Indem wir unserer Liebe folgen, finden wir den Weg zu unserer Heilung.
Denn das, was wir lieben gibt uns die Kraft, über unsere Grenzen hinaus zu wachsen.
Hier finden wir den Mut des Helden und die Stärke in unseren Herzen…
Stella Compañera
Ein Stern begleitet mich
Die Geschichte einer Selbsterfahrung in der Persönlichkeitsentwicklung mit Pferden
The Hero’s Journey
Ein wahrer Held wird nicht an der Größe seiner Stärke gemessen, sondern an der Stärke seines Herzens!
Impressum
© 2018 Silke Berthold
www.lebe-kraftvoll.de, info@lebe-kraftvoll.de
Umschlag/Illustration: Christine Kock
Weitere Mitwirkende:
Vorwort von Ulrike Dietmann
Fotos: Privatarchiv Silke Berthold, Christine Kock
Verlag & Druck: tredition GmbH, Hamburg
ISBN 978-3-7469-8457-5 (Paperback)
ISBN 978-3-7469-8459-9 (E-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Für meine Eltern
Dieses Buch widme ich meinen Eltern, die mir schon in meiner Kindheit beibrachten, alles Leben zu achten. Sie waren es, die mich ermahnten, wenn ich auf Wanderungen eine Blume pflückte, die den Heimweg keinesfalls überstehen würde. „Abgerupft und weg geschmissen will der liebe Gott nicht wissen“. Wie oft hörte ich das. Nicht, dass meine Eltern besonders gläubige Menschen wären. Sie fanden einfach, dass lebendige Blumen schöner waren, als verwelkte in meiner Hand.
Wann immer ich mit meinen Geschwistern Schmetterlinge fing, erinnerte mich unser Vater daran, nicht die bestäubte bunte Seite der Flügel zu berühren, weil die Schmetterlinge den bunten Staub brauchten, um intakt zu bleiben. Sammelten wir die pelzigen Schmetterlingsraupen, um mit ihnen zu spielen, trugen unsere Eltern uns auf, sie vorsichtig zu behandeln und später dorthin zurück zu bringen, wo wir sie gesammelt hatten. Fingen wir Kaulquappen, um zu beobachten wie sie sich in Frösche verwandelten, wurden wir dazu angehalten, sie als Frösche an geeigneter Stelle wieder frei zu lassen.
Sogar Schnecken durfte ich in einem Glas mit etwas Wasser und Gras mit nach Hause bringen, um sie später wieder frei zu lassen. Meine Geschwister und ich beobachteten Ameisenkolonien und Regenwürmer. Alles hatte sein eigenes Recht auf Dasein. Jedes lebendige Wesen galt als schützenswert.
Ich habe diese Botschaft damals tief in mich aufgenommen. Vom Grashüpfer bis zu den Hirschen im nahen Biergarten reichte meine Liebe. Es ist wohl etwas in meiner Natur, das offen und empfänglich für die Sichtweise meiner Eltern war. Für mich war es immer schon ganz natürlich, dass alles Leben fühlt.
Die große und bunte Vielfalt aller Geschöpfe, machte für mich den Garten Eden aus. Und ich war mitten drin! Dieses Gefühl, diese tiefe Liebe, habe ich in all den Jahren niemals verloren.
Auch war es meine Mutter, die mir im Herbst 2016, als ich so unentschlossen war, ob ich mir ein Pferd kaufen sollte, Mut machte. Sie erinnerte mich daran, meinem Herzen mutig zu folgen, als so viele andere mir von dem Kauf abrieten. Sie sagte zu mir, „Silke, wenn es das ist, was dein sehnlichster Wunsch ist – und ich weiß, du hast dir immer schon ein Pferd gewünscht – und wenn es dieses Pferd ist, das du möchtest, dann tu es.
Ich kenne dich. Du schaffst das. Das Geld kannst du nicht mitnehmen, wenn du stirbst. Du weißt nicht, was kommt. Aber ich weiß, dass du alles schaffst, was du dir in den Kopf gesetzt hast. Ich weiß, du kniest dich rein und lernst, was du lernen musst, um das zu schaffen. Wenn es dich glücklich macht, tu es. Egal, was andere sagen und denken. Dann ist es eben dieses Pferd.
Du lernst das schon. Menschen wie du brauchen ein Ziel, eine Aufgabe. Vielleicht ist es das, was du jetzt brauchst. Warum zögerst du? Du hast dich doch schon entschieden!“
Und genau so war es. Ich hatte mich entschieden und einfach nur Angst vor mir selbst, weil so Viele an mir zweifelten. Doch mein Herz wusste schon längst, wohin es ging.
‚Warum‘ und ‚Wie‘, das fragt nur der Verstand. Leider hat der Verstand nur eben wenig Ahnung vom Glück des Herzens.
Danke für diese Worte. Danke für diese Eltern. Ganz gleich, was sonst alles schwierig in unserer Familie gewesen sein mag. Die Fähigkeit mit offenem Herzen zu lieben, Mitgefühl zu haben und für sich selbst einzustehen, haben meine Eltern in mir geweckt und gefördert.
Diese Eigenschaften bedeuten mir heute den Kern meines Daseins. Und ich fühle mich reich beschenkt durch sie.
Über mich
Ich wurde am 17.11.1966 geboren und wuchs in München auf, doch schon als Kind zog es mich aufs Land. In meinen jungen Jahren fiel es mir schwer, meinen Platz im Leben zu finden und ich konnte nicht so recht an einem Ort bleiben. Nachdem ich einige Jahre in England gelebt hatte, kehrte ich in der Mitte meiner Zwanziger nach Deutschland zurück. Ein paar Jahre später wurde ich ruhiger und sesshaft.
Dem Ruf meines Herzens folgend, wurde ich Heilpraktikerin und tauchte über zahlreiche Ausbildungen immer tiefer in die Zusammenhänge von Körper, Geist und Seele ein. Die menschliche Fähigkeit zur Entwicklung und Verwandlung faszinierte mich schon immer. Mir scheint, wir taumeln beinahe ahnungslos in tiefe, dunkle Täler, damit unsere Seele wie von einem alchemistischen Prozess verwandelt aufsteigen kann, wie ein Phönix aus der Asche.
Während der Jahre meiner Selbständigkeit und den 15 Jahren meiner Ehe, lernte ich einiges über mich selbst und das Leben. Vor allem lernte ich zu schätzen, wie wichtig es ist, seinem eigenen Ruf zu folgen, was mich dann auch zu Ulrike Dietmann und zur Heldenreise mit Pferden führte.
Es ist meine tiefe Liebe zum Leben und allem Lebendigen, die mich voran trägt. Ich folge meinem Herzen. Und ich liebe es, meine Mitmenschen zu ermutigen ihrem Herzen zu folgen und sie auf diesem Weg zu begleiten.
Über Stella
Stella Compañera wurde am 14. Mai 2008 auf einem Gestüt in Málaga geboren. Ich weiß nichts über die ersten acht Jahre ihres Lebens. Angeblich war sie ‚roh‘, also noch nicht zugeritten, als sie nach Deutschland verkauft wurde.
Im Internet fand ich noch ein altes Verkaufsvideo des spanischen Züchters vom Dezember 2015. Zwei Wochen nach dem Erscheinen des Videos wurde Stella (damals noch Polaca XI) nach Deutschland verkauft und per LKW aus Málaga angeliefert. Eine weite Reise. Auch diese Information habe ich über das Internet recherchiert. Im April 2016 nämlich, wurde Polaca XI als nun zugeritten zum Verkauf angeboten.
Die Geschichten um Pferdehändel sind oft bunt und selten ganz wahr. Doch alle diese Daten passen mit dem Wenigen zusammen, was ich von der Händlerin, bei der ich Stella dann fand, hörte.
Stella war wenig bemuskelt und mager, als ich sie kennen lernte. Und mir wurde gesagt, sie kam recht verstört im Mai 2016 am Hof an und wollte bis dato keine Trense ins Maul nehmen.
Sie hat Narben in X-Form an den Innenseiten ihrer Hinterbeine, von denen ich nicht weiß, wie sie entstanden sind. Sie ist eines dieser Pferde mit einer nebulösen Geschichte.
Ich hatte einige Namen für sie, die mir gefielen. Doch eines Morgens während meinem Fitnesstraining, als meine Gedanken ganz woanders waren, erschien ganz deutlich ihr Gesicht vor meinem inneren Auge. Zeitgleich tauchte der Name Stella in meinem Kopf auf. Und so war es dann.
Meine eigene Wahl ‚Compañera‘ ergänzt diese Eingebung.
Vorwort von Ulrike Dietmann
Ein Pferdebuch, das die Autorin Silke Berthold in unser Herz legt wie einen kostbaren Samen
Es gibt diese Art von Pferdebüchern, die ich in die Hand nehme und nicht weglegen kann. Viele andere werden, wie ich, das Buch nicht weglegen können, denn es enthält das Elixier der Pferdeliebe: Der Leser badet von Anfang bis Ende in purer Pferde-Wahrheit und tiefer Pferde-Liebe.
Pferdeliebhaber genießen das. Dieses genaue Hinsehen, dieses tiefe Hinfühlen. Sie sind bei ihrem Pferd, nicht nur, wenn sie im Stall sind. Das Pferd ist da, den ganzen Tag, die ganze Nacht. 24 Stunden lang. Verrückt? Nein. Das ist Glück. Es ist Glück, wenn man etwas so sehr liebt, dass man es immer in seinem Herzen bewegt. Dadurch wird das Leben intensiv und sinnvoll und ist voller Erkenntnisse, die man pflückt wie reife Äpfel.
Genau dieses Glück erlebt man in diesem Buch. Wenn Silke über Stella schreibt, die Stute, die ihr Leben auf den Kopf stellte. Über diesen Austausch zwischen einem Menschen und einem Pferd, der so intim ist, so tief persönlich wie wir es unter Menschen nur selten erleben: zwei Wesen, die sich im Innersten berühren. Stella wortlos und so präzise, dass die Menschenfrau immer wieder ihr ganzes Sein in Frage stellen muss.
Das Faszinierende, wenn man, wie Silke, das erste Pferd in sein Leben holt, ist, dass man es plötzlich mit unendlich vielen praktischen Details zu tun bekommt: vom Hufschmied, zum Pferdezahnarzt, vom Freilongieren zum achtsamen Reiten, von Wind, Sturm, Stall, Heu, Halfteranlegen und die richtige Pferdeherde finden. Gleichzeitig entdeckt die Autorin, dass alle diese praktischen Herausforderungen nur gelöst werden können, wenn sie eine ganz bestimmte innere Haltung einnimmt: Vertrauen in das Pferd, in sich selbst und in die Magie des Lebens. Auf diesem Weg schreitet sie voran und liefert uns Lesern genau die Nahrung, von der wir Pferdemenschen nie genug kriegen können: Ein Pferd öffnet ein Menschenherz und eine Liebe strömt, von der wir glaubten, dass es sie nur unter Engeln gibt. Silke findet die Worte dafür.
"Stella Compañera" ist ein Buch, das uns Leser mitnimmt in die irdische und zugleich überirdische Welt, die Pferde uns öffnen, wenn wir genau hinfühlen, hinsehen und wagen zu träumen. Das Buch lässt uns Silkes Verwandlung miterleben und wir verwandeln uns selbst dabei. Silke beschreibt diese intensiven Momente mit Worten und Bildern, die ganz und gar aus dem Sein kommen. Nichts Behauptetes, nichts Ausgedachtes, sondern pure Erfahrung.
Stella ist ihr erstes eigenes Pferd und Silke beschreibt all die Herausforderungen, die ein Mensch hat mit seinem ersten Pferd. Mit der ersten Pferdeliebe. Sie beschreibt das Glück genauso ehrlich wie das Scheitern.
Und letztlich schenkt sie uns Lesern das: Wir werden erinnert an unsere eigene Liebe zu den Pferden und sie vertieft sich. Denn Stella steht für jedes Pferd und Silke steht für jeden Menschen, der sich wahrhaftig auf ein Pferd einlässt.
Was Silke uns gibt ist die Gnade der Worte, mit denen sie diese Erfahrungen in unser Herz legt, wie Samen. Jeder Leser wird mit seinem Pferd seine eigene Blüte hervorbringen.
Ein Geschenk an Pferdemenschen und Pferde.
Ulrike Dietmann
Autorin, Sprecherin, internationaler Coach mit Pferden
www.spirithorse.info
Stuttgart, 21. 09. 2018
Ein sanftes Auge.
Pferde haben ausdrucksstarke Augen, in denen sich viele verschiedene Emotionen spiegeln.
Vorwort
Ein Stern ist für mich aufgegangen. Als ich Stella im August 2016 zum ersten Mal sah, bewegte sich etwas in mir. Ich kann noch immer nicht beschreiben, was in mir berührt wurde. Und auch nicht, wodurch es berührt wurde.
Es war, als ob ein Raum in meinem Inneren geöffnet worden war. Ein Raum, der still im Morgenlicht lag. Durch dessen Fenster der frühe Gesang der Vögel drang. Das stille Leuchten einer Knospe im Morgentau…
Viele Jahre hatte ich meinen lebenslangen Wunsch nach einem Pferd aufgeschoben. Es gibt viele Argumente, sich kein eigenes Pferd anzuschaffen. Neben den offensichtlichen Faktoren wie Zeit und Geld gehören ja auch eine gewisse Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit Pferden zu einem solchen Schritt. Und so verging die Zeit gespickt mit Zweifeln, während tief in mir aus meinem Wunsch langsam eine Gewissheit wurde.
Mir war klar, dass ich kurz davor stand, diesen großen Schritt ins Ungewisse zu wagen. ‚Ewige Anfängerin‘ hin oder her. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis mir mein Pferd begegnen würde.
Zu Beginn meiner Suche hatte ich noch Vorstellungen, welche Farbe und Rasse mein Pferd haben sollte. Doch je mehr Zeit verstrich und je mehr Pferde ich kennen lernte, desto weniger klar wurden meine Vorstellungen. Ich wusste nur, ich werde es erkennen, wenn es vor mir steht.
Und so erkannte ich Stella.
Ich war begeistert… doch ich hatte aus Erfahrung gelernt, dass meine Begeisterung mich in schwierige Situationen bringen konnte. Wie sollte ich mir nur ganz sicher sein?
Nach einigen Wochen wurde mir klar, dass es nur eine Sicherheit für mich gab: Ich wünschte mir ein Pferd seit meiner Kindheit. Und es war dieses Pferd, das mich berührte!
Die wirkliche Frage, die es zu klären galt war: War ich bereit und willig meinem Leben eine neue Richtung zu geben? War ich bereit Zeit und Geld zu investieren, das ich eigentlich nicht hatte? Und am wichtigsten: War ich bereit zu lernen, zu wachsen und mich zu entwickeln, um eine Pferdefrau zu werden?
Die meisten Tierhalter werden mir zustimmen, dass das Leben mit Tieren uns verändert. Tiere haben wie Menschen Bedürfnisse. Jene, die ihrer Gattung entsprechen und solche, die ihrem Charakter zugrunde liegen. Sie haben ihre eigene Sprache, die es zu erlernen gilt. Ihre eigene Erlebniswelt, die es nachzuvollziehen gilt.
Eine Beziehung zwischen Mensch und Tier beinhaltet, dies alles aufeinander abzustimmen. Sich einzulassen, damit die Zusammenarbeit für beide freudvoll wird.
Ich fragte mich schlussendlich: Traue ich mir zu, die Frau zu werden, die Stella an ihrer Seite brauchen würde, um sich sicher zu fühlen?
Traue ich mir zu, mehr zu sein, als ich jetzt bin? Ist mein Wunsch fest genug in mir verwurzelt, um viele Jahre motiviert dabei zu bleiben? Bin ich bereit, meinen Grenzen zu begegnen? Immer und immer wieder – und über sie hinaus zu wachsen? Und kann ich all diese Schritte nicht auch tun, ohne ein ‚eigenes‘ Pferd?
Nicht ganz ohne Angst konnte ich alle diese Fragen mit Ja beantworten. Auch die letzte. Denn Wachstum kann auf allen Wegen geschehen.
Die Frage ist doch: Wer oder was liegt mir so sehr am Herzen, dass ich bereit bin, viele Jahre Mühe und Aufmerksamkeit auf meine Entwicklung zu verwenden? Wofür brenne ich?
Wir wachsen über uns hinaus für unseren Beruf, die Karriere, unsere Kinder, etwas weniger häufig für unsere Partner, für unsere Leidenschaften. Wir kommen an Grenzen, erleben Krisen, doch wir geben nicht auf. Wir geben uns und den Dingen Zeit, sich zu entwickeln.
Wir alle tun das auf irgendeine Art. Auch derjenige, der Veränderungen ausweicht. Oder jemand, der resigniert hat. Auch sie harren aus, machen weiter… und etwas keimt in ihnen. Selbst die, die bei keiner Sache lange bleiben können. Irgendwann werden sie des Flüchtens überdrüssig. Der Reifeprozess, die Wandlung kommt immer.
Das zumindest ist meine Erfahrung. Mit mir selbst und auch mit anderen Menschen.
Mich zum Beispiel motiviert Beziehung. Ich brauche Menschen um mich, mit denen ich in Bezug treten kann. Indem ich mich auf meine Umwelt beziehe und Bindungen eingehe, verwandle ich mich. Soviel habe ich über mich verstanden.
Warum Tiere mir dabei so wichtig sind? Nun. Tiere leben im Jetzt. Sie machen mir keine Vorhaltungen über meine ‚Fehler‘. Sie freuen sich ganz einfach nur, wenn ich es endlich ‚richtig‘ mache. Das heißt, wenn ich erfasse, was sie brauchen und welche Art des Umgangs ihnen entspricht.
Sie sind wie gütige Lehrer, die stets bereit sind, das Gute in mir zu sehen. Weder verbiegen sie sich noch heucheln sie, um mir zu gefallen. Sie antworten mir direkt ob das, was ich tue, angemessen ist, ohne mich dabei zu verurteilen.
Sie geben mir die Chance, jeden Tag neu zu beginnen, als hätte es gestern nicht gegeben.
Durch diese Eigenschaft helfen sie mir, mich selbst zu befreien. Von meinen eigenen Urteilen über mich selbst und das Leben. Sie helfen mir, weiter zu machen, mein Bestes zu geben und auf gute Ergebnisse zu vertrauen. Eine Haltung, die sehr wertvoll für alle Angelegenheiten des Lebens ist.
Mein Türöffner für mutiges Wachstum sind die Tiere. Und weshalb ein Pferd? Weil es nicht nur schön und unglaublich empfindsam ist, sondern auch stark. Es symbolisiert Freiheit und Leidenschaft und Abenteuer in wilder Natur.
Wenn ein solches Tier dir sein Vertrauen schenkt, ist es, wie wenn dein innerster Wesenskern eine Segnung erhält. Pferde erkennen alles an dir. Sie wissen, wer du bist, lange bevor du selbst es weißt. Sie lesen deine Bewegungen, deine Körperhaltung und deinen Blick. Und als Beutetiere wittern sie Bedrohung und Grenzüberschreitung schon von weitem.
Wenn dieses Tier dir vertraut und dir seine Kräfte zu Verfügung stellt, ist das ein unaussprechliches Geschenk!
Das zu erreichen ist vielleicht nicht der Traum eines jeden Reiters. Doch es ist der Traum der Pferdemenschen. Jener Leute, die Pferde nicht nur nutzen wollen, sondern eine tiefe Begegnung mit ihnen suchen.
Um diesen Weg zu gehen habe ich mir ein Leben lang ein Pferd gewünscht. Es ist, als erinnerte ich mich tief im Innern an diese Verbindung. An eine Erfahrung der Einheit mit dem Pferd.
Und deswegen ist das eigene Pferd nie irgendein Pferd. Es ist das Pferd, mit dem du diese Verbindung anstrebst. Sein Wesen berührt dich im Innern und du folgst dieser Berührung.
Ich erinnere mich hier gerne an eine Stelle aus dem Film ‚Avatar‘. Als Jack Sully ‚seinen‘ Drachen auswählt. Er fragt, „woher weiß ich, welcher es ist?“ und seine Ausbilderin antwortet ihm, „er wird versuchen, dich zu töten“. Nun. Zum Glück sind Pferde keine Drachen. Ganz im Gegenteil. Das Raubtier Drache versucht seinen Meister zu töten und muss besiegt werden, um die Verbindung (das Band) zuzulassen. Dann allerdings dient er seinem Meister bis zum Tode.
Das Beutetier Pferd wird flüchten, wenn es kann, um dem Meister zu entkommen. Beide, Pferd und Drache, werden das Band dann zulassen, wenn der Meister sich als solcher würdig erweist und kompetenten Schutz und Sicherheit bieten kann. Diese Prüfung allerdings gilt es in der Beziehung zum Pferd ein Leben lang zu bestehen, damit das Band stabil bleibt.
Meiner Ansicht nach ist es unmöglich, ein Pferd im Kampf zu besiegen. Du eroberst es, indem du es von dir überzeugst. Wählst du den Weg des Kampfes, musst du es dir unterwerfen. Seinen Lebenswillen brechen… Doch ein gebrochenes Pferd hat sich aufgegeben. Seine Seele steht für eine tiefe Verbindung nicht mehr zur Verfügung. Das ist Raub.
Und nicht nur das Pferd wird so seines Wesens beraubt. Auch der Mensch, der diesen Weg wählt, beraubt sich des Wachstums und einer wundervollen Erfahrung.
Stella hat meine Seele berührt. Daraufhin haben wir uns gewählt. Unser Weg hat begonnen. Mein Ziel ist es, die Pferdefrau zu werden, mit der Stella eine Verbindung wünscht.
Erste Begegnung
Als ich Stella zum ersten Mal begegnete, wollte ich eigentlich ein ganz anderes Pferd probereiten. Eine Stallkameradin hatte mich auf eine Anzeige aufmerksam gemacht in der ein ‚geländesicherer Wallach‘ angeboten wurde. Der Hof war ganz in der Nähe und da mir der Wallach auf dem Foto gut gefiel, wollte ich sehen, ob wir zusammen passen.
Als ich der Hofbesitzerin bei dem Besichtigungstermin erzählte, dass ich noch keine allzu sichere Reiterin war, beschloss sie, dass der Wallach für mich nicht in Frage käme. Stattdessen bot sie mir ein paar andere Pferde von ihr an. Zwei davon gingen steif und hatten offensichtlich Schmerzen. Eines wirkte apathisch. Zusätzlich fühlte ich bei ihrem Anblick außer Schmerz für ihren Zustand gar nichts.
Wenn ich allerdings eine Sache in meinem Leben gelernt habe, dann ist es, den ersten Impuls wahr und wichtig zu nehmen. Den allerersten Eindruck wahrzunehmen ist manchmal gar nicht so einfach. Die eigenen Wünsche, das eigene Wollen und die rasante Umdeutung meiner Gefühle haben schon oft diesen ersten Eindruck unter gehen lassen. Wie schnell hat mein Verstand Erklärungen für ein scheinbar unbegründetes Gefühl gefunden.
Es hat mich einige Jahre Übung gekostet, um den ersten Eindruck wirklich zuzulassen. Er kommt so schnell und ist oft so flüchtig, dass meine angepassten und konditionierten unbewussten Einstellungen sich blitzschnell darüber legen. Und dann ist er verloren und taucht erst wieder auf, wenn ich im Nachhinein reflektiere, ob es für die Misere in der ich stecke Frühwarnsignale gegeben hat. Dann allerdings ist es bereits zu spät.
Ich wandere also etwas ernüchtert über den Pferdehof und sehe mir die Pferde an. Es war ja nicht das erste Mal, dass ich voller Hoffnung zu einem Pferd fuhr, um dann wieder ohne ‚meinem‘ Pferd nach Hause zu fahren. So ist das eben, dachte ich und schlenderte umher. Dann sah ich sie. In einer verdreckten Box suchte sie sich zwischen Kothaufen Heu zusammen. Ihre Körperhaltung, etwas in ihrem Gesicht und in ihrem Blick bewegte mich.
Als ich sie ansprach, hob sie den Kopf und drehte sich zu mir, um an mir zu schnuppern. Sie bewegte sich mit einer feinen Vorsicht und schien zugleich wach und neugierig zu sein. Etwas Stilles, sehr eigenständiges ging von ihr aus.
Wenn ich jetzt daran denke, kam sie mir beinahe vor wie ein Reh. Scheu, zart, wachsam und stark. Die Art wie sie sich bewegte und mich ansah war besonders und obwohl ich noch nicht erfassen konnte, was geschah, spürte ich mich sofort mit ihr verbunden.
Ein Paar, das ebenfalls nach einem Pferd Ausschau hielt, kam zu uns an die Box. „Wie sieht denn die aus!“, sagte der Mann und lachte. Ein leichtes Grummeln meldete sich in meiner Brust. „Die hat ja komische Augen. Was stimmt denn mit der nicht?“ Ich sah ‚mein‘ Pferd an. Stimmt, die Augen sind anders. Doch alles stimmt mit ihr. Der junge Mann fragte die Händlerin ein paar Sachen, doch ich hörte nur halb zu.
Meine Aufmerksamkeit war bei den Untertönen der Unterhaltung und bei meinen sonderbaren Gefühlen. Ich bemerkte, dass Sorge in mir aufstieg, der Mann könne das Pferd kaufen wollen und etwas tat mir dabei weh. Dann bemerkte ich deutlich Angst in mir und eine Bestimmtheit formte sich in meinem Körper: ‚Nein, du bekommst sie nicht. Sie ist mein Pferd‘! Ich war verwirrt. Wie konnte ich sowas denken? Zum Glück verlor der Herr das Interesse an dem Pferd mit den ‚komischen Augen‘ und ich konnte noch einige Augenblicke mit der Stute in Stille stehen.
Später am Tag reflektierte ich darüber, was im Stall mit mir geschehen war. War es Mitleid, das mich so stark hat reagieren lassen? Doch in Wirklichkeit hatte ich für den Zustand der Stute und ihre Unterbringung kaum Augen gehabt. Etwas Anderes, mir Unerklärliches, war mit mir geschehen.
Erst ein einziges Mal hatte ich etwas Ähnliches mit einer Palomino Quarter Stute erlebt. Diese war allerdings für mich unerreichbar gewesen. Als Orima damals in dem Reitstall, wo ich seinerzeit Unterricht nahm, angeliefert wurde, war es als ob die Zeit stehen blieb. Ich sah sie, ihre Feinheit, Grazie und Sanftmut und es war um mich geschehen. Auch sie war mir gleich zugetan und wann immer ich konnte, teilte ich Zeit mit ihr. Doch sie stand nicht zum Verkauf und so musste ich Abstand nehmen. Was sie mich allerdings lehrte war, dass meine Seele ganz bestimmt antworten würde, wenn ich ‚meinem‘ Pferd begegnete. Und so war es.
Die Schimmelstute mit den ‚seltsamen Augen‘ ließ mich nicht mehr los. Ich fuhr wieder zu dem Reiterhof, wo sie untergebracht war, um sie zu reiten. Sie stand an diesem Tag mit einigen anderen Pferden auf einer Koppel und als ich mich dem Zaun näherte, kam die ganze Herde auf mich zu. Die Schimmelstute befand sich in der letzten Reihe und versuchte zu mir zu kommen. Da die Herde keinen Weg für sie frei machte, ging ich am Zaun entlang und sagte zu ihr, „ja, wegen dir bin ich noch einmal gekommen“. Und sie ließ die Herde stehen und folgte mir am Zaun entlang.
Als ich sie ritt hatte ich ein klein wenig Angst. Ich war den englischen Sattel nicht gewohnt und überhaupt schien es mir wenig selbstverständlich, mich auf diese Stute zu setzen. Doch sie war wundervoll und ich war noch nie so gut auf einem Pferd gesessen. Ihre Bewegungen sind ein Traum und ihre Feinheit auch. Ich spürte aber auch, dass sie ‚eine Nummer zu groß‘ für mich war. Dieses Pferd würde mich fordern.
Ich ahnte nicht, wie sehr das zutreffen würde.
Das war im August 2016. Als ich endlich nach dem Preis für sie fragte, schluckte ich nur und entschloss, sie mir lieber ‚aus dem Kopf zu schlagen‘. Doch ganz gleich, wie sehr wir uns mit Argumenten gegen unser inneres Wissen wehren, ganz gleich wie sehr wir uns ‚schlagen‘, um ‚vernünftig‘ zu sein… die Seele geht ihren Weg. So oder so.
Umwege, Unfälle, Krankheiten… Sie alle zwingen uns dorthin, wo die Seele gehört werden kann. Wir können versuchen, uns zu verweigern. Das macht alles nur noch schwerer. Oder wir horchen auf und suchen nach Wegen, der Seele zu folgen.
Nachdem ich diese Stute auch nach Wochen und Monaten nicht mehr aus meinem Herzen bekam, entschied ich mich dafür, nach Wegen zu suchen, um meiner Seele zu folgen.
In dieser Zeit zog mein Mädchen nach Niederbayern, wurde immer mal wieder geritten und dennoch… niemand kaufte sie. Ich tat alles, um meine Zweifel auszuräumen. Mein Verstand verlangte, dass ich alles prüfte und mir Rat und Meinungen einholte. Letzten Endes verstärkte das nur meine Verwirrung. Doch mein Verstand war zufrieden, dass ich getan hatte, was mir möglich war.
Ich glaube, meine Freude und meine Angst über diesen Kauf waren gleich groß. Manchmal fürchten wir uns am meisten vor dem, was wir uns am sehnlichsten wünschen. Was, wenn unser vermeintlich größtes Glück unser größtes Leid wird? Was, wenn wir versagen? Was, wenn…? Ja. Es gibt keine Sicherheit und keine Garantie. Es gibt Herausforderungen und Wachstum. Und auf diesem Weg das ganze Spektrum an Gefühlen. Wir können wählen ‚nein‘ zu sagen und irgendwann bedauern, wie wenig wir ‚unser‘ Leben gelebt haben. Oder wir können das Leben aus dem Herzen heraus wagen. Dann wird es reich und tief. Liebe und Mut machen das möglich.
August 2016
Stella am Tag meines Proberitts
Die Eingliederung
Was mich so besonders berührt, ist Stellas Mischung aus ungeduldigem Temperament und Zartheit. Bei aller Ungeduld bleibt sie sanft. Mit großer Neugier und Aufmerksamkeit hat sie den Wechsel in ihren neuen Stall verfolgt. Sehr wach und sehr gefasst.
Jeder Mensch, der in den Stall kam, wurde mit einem kleinen Wiehern begrüßt. Als wollte sie sagen ‚hier bin ich. Nimm mich wahr‘!
Sie benahm sich wie eine Musterschülerin. Gut im Umgang. Brav. Freundlich. Tagsüber stand sie auf einer Koppel, die an den Offenstall angrenzte, in den sie schon bald einziehen sollte. Vor allem die Wallache der Herde zeigten vom ersten Augenblick reges Interesse an Stella. Sie blieb ruhig und ließ die anderen schauen. Innerhalb weniger Tage machte sie sich über die Umzäunung hinweg mit den Jungs bekannt. Ließ schnuppern und schnupperte, alles mit sicherem Abstand.
Bei ihrem ersten Zusammentreffen mit der Herde war sie schnell von vier Wallachen umringt. Sie stand nur da, während sie umkreist, beschnuppert und bedrängt wurde. Genau genommen war sie gar nicht mehr zu sehen. Doch sie machte keinen Versuch, auszuweichen. Sie ließ es einfach geschehen.
Stella geht Ärger aus dem Weg. Sie mischt sich nicht ein. Sie drängelt nicht und beginnt erst jetzt, nach vier Wochen, dezente Signale des Unmutes zu zeigen, wenn sie von einem Herdenmitglied bedrängt wird.
Ihr Anfangs etwas nervös wirkendes Zurückweichen, wenn sie in der Herde angegriffen oder zur Ordnung gewiesen wurde, hat sich beruhigt. Sie darf jetzt neben den meisten Herdenmitgliedern futtern und wird immer seltener vertrieben. Sie bewegt sich mit größerer Gelassenheit.
Spektakuläre Auftritte, wie sie der vorbeitrabende Hengst des Hofes inszeniert, scheinen sie nicht zu interessieren. Sie macht klar, was sie mag und was nicht. Auf mich wirkt sie vorsichtig.
Obwohl sie sich von allen Pferden in der Herde, auch den rangniedersten, hat vertreiben lassen, suchte sie zugleich von Beginn an die Nähe der Herdenführer. Unaufdringlich wartend, doch präsent. Sie lässt sich Zeit. So ungeduldig sie manchmal mit uns Menschen sein kann, so ausdauernd ist sie in der Herde. Ich bin gespannt, ob das so bleibt oder ob es sich ändert, wenn sie ihren Platz in der Rangordnung gefunden hat.
Vom ersten Tag an folgte sie mir ohne große Umstände. Wir schauten uns auf dem Hof um, lernten die Halle kennen und Mikesch, den Kater. Sie ließ sich putzen und führen und alles war noch ziemlich aufregend und spannend. Stellas Neugier ist größer als ihre Furcht. Beinahe habe ich den Eindruck, dass sie überhaupt wenig Angst hat. Doch vielleicht täuscht das. Irgendetwas flüstert in mir, dass sie nur die oberste Spitze ihrer Gefühle zeigt.