderes zeigen könne, weil das hier heute Abend offenbar nicht funktionierte. »Halten Sie sich am Geländer fest, wenn wir runtergehen«, sagte sie warnend.

Ihr Büro war ein kleiner Raum neben der Küche. Das klapprige Regal an der Wand über ihrem Schreibtisch war mit Papieren und Akten überladen. Unter dem Schreibtisch stand ein kleiner erbsengrüner Tresor neben einem Stapel unausgefüllter Arbeitsverträge. Sie schloss die Tür und setzte sich auf einen Bürostuhl. Wir nahmen uns zwei Restaurantstühle vom Stapel hinter der Tür und setzten uns neben sie vor ihren Computer, den sie gerade angeschaltet hatte.

»Ich glaube, ich spiele Ihnen das einfach mal ohne große Einleitung vor«, sagte sie, drehte die Lautsprecherboxen des Computers in unsere Richtung und fummelte an den Knöpfen herum.

Nachdem sie auf Play gedrückt hatte, hörten wir ein zischendes Geräusch, das klang wie ein Staubsauger oder das weiße Rauschen eines Fernsehers.

»Also, was genau soll das denn sein?«, fragte ich.

Sie lächelte. »Das, mein Herr, ist der Beweis.«

Die Geschichte vom brennenden Hund

Die Geschichte, die uns Ruth an diesem Abend erzählte, begann wie so viele dieser Geschichten mit dem Erwerb eines Hauses. Ruth, seit Jahren Gastronomin, war von Austin nach Shula gezogen, um näher bei ihrer Freundin zu sein, und hatte festgestellt, dass es unserer Stadt an einem vernünftigen Tex-Mex-Restaurant fehlte. Das Haus an der Graham Street hatte wegen seiner Nähe zur Innenstadt und dem Schotterparkplatz auf der anderen Straßenseite Potenzial, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es sich mit einer Modernisierung der Küche und dem Abriss einiger Wände im Untergeschoss mühelos in ein gemütliches, charmantes Restaurant verwandeln lassen würde. Doch erst nachdem Ruth auf der gepunkteten Linie unterschrieben hatte, ließ die Verkäuferin sie durch ihren Immobilienmakler vor der Wendeltreppe warnen.

Die Leute fielen ständig die Treppe runter, sagte der Makler.

Irgendwas stimme mit ihr nicht.

Kleine Unfälle, merkwürdige Zwischenfälle.

Komische Sache.

Seien Sie einfach nur vorsichtig.

Ruth dachte sich nichts bei diesen Warnungen. Dann war die Treppe eben ein bisschen gefährlich, na und? Das Haus war alt – uneben, sackte ab – und ohnehin hatte sie nicht vor, die erste Etage zu benutzen, höchstens vielleicht als Lagerraum.

Der Ärger begann, kurz nachdem Su Casa Siempre die Türen geöffnet hatte und Ruth erfuhr, dass ihre Chefköchin eine Affäre mit einem der Kellner hatte. Die Köchin – eine eher aufbrausende, aber talentierte Frau – war unglücklich verheiratet und der Kellner, ein echter Muskelprotz, nicht sonderlich schlau, aber hart arbeitend und schnell, einer der besten Kellner der Belegschaft. Solche kleinen Liebeleien, erklärte uns Ruth, seien nicht unüblich im Restaurantgewerbe, weswegen sie nicht mal darüber nachgedacht hatte, einzugreifen. Solange die Leute ihren Job machten, mischte sie sich in ihre privaten Angelegenheiten nicht ein.

Doch dann tauchte eines Nachts mitten im Hochbetrieb der Mann der Köchin auf und verlangte, seine Frau zu sehen. Er hatte im Handy seiner Gattin einige verräterische Textmitteilungen gefunden und war wütend. Ruth versuchte, den armen Kerl dazu zu bewegen, nach Hause zu gehen und dort zu warten – nicht weil sie ihre Köchin beschützen wollte, die ohnehin keine sonderlich sympathische Dame war, sondern weil sie nicht wollte, dass das Paar vor den Gästen eine Szene machte. Doch der Ehemann weigerte sich zu gehen, ohne seine Frau gesprochen zu haben, also schickte Ruth die beiden im verzweifelten Versuch, die Sache schnell aus der Welt zu schaffen, hoch in eines der beiden alten Schlafzimmer und bat sie, keinen Lärm zu machen.

Etwa fünfzehn Minuten lang schrie sich das Paar da oben an, bis die Stimmen plötzlich verstummten und alles unheimlich still war. Ruth, die sich für den Fall, dass der Streit eskalieren würde, unten am Fuß der Treppe aufgehalten hatte, eilte nach oben und spähte ins Schlafzimmer. Dort sah sie die Köchin und ihren Mann mit heruntergelassenen Hosen an der Wand stehend derart heftig miteinander ficken, dass sie die Störung nicht mal bemerkten. Ruth schloss die Tür und ging nach unten, um in ihrem Büro zu warten.

Und dort war sie, als der Ehemann ein paar Minuten später seinen Unfall hatte. Er war beim Hinuntergehen irgendwie gestolpert und hatte sich am Fuße der Treppe das Handgelenk gebrochen. Niemand hatte es gesehen, aber er schwor, dass er nicht einfach gefallen sei, sondern dass ihn jemand gestoßen habe. Sie redeten mit der Köchin, die jedoch beteuerte, zum Zeitpunkt des Unfalls immer noch oben gewesen zu sein, im Badezimmer. Ruth wusste nicht, wem sie glauben sollte. Die Köchin war für ihr aufbrausendes Gemüt berüchtigt, es war also nicht unwahrscheinlich, dass sie ihrem Mann einen Schubs gegeben hatte. Andererseits hatte das Paar erst kurz zuvor Sex gehabt, was Ruth davon ausgehen ließ, dass sie ihre Differenzen beseitigt hatten, zumindest bis zu einem bestimmten Grad.

Wie auch immer, irgendwer rief die Polizei – wer, konnte nie wirklich geklärt werden –, und in all der Verwirrung bestanden die Polizisten darauf, die Köchin wegen Gewaltanwendung und Körperverletzung zu verhaften. Es war ein einziges Chaos. Um die Verhaftung zu verhindern, sah Ruth sich gezwungen, eine Aussage zu machen, und sie gestand, die beiden unwillentlich dabei beobachtet zu haben, wie sie an der Wand stehend heftigen Geschlechtsverkehr hatten – eine Formulierung, die einem der Polizisten ein merkwürdiges Lächeln entlockte. Am Ende hatten die Polizisten die Köchin nicht verhaftet, die das Restaurant an diesem Abend jedoch vorzeitig verließ, um bei ihrem Mann in der Notaufnahme zu sein.

Wenig später feuerte Ruth besagte Köchin aus völlig anderen Gründen. Das Leben ging weiter. Das Geschäft lief.