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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2018 Verlag Anton Pustet
5020 Salzburg, Bergstraße 12
Sämtliche Rechte vorbehalten.
Lektorat: Beatrix Binder
Layout, Grafik und Produktion: Nadine Kaschnig-Löbel
Coverillustration: Franzi/shutterstock.com
eISBN 978-3-7025-8050-6
auch als Hardcover erhältlich:
ISBN 978-3-7025-0908-8
www.pustet.at
Geschichten und Bräuche
rund um Advent und Weihnachten
EIN LICHTLEIN BRENNT – UND MILLIONEN LEDS
Eine geschlossene Zeit
Das Kartonding mit den 24 Türchen
Ungeduldiges Warten im Rauhen Haus
Stern-Zusammenbauen zum ersten Advent
Barbarazweige und Barbaraweizen
Ambrosius, Bienen, Kerzen und Lebkuchen
Das „Güldene Amt“
„Z’ Licht go“
Lucia, Lichtfigur in der Dunkelheit
RANDALE IN DER „STILLSTEN ZEIT“ IM JAHR
Ein Tag verkehrte Welt!
Zwei Bischöfe begrüßen sich
Nikolaus, der Kinderfreund
Dunkle Gegenspieler
Der Midlao, die Weißen und die Schwarzen
Nikolaus, Nigeln – und die Schab nicht vergessen!
Kramperl und Buttnmandl
Fensterln mit dem „Chlauseslä“
Weiteres aus dem Land der „Klausjäger“
Das Bärbeletreiben
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Darf’s ein Spielchen sein?
AUF WALLFAHRT ZUM CHRISTKINDL
Der Junior-Himmelschef als Postmeister
Das Prager Jesulein
Das Gnadenbild von Ringelai
Mit Glöckchen und Spielkarte
DIE GESCHÄFTIGE SEITE
Das Straßen-Wohnzimmer hat auch im Winter offen
Märkte mit Geschichte
Bratwürstel-Sonntag
Unbeflecktes Einkaufen
Die „Spräggele“ klappern mit den Schnäbeln
Auf zum Pyramidenanschieben!
Der Arschpfeiferlreiter
DAS FEST DES SCHENKENS UND DES AUSGLEICHS
Wer klopfet an?
Knieperdachse kommen auf Weihnachtsbesuch
Das sorbische „Bože dźěćetko“
DER ENDSPURT
Das Christkind-Einläuten
Frautragen
Mehr als nur ein Salut fürs Christkind
Kommet ihr Hirten!
Eine Orakelnacht
WER BRINGT NUN EIGENTLICH DIE GESCHENKE – UND WARUM?
Luthers findige Lösung: der Heilige Christ
Morgen kommt der Weihnachtsmann!
O TANNENBAUM!
Grössing, Weihnachtstachse – und endlich der Lichterbaum!
Die Nordmanntanne ist der Marktführer
Jöölboom oder Kenkenbuum
Von Glaskugeln, Lametta und Strohsternen
Die Weihnachtsgurke
AM 24. DEZEMBER
Warum ist Weihnachten an Weihnachten?
Als der Garten Eden perdu ging
Heu für Christkinds Eselein
Der Umzug der Nünichlingler
Christkind und Pelzmärtle
Der Plettenberger Weihnachtschor
Rauchen gehen und „raunachtln“
Das Licht aus Bethlehem
Im Stille-Nacht-Land
DER GANG ZUR CHRISTMETTE
Das Bornkinnel im Erzgebirge
Das Waldchristkind
Christkindwiegen gegen die Pest
„Den die Hirten lobeten sehre“
„Das Christkind lütt“
Heiliges Wasser beim Zwölf-Uhr-Schlag
Es wird lange gefackelt
Spätabends ertönt der „Kuhreihen“
IN DEN TAGEN NACH WEIHNACHTEN
Schnegerer und Kripperer
Geschichten von Handwerkern und vom Christkind
Vom Aperschnalzen, Platzen und Chlauschlöpfen
Im Schritt, im Trab und im Galopp um die Kirche
Krambamperlbrennen
Vom Weinhansl und vom Sebastianischnapsl
Das „Frisch und g’sund-Schlagen“
BESUCH DER DREI KÖNIGE – UND WAS DANN NOCH GESCHIEHT
König auf der Bohne!
Magier, Sterndeuter, Könige
Die Kölner Domwallfahrt
Weißt du wie viel Sternlein gehen?
„… und wieda so guat sein“
Dreikönigs-Kreuze
Auf geht’s mit unserer Glöcklerroas!
Wie lange dauert die Weihnachtszeit?
Aber jetzt: Christbaum abräumen!
Aufwartung der Lichtmessgeiger
Die Spergauer Lichtmess
Weihnachten und Bräuche – das scheint irgendwie zusammenzugehören. Was wäre der Dezember ohne Adventkranz oder Krampustreiben? Wie selbstverständlich ist die Rede von der „stillsten Zeit“, von der man allerdings herzlich wenig spürt, wenn man sich mitreißen lässt vom geschäftigen Gewusel in Straßen und Einkaufszentren oder eintaucht ins Gedränge auf den Christkindlmärkten.
Im Dunst von Glühweinständen und im grellen Licht der Weihnachtsbeleuchtung scheinen es wirklich „stille“ Bräuche schwer zu haben: Wer stellt denn noch einen Barbarazweig ins Wasser und wartet mit Geduld, ob dieser denn wirklich blüht bis zum Heiligen Abend? Andere, eher laute und öffentliche Bräuche scheinen bessere Karten zu haben, man denke an die immer zahlreicher und turbulenter werdenden Krampusumzüge. Und dann das Fest selbst: Der Christbaum ist geschmückt, man hat „Stille Nacht“ gesungen und die Geschenke ausgepackt. Was ist ein, zwei Tage später noch da von der Advent- und Weihnachtsstimmung, von der christlichen Botschaft, die hinter dem Weihnachtsfest steckt?
Weihnachtsbräuche haben, möchte man glauben, in unserer postreligiösen Konsumgesellschaft einen schweren Stand – und es gibt sie doch in großer Zahl. Wie im Brauchleben allgemein festzustellen: Immer mehr Menschen sind sie ein Herzensanliegen. Altes wird liebevoll weitergeführt oder „auferweckt“. Zugleich werden Bräuche weiterentwickelt, man passt sie an neue Lebensformen, an Moden und veränderte Denkweisen an. Für die Volkskundler steht längst fest: Das Wort „alt“ greift viel zu kurz, wenn man Bräuche, Sitten und Gewohnheiten betrachtet, vergleicht oder wertet.
Unwillkürlich stellt sich die Frage: Was ist überhaupt ein „Brauch“? Etwas Uraltes, seit vielen, vielen Generationen Vorhandenes? Da müssten wir den lieb gewordenen Adventkranz gleich einmal wegstreichen – er ist in katholischen Landen noch keine hundert Jahre verbreitet. Umschreiben wir das Wort „Brauch“ einmal so: Viele Leute tun‘s gerne und regelmäßig, sie beziehen Gemeinschaftsgefühl daraus – und nicht zuletzt Lebensfreude. Wenn sich zigtausend Menschen Weihnachtsmann-Mützen aufsetzen und die Glühweinstände stürmen – ist das dann Zeitgeist, Mode-Torheit oder doch eigentlich schon Brauch?
Volkskundler sind keine Oberlehrer, die Zensuren erteilen und Bräuche in „gut“ oder „schlecht“ einteilen, in „echt“ oder „unecht“. So haben wir uns also mit sehr viel Neugier und Offenheit umgesehen, in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Älteres und Neues haben wir beobachtet, nach Hintergründen und Motivationen gefragt. Weihnachtsbräuche lückenlos erfassen zu wollen, ist ob ihrer Vielzahl und regionalen Vielgestaltigkeit aussichtslos. Mut zur Lücke ist gefragt.
Wir hoffen, eine stimmige Auswahl gefunden haben, die die bunte Vielfalt dieser Bräuche spiegelt. Sie soll zeigen, dass sie nichts Gestriges sind, sondern dass sie immer auch das Lebensgefühl ihrer, also unserer Zeit, spiegeln.
Reinhard Kriechbaum
„Mehr Licht, mehr Licht!“ Die Finsternis
lässt mich nur zagend vorwärts gehn;
ich schreite langsam, ungewiss,
und bleib oft ängstlich tastend stehn.
„Mehr Licht, mehr Licht!“ Zwar leuchtet mir
die Weisheit dieser klugen Welt,
doch so, dass sie den Weg zu dir
verdunkelt, aber nicht erhellt.
„Mehr Licht, mehr Licht?“ Am Glauben nur,
an ihm allein, allein gebrichts;
ihn scheut die irdische Natur
und mit ihm dich, den Quell des Lichts.
Karl May
Da zeigt sich Karl May (1842–1912), der Schöpfer des Winnetou, von seiner frommen Seite. Was würde er wohl sagen, wenn er sähe, mit wie viel Licht die Adventwochen heute verbunden sind? „Mehr Licht“ mag die Devise sein, weil Dunkelheit die Menschen, so scheint’s, genauso nervös macht wie die Stille.
Die vier Kerzen des Adventkranzes haben jedenfalls übermächtige Konkurrenz bekommen. Der Advent ist nicht zuletzt durch die neue Technik der LED-Beleuchtung zu einer über-belichteten Zeit geworden. Ja, man kann wohl von einem neuen Licht-Brauchtum sprechen.
Auf zehn Millionen Euro Energiekosten und einen Strombedarf, mit dem man 10 000 Haushalte ein ganzes Jahr versorgen könnte, schätzen österreichische Umweltorganisationen den aktuellen Advent-Bedarf an Licht. In Deutschland fließen rund 660 Millionen Kilowattstunden in Lichterketten, was dem Jahres-Stromverbrauch einer halben Million Menschen entspricht. Die Stromkosten dafür: 190 Millionen Euro. Die Umweltbelastung: 390 000 Tonnen Kohlendioxid. Fachleute reden von einem Rebound-Effekt: Zwar brauchen LED-Lichter nur ein Fünftel des Energiebedarfs alter Glühbirnen, aber entsprechend fieberhafter wird rundum advent-beleuchtet.
Es ist naheliegend, einem großen Ereignis, einem markanten Fest eine Vorbereitungszeit vorausgehen zu lassen, eine Fastenzeit gar. Das ist die Idee, die dem Advent zugrunde liegt: sich einzustimmen auf Adventus Domini, die Ankunft des Herrn.
Niemand dürfe zwischen 17. Dezember bis zum Dreikönigstag der Kirche fernbleiben, heißt es in Niederschriften des Konzils von Saragossa im Jahr 380: Man könnte das als ersten Hinweis auf eine Vorbereitungszeit auf Weihnachten hin lesen. Zwischen drei und sechs Wochen schwanken in den folgenden Jahrhunderten die Regelungen für die Einstimmungszeit auf das Fest, die man als Fastenzeit ansah: vierzig Tage mit oder ohne Sonntage, oder auch eine variable Zeitspanne mit vier bis sechs Sonntagen.
Vier Adventsonntage setzte Papst Gregor der Große 604 zumindest für Rom fest. Aber erst nach dem Konzil von Trient (1545–1563) wurde das für die ganze katholische Kirche verpflichtend. Eine Ausnahme: In Mailand, wo man nach ambrosianischem Ritus feiert, dauert die Adventzeit noch heute sechs Wochen. Die evangelische Kirche rechnet ebenso wie die katholische: vier Sonntage, wobei der letzte auch der 24. Dezember sein kann. Der Advent dauert also je nach Wochentag des Weihnachtsfestes zwischen 22 und 28 Tage.
Eine Zeit des Fastens ist der Advent seit 1917 nicht mehr – aber er soll eine besinnliche, eine „geschlossene“ Zeit sein. Geschlossen bleiben die Hauptportale der Kirchen, es gibt zur Liturgie keinen großen Einzug. Die Farbe der Messgewänder ist violett, so wie in der vorösterlichen Fastenzeit. „Kathrein stellt den Tanz ein“, hieß es früher, also keine Tanzveranstaltung nach diesem Novembertag, erst im Fasching wieder – nach dem Dreikönigsfest.
Kann man einen Erfinder des Adventkalenders benennen? Am ehesten könnte Gerhard Lang (1881–1974) als solcher durchgehen. Jedenfalls war er der erste, der einen Adventkalender gedruckt hat. Der schwäbische Pfarrerssohn aus Maulbronn erinnerte sich einst an seine Kindheit. Da hatte seine Mutter 24 Kästchen auf einen Karton gezeichnet, und in jedes Kästchen hat sie mit einem Faden ein „Wibele“ gebunden. Das ist eine schwäbische Spezialität aus Biskuitteig. Man stellt sie sich am besten als Miniatur-Biskotten vor, in Deutschland Löffelbiskuit. Benannt sind sie nach einem gewissen Jakob Christian Carl Wibel, Hofkonditor beim Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg.
Jeden Tag hatte also der kleine Gerhard Lang ein solches „Wibele“ vom Karton knacken dürfen, und nachdem er ihn in München zum Buchhändler und Verleger gebracht hatte, ließ er 1908 den ersten „Weihnachtskalender“ drucken. Das waren eigentlich zwei Bögen: einer mit 24 Bildern zum Ausschneiden und einer mit ebenso vielen Feldern zum Aufkleben. Zu sehen waren zwei Dutzend g’schaftige Engel „im Land des Christkindes“ bei ihren betriebsamen Geschenke-Vorbereitungen.
Bis in die 1930er-Jahre hinein genoss die lithografische Anstalt von Reichhold & Lang in München den Ruf, die kunstreichsten und fantasievollsten Adventkalender herauszugeben. Dreißig verschiedene Motive wurden aufgelegt. Etwa 1920 wurden Kalender mit den Türchen zum Aufknicken erfunden und rasch populär. Den ersten Adventkalender nach dem Zweiten Weltkrieg brachte der Verlag Richard Sellmer heraus.
Als Druckwerk noch ein paar Jahre älter als der Adventkalender ist die „Weihnachtsuhr“, ein Bogen mit beweglichem Zeiger. Der erste wurde 1902 von der Evangelischen Buchhandlung in Hamburg veröffentlicht. Wegen der Zwölfer-Teilung begann die Weihnachtsuhr mit dem 13. Dezember. Jedem Tag war ein Advent- oder Weihnachtslied zugeordnet.
Adventkalender und Weihnachtsuhr sind jedenfalls evangelische Erfindungen. In katholischen Landen wurde von Kindern oft den Advent hindurch jeden Tag ein Strohhalm in die Krippe gelegt, damit das Jesuskind schließlich am 24. Dezember weich gebettet war.
In jüngerer Zeit ist die Sache mit den zu öffnenden Fensterchen von der naturgegebenen Echtzeit auch in den Eins-zu-eins-Maßstab überführt worden: Nicht mehr zu zählen sind die Rathäuser zwischen Wien und Hamburg, deren Fenster nummeriert und nach und nach beleuchtet werden. Auch in den Geschäftszeilen hat sich das Nummerieren von Auslagen längst herumgesprochen.
Zwei idyllische Beispiele, ganz willkürlich gewählt: Die Liebburg ist das Rathaus der Osttiroler Hauptstadt Lienz. Dank der Mansarden zwischen den Zwiebeltürmchen geht es sich haarscharf aus mit den 24 Fenstern – und die nutzt man, um Kunstwerke ins rechte Licht zu rücken. Anfang des darauffolgenden Jahres werden die Bilder zugunsten karitativer Einrichtungen versteigert.
Im Alten Rathaus von Hattingen, einem zierlichen Fachwerkbau, ist es Frau Holle, die jeden Tag ein Fenster öffnet. Sie kommt täglich um 17 Uhr mit prächtiger Entourage in der Kutsche angefahren, begleitet von reizenden Engelchen. In den Fenstern sind Bilder biblischer Geschichten zu sehen, die Frau Holle sozusagen „befreit“. Wenn sie dann ihr weißes Bettzeug ausbeutelt, regnet es für die Kinder Süßigkeiten. Hattingen liegt im Ruhrgebiet etwas südöstlich von Essen.
„Seit etlichen Jahren ziert er auch unsere Bauernstube und ich finde diesen Brauch auch schön, denn der Adventkranz ist nicht etwas Alltägliches und bringt einen so in die richtige Stimmung der Vorweihnachtszeit.“ So steht es 1954 im Aufsatz eines Bauernsohns aus dem Salzburger Pinzgau. Er sei „einer der jüngsten Bräuche in unseren Bauernhäusern“, heißt es dort.
Lang hat es also gedauert, bis sich der Adventkranz – ein bürgerliches, evangelisches Vorweihnachtssymbol – in katholischen Landen herumgesprochen hat. Und noch viel länger, bis er dort auch von der ländlichen Bevölkerung angenommen wurde. „Von der Schule aus“ habe er sich allmählich bis in die Bauernhäuser verbreitet, schreibt der eingangs zitierte Landwirtschaftsschüler.
Den ersten Adventkranz kann man eindeutig datieren, und auch der Ort ist verbürgt: Als sein „Erfinder“ gilt der Initiator des Diakonie-Gedankens, der evangelische Theologe und Sozialpädagoge Johann Hinrich Wichern (1808–1881). Das von ihm in einem bitterarmen Vorort von Hamburg 1833 gegründete Rauhe Haus muss man sich als eine Art Kinderdorf vorstellen. In der Einrichtung lebten Buben und bald auch Mädchen aus elendem Milieu in familienähnlichen Strukturen zusammen, in einem Gebäude jeweils zehn bis zwölf Kinder mit einem Betreuer, der „Bruder“ genannt wurde. Die Kinder haben Weihnachten wohl entgegengefiebert, und so ließ Wichern 1839 einen Holzleuchter mit vier großen weißen Kerzen und jeweils sechs kleinen roten Kerzlein (für die Wochentage) aufhängen. Die Reduktion auf vier Kerzen und der Schmuck mit Reisig führten im Lauf des späten 19. Jahrhunderts in protestantischen Gegenden zur Ausbildung des Adventkranzes, wie wir ihn kennen.
In den Lazaretten des Ersten Weltkriegs lernten auch Katholiken den Adventkranz kennen. In einer katholischen Kirche in Köln hing der erste im Jahr 1925.
So verbreitete sich, wenn auch schleppend, der Adventkranz in katholischen Gebieten. Zuerst in den Städten, ganz spät erst auf dem Land. „In den 1960er-Jahren war der Adventkranz in St. Johann in Tirol und in Brandenberg erst teilweise bekannt. In Serfaus war der Adventkranz zwar in der Kirche zu finden, aber noch nicht in den Häusern.“ Was Tiroler Volkskundler erzählen, deckt sich mit den oben zitieren Aussagen des Salzburger Schülers.
Erst in den vergangenen fünfzig, sechzig Jahren ist der Adventkranz zum unverzichtbaren Vorweihnachtssymbol geworden. Die Salzburger Volkskundlerin Ulrike Kammerhofer-Aggermann schreibt über den Adventkranz: „Wie der Christbaum ist er auch für Menschen ohne religiöses Bekenntnis ein unverzichtbares Requisit, das Ruhe, Besinnung und die Werte zwischenmenschlicher Kommunikation ins Bewusstsein ruft.“
Und es ist dem Adventkranz etwas gelungen, was nicht einmal der ebenfalls den Protestanten abgeschaute Christbaum geschafft hat: Seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils wird der Adventkranz gesegnet.
Am ersten Adventsonntag ist in der Oberlausitz traditionellerweise Stern-Zusammenbauen angesagt: Da kommen die Gefühlvollen ebenso auf ihre Rechnung wie die Kopfmenschen. Und von denen besonders jene, die im Fach Darstellende Geometrie wirklich gut aufgepasst haben. Rhombenkuboktaeder heißt das alles entscheidende Wort. Ein Polyeder aus acht gleichseitigen Dreiecken und 18 Quadraten. Das ist der Kern eines Herrnhuter Sterns, auf den Pyramiden mit drei- und viereckiger Basis aufgesetzt werden. Die Gründung des Ortes Herrnhut, 20 Kilometer südwestlich vom sächsischen Görlitz, ist eine Folge der Gegenreformation in habsburgischen Landen. 1722 gewährte Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf mährischen Glaubensflüchtlingen Asyl im lutherischen Sachsen. Zehn Jahre später wurde dort die Herrnhuter Brüdergemeine gegründet – Frauen waren nicht ausgeschlossen –, die bald Missionare und Missionarinnen in entlegene Weltgegenden sandte.
Anfang des 19. Jahrhunderts leuchtete zum ersten Mal ein Stern aus Papier und Pappe in den Internatsstuben der Herrnhuter Brüdergemeine. Dort lebten vor allem Missionarskinder, denn da in der Dritten Welt die Lebensbedingungen nicht einfach waren, schickten die Eltern ihre Kinder oft in die ursprüngliche Heimat zurück. Dort erhielten sie unter der Obhut der Brüdergemeine Erziehung und Ausbildung. Und gegen den Trennungsschmerz, gerade vor Weihnachten, half das gemeinsame Entwerfen und Bauen von Sternen.
Weiß und Rot waren die Farben der ersten Herrnhuter Sterne, die Farben stehen für Reinheit und das Blut Jesu Christi. In Herrnhut hat man mit handwerklichen Produkten auch Geld für die Mission erwirtschaftet. Das farbige Kleisterpapier nach Herrnhuter Art ist ein Begriff im Kunsthandwerk geworden – und eben die dreidimensionalen, 25-zackigen Sterne.
Der Buchhändler Pieter Hendrik Verbeek erfand am Ende des 19. Jahrhunderts den ersten stabilen, zusammensetzbaren Stern. Denn das ist die schier geniale Idee: Ab einer Größe von 40 Zentimetern werden diese Gebilde von den Kunden selbst zusammengebaut, die selbsttragende Bauweise aus Lamellen (aus Papier oder Plastik) mit Klammerverbindungen bewährt sich seit 1925. Nicht einmal die DDR-Zeit hat der Sternenproduktion in Herrnhut etwas anhaben können. Heute verlassen rund 600 000 Sterne pro Jahr die Manufaktur der Herrnhuter Sterne GmbH, die auch Arbeit an Behindertenwerkstätten in der Region weiterreicht. Es gibt vor Ort auch eine Schauwerkstätte.
www.herrnhuter-sterne.de
Wer nach altem Brauch am Barbaratag, dem 4. Dezember, einen Kirschzweig einwässert, darf gespannt darauf sein, ob sich der Erfolg – zarte Kirschblüte im Winter – bis zum Weihnachtsfest auch wirklich einstellt. Da geht nicht jeden Tag etwas weiter, wie beim Adventkalender, oder wenigstens jede Woche, wie beim Adventkranz. Doch wenn es ausreichend kalt war und es bis Anfang Dezember schon Frost gab, dürfte es in unseren wohlig temperierten Wohnzimmern keine großen Probleme geben mit den weißen Blüten. Dann braucht es auch keine Trickserei mit ganz schräg angeschnittenen oder gar breit geklopften Stängeln – beides soll die Aufnahme von Wasser fördern.
An die weißen Blüten hat man früher einigen Aberglauben geknüpft: Junge Frauen durften auf eine Hochzeit hoffen. Alte Menschen fürchteten den Tod im folgenden Jahr, wenn der Ast dürr blieb. Eine ähnliche Orakelfunktion schrieb man dem in einen Teller gesäten „Barbaraweizen“ zu: Ging der Weizen bis Weihnachten auf, so sah man darin ein Omen für eine gute Ernte.
Wer war Barbara, und wie kommt sie zum Kirschzweig? Anfang des dritten Jahrhunderts soll sie in der heutigen Türkei gelebt und das Martyrium erlitten haben. Konkretes weiß man freilich nicht, es bleibt alles Legende. Strenge römische Historiker haben deshalb ihren Namen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil im römischen Heiligenkalender kurzerhand gestrichen. Aber hierzulande ist Barbara, die mit Katharina und Margaretha zu den „Drei heiligen Madln“ zählt, eine der beliebtesten Bauernheiligen überhaupt. Deshalb wird sie in den Kalendarien der deutschsprachigen Diözesen nach wie vor als Heilige geführt.
Prominent ist sie auf jeden Fall: Sie zählt zur Gruppe der Vierzehn Nothelfer, eine traditionsreiche Gruppierung der hilfreichsten Heiligen, und sie gehört zu den Quattuor Virgines Capitales, den allerwichtigsten Jungfrauen. Die Legende berichtet, Barbara hätte einen Heiden heiraten sollen und sich dagegen gewehrt. Sie sei vor ihrem Vater geflohen, der sie in einem Turm gefangen hielt. Dabei hätten Felsen sich geöffnet, um die Fliehende zu verbergen, weshalb die Bergleute sie später zu ihrer Patronin machten. Doch Barbara wurde verraten, machte manche Tortur durch und wurde schließlich vom eigenen Vater enthauptet.
Auf dem Weg ins Gefängnis soll sich ein Kirschzweig in Barbaras Kleid verfangen haben. Sie stellte ihn in einen Krug, und gerade am Tag ihrer Hinrichtung soll der Zweig erblüht sein. Nach anderer Legende seien auf ihrem Grab Blumen sonder Zahl gewachsen.
Bergleute stellen nach altem Brauch in der Barbara-Nacht Essen und Trinken für die „Bergmandln“ bereit. Vor der Einfahrt ins Bergwerk schützen sie sich durch das Entzünden des „Barbaralichts“. Aber das sind andere Geschichten: Weil Barbara die Bergbau-Heilige ist, gibt es einschlägiges Brauchtum rund um den Barbaratag, etwa den „Ledersprung“, mit dem Bergleute in ihren Stand aufgenommen werden.