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Über dieses Buch:

Was tun, wenn unerwartet der Klapperstorch anklopft? Für Musikjournalist Dave steht das Leben Kopf, als er erfährt, dass seine Frau schwanger ist. Um das Gefühlschaos perfekt zu machen, flattert ihm in seinem geliebt-gehassten Job als Kummerkastenonkel für ein Teenager-Magazin ein Brief mit urknallartiger Wirkung auf den Tisch: Die dreizehnjährige Nicole will keine Tipps gegen Liebeskummer, sondern sucht nach ihrem Vater. Und sie ist ausgerechnet die Tochter der Frau, die Dave vor vielen Jahren auf einer unvergesslichen Party traf … Plötzlich sitzt Dave mitten zwischen den Stühlen – aber ist vielleicht genau dort das große Glück zu finden?

Herzerwärmend romantisch und urkomisch zugleich – mit feinstem britischen Humor, wie wir ihn alle aus den Romanen von Nick Hornby kennen und lieben, und dem Charme von Helen Fielding schreibt Mike Gayle über die Pleiten und Pannen des Lebens.

»Eine warmherzige, heitere romantische Komödie.« Daily Mail

»Wenn Bridget Jones ein Mann wäre …« Express

Über den Autor:

Mike Gayle wurde 1970 in Birmingham, England, geboren. Nach seinem Studium der Soziologie zog es ihn nach London, wo er als Journalist für die »Sunday Times Style« und die »Cosmopolitan« arbeitete. Als »Kummerkastenonkel« für mehrere Jugendzeitschriften konnte er Stoff für seine turbulenten Romane sammeln. Mit seinem Romandebüt »Und täglich grüßt die große Liebe« gelang ihm sofort der Sprung auf die Bestsellerlisten. Heute lebt Mike Gayle als etablierter Schriftsteller mit seiner Frau und seinen zwei Kindern wieder in Birmingham.

Bei dotbooks veröffentlichte Mike Gayle bereits seine Romane »Man liebt sich immer zweimal« und »Und täglich grüßt die große Liebe«.

Die Website des Autors: www.mikegayle.co.uk/

Der Autor im Internet: www.facebook.com/mikegayleauthor/

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eBook-Neuausgabe Dezember 2018

Dieses Buch erschien bereits 2003 unter dem Titel »Frühstück zu dritt« bei Droemer

Copyright © der englischen Originalausgabe 2002 by Mike Gayle

Die englische Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel »Dinner for two« bei Flame / Hodder & Stoughton, a division of Hodder Headline, London.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2003 Droemer Verlag. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock.com/Andrea Kaulitzki, Yurkalmmortal und Forgem

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-251-1

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Mike Gayle

Wenn aus Chaos Liebe wird

Roman

Aus dem Englischen von Helga Augustin

dotbooks.

Prolog

Anscheinend (so hat sie es mir jedenfalls erzählt) ist alles nur passiert, weil ihre beste Freundin Keisha nach der Schule Hockeytraining hatte und länger bleiben musste. Normalerweise ging sie ungern allein nach Hause, weil sie sich dann einsam fühlte. Doch an diesem Tag bemerkte sie Keishas Abwesenheit nicht einmal, und zwar wegen Brendan Casey. Inzwischen war sie so verrückt nach ihm, dass sie ihm manchmal sogar nachspionierte. Sie beobachtete ihn heimlich beim Mittagessen in der Kantine oder setzte sich dienstagnachmittags in Mr. Kellys Englischklasse ans Fenster, weil Brendans Jahrgang dann Fußball spielte und sie mit ein bisschen Mühe und zusammengekniffenen Augen seine Silhouette auf dem Spielfeld erkennen konnte.

An dem Tag war sie wild entschlossen, ihn zum ersten Mal anzusprechen. Nach reiflicher Überlegung hatte sie entschieden, sich in seiner Nähe aufzuhalten, viel zu lächeln und unbeirrt zu hoffen, dass sich wie aus dem Nichts ein Gespräch zwischen ihnen entwickeln würde, sozusagen ein Urknall-Gespräch. Als die Glocke dann zum Schulschluss läutete, war sie zum Haupteingang gerannt und hatte gewartet.

Von dort aus folgte sie Brendan und seinen Freunden unbemerkt zum Tor, was gar nicht so einfach gewesen war, da sie fürchterlich trödelten. Die Jungs blieben oft stehen, und sie musste sich schnell bücken und an ihren Schnürsenkeln fummeln oder in ihrer Tasche wühlen. Manchmal ließ sie auch einfach nur den Blick in die Ferne schweifen, wie auf der Suche nach Inspiration. Endlich zahlte sich ihre Hartnäckigkeit aus: Die Jungs passierten das Schultor und gingen zur Bushaltestelle. Dort postierte sie sich direkt hinter Brendan, was sie sich bislang nur in ihren wildesten Träumen vorgestellt hatte. Doch Brendan schenkte ihr nicht die geringste Beachtung, sie konnte noch so heftig in seine Richtung lächeln.

Die Linie 23A kam, die Türen des Doppeldeckers gingen auf, und sofort verwandelte sich die ordentliche Warteschlange in einen drängelnden Menschenhaufen und sie wurde zurückgestoßen. Brendan und seine Freunde verschwanden gleich nach oben, wo dann, als sie kam, schon alles besetzt war. Seufzend ging sie wieder nach unten.

Als der Bus nach zehn Minuten an ihrer Haltestelle hielt und sie ausstieg, war sie so wütend, dass sie am liebsten geschrien hätte. Was sie natürlich nicht tat. Sie stürmte die Straße entlang und wollte nicht einmal zurücksehen, um einen letzten Blick auf Brendan zu erhaschen. Doch ihr Vorsatz wurde von der Vorstellung zunichte gemacht, wie er das Gesicht ans Busfenster presste und seine Augen sie suchten. Sie drehte sich um, konnte ihn aber nicht sehen und sie hasste sich dafür, Hoffnung zu haben, wo es keine gab. Sie hasste sich für ihren Mangel an Selbstrespekt.

Es fing an zu regnen und sie beschloss, sich zu ändern: Sie wollte ihr Leben wieder in den Griff bekommen, und dafür musste sie als Erstes ihre Stimmung heben und sich etwas Gutes tun. Sie sah in ihrem Hello-Kitty-Portemonnaie nach, wie viel Geld sie noch hatte – zwei Pfund und siebzig Pence. Da ihr nicht ganz klar war, womit sie sich etwas Gutes tun konnte, ging sie die Straße hinunter zum Kiosk, wo ihr Blick sofort auf die Zeitschriften fiel. Genau das brauchte sie jetzt.

Eine Zeitschrift, die ihre Gefühle verstand.

Eine Zeitschrift, die sie besser verstand als sie sich selbst.

Eine Zeitschrift, die ihr half, sich selbst zu mögen.

Sie überflog die Titel, die auf ihre Altersgruppe abzielten: Smash Hits, Mizz, 19, TV Hits, Top of the Pops, Teen Scene, J17, Bliss, Sugar, Looks, und fühlte sich augenblicklich besser. Diese Hefte schienen wie Freunde, die heftig um ihre Beachtung wetteiferten. Doch sie musste sorgfältig wählen, konnte es sich nicht leisten, enttäuscht zu werden. Alle Cover sahen gleich aus: betörend schöne junge Mädchen oder Popstars mit makelloser Haut, ebenmäßigen Zügen und einem gelassenen Lächeln. Auch was den Inhalt betraf, waren die Magazine kaum zu unterscheiden: Mode, Make-up, Interviews mit Popstars, Reportagen über Jungen, Reportagen über Freunde.

Nach kurzer Zeit traf sie ihre Wahl: Teen Scene »die Zeitschrift für lebenshungrige Girls«. Sie war zehn Pence billiger als die anderen; ihr gefiel der purpurrote Lidschatten des Covergirls, dessen Marke hoffentlich im Heft genannt wurde; auf dem Umschlag waren Tattoos befestigt, die man sich selbst aufkleben konnte und ein bisschen kindisch aussahen, aber irgendwie auch witzig; und sie hatte die beste Ratgeberseite, »Frag Adam«. Ihre Freundinnen lachten über Mädchen, die dort Hilfe suchten, aber sie selbst war in Bezug auf Jungen genauso ratlos wie die Mädchen in diesen Briefen. Sie liebte die Ratgeberseiten. Sie vermittelten ihr das Gefühl, mit ihren Problemen nicht allein auf der Welt zu sein, und dass sie nicht irgendwie verrückt war – dass all die Gedanken und Ängste, die in ihrem Kopf herumschwirrten, von »Liebe Pam«, »Frag Adam«, »Sprechstunde bei Dr. Mallory«, »Boy talk mit Stephen« und »Annes Krisenberatung« gelöst werden konnten. Die Liste war endlos, aber »Frag Adam« fand sie am besten.

Sie nahm die Zeitschrift und ging zur Kasse. Der Mann hinter dem Ladentisch scannte den Strichcode, die Kasse piepte, sie gab ihm den exakten Betrag und ging.

Laut Chaos-Theorie hätte etwas so Simples wie der Flügelschlag eines Schmetterlings vor Millionen von Jahren den Weltlauf verändern können. Wenn das stimmt, dann hat sich für mich, Dave Harding, Musikjournalist und glücklich verheiratet, in dem Moment, als sie die Zeitschrift kaufte, ein Schmetterling flügelschlagend in die Luft erhoben und aus der Chaos-Theorie Chaos-Praxis gemacht.

TEIL EINS
Juli – August 2000

Da saßen sie beide, erwachsen und doch Kinder, Kinder im Herzen; und es war Sommer, warmer, wohltuender Sommer.

Die Schneekönigin
von Hans Christian Andersen

Richtig

Es ist fast Mittag und ich bin im Büro, als das Telefon klingelt.

»Dave Harding«, melde ich mich. »Louder-Magazin.«

»Ich bin's.«

Am anderen Ende ist Izzy, meine Frau. Sie ruft ebenfalls vom Büro aus an.

»Hi. Wie läuft's bei dir?«

»Gut. Was machst du gerade?«

»Nichts, was keine Unterbrechung verkraften könnte.«

»Oh.«

»Was ist los?«

Schweigen.

»Ist alles okay?«

Schweigen.

»Stimmt was nicht?«

Das Schweigen endet. »Es kann sein, dass ich schwanger bin«, sagt sie und bricht in Tränen aus.

Tick

»Du bist schwanger?«, wiederhole ich.

»Ich glaube ja.«

»Du glaubst ja?«

»Ich hab noch keinen Test gemacht ... Ich wollte, dass du dabei bist. Aber ich bin überfällig. Schon lange. Genau genommen lange genug, dass es eigentlich schon sicher ist.«

»Warum hast du mir nichts davon gesagt?«

»Ich hab irgendwie gehofft, dass es doch nicht stimmt«, sagt sie leise.

»Ich liebe dich«, sage ich.

»Es ist furchtbar«, sagt sie.

»Ich liebe dich«, sage ich.

»Damit ist alles zu Ende«, sagt sie.

»Ich liebe dich«, sage ich.

»Was sollen wir jetzt nur machen?«, fragt sie.

»Ich weiß es nicht«, sage ich. »Aber ich liebe dich.«

Hallo

Manche Menschen zeugen ihr Erstgeborenes an einem sonnigen Strand in der Karibik, in einer stürmischen Nacht im Lake District oder im eigenen Schlafzimmer, bei Kerzenlicht und Hintergrundmusik von Barry White. Was haben Izzy und ich dagegen zu bieten? Eine etwas lustlose mitternächtliche Paarung in Nordlondon an einem regnerischen Dienstag im Juni. Wir versuchen herauszufinden, wann es passiert ist, und müssen dabei furchtbar lachen – Izzy hatte besagten Tag damit verbracht, einen Artikel über die Abnahme sexueller Aktivitäten bei Paaren über dreißig zu redigieren, und unser Zusammenkommen als eine Art Alibiprotest initiiert. Wie sie verdiene auch ich meinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Zeitschriftenartikeln und weiß deshalb sehr gut, dass man nie glauben soll, was man in Zeitschriften liest, weil es nämlich von Leuten wie uns geschrieben wird – jobbenden Journalisten, die am Ende des Tages genauso rat- und orientierungslos sind wie der Rest der Welt. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir es niemals zugeben würden. Aber nichts davon ändert etwas daran, dass wir schwanger sind und es keineswegs geplant hatten.

Bin ich sauer auf den Artikel?

Nein.

Bin ich sauer auf Izzy?

Nein.

Bin ich sauer auf mich selbst?

Nein.

Ich bin – um ein Klischee zu bemühen – ganz hin und weg. Begeistert.

Überglücklich.

Es ist das Beste überhaupt, das mir je passiert ist.

Fehler

Izzy weint am Telefon, weil sie kein Kind will ... noch nicht. Dabei mag Izzy Kinder – wir kennen eine Menge Leute mit Nachwuchs. Sie ist ganz vernarrt in die Kleinen, begleitet die Mütter zum Gap-Kinderladen und heftet Kinderfotos an die Pinnwand in unserer Küche. Aber sie will sie lieber später als früher.

»Vielleicht in ein paar Jahren«, hatte sie mit achtundzwanzig gesagt, als die Ersten aus unserem Bekanntenkreis schwanger wurden.

»Ich bin einfach noch nicht so weit«, hatte sie mit neunundzwanzig gesagt, als eine ganze Schar Arbeitskolleginnen, Freundinnen, Cousinen und Nachbarinnen Kinder produzierten.

»Ich bin nicht einmal sicher, ob ich überhaupt welche will«, hatte sie mit dreißig gesagt, als sie erfuhr, dass ihre Busenfreundin aus Kindertagen ihr viertes erwartete.

Fairerweise muss ich zugeben, dass Izzys Anti-Haltung von mir sowohl in der Öffentlichkeit als auch zu Hause unterstützt wurde. »Wir sind kein babyfreundlicher Haushalt«, habe ich jedes Mal gesagt, wenn das Thema im Gespräch mit Freunden aufkam. »Ich ein Kind? Soll das ein Witz sein?« Dann lachten Izzy und ich immer und scherzten darüber, wie schlimm wir uns beim Großziehen unserer Nachkommen anstellen würden. Wir haben sogar einen kleinen Sketch dazu entwickelt:

Sie: Wir können keine Kinder haben. Wir wären furchtbare Eltern.

Ich: Wir würden dem Baby vielleicht Budweiser statt Milch geben.

Sie: Oder es im Bus vergessen.

Ich: Oder im Supermarkt.

Sie: Es wären die unglücklichsten Kinder auf der ganzen Welt, weil sie unsere Gene hätten.

Ich: Sie würden deine riesigen Ohren erben.

Sie: Und deine komischen Affenzehen.

Ich: Stellt euch das mal vor – ein großohriges Kind mit Affenzehen, das seine Milchflasche umklammert, ohne die Hände zu benutzen.

Sie: Und nicht zu vergessen, wir sind beide kurzsichtig. Damit hätten wir also ein kurzsichtiges, großohriges Kind mit Affenzehen.

Ich: Und du hattest als Kind Asthma und ich bin so ziemlich gegen alles allergisch: Pollen, Penizillin, Schalentiere ...

Sie (atmet tief durch): Ein asthmatisches, gegen so ziemlich alles – einschließlich Pollen, Penizillin und Schalentiere – allergisches, kurzsichtiges, großohriges Kind mit Affenzehen. Unglaublich!

Ich: Keine viel versprechenden Voraussetzungen für ein Kind. (Pause.) Dann also nur du und ich?

Sie: Yeah. Nur du und ich.

Selbst als der Druck aus unserem Bekanntenkreis seinen Höhepunkt erreichte und alle Paare mit Babys uns mit ihrem »Oh, ihr müsst ein Kind kriegen, es ist die absolute Erfüllung«-Mantra beschworen, unterstützte ich Izzy weiterhin, weil ich sie liebte. Und sie liebte mich. Außerdem wollte ich, dass sie glücklich ist, was immer wir aus unserem Leben machten.

In Wahrheit wollte ich von Anfang an Kinder haben. Und nicht warten. Hätten wir gleich zu Beginn unserer Beziehung ein Kind produziert und bis ins hohe Alter nicht damit aufgehört, wäre ich überglücklich gewesen. Aber das behielt ich für mich. Ich wollte sie nicht unter Druck setzen. Eines Tages, so sagte ich mir, wird sie ihre Meinung ändern, und bis dahin muss ich Geduld haben. Also war ich geduldig, während wir all das machten, was Paare so tun: eine neue Küche einbauen, Wände rausreißen, Urlaub an exotischen Orten, weit ab vom Massentourismus. Wir waren das Bilderbuchpaar der kinderlosen Generation von Doppelverdienern. Wir hatten alles und wir hatten es jetzt. Aber ich hätte alles gegen stinkende Windeln samt dem Kind, das sie voll geschissen hat, eingetauscht.

Babys

»Welchen sollen wir nehmen?«, frage ich.

Es ist achtzehn Uhr fünfundvierzig, Izzy und ich stehen im großen Boots-Drogeriemarkt in der Oxford Street und starren auf die lange Reihe Schwangerschaftstests, die in meinen Augen alle gleich aussehen. Für mich ist das absolutes Neuland, ich hätte nicht einmal gewusst, in welcher Abteilung ich suchen sollte. Körperpflege für Frauen? Neben den Haarshampoos? Zwischen den Sandwichs von Shapers und der eisgekühlten Limonade? Es stellt sich heraus, dass sie im gleichen Gang wie die Verhütungsmittel sind, was ich irgendwie lustig finde, zumal das Regal ironischerweise mit »Familienplanung« beschriftet ist.

»Vor ein paar Monaten haben wir darüber in unserer Zeitschrift eine Kundenbefragung durchgeführt«, sagt Izzy, während wir uns die unzähligen Tests ansehen. »Der hier«, sie zeigt auf eine dunkelblaue Schachtel, »und der hier«, eine pastellgrüne Schachtel am anderen Ende des Regals, »haben am besten abgeschnitten.«

Ich nehme einen in die Hand und sehe auf den Preis. Und bin entsetzt. »Ist das ein Irrtum?«

Sie wirft einen Blick drauf. »Nein, Schatz. Die sind so teuer.«

»Weil ...?«

»Weil sie so teuer sind.«

»Überall?«

»Überall.«

»Für das Geld könnte man eine halbwegs anständige CD kaufen«, sage ich stirnrunzelnd.

»Was du wahrscheinlich auch tun würdest«, sagt Izzy lächelnd. Sie hat ein wunderbares Lächeln, meine Frau. Bei dessen Anblick erfreut man sich des Lebens. »Welche CD würdest du denn kaufen?«, fragt sie.

»Simple Pleasures von Tindersticks. Ein Wahnsinns-Album.«

»Aber hast du das nicht schon?«

»Yeah«, erwidere ich. »Doch es ist so gut. Ich hätte's gern doppelt.«

Zuhause

Auf dem Weg in unsere Wohnung in 24b Cresswell Garden, Muswell Hill, reden wir über alles und nichts: wie es im Job gelaufen ist, was wir heute Abend essen und was wir am Wochenende tun wollen, also richtige Paar-Themen. Doch sobald wir die Wohnung betreten – im zweiten Stock eines sanierten dreistöckigen Hauses aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert – hören wir auf, so zu tun, als wäre eine Schwangerschaft nicht das größte Ereignis in unserer Beziehung seit dem Tag unserer ersten Begegnung.

Plötzlich haben wir eine Aufgabe und nur die zählt. Selbst unseren drei Jahre alten egozentrischen grauen Perserkater namens Arthur, der wie verrückt miaut und sich Aufmerksamkeit heischend auf dem Boden windet, ignorieren wir auf dem Weg ins Bad. Ich sehe zu, wie Izzy die Packung öffnet und den Teststreifen drohend in meine Richtung hält. Ich bin total fasziniert. Kaum zu glauben, dass dieses Plastikstäbchen entscheiden kann, wie der Rest meines Lebens aussehen wird.

»Okay«, sagt sie. »Es ist so weit.«

Sie sieht mich an, ich sehe sie an. Nach einem Moment des Schweigens, in dem wir unsere Gedanken sammeln, nicke ich ihr zu. »Leg los«, sage ich.

Sie rührt sich nicht.

»Stimmt was nicht?«

»Ich kann nicht pinkeln, wenn du dabei bist. Du musst draußen warten.«

»Warum denn nicht?« Die Frage ist kein Witz. Es ist doch lächerlich, was sie sagt. »Warum muss ich mir alles Gute entgehen lassen?«

»Dir wird überhaupt nichts entgehen«, fährt sie mich an.

Ich verlasse das Bad und sie schließt hinter mir ab. Ich bleibe direkt vor der Tür stehen, drücke das Ohr dagegen und versuche angestrengt zu hören, wie meine Frau auf den Plastikstreifen pullert. Der Kater gesellt sich zu mir. Doch er lauscht nicht an der Tür, sondern streicht laut schnurrend um meine Beine. Ich knie nieder und kraule ihm den Nacken, während er mit riesigen grauen Augen zu mir aufsieht. Wir erleben einen Moment der Zweisamkeit, mein Kater und ich, aber er weiß nicht, dass ich in Wirklichkeit woanders bin – bei Izzy im Bad.

»Bist du fertig?«, rufe ich.

»Kannst du vielleicht noch einen verdammten Moment warten, Dave?«, schreit Izzy. »Ich bin gerade erst so weit.«

Grabesstille tritt ein, gefolgt von Pinkellauten, Klopapiergeräuschen und der Toilettenspülung, und dann kommt Izzy endlich heraus mit dem Teststreifen in der Hand. »Das hat garantiert ein Mann erfunden«, sagt sie. »Nur ein Mann kann die großartige Idee haben, auf etwas zu pinkeln, das die Treffsicherheit eines Scharfschützen verlangt.«

Ich lache – das war wieder ein typischer Izzy-Kommentar. Sie verbringt ihre Tage damit, eine Zeitschrift mit herauszubringen, die Hunderttausenden von Frauen aus dem Herzen spricht. Und eine der einfachsten Methoden, so eine schwesterliche Verbundenheit zu schaffen, ist es, die »nutzlosen Männer« als gemeinsamen Feind zu betrachten, nach dem Motto: »Man kann weder mit ihnen leben noch ohne sie.« Doch in Wirklichkeit glaubt Izzy nicht an geschlechtsspezifische Verallgemeinerungen. Sie glaubt an Menschen.

»Wie lange müssen wir warten?«, frage ich.

Sie sieht auf die Rückseite der Schachtel, um es herauszufinden, obwohl sie weiß, dass ich weiß, dass sie es weiß. »Drei Minuten.«

»Also, es ist mindestens dreißig Sekunden her, seit du die Klospülung gedrückt hast und mit mir redest, bleiben noch genau zweieinhalb Minuten.« Bevor Izzy Einspruch erheben kann, schnappe ich mir den Streifen, lege ihn vorsichtig auf den Boden, nehme sie bei der Hand, ziehe sie ins Schlafzimmer und schließe die Tür. So verharren wir, die Arme umeinander geschlungen und den Blick auf die Armbanduhr geheftet, genau zweieinhalb Minuten lang. Dann reißt Izzy sich los und stürmt zur Tür. Obwohl ich auch gleich losrenne, hält sie den Teststreifen bereits in der Hand, als ich schließlich bei ihr bin.

Die Spannung ist so qualvoll, dass ich kaum sprechen kann. »Wie sieht's aus?«

»Ich bin schwanger«, sagt sie leise. Schon kullern Tränen über ihre Wangen. »Du wirst Vater.«

Ich schließe sie in die Arme und drücke sie fest an mich. »Weine nicht. Es wird alles gut werden.«

»Ich weine nicht, weil ich traurig bin«, sagt sie. »Ich weine, weil das wohl die schönste Nachricht ist, die ich je gekriegt habe.«

Leser

Einen Tag später. Ich bin an meinem Arbeitsplatz im vierzehnten Stock des Hanson-Hauses in Holborn. Es ist der Sitz von BDP-Publishing, einem Zeitschriftenimperium, das mit seinen siebzehn Magazinen so ziemlich alle Themenbereiche abdeckt, für die sich die Menschen interessieren:

Interieur: Your Kitchen, Bathroom and Bedroom und Metrohome

Women's fashion und Lifestyle: Femme, It Girl und Fashionista

Babys: Your Baby and You und Mothers Now

Computer: Computer Gaming Now, Download und Internet Express

Sport: Football Focus und Tee Off

Kochen: Now Eat That und Food Review

Musik: Louder

Ich arbeite bei Louder, »die Zeitschrift für Leute, die Musik leben«. Der Untertitel bringt mich jedes Mal wieder zum Lachen, weil er so treffend ist. Unsere Leser lieben die Musik nicht, sie leben sie – verzehren sie, atmen sie. Genau wie ich. Oder besser gesagt: genau wie ich früher. Obwohl ich meinen Job sehr mag, bin ich mir doch im Klaren darüber, dass Musikjournalismus – wie auch sein etwas glamouröseres Gegenstück, das Rockstar-Dasein – von Natur aus ein Beruf für junge Leute ist. Natürlich produzieren viele Musiker, die weit über dreißig, vierzig und sogar fünfzig sind, noch Alben, doch ich möchte nicht ihr journalistisches Pendant werden. Wie meine Musikhelden Buckley, Hendrix, Cobain, Curtis und Shakur, finde ich – rein metaphorisch ausgedrückt – die Vorstellung, jung zu sterben und eine stattliche Zeitschriftensammlung zu hinterlassen, durchaus attraktiv. Tatsache ist nämlich, dass ich die Dreißig schon überschritten habe und langsam anfange, einige der neuen Musik-Kreuzungen des sich ständig entwickelnden wilden Tiers genannt Rock 'n' Roll nicht zu »kapieren«. Ich verstecke meine Unwissenheit hinter der Entrüstung über die Entartung der reinen Musikformen, doch in Wahrheit habe ich bei vielen Melodien das Gefühl, alles schon mal gehört zu haben. Und dafür hasse ich mich.

Zum Beispiel ist seit kurzem die Kennmelodie einer bekannten Fernsehserie in den Charts. Jedes Mal wenn ich sie höre, möchte ich am liebsten mein Autoradio zertrümmern. Etwas Derartiges ist mir noch nie passiert und macht mich so fertig, dass ich es nicht wage, irgendwem bei Louder davon zu erzählen – obwohl ich merke, dass es einigen der anderen Autoren genauso geht. Vielleicht ist das der Grund, warum die Verkaufszahlen von Louder in den letzten Monaten zurückgegangen sind. Vielleicht ist keinem von uns bewusst, wie sehr wir den Bezug zu unserer Zielgruppe – Männer zwischen fünfzehn und sechsundzwanzig, mit absurd großer Plattensammlung, die sich regelmäßig Rockkonzerte ansehen – verloren haben.

Vielleicht soll ja die Musik, bei der ich – ein Musikjournalist über dreißig – am liebsten mein Autoradio zertrümmern würde, genau den Effekt haben. Vielleicht bin ich für »die Kids« ja der Feind. Ich bin schon lange nicht mehr der »Rebell ohne Grund«, wie James Dean in Denn sie wissen nicht, was sie tun: Ich bin der Rebell mit einer Hypothek, einer Rentenversicherung und einer sehr großen Plattensammlung. Wäre ich fünfzehn, würde ich wahrscheinlich genau die Platten lieben, die jetzt mein Autoradio gefährden. Es wäre mir egal, dass ich alles schon mal gehört habe, weil ich das Gefühl hätte, sie handeln von meinem Leben. Deshalb war die Musik so unheimlich wichtig für mich. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als sie mir alles bedeutet hat – als sie in meinem Kopf war, in meinem Herzen und in meiner Seele. Aber jetzt weiß ich, dass es im Leben mehr gibt als Musik.

Wenn ich früher während der Mittagspause im leeren Klassenzimmer saß und stolz meine Ausgabe des NME las, hätte ich es nie für möglich gehalten, einmal Teil der glamourösen Welt des Rock 'n' Roll zu sein. Und doch hocke ich jetzt hier an einem Schreibtisch, vor mir einen Stapel CD-Päckchen mit meinem Namen drauf. PR-Leute von Plattenfirmen laden mich zum Mittagessen ein und buhlen um meine Gunst, ich toure mit Bands durch die Städte und reise kostenlos in der ganzen Welt herum, um Künstler zu interviewen. Es ist ein fantastischer Job. Oft frage ich mich, was ich getan hätte, wenn ich nicht hier gelandet wäre. Doch wie alle hatte auch ich alternative Lebensentwürfe. Mein Plan B (der natürlich einmal Plan A gewesen war) sah vor, dass ich eine Band gründe. Da ich aber nicht singen kann und sich meine Bassgitarren-Künste auf den »guten Teil« in Claptons »Sunshine of Your Love« beschränken, musste ich mir frühzeitig eingestehen, niemals Rock-'n'-Roll-Superruhm ernten zu können. Mein Plan C (der ebenfalls einmal Plan A gewesen war) sah vor, ein eigenes Plattenlabel zu gründen, doch da ich ungefähr genauso viel Geschäftssinn habe wie ein Fünfjähriger in einem Spielwarenladen, wusste ich tief im Inneren, dass auch dieser Plan zum Scheitern verurteilt war. Und so rückte Musikjournalismus (Plan D) schließlich auf den ersten Platz der Charts, weil es das einzig erreichbare Ziel für mich war.

Das Arbeitsklima bei Louder kann schwerlich als normal bezeichnet werden. Von neunzehn Mitarbeitern sind achtzehn männlich – alle eingeschworene Musiksnobs –, die tun, als würden sie sich gegenseitig hassen, und die einzige weibliche Mitarbeiterin ist Chrissy, unsere stets quietschvergnügte Redaktionsassistentin. Freundlichkeiten werden bei uns selten ausgetauscht, und auch Unterhaltungen sind rar, außer es geht konkret um Musik, Arbeit oder die Beschimpfung unserer Rivalen und der Bands, die sie favorisieren.

In gewisser Weise ähnelt die Arbeit bei Louder einem Job bei der militärischen Sondereinheit SAS: Wir nehmen nicht jeden, und alle Mitarbeiter müssen, falls nötig, mit den bloßen Händen töten können. Es ist ein unbarmherziges, aber tröstlich männliches Klima – wie in einem Gefängnis, allerdings ohne die Rasierklingen in der Seife. Frauen hassen so eine Arbeitsatmosphäre. Als Izzy, deren Femme-Büro im elften Stock liegt, mich das erste Mal bei Louder besuchte, sagte sie, das Büro wirke auf sie wie ein kalter, gnadenloser Arbeitsplatz.

»Du hast Recht«, erwiderte ich. »Doch bei dir klingt es, als wäre das schlecht.«

Tack

Heute fällt es mir schwer zu arbeiten. Ich möchte dem ganzen Büro erzählen, dass ich Vater werde. Denn das tut man doch gewöhnlich, wenn es so weit ist. Man darf stolz sein. Ich habe Leben geschaffen, möchte man sagen. Bald gibt es einen Menschen mehr auf der Welt, und zwar meinetwegen! Aber ich sage natürlich nichts, hauptsächlich weil es wohl keinen im Büro interessiert. Stattdessen sitze ich an meinem Schreibtisch, starre ins Leere und gebe mich Tagträumen hin: das erste Weihnachtsfest meines Kindes, die erste Geburtstagsparty meines Kindes, wie ich im Park mit meinem Kind Fußball spiele, wenn es ein bisschen älter ist. Ich mache alles. Und ich mache es jetzt. Aus einer Laune heraus tippe ich sogar einen Brief an unseren Fötus:

11. Juli 2000

Lieber Fötus,
zuerst einmal möchte ich mich vorstellen: Ich heiße Dave Harding und bin dein Dad. Hallo. Ich bin von Beruf Musikjournalist und schreibe hauptsächlich CD-Kritiken bei Louder. Wenn du erst ein bisschen älter bist (vielleicht ein paar Wochen), spiele ich dir einige meiner Lieblingsalben vor (sie wechseln ständig, aber ich kann dir garantieren, dass was von den Rolling Stones, Mos Def, Public Enemy, Radiohead, Mazzy Star und Aretha Franklin dabei ist). Ich weiß, dass es ziemlich dunkel bei dir ist und du wahrscheinlich im Wasser schwimmst, aber hören kannst du da drin schon, oder? Ja, doch, da bin ich mir ziemlich sicher. Übrigens, die Frau, die dich im Moment herumträgt, ist deine Mum, Izzy. Wir sind seit drei Jahren verheiratet (vor ein paar Wochen haben wir unseren Hochzeitstag gefeiert) und waren davor schon drei Jahre zusammen. Wir sind sehr glücklich.

Heute Morgen habe ich im Internet (ich erzähle dir mehr darüber, wenn du draußen bist) über Fortpflanzung recherchiert, und nachdem ich mich durch eine Unmenge bizarrer Hardcorepornos gearbeitet hatte, fand ich eine Webseite mit Informationen über deine Spezies (d. h. ganz, ganz kleine Menschen). Im Moment bist du anscheinend einen Millimeter groß – was, falls dir das metrische System nicht bekannt sein sollte, wirklich winzig ist. Ist eine Ameise einen Millimeter groß? Ich hab keine Ahnung, aber vermutlich bist du ein bisschen kleiner als eine Ameise.

Also gut, was kann ich dir sonst noch erzählen? Deine Mum ist stellvertretende Herausgeberin eines Hochglanzfrauenmagazins namens Femme, und sie arbeitet wirklich hart. Sie ist dreißig Jahre alt (ich bin einunddreißig) und sehr klug und sexy (es ist wahrscheinlich besser, nicht so viel über ihre Attraktivität zu sagen, weil das den keimenden Ödipuskomplex nähren könnte, den du – falls du ein Junge bist – womöglich gerade entwickelst).

Da es da drin wahrscheinlich keinen Spiegel gibt, weißt du vermutlich nicht, wie du aussiehst. Damit du nicht völlig im Dunkeln tappst, beschreibe ich dir mal, wie wir aussehen, denn du wirst wahrscheinlich eine Mischform von uns beiden werden. Deine Mum ist einen Meter fünfundsiebzig groß und wiegt etwas über dreiundsechzig Kilo. Sie hat pechschwarze Haare, haselnussbraune Augen, eine eher kleine Nase und Wangen, die ein bisschen an ein Backenhörnchen erinnern. Ich weiß, dass du mit bekannten Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur nichts anfangen kannst, aber sie ist wohl am ehesten eine Kreuzung von Minnie Driver aus Circle of Friends und Julianna Margulies, als sie noch bei ER mitgespielt hat. Was mich betrifft, ich bin einen Meter siebenundachtzig groß und gut verteilte neunundachtzig Kilo schwer. Ich habe kurze, schwarze Haare, dunkelbraune Augen, eine breite Nase und, wie ich allzu gern glauben möchte, ein schön geformtes Kinn.

Izzys Mum stammt aus Südwales, und ihr Dad (der vor ein paar Jahren gestorben ist) wurde in Polen geboren; meine Mum und mein Dad sind aus Trinidad. Izzy und ich sind beide in England geboren, was bedeutet, dass (und jetzt setzt der Trommelwirbel ein) anglo-walisisch-polnisch-trinidadisches Blut in deinen Adern fließt und du wahrscheinlich eine milchkaffeebraune Haut haben wirst. Wenn ich deine Mum nicht bekniet hätte, bei der Eheschließung meinen Namen anzunehmen, müsstest du dich wohl mit einem Doppelnamen herumschlagen: Kleiner Fötus Lewandowski-Harding oder Kleiner Fötus Harding-Lewandowski, was ich, und sicher stimmst du mir da zu, für ein bisschen zu lang halte.

Nun, das soll ja nur eine kurze Einführung sein, um dich in unserer Familie willkommen zu heißen.

Hab keine Bange da drin.

Alles Gute

Dave Harding (dein stolzer Dad)

Ja

Izzy ruft mich von der Arbeit aus an und erzählt mir die gute Nachricht. Sie war gerade beim Frauenarzt und er hat bestätigt, dass sie schwanger ist. Wenn man vom letzten Tag ihrer Periode ausgehe, sagt er, sei sie bereits in der sechsten Schwangerschaftswoche. Diese Nachricht löst etwas in mir aus. Ich fühle mich wie ein Besessener. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an meine zukünftige Vaterschaft. Sie beherrscht mein und Izzys Leben und all meine Gespräche in den kommenden Wochen.

Montagmorgen im Büro

»Hallo, Femme-Magazin, Izzy Harding am Apparat.«

»Hi, ich bin's«, antworte ich.

»Ist was passiert?«

»Wie meinst du das, ist was passiert? Nichts ist passiert. Ich wollte nur plaudern.«

»Es ist doch erst zehn nach zehn«, sagt Izzy. »Du rufst nie um zehn nach zehn an. Dabei kann ich mich noch gut an Zeiten erinnern, als ich wollte, dass du mich um zehn nach zehn anrufst, und du hast dich geweigert, weil es zu früh ist.«

»Das war mein altes Ich. Mein neues kann dich zu jeder Zeit im Büro anrufen.«

»Und?«, sagt Izzy erwartungsvoll.

»Wie fühlst du dich?«

»Okay.«

»Bist du sicher?«

»Ich fühle mich wie immer. Fühlst du dich irgendwie anders?«

Da muss ich lachen. »Ich bin es doch nicht, die ...« Kurz lasse ich den Blick durchs Büro schweifen und beschließe, das Wort nicht auszusprechen; die Leerstelle darf Izzy sich denken. »Nicht wahr?«

»Was ist nur los mit uns?«, sagt Izzy. »Es ist noch ganz am Anfang und wir sind schon wie besessen. Wenn das ... schließlich kommt, haben wir uns längst gegenseitig in den Wahnsinn getrieben. Wir sollten die Abmachung treffen, eine Weile nicht mehr darüber zu reden.«

»Okay, aber davor muss ich dich noch was fragen.«

»Also gut, was?«

»Namen.«

»Namen?«

»Na ja, aus reiner Neugier. Was sind momentan deine Favoriten?«

»Bitte sag, dass das ein Witz ist!«

»Kann ich nicht.«

Sie lacht.

»Ich denke an Levi für einen du-weißt-schon«, fahre ich fort, »und Lois für ein du-weißt-schon ...«

Schallendes Lachen dröhnt in mein Ohr. »Lass mich raten«, sagt Izzy immer noch lachend. »Levi wegen Levi Stubbs von den Temptations und Lois wegen ... Supermanns Freundin?«

»Quatsch«, widerspreche ich, obwohl sie in beiden Fällen Recht hat. »Die Namen gefallen mir einfach.«

»Ja, genau«, sagt sie. »Es ist sowieso egal.« Sie senkt die Stimme. »Du hast null Chancen, einem Kind aus meinem Bauch den Namen Levi anzuhängen, das garantiere ich dir.«

»Und was schlägst du vor?«, frage ich, ohne den geringsten Zweifel, dass Izzy sich auch schon Gedanken darüber gemacht hat.

»Einen Moment ...«, sagt sie. Ich höre jemanden fragen, um wie viel Uhr die Druckvorlagen vom Drucker kämen.

»Okay, ich bin wieder da«, sagt sie. »Weißt du was?«

»Was?«

»Es gefällt mir, dass du weißt, dass ich genauso verrückt bin wie du«, sagt sie und klingt ganz glücklich. »Yeah, ich habe ein paar ... Yeah, ich weiß, wir übertreiben ein bisschen, aber ... na ja ... das findest du doch auch, stimmt's? Ob es dir passt oder nicht.«

»Stimmt. Aber du kannst aufhören, Zeit zu schinden – das nutzt dir in diesem Fall auch nichts.«

»Also gut«, sagt Izzy. »Alle, die mir seit dem zehnten Lebensjahr im Kopf umherschwirren, habe ich über Bord geworfen – zum Beispiel Molly, Polly, Chloë, Poppy, Lucy, also Namen, die ich mir insgeheim für mich selbst gewünscht hatte, weil ich zu viele Bücher über todschicke Girls in Internaten gelesen hatte. Als Nächstes habe ich alle Namen eliminiert, die gehässige Mitschüler zu gemeinen Hänseleien anstiften können. Aber dann ist mir klar geworden, dass es dumm ist, aus so einem Grund auf einen Namen zu verzichten. Inzwischen habe ich mich auf Maxwell und Jasmine versteift, bin aber offen für gute Vorschläge.«

»Maxwell und Jasmine klingt gut«, sage ich. »Aber Levi und Lois auch. Drei davon müssen in den Müll, es sei denn ...«

»Es sei denn was?«

»Na ja, es könnten ja Vierlinge werden, oder?«

Donnerstagabend in der Küche

»Dave, sollen wir wirklich nicht mehr darüber reden, worüber wir nicht mehr reden wollten?«

Es ist fünf nach acht und wir sind in der Küche. Auf einer Arbeitsplatte liegt ausgebreitet der Guardian vom Samstag und alles ist voller Erde, weil Izzy Gerberas, Hyazinthen und Stiefmütterchen im Baumarkt gekauft hat, die sie in den Blumenkasten vor dem Fenster pflanzen will. Ihre Hände stecken gerade in dem großen Sack Blumenerde in der Spüle.

»Yeah«, erwidere ich. »Ich glaube, es tut uns nicht gut. Wir sind zu besessen davon.«

»Das heißt also, dass wir absolut kein Sterbenswörtchen darüber verlieren dürfen, worüber wir nicht reden wollen, oder die ganze Abmachung ist null und nichtig?«

»Meinst du Fragen wie ... ›Hattest du heute irgendwelche interessanten Babygedanken?‹ In dem Fall finde ich allerdings, dass die Abmachung null und nichtig wäre.«

»Aber du hast es gerade gesagt«, ruft sie und nimmt die Hände aus dem Sack. Sie sind voller schwarzer Blumenerde.

»Was habe ich gerade gesagt?«, frage ich grinsend.

»Das Wort, das wir nicht aussprechen dürfen, das Thema, das zu diskutieren tabu ist.«

»Verdammt, du hast Recht.« Ich halte inne. »Also gut, hast du heute irgendwelche interessanten Babygedanken gehabt?«

Freitag, früher Nachmittag, am hausinternen Anschluss unseres jeweiligen Arbeitsplatzes

»Levi«, sage ich.

»Maxwell«, sagt Izzy. »Und sonst?«

»Dave«, sage ich.

»Yeah, genau«, sagt sie. »Vernon.«

»Klingt furchtbar«, sage ich. »Und für Mädchen?«

»Adele«, sagt sie.

»Izzy«, sage ich.

»Du bist nett«, sagt sie.

»Ich weiß«, sage ich.

Samstagmorgen bei meinen Eltern in Streatham, Südlondon

»Mum, Dad«, beginne ich. »Izzy und ich müssen euch etwas sagen.«

Izzy und ich sind zu meinen Eltern gefahren, um ihnen die gute Nachricht zu überbringen. »Wir ...« ich sehe Izzy an und drücke ihre Hand » ... wir kriegen ein Baby.«

Mein Dad platzt begeistert heraus: »Herzlichen Glückwunsch. Gut gemacht!«

»Was für eine wundervolle Neuigkeit!«, sagt meine Mum. »Die beste, die ich seit langem gehört habe.«

Wir stehen alle auf, schütteln uns gegenseitig die Hände, schließen uns in die Arme, verteilen Küsschen und gratulieren uns allesamt. Ich genieße es, meine Eltern so überglücklich zu sehen. Sie bestehen darauf, dass wir zum Lunch bleiben. Kaum haben wir zugestimmt, wird Izzy von meiner Mum unter dem Vorwand in die Küche entführt, sie brauche Hilfe bei der Zubereitung. Ich kenne meine Mum gut genug, um zu wissen, dass sie Izzy nie gestatten würde, den Abwasch anzurühren, geschweige denn ihr beim Kochen zu helfen. Ich bleibe mit meinem Dad im Wohnzimmer, wir sehen fern und sprechen über die Ereignisse des Tages.

Sonntagnachmittag bei Izzys Mum in Oxford

Es ist gleich Mittag, und Izzy und ich stehen in der Küche von Izzys Mum in Oxford. Eigentlich wollte Izzy sie gestern anrufen und es ihr am Telefon sagen, aber jedes Mal, wenn sie die Nummer wählte, brach sie mittendrin ab. Als ich sie fragte, warum, sagte sie: »Weil ich ihr Gesicht sehen will«, was ich sofort verstand. Wir besuchten Izzys Mum unter dem Vorwand, nur mal kurz vorbeisehen zu wollen, und auch sie bestand darauf, dass wir zum Mittagessen bleiben. Izzy weiß nicht genau, wann sie es ihrer Mum am besten sagen soll, und will, dass ich nicht von ihrer Seite weiche, um im gegebenen Moment dabei zu sein. Der kommt, als Izzy gerade Kartoffeln schält und ich neben ihr stehe, in der einen Hand einen Kessel mit kochendem Wasser, in der anderen ein Paket mit Hühnchenfüllung, dessen Anweisung ich sorgfältig lese; ihre Mum hockt gerade vor dem Ofen und besieht sich das Hühnchen durch das Glasfenster. In dem Moment sagt Izzy: »He, Mum, ich hab dir was zu sagen. Ich bin schwanger.«

Ihre Mum hebt den Kopf, sieht sie an und beginnt sofort zu weinen. Sie bringt kaum ein Wort heraus und meint schließlich: »Dad wäre so stolz auf dich.« Das genügt. Izzy fängt auch an zu weinen, woraufhin ihre Mum noch heftiger weint, dann umarmt sie Izzy und dann mich und zu guter Letzt umarmen wir uns zu dritt. So glücklich ist sie.

Freunde

Da meine Eltern und Izzys Mum es jetzt wissen, beschließen wir, es in diesem frühen Stadium nur noch unseren besten Freunden zu sagen, zwei Paaren: Jenny und Trevor sowie Stella und Lee. Ich hätte am liebsten noch gewartet, bis alles ein bisschen weiter gediehen ist, doch Izzy sagt: »Das sind die Menschen, an die ich mich mit schlechten Nachrichten wenden würde, warum dann nicht auch mit guten?« Darauf weiß ich nichts zu antworten, habe aber immer noch Bedenken. Freunde reagieren manchmal komisch auf Veränderungen. Besonders unsere Freunde, die in Beziehungen leben, wo der Beschluss zu heiraten, geschweige denn Kinder zu kriegen, alles andere als Freudentränen auslöst.

Sie

Trevor ist einunddreißig und arbeitet bei dem Softwareunternehmen C-Tec, für das er Software bei Geldinstituten installiert. Vor Jenny war er mit Adalia zusammen gewesen, einer spanischen Studentin, die er in einem Club in Hoxton kennen gelernt hatte. Die Beziehung war kurz und leidenschaftlich und endete auf so schlimme Weise, dass sie in der Geschichte von Beziehungsabbrüchen ihresgleichen sucht. Danach stellte sich heraus, dass Adalia schwanger war. Trevor stimmte zu, das Kind so gut er kann zu unterstützen, aber er und Adalia würden nicht wieder zusammenkommen. Es lief alles bestens zwischen den beiden, auch nachdem das Baby (ein kleiner Junge, den sie Tiago nannte) geboren war, bis Trevor die Beziehung mit Jenny anfing. Adalia behauptete, ihn immer noch zu lieben, und benutzte das Baby, um ihn zu verletzen. Sie verabredeten zum Beispiel öfter eine Zeit, in der er mit Tiago zusammen sein konnte, und wenn er dann kam, war sie nicht zu Hause; außerdem erzählte sie gemeinsamen Freunden, dass er ihr mit Tiago nie helfen würde, was nicht stimmte. Schließlich versetzte sie ihm den entscheidenden Schlag: Sie ging zurück nach Spanien. Er versuchte alles, sie zum Bleiben zu bewegen – er sagte sogar, dass sie es noch einmal miteinander versuchen sollten. Aber es war zu spät. Anfangs flog er so oft es ging hin, um Tiago zu sehen, doch Adalia machte weiterhin Probleme. Letzten Endes traf er die schwere Entscheidung, seinen Sohn nicht mehr zu besuchen.

Trevor ist mit Jenny, einer von Izzys Busenfreundinnen, zusammen. Izzy und Jenny haben sich mit Anfang zwanzig kennen gelernt, als Jenny kurzzeitig bei Femme arbeitete. Mit einunddreißig hat Jenny jetzt einen Job, der auf Partys immer für Gesprächsstoff sorgt. – sie ist Herausgeberin von Teen Scene, »die Zeitschrift für lebenshungrige Girls«. Sie geht völlig in ihrer Arbeit auf und nimmt sie im Gegensatz zu mir sehr ernst. Ich ziehe sie ständig damit auf, weil es in meinen Augen kein richtiger Job ist. Wenn ich es richtig sehe, verbringt sie die meiste Zeit damit, mit Inserenten zum Lunch zu gehen, mit ihren Mitarbeitern über die TV-Serie Dawson's Creek zu diskutieren und die körperlichen Vorzüge der jeweiligen Boy Band zu rühmen, die gerade en vogue ist. Trevor und Jenny sind seit achtzehn Monaten ein Paar und haben nach knapp neun Monaten gemeinsam eine Wohnung in Landbroke Grove gemietet. Uns gegenüber gestehen sie oft ein, zu früh zusammengezogen zu sein, doch untereinander geben sie es nicht zu. Nach meiner Einschätzung sind sie so weit vom Kinderkriegen entfernt, dass sie wahrscheinlich drei Verhütungsmethoden gleichzeitig verwenden.

Stella Thomas, von Stella und Lee, ist dreiunddreißig Jahre alt und rekrutiert Mitarbeiter für Blue-Chip-Unternehmen. Sie ist insgesamt ein jähzorniger Mensch, der dazu neigt, seine Frustration an Lee auszulassen, mit dem sie seit über einem Jahr zusammen ist. Mit vierundzwanzig ist er fast ein Jahrzehnt jünger als sie. Während Stella es anfangs noch für die coolste Sache der Welt hielt, einen so jungen Liebhaber zu haben, änderte sich das schlagartig, als sie sich in ihn verliebte und besagtes Jahrzehnt ihr etwas auszumachen begann. Ich mag Lee: Er ist von Natur aus so gelassen, dass man sich fragt, warum er eigentlich aufrecht geht und nicht horizontal dahinschwebt. Für ihn ist das Leben ein bisschen wie ein Witz. Solange er genug Geld in der Tasche hat, um eine Runde im Pub zu schmeißen, ist er ein selbst erklärter »Sonnyboy«. Er arbeitet als Laufbursche für einen Kabelsender genannt The Hot Pop Show, wo er den ganzen Tag herumsteht und Marlboro Lights raucht, zusammen mit anderen, ähnlich ambitionierten jungen