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Fahren
Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 5

Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN)

Fahren

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Richtlinien

für Reiten und Fahren
Band 5

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IMPRESSUM

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

© 2017 FNverlag der Deutschen Reiterlichen Vereinigung GmbH, Warendorf
Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wieder gabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungs anlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG, werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen.

13. Auflage 2018

Herausgeber
Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. – Bereich Sport, Abteilung Ausbildung und
Wissenschaft – Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht
Fédération Equestre Nationale (FN), Warendorf

Gesamtredaktion/Lektorat
Andrea Winkler, Sassenberg-Füchtorf
Thies Kaspareit, Warendorf

Texte
Klaus-Dieter Gärtner, Karl-Heinz Geiger, Dieter Lauterbach, Wolfgang Lohrer,
Bettina Rigbers-Böhnisch, Rudolf Temporini

Korrektorat
Korrekturbüro Kirchhoff, Büren-Brenken

Illustrationen Umschlag
Cornelia Koller, Dierkshausen

Abbildungen und Illustrationen inhalt
Alle von Cornelia Koller, Dierkshausen außer:
Uwe Spenlen, Rösrath, Seiten 25-29; aus: Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN):
Aufgabenheft Fahren, Warendorf, 2012
Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN), Seite 38; aus: Leistungs-Prüfungs- Ordnung
(LPO), Warendorf 2013

Gesamtgestaltung
mf-graphics, Marianne Fietzeck, Gütersloh

Druck und Verarbeitung
Media-Print Informationstechnologie GmbH, Paderborn

Danksagung

Für die Überarbeitung der Richtlinien Band 5 konnten mithilfe verschiedener Fach - leute neue Erkenntnisse gewonnen und spezielle Themengebiete verbessert dargestellt werden.

Ein besonderer Dank für diese Mitarbeit, die gedanklichen Anregungen sowie die Bereitstellung wissenschaftlicher Ergebnisse gilt daher:

Eduard von Below
Dr. Klaus Christ
Bernhard Duen
Enno Georg
Dieter Groß
Ewald Meier
Johann Raßhofer

Alle in den Richtlinien für Reiten und Fahren, Band 5: Fahren, erwähnten Personenbezeichnungen gelten für Frauen und Männer, auch wenn sie lediglich in der männlichen Sprachform ausgedrückt sind. Alle erwähnten Bestimmungen gelten für Pferde und Ponys, sofern für Ponys nicht ausdrücklich eine andere Regelung aufgeführt ist.

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort
Gedanken zur Fahrlehre

KAPITEL 1
Allgemeine Grundlagen
1.1 Das Pferd
1.1.1 Die natürlichen Eigenschaften des Pferdes
1.1.2 Die Beziehung zwischen Fahrer und Pferd
1.2 Der Fahrer
1.3 Das Lehrpferd
1.4 Der Ausbilder
1.5 Ort der Ausbildung
1.6 Bahnordnung
1.6.1 Bahnbezeichnungen
1.6.2 Hufschlagfiguren
1.7 Fahren auf öffentlichen Wegen, im Straßenverkehr und im Gelände
1.7.1 Das Gespann im Straßenverkehr
1.7.2

Regeln für das Fahren auf öffentlichen Wegen, im Straßenverkehr und im Gelände

KAPITEL 2
Ausrüstung und Geschirrlehre
2.1 Anzug und Ausrüstung des Fahrers
2.2 Ausrüstung des Pferdes
2.2.1 Die Grundausrüstung für den Umgang mit dem Pferd
2.2.2 Die Grundausrüstung zum Fahren des Pferdes
2.3 Pflege der Ausrüstungsgegenstände
2.4 Der Wagen und seine Pflege
2.4.1 Wagentypen, Sicherheitsplakette und FN-Wagenpass
2.4.2 Pflege der Wagen
2.5

Stilarten

KAPITEL 3
Vorbereitung zum Fahren
3.1 Annähern, Führen, Anbinden
3.2 Pferdepflege
3.3 Aufschirren – Anspannen, Ausspannen – Abschirren
3.3.1 Das Aufschirren
3.3.2 Das Anspannen
3.3.3 Das Ausspannen
3.3.4

Das Abschirren

KAPITEL 4
Grundausbildung des Fahrers
4.1 Einteilung der Ausbildung
4.2 Lehr- und Lernmittel für den Fahrunterricht
4.3 Das Achenbach-Fahrsystem
4.3.1 Kurzbiografie des Benno von Achenbach
4.3.2 Die Anwendung der Achenbachleine.
4.4 Leinen aufnehmen und Auf- bzw. Absteigen
4.5 Die Leinenhaltung beim Ein- und Zweispänner
4.5.1 Verlängern und Verkürzen der Leinen
4.5.2 Das Fahren von Wendungen
4.5.3 Rückwärtsrichten
4.6 Hilfen und Hilfsmittel des Fahrers
4.6.1 Entwicklung der Einwirkung
4.6.1.1 Hilfengebung
4.7 Gefühl und Verstand
4.8

Der Sitz des Fahrers

KAPITEL 5
Systematischer Aufbau von Übungsstunden
5.1 Die Lösungsphase
5.2 Die Arbeitsphase
5.3

Die Erholungsphase

KAPITEL 6
Grundübungen
6.1 Fahren der Gangarten
6.1.1 Die Grundgangarten des Pferdes
6.1.1.1 Schritt
6.1.1.2 Trab
6.1.1.3 Galopp
6.1.2 Fahren in den Grundgangarten
6.1.2.1 Fahren im Schritt
6.1.2.2 Fahren im Trab
6.1.2.3 Fahren im Galopp
6.2 Grundübungen zum dressurmäßigen Fahren
6.2.1 Abstimmung der Hilfen
6.2.2 Anfahren im Schritt, Antraben, Angaloppieren
6.2.3 Halbe Paraden, Übergänge und ganze Paraden
6.2.4 Leinen-aus-der-Hand-kauen-Lassen
6.2.5 Fahren von Wendungen und gebogenen Linien
6.2.5.1 Stellen und Biegen
6.2.5.2 Durchfahren einer Ecke
6.2.5.3 Fahren von Volten
6.2.5.4 Aus dem Zirkel wechseln
6.2.5.5 Zirkel-Verkleinern – Zirkel-Vergrößern
6.2.5.6 Schlangenlinien
6.2.6 Wechseln durch die ganze/halbe Bahn
6.2.7

Rückwärtsrichten

KAPITEL 7
Grundausbildung des Pferdes
7.1 Gewöhnung, Bodenarbeit und Longieren des jungen Pferdes
7.1.1 Gewöhnung
7.1.2 Bodenarbeit
7.1.3 Longieren
7.2 Longieren mit der Doppellonge
7.3 Einfahren eines Pferdes
7.3.1 Gewöhnung an das Geschirr und die Ausrüstung
7.3.2 Anspannen an die Schleppe
7.3.3 Das erste Anspannen
7.4 Grundausbildung des jungen Pferdes im Gespann
7.5 Trainingsgrundlagen und Trainingsprinzipien
7.6 Ausbildungs- und Trainingssystem des Pferdes in einem Gespann
7.6.1 Bedeutung des Gleichgewichts
7.6.2 Bedeutung des Taktes
7.6.3 Bedeutung der Losgelassenheit
7.6.4 Entstehung der Anlehnung
7.6.4.1 Anlehnungs- und Beizäumungsfehler
7.6.5 Entwicklung des Schwunges
7.6.5.1 Die systematische Förderung der Schwungentwicklung
7.6.6 Geraderichtung
7.6.7 Entwicklung der Versammlung
7.6.8 Verfeinerung der Durchlässigkeit
7.6.9 Grundlagen zum Hindernisfahren und zur Geländeausbildung mit Geländehindernissen
7.6.10 Grundausbildung im Hindernisfahren
7.6.11

Grundausbildung im Gelände

KAPITEL 8
Fahren mit Mehrspännern
8.1 Bezeichnungen der Mehranspannungen
8.1.1 Vierspänner
8.1.2 Sechsspänner
8.1.3 Tandem
8.1.4 Random
8.1.5 Einhorn
8.2 Ausrüstung der Mehrspänner
8.2.1 Vierspänner
8.2.2 Sechsspänner
8.2.3 Tandem
8.2.4 Random
8.2.5 Einhorn
8.3 Fahren mit dem Mehrspänner
8.3.1 Anspannen und Ausspannen des Vierspänners
8.3.2 Leinenaufnahme beim Vierspänner
8.3.3 Haltung der Leinen beim Vierspänner
8.3.4 Verkürzen und Verlängern der Leinen – Ausrichten eines Vierspänners
8.3.5 Richtungsänderungen und Wendungen mit dem Vierspänner
8.3.6 Rückwärtsrichten
8.3.7 Die Peitsche und ihr Gebrauch
8.3.8 Tandem und Einhorn
8.3.9 Fahren mit dem Sechsspänner und dem Random
8.3.10 Fehler beim Mehrspännigfahren
8.3.11 Das Zweihandsystem
8.3.11.1 Ein- und Zweispänner
8.3.11.2

Vierspänner

Anhang
Hinweise zur Unfallverhütung
Literaturverzeichnis
Die Ethischen Grundsätze des Pferdefreundes
Grundregeln des Verhaltens im Pferdesport (Verhaltenskodex)
Zwölf Gebote für das Fahren im Gelände
Verzeichnis des FN-Lehrmaterials
Stichwortverzeichnis

Vorwort

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Die Reihe „Richtlinien für Reiten und Fahren“ erschien vor mehr als 50 Jahren in bisher sechs verschiedenen Bänden in über 80 Auflagen mit über 500.000 Exemplaren, übersetzt in 15 Sprachen. Die Bände 1 bis 6 gelten als Standardwerke für das Grundwissen um das Pferd und die Ausbildung von Pferden sowie Reitern, Fahrern und Voltigierern. Darüber hinaus sind ihre Grundsätze von der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) anerkannt. Die Grundausbildung von Fahrer und Pferd wurde in den Richtlinien Fahren, Band 5, sowohl sprachlich als auch inhaltlich unter Einbeziehung der bewährten Grundsätze komplett neu überarbeitet, aber auch unter Berücksichtigung der Entwicklung des Sportes, der sich gerade in den letzten beiden Jahrzehnten in vielen Bereichen durch die Internationalisierung und die damit verbundenen neuen Impulse stark verändert hat.

Als Grundlage für die Kommunikation und das Verständnis zwischen Pferd und Fahrer sind die Natur des Pferdes und das natürliche Verhalten dargestellt. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Trainings- und Bewegungslehre sind sowohl in die Systematik der Ausbildung des Fahrers als auch in die des Pferdes eingeflossen. Diese Richtlinien haben den Anspruch, lernenden Pferde- und Fahrfreunden praxisnahe Hilfestellung zu geben. Dabei ist es unerheblich, ob der Leser sich für einen harmonischen Umgang mit dem Pferd interessiert, für breitensportliches Fahren, ob er an Ausfahrten teilnehmen oder die Grundausbildung für den „eigentlichen“ Fahrsport mit Dressur-, Gelände- und Hindernisfahren vertiefen möchte. Deutlicher als in der früheren Tradition wird hier der ganzheitliche Ansatz an der Interaktion von Pferd und Fahrer herausgestellt. Auf ein harmonisches Miteinander von Pferd und Fahrer kommt es an. Dieses äußert sich dann als Zielsetzung in einem Bild, geprägt von Harmonie zwischen Fahrer und Pferd.

Die Richtlinien Band 5 sollen als Grundlagenwerk allen Fahrern, Ausbildern und Trainern, aber auch Turnierrichtern sowie interessierten Pferdesportlern eine sichere Orientierung in der Ausbildung von Pferd und Fahrer geben.

Deutsche Reiterliche Vereinigung e.V. (FN)
Bereich Sport – Abteilung Ausbildung und Wissenschaft

im Januar 2017

Gedanken zur
Fahrlehre

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Die Richtlinien für Reiten und Fahren basieren heute wie früher im Wesentlichen auf den Grundsätzen klassischer Reitkunst. Man kann die „klassische Reitlehre/Fahrlehre“ definieren als:

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ein lebendiges und modernes Ausbildungssystem, das auf den Grundprinzipien alter Meister aufgebaut ist, aber auch neue, ergänzende, dem Wohle der Pferde dienende und für das Ausbildungssystem zweckdienliche Erkenntnisse übernimmt.

Diese klassische Reitlehre/Fahrlehre hat sich über die Jahrhunderte hinweg entwickelt. Viele bedeutenden Reitmeister ihrer Zeit haben einen Anteil daran. Das, was sich nicht bewährt hat, wurde verworfen. Bewährte Erkenntnisse wurden anerkannt, weiterge geben und weiterentwickelt. So haben sich, unabhängig von Einsatz und Verwendungszweck des Pferdes, folgende wesentlichen Kriterien der klassischen Reitlehre im Sinne der Richtlinien für Reiten und Fahren der Deutschen Reiterlichen Vereinigung herausgebildet, die bis heute Gültigkeit haben:

Die klassische Reitlehre/Fahrlehre

Eine klassische Fahrlehre im Sinne dieser oben beschriebenen klassischen Reitlehre gibt es nicht,aber die Ausbildung eines Fahrpferdes lehnt sich an das Ausbildungssystem der klassischen Reitlehre an. Über die Jahrhunderte hat es völlig verschiedene Fahrsysteme gegeben, die teilweise zeitlich nebeneinander existierten oder auch nur von regionaler Bedeutung sind oder waren. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang das ungarische Fahrsystem und auch das amerikanische. Auch in Deutschland gab und gibt es regionale Besonderheiten.

Wir orientieren uns im Sinne einer „klassischen“ Fahrausbildung an dem von Benno von Achenbach entwickelten Fahrsystem und bezeichnen im Folgenden analog zur klassischen Reitlehre dieses als klassische Fahrlehre.
An diesen Grundsätzen und diesem Grundverständnis – Fahrsystem nach Benno von Achenbach und die klassische Reitlehre/Fahrlehre – orientieren sich der gesamte Aufbau und Inhalt dieser Richtlinien Band 5.

Die Skala der Ausbildung mit ihren sechs Punkten

Ausbildungssystem des Pferdes | „Skala der Ausbildung“

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Mit fortschreitender Verbesserung von Takt, Losgelassenheit, Anlehnung, Schwung, Geraderichtung und Versammlung werden Gleichgewicht und Durchlässigkeit immer weiter verfeinert.

wird als Herzstück der klassischen Reit- und Fahrlehre bezeichnet, weil sie dem Ausbildungsweg des Pferdes und jeder einzelnen Ausbildungseinheit unabhängig vom Verwendungszweck einen Leitfaden gibt. Diese sechs Punkte, die sich alle auch gegenseitig beeinflussen, führen in Verbindung mit der Erziehung und dem Gehorsam des Pferdes zu einer sich immer weiterentwickelnden Durchlässigkeit (Durchlässigkeit beschreibt den Zustand, in dem das Pferd seinen Ausbildungsstand entsprechend allen Punkten der Ausbildungsskala erfüllt und willig auf das Wechselspiel der Hilfen des Fahrers reagiert) und einem immer sicherer werdenden Gleichgewicht.

Als Ergebnis der Berücksichtigung der Grundsätze der klassischen Reit- und Fahrlehre und physikalischer Gesetzmäßigkeiten ergibt sich die Haltung des richtig gearbeiteten Pferdes. Jeder Fahrer sollte die klassischen Grundsätze nicht nur kennen, sondern auch die praktische Umsetzung selbstkritisch betrachten. Wer sich mit dem Pferd beschäftigt, muss dessen Grundbedürfnisse kennen, diese respektieren und Verantwortung1 übernehmen. Daraus folgt das Bemühen um eine artgerechte Haltung2, einen fachgerechten, einfühlsamen Umgang mit dem Pferd und um gefühlvolles Fahren.

Zu den individuellen Eigenschaften eines Pferdes gehören, wie bei dem Menschen auch, Stärken und Schwächen. Die Stärken zu fördern sowie die Schwächen zu erkennen und auszugleichen – dies ist ein wesentliches Ziel, welches von dem Fahrer viel Erfahrung, Können, Verständnis und Geduld erfordert.
Unabhängig von der Disziplin wird das Pferd nach der „Skala der Ausbildung“ – als ganzheitliche Methode – gymnastiziert. Pferd und Fahrer finden auf diese Weise zu einem gemeinsamen Gleichgewicht, das sie in die Lage versetzt, sich fein abgestimmt zu verständigen. Der Beobachter – ob Laie oder Experte – nimmt dann ein harmo - nisches Gesamtbild wahr.

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Die Ausbildung nach der klassischen Reit- und Fahrlehre schafft bei richtiger Umsetzung ein leistungsbereites, willig mitarbeitendes Pferd, unabhängig von dessen Einsatz. So kann Fahren Freude schaffen und die Gesundheit erhalten.

Das Fahren verschiedener, richtig ausgebildeter (Lehr-)Pferde ist dabei für den Lernprozess des Fahrers unerlässlich, denn er muss sich auf jedes Pferd mit seinem unterschiedlichen Körperbau, seinen ihm eigenen Bewegungsabläufen und vor allem seinen individuellen Eigenschaften einstellen. Dies sensibilisiert den Fahrer sowohl körperlich als auch mental und hilft ihm, nicht nur die reine Fahrtechnik zu erlernen, sondern auch ein Fahrgefühl zu entwickeln. Dabei ist das Pferd immer der „Spiegel“ der fahrerischen Einwirkung.

Ursachen für auftretende Schwierigkeiten, Rückschritte oder Misserfolge muss der Fahrer dabei immer zunächst bei sich selbst und nicht bei dem Pferd suchen. Ist der Fahrer auf dem richtigen Weg, wird ihm dieses durch das Verhalten des Pferdes und ein gutes „Fahrgefühl“ vermittelt.
Diese Bereitschaft zur Selbstkritik, verbunden mit der Fähigkeit, die genannten Grundsätze umzusetzen, machen einen Fahrer aus, der in der Lage ist, nach der klassischen Reit- und Fahrlehre korrekt zu fahren.

Kapitel 1

Allgemeine Grundlagen
Pferd – Fahrer – Ausbilder –
Ausbildungsort

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1.1 Das Pferd

Kenntnisse über die Bedürfnisse und Eigenschaften der Pferde sind für den Umgang und für das Fahren eine Grundvoraussetzung. Wer das Wesen der Pferde verstanden hat, wird sich dem Pferd gegenüber richtig verhalten und eine positive Verständigung mit ihm erreichen.

1.1.1 Die natürlichen Eigenschaften des Pferdes

Das Pferd ist ein Lebewesen mit Instinkten und Vorerfahrungen, einem besonders ausgeprägten Erinnerungsvermögen und vielen anderen besonderen Eigenschaften, die sich im Laufe seiner Evolutionsgeschichte entwickelt haben. Auch wenn das Pferd seit sehr langer Zeit von Menschen als Militärpferd, als Nutztier und als Sportpartner gehalten und genutzt wird, bleiben die natürlichen Eigenschaften prägend für sein Verhalten.

Pferde sind Herdentiere. Der Herdenverband bietet ihnen Schutz und Sicherheit. Aus diesem Grunde sind Pferde natürlicherweise nicht gerne alleine. Die Herde wird durch ein erfahrenes Leittier geführt, das in der Regel ohne Auseinandersetzungen anerkannt wird.

Pferde haben innerhalb der Gruppe eine feste Rangordnung. Regeln im Umgang miteinander sichern die Überlebensfähigkeit in der Herde. Rangordnungskämpfe, besonders gut bei heranwachsenden Pferden, aber auch bei neuen Weidepartnern zu beobachten, gehören zum natürlichen Verhalten. Die Position der Überlegenheit wird entweder von dem unterlegenen Tier aufgrund des Verhaltens des dominanteren Pferdes akzeptiert oder jeweils „ausgefochten“. Häufig genügt hierzu eine einzige Konfrontation.

Pferde sind Fluchttiere. Die sofortige Flucht gibt dem Pflanzenfresser Pferd seit Urzeiten den sichersten Schutz vor jeder Gefahr. Eines der elementarsten Bedürfnisse des Pferdes ist das nach Sicherheit. Aus diesem Grunde sind sie instinktiv ständig auf der Hut vor möglicher Gefahr. Nur wenn eine Flucht bei drohender Gefahr nicht möglich ist, wehren sich Pferde durch Ausschlagen mit den Hinterhufen, durch aggressives Treten und Schlagen mit den Vorderhufen und durch Beißen.

Pferde sind ebenso Steppen- und Lauftiere. In ihrem Lebensraum, der Steppe, waren sie ab einer bestimmten Entwicklungsstufe viele Stunden am Tag in ruhiger Bewegung auf Nahrungssuche. Dabei legten sie 30 bis 40 km täglich zurück. Sie waren ständig an der frischen Luft in einem möglichst weitläufigen Umfeld mit guter Sicht.
Sie suchten nicht den Schutz in Höhlen oder geschützten Verstecken, weil dort die Fluchtwege eingeschränkt waren.

Sehr gut ausgeprägt ist der Geruchssinn des Pferdes und ebenfalls hoch entwickelt ist das Gehör. Die Sehkraft und besonders das Sichtfeld des Pferdes sind deutlich anders als beim Menschen. Die seitlich am Kopf befindlichen Augen ermöglichen ein sehr weites Blickfeld, fast eine Rund-um-Sicht. Das Pferd ist ein ausgesprochener „Bewegungsseher“. Es nimmt besonders gut sich bewegende Dinge wahr, auch wenn sie weit in der Ferne, seitlich neben ihm und sogar schräg hinter ihm sind. Der Tastsinn und die Reizempfindlichkeit der Haut sind sehr sensibel und gut entwickelt.
Die Kommunikation zwischen Pferden erfolgt außer durch hörbare Lautäußerungen insbesondere über die Körpersprache. Eine bestimmte Körperhaltung, ein Gesichtsausdruck oder die Haltung der Ohren sind für andere Pferde unmissverständliche Zeichen.

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Pferde sind von Natur aus im Umgang eher gutmütig, auch wenn sie häufig robust miteinander umgehen.

Sie haben ein besonders gutes Erinnerungsvermögen und einen ausgeprägten Ortssinn. Pferde orientieren sich gerne an gewohnten Gegebenheiten und Abläufen, sie halten nach Möglichkeit an Gewohnheiten fest.

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In der Regel ist ein Pferd – was die Körpergröße betrifft – im Alter von ca. 5 Jahren weitgehend ausgewachsen. Die körperliche Gesamtentwicklung ist jedoch erst mit ca. 7 Jahren abgeschlossen.

Bewegung, Licht, frische Luft und der Kontakt zu Artgenossen sind für das Wohlbefinden der Pferde bis heute von besonderer Bedeutung. Bei der Stallhaltung und im täglichen Umgang müssen diese Kriterien besonders beachtet werden. Pferde benötigen ausreichende und abwechslungsreiche Bewegung. Hierzu gehören auch Auslauf im Paddock und der Weidegang1.

1.1.2 Die Beziehung zwischen Fahrer und Pferd

Der Umgang mit dem Pferd und das Fahren selbst verlangen vom Fahrer, sich ständig in die Empfindungen und Reaktionen des Pferdes hineinzuversetzen. So kann er versuchen, aus der Perspektive des Pferdes zu beurteilen, ob sein Verhalten angemessen oder die Hilfengebung für das Pferd „verständlich“ ist.

In der Ausbildung – gerade bei jüngeren Pferden – kann der Herdentrieb aber auch positiv genutzt werden, indem ältere, erfahrene Pferde als Führpferde im Zwei- oder Vierspänner z.B. bei Fahrten ins Gelände eingesetzt werden. Weil das Fahren in einer Gruppe nicht immer möglich und gewollt ist, muss ein Pferd an Situationen, in denen es ohne andere Artgenossen ist, gewöhnt werden. Dies gilt insbesondere für den Transport und für den Turniereinsatz.

Weil Pferde grundsätzlich gutmütig, zutraulich und auch neugierig sind, ist die Kontaktaufnahme durch den Menschen in der Regel unproblematisch und kann unbefangen erfolgen. Er muss sich jedoch bei allem, was er tut, stets ruhig bewegen. Schnelle Bewegungen können zum Erschrecken und auch zu Abwehrreaktionen führen.

Wie ist die Beziehung zwischen Pferd und Fahrer aus der Sicht des Pferdes einzuordnen? Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Pferd einen Menschen wirklich als „Leittier“ akzeptiert. Das Bedürfnis nach Sicherheit und der Vertrauensaufbau durch positive Erfahrungen können jedoch den entsprechenden Menschen dem Pferd gegenüber in eine ähnliche Position bringen.

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Dem Pferd Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln gehört deshalb zu den wichtigsten Aufgaben eines Fahrers!

Zu einem guten Verhältnis gehört auch, dass beide Respekt voreinander haben. Damit verbunden ist auch die Frage der Rangordnung. Die Rolle des Ranghöheren, die der Fahrer einnehmen muss, wird nicht durch eine Auseinandersetzung, sondern durch selbstbewusstes, sicheres Auftreten und Handeln bestimmt. Manche Pferde versuchen, häufig bedingt durch unsicheres, inkonsequentes oder unangemessenes Verhalten des Fahrers, ihre Rangordnung innerhalb der Beziehung Mensch/Pferd abzuklären.

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Nur ein ruhig, bestimmt und konsequent wirkender und handelnder Mensch wird vom Pferd als ranghöher akzeptiert.

Der Fahrer soll sich jedoch bei aller Konsequenz positiv auf das Pferd einlassen und sich bemühen, es für die gewünschte Leistung zu motivieren, indem er es ihm so angenehm wie möglich macht. Härte oder Gewalt machen den Fahrer zum „Aggressor“, vor dem das Pferd zu fliehen oder gegen den es sich zu wehren versucht. Unsicheres und halbherziges Verhalten des Fahrers führt ebenfalls zur Unsicherheit beim Pferd.

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Akzeptiert das Pferd den Fahrer vertrauensvoll als den Ranghöheren, dann erhöht diese Konstellation die Bereitschaft zur Mitarbeit des Pferdes. Sie wirkt so als positiver Verstärker für die Einwirkungsmöglichkeiten des Fahrers auf sein/e Pferd/e.

Insbesondere das Loben mit der Stimme gibt dem Pferd im richtigen Moment die Bestätigung, dass alles in Ordnung ist. Ständiges Loben ohne Bezug zu einem bestimmten Verhalten des Pferdes verfehlt seine Wirkung. Genauso verhält es sich bei der Korrektur in Problemsituationen. Jede Reaktion im Sinne einer „Strafe“ nach menschlichem Verständnis ist eindeutig abzulehnen, weil man bei einem Pferd nicht davon ausgehen kann, dass es wie ein Mensch abstrakt denken kann. Es kann beispielsweise eine heftige Reaktion des Fahrers nach einem Hindernisparcours sicher nicht in Verbindung mit gemachten Fehlern bringen, die beim nächsten Mal vermieden werden sollen. Es wird vielmehr dieses Erlebnis in schlechter Erinnerung behalten.

Nur wenn ein bestimmtes Verhalten eines Pferdes unmittelbare, für das Pferd nachvollziehbare Konsequenzen hat, wird es hieraus lernen. Der Fahrer muss den Anspruch haben, sein Pferd so positiv zu unterstützen, dass er bei einer Unstimmigkeit mit dem Pferd innerlich ruhig bleibt. Emotionale Ausbrüche des Fahrers können ein Pferd nur verunsichern.

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Am besten lernt das Pferd durch positive Erlebnisse und positive Verstärkung!

Gefühlvolles Handeln einerseits und Konsequenz im Umgang andererseits machen den Menschen für das Pferd „berechenbar“. Dies gibt dem Pferd Sicherheit und Vertrauen. Pferdegerechtes Handeln erfordert deshalb ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration im Umgang und bei der Arbeit mit Pferden.

Zur Kommunikation mit dem Pferd stehen dem Fahrer – anders als dem Reiter – nur begrenzt verschiedene Hilfen zur Verfügung. Bei der Stimme kommt es besonders auf die Tonlage an, also auf die „Stimmung“, die beruhigend oder auffordernd vermittelt wird. Ein wichtiges Kommunikationsmittel des Menschen im Umgang mit Pferden ist auch die Körpersprache. Sowie das Pferd auf feinste Signale im Verhalten von Artgenossen reagiert, so nimmt es auch die Bewegungen und die Körperhaltung des Menschen wahr. Dessen sollte sich ein Fahrer beim Umgang mit seinem Pferd bewusst sein. Um die Körpersprache positiv z.B. schon in der Pferdebox, beim Führen oder beim Longieren einsetzen zu können, ist es wichtig, von erfahrenen „Pferdeleuten“ zu lernen.

Die Neigung von Pferden, an Gewohnheiten festzuhalten, kann der Fahrer sich im täglichen Umgang, aber auch bei der gesamten Ausbildung zunutze machen, indem er bestimmte Abläufe immer in der gleichen Weise durchführt, also gewissermaßen standardisiert. Ist der Fahrer in der Erziehung des Pferdes nicht genügend konsequent, verfestigen sich bei Pferden allerdings auch ungewollte negative Angewohnheiten.

Das natürliche Fluchtverhalten der Pferde muss zunächst akzeptiert werden, es hat sich bis heute nicht grundlegend verändert. Pferde verfügen über unterschiedliche Reizschwellen, die wiederum auch abhängig von ihren bisher gemachten Erfahrungen und von ihrem Gemütszustand sind. Optische Reize beeinflussen das Verhalten des Pferdes in der Regel stärker als akustische Wahrnehmungen.
Geraten Pferde nach einer Schrecksituation in Panik, können sie scheinbar jede Sinneswahrnehmung ausschalten und zur Gefahrenquelle für sich und ihr Umfeld werden. Dieses gilt auch für den Umgang im Stall und auf der Stallgasse.

Für den Fahrer machen sich Meide- und Fluchtverhalten des Pferdes in der Neigung zum Scheuen bemerkbar. Häufig ist für den Fahrer schon vor der eigentlichen Reaktion des Pferdes die innerliche Spannung spür- und erkennbar. Dabei ist es zwecklos und unangebracht, das Pferd für das Scheuen zu bestrafen, weil damit die Unsicherheit des Pferdes noch verstärkt wird. Vielmehr geben richtiges Einrahmen mit den geeigneten Hilfen und ruhiges, geduldiges Heranführen an möglichst viele, neue Situationen dem Pferd zunehmend Sicherheit und Vertrauen.

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Erfahrene Fahrer sind in der Lage, jede Situation aus der Sicht des Pferdes wahrzunehmen. Sie können eventuell der Reaktion des Pferdes zuvorkommen, indem sie Gefahrensituationen vermeiden oder diese geschickt überspielen und dabei beruhigend auf das Pferd einwirken.

Überflüssige, laute Geräusche im Stall und während der Ausbildung sollten einerseits vermieden werden, andererseits können Pferde bis zu einem gewissen Maße auch an sich ändernde Umweltbedingungen gewöhnt werden.

Besonders beachtenswert ist auch der Unterschied zwischen Mensch und Pferd im Sichtfeld. Das, was der Fahrer noch gar nicht registriert hat, z.B. ein Tier im Gebüsch schräg hinter ihm, kann beim Pferd schon ein Erschrecken und ein Fluchtverhalten auslösen. Dies kommt deshalb für manche Fahrer völlig überraschend. Wenn ein Pferd in der Ferne etwas sieht, was es nicht einschätzen kann, wird es plötzlich Hals und Kopf weit nach oben nehmen, um einen besseren Überblick zu haben. Bei dieser natürlichen Reaktion muss der Fahrer dem Pferd zunächst die Möglichkeit geben, die Situation zu erfassen, bevor er die Arbeit fortsetzt.

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Die Sensibilität des Pferdes verlangt einen ruhigen Umgang und ein gefühlvolles Arbeiten mit dem Pferd. Sie ermöglicht aber gleichzeitig die gewünschte feine Einwirkung des Fahrers bei der Ausbildung des Pferdes.

Die Beobachtung von Auge, Ohr, Schweif, Schnauben und Schweißbildung kann dem Fahrer wesentliche Erkenntnisse zur Beurteilung des psychischen Zustandes des Pferdes geben.

Der Fahrer muss genügend Zeit, Geduld, Beobachtungsgabe und Interesse aufbringen, um das Verhalten von Pferden richtig erkennen und deuten zu lernen. Nur so kann er das Vertrauen eines Pferdes erwerben, weiß zwischen Angst und Widersetzlichkeit zu unterscheiden und wird sich in Erziehung und Ausbildung sowohl am Boden als auch vom Kutschbock aus richtig verhalten.

Die Entwicklung des Pferdes (Evolution) hat natürliche Sinneswahrnehmungen und Verhaltensweisen entstehen lassen, die eine wichtige Grundlage für die (klassischen) Ausbildungsprinzipien des Pferdes darstellen.

Pferde unterscheiden sich jedoch in Interieur, Exterieur und Temperament, in Vorlieben, Abneigungen und Veranlagungen. Die Ausführung und die zeitliche Planung betreffend, muss die Bereitschaft vorhanden sein, die verschiedenen Ausbildungsschritte flexibel zu gestalten, um dem einzelnen Pferd mit seinen Besonderheiten gerecht zu werden.

Wunschvorstellung eines jeden Fahrers ist es, ein zufriedenes und leistungsbereites Pferd auszubilden. Die dafür notwendige stabile, harmonische Partnerschaft zwischen Mensch und Tier wird durch Sachverstand, Geduld und das Eingehen auf die Psyche und die Besonderheiten eines jeden Pferdes unterstützt und gefestigt.

Ist der Fahrer in der Lage, sich in das Pferd und sein Verhalten einzufühlen, kann er nachvollziehen, wie er vom Pferd wahrgenommen wird und welche Handlungsweise in der jeweiligen Situation angemessen ist.

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Der Fahrer muss sich mit seinem Verhalten an der Natur des Pferdes orientieren – nicht an der Natur des Menschen.

1.2 Der Fahrer

Der richtige Umgang mit dem Pferd und das Fahren des Pferdes selbst setzen nicht nur bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern auch entsprechende charakterliche Eigenschaften des Fahrers voraus, die im Verlauf der Ausbildung weiter gefördert werden sollten. Daher können der Fahr- wie auch der Reitsport für die Persönlichkeitsentwicklung, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, sehr wertvoll sein.

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Neben Tierliebe und Einfühlungsvermögen werden für das Fahren Geduld, Selbstbeherrschung, Fairness und Disziplin verlangt und auch weiterentwickelt.

Eine sportliche Gestalt ist für das Fahren von großem Vorteil, sie ist aber keine unabdingbare Voraussetzung für gutes und gefühlvolles Fahren. Es ist für einen guten Fahrer außerdem günstig, wenn er über eine gute allgemeine Grundkondition, d.h. grundsätzlich insbesondere über Ausdauer und Kraft sowie Geschmeidigkeit und vor allem Beweglichkeit, verfügt. Fahren erfordert keine außergewöhnliche Muskelkraft, es sind jedoch viele Muskelgruppen an der Stabilisierung der Körperhaltung des Fahrers, vor allem in der Bewegung, beteiligt. Neben einem guten Bewegungsgefühl sind auch ein funktionierendes Zusammenspiel von Bewegungsabläufen des Körpers und Konzentrationsvermögen sehr hilfreich. Fahren wird als eine koordinativ durchaus anspruchsvolle Sportart eingeordnet. Sofern bestimmte Grundsätze Beachtung finden, kann der Fahrsport von früher Jugend bis ins hohe Alter ein ganzes Leben lang betrieben werden und förderlich für Gesundheit und Wohlbefinden sein.

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Wer mit Pferden Sport betreiben möchte, ob als Freizeitfahrer oder als Leistungssportler, hat die Pflicht, sich selbst und seinem Pferd eine gute Ausbildung zukommen zu lassen.

Dadurch erst wird es möglich, mit Freude und dem notwendigen Maß an Sicherheit diesem Sport nachzugehen, ohne das Pferd unsachgemäß zu belasten oder ihm sogar zu schaden. Theoretische Kenntnisse unterstützen wesentlich die Fortschritte im „Fahrenlernen“. Wissen über Eigenschaften und Verhalten der Pferde, Umgang und Haltung sowie Reit- und Fahrlehre, Ausbildungs- und Trainingsprinzipien sollte für einen interessierten und verantwortungsbewussten Fahrer eine Selbstverständlichkeit sein.

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Jeder Fahrer benötigt zu Beginn und auch später, zumindest von Zeit zu Zeit, die Unterstützung durch einen erfahrenen Ausbilder, der dafür Sorge trägt, dass der Ausbildungsweg sich positiv entwickelt.

Auch fortgeschrittene Fahrer, sogar Spitzensportler, lassen sich immer wieder von erfahrenen Fachleuten korrigieren, um Fehler abzustellen, die sich bei der Arbeit ohne Anleitung nur allzu leicht einstellen.

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Regelmäßige Ausbildung unter kompetenter Anleitung ermöglicht dem Fahrer einen fachgerechten Umgang mit dem Pferd sowie die Erlangung einer sicheren fahrerischen Grundlage.

Eine systematisch richtige Ausbildung in kleinen, individuell angemessenen Schritten ist eine wichtige Voraussetzung zur erfolgreichen Entwicklung und zugleich zur Unfallverhütung.

1.3 Das Lehrpferd

Ein geeignetes Lehrpferd ist eine entscheidende Voraussetzung für die Grundausbildung des Fahrers. Für die meisten Fahrer ist es zunächst wichtig, dass ein Schulpferd brav und aufmerksam, aber nicht zu sensibel auf die Hilfen des Fahrers reagiert, verträglich mit anderen Pferden und nicht zu schreckhaft ist.

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Neben guter Gesundheit und einem ausgeglichenen Temperament ist deshalb die fundierte Grundausbildung des Pferdes die wichtigste Voraussetzung. Es soll dem lernenden Fahrer das richtige Gefühl für das Fahren vermitteln. Das geschulte Pferd ist der beste Lehrmeister. Umgekehrt gehört zu der Arbeit mit einem jungen Pferd ein erfahrener Fahrer.

Ein auf beiden Händen gleichmäßig gymnastiziertes Pferd, das auf die Einwirkung des Fahrers gut reagiert, bietet hierbei die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches „Fahrenlernen“. Der Ausbilder muss seine Schulpferde sehr gut kennen, um einschätzen zu können, welcher Schüler am besten mit welchem Pferd harmoniert.

Der fortgeschrittene Fahrer sollte Gelegenheit haben, unterschiedliche und auch sensiblere Lehrpferde zu fahren, die dann auf richtiges und korrektes sowie einfühlsames Fahren oder auch auf eventuelle Fahrerfehler entsprechend reagieren. So kann der Lernende eigene Fehler am besten erfühlen, sie mit Unterstützung eines Ausbilders abstellen und seine Hilfengebung verfeinern. Gut ausgebildete Lehrpferde können wahre „Lehrmeister“ zur Unterstützung der fahrerischen Entwicklung sein.

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Zur Entwicklung des fahrerischen Gefühls ist es notwendig, möglichst viele unterschiedliche Pferde zu fahren.

Solide ausgebildete Schulpferde sollten an das Fahren im Gelände gewöhnt sein. Bei Ausfahrten sollten noch wenig erfahrene Fahrer mit besonders sicheren und ruhigen Pferden unterwegs sein; erfahrenere Fahrer können auch mit temperamentvolleren Pferden zurechtkommen.

Lehrpferde bewältigen oftmals ein großes Pensum an Arbeit. Aufgrund ihrer Leistungen mit ständig wechselnden Fahrern sind sie mit Achtung und Respekt zu behandeln und zu pflegen. Dazu gehört auch, dass diese Pferde regelmäßig von einem erfahrenen Fahrer korrigierend gearbeitet werden, um Losgelassenheit und Durchlässigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls diese wieder zu verbessern. Durch richtigen Umgang und sinnvollen, möglichst abwechslungsreichen Einsatz können Lehrpferde lange leistungsfähig und gesund bleiben.

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Gut ausgebildete Schul-/Lehrpferde, die sich in einem positiven Allgemeinzustand befinden, sind das Aushängeschild eines jeden Ausbildungsbetriebes.

1.4 Der Ausbilder

Fahrlehrer bzw. Ausbilder oder Trainer nehmen eine „Schlüsselfunktion“ bei Reit- und Fahrvereinen und Pferdebetrieben und insbesondere in der Entwicklung des Fahrsports ein. Sie haben bei der Fahrausbildung eine besonders vielfältige und verantwortungsvolle Aufgabe:

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Fahrschüler und Pferde sollen nach den Grundsätzen der „klassischen Fahrlehre nach Benno von Achenbach“ ihren individuellen Anlagen entsprechend ausgebildet und gefördert werden. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem eine solide und vielseitige Grundausbildung von Pferd und Fahrer.

Diese Grundausbildung ermöglicht vielfältige Entwicklungsalternativen, fördert Wohlbefinden und Gesundheit von Pferd und Fahrer und leistet einen sehr wichtigen Beitrag zur Sicherheit.

Die Kompetenz des Ausbilders muss deshalb die Pferdehaltung und den Umgang mit dem Pferd, die Ausbildung des Pferdes in den verschiedenen Stufen und Disziplinen sowie die Ausbildung des Fahrers in derselben Vielfalt umfassen. Das setzt

Nicht jeder, der selbst gut fahren kann, ist auch in der Lage, dieses Wissen seinen Fahrschülern verständlich und situationsangemessen zu vermitteln. Diese Fähigkeit kann man lernen. Entscheidende Grundvoraussetzungen sind die Freude und die Motivation, anderen Menschen beim Fahrenlernen helfen zu wollen und sich für das Wohlergehen der Pferde verantwortlich zu fühlen. Aus dieser Motivation resultiert die Bereitschaft, sich das entsprechende Fachwissen anzueignen und sich mit dem Vermittlungsprozess zu beschäftigen.

Zu den Lehrinhalten für Fahranfänger gehört zunächst der artgemäße und sichere Umgang mit dem Pferd, der nicht als nebensächliche Selbstverständlichkeit angesehen werden darf. Die Vermittlung einer Verständigung mit dem Pferd im direkten Umgang ist eine ganz wichtige Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zusammenarbeit beim Fahren. Die Aufgabe des Ausbilders setzt Fähigkeiten und Erfahrungen des Ausbilders im eigenen Fahren voraus, die mit möglichst unterschiedlichen Pferden und in den verschiedenen Disziplinen erworben sein sollten.

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Der Fahrlehrer muss sich bemühen, sich in jeder Situation so gut wie möglich in die Lage und das Gefühl des noch lernenden Fahrers hineinzuversetzen.

So kann er Fehler angemessen korrigieren und Fortschritte ermöglichen. Obwohl auch die Ausbildung des Pferdes zu den wichtigen Aufgaben des Ausbilders gehört, liegt seine Konzentration auf dem Handeln des Fahrers. In der Unterrichtssituation kann er die Ausbildung des Pferdes nur verbessern, indem er über den Fahrer auf das Pferd/die Pferde Einfluss nimmt.

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Die Ursachen für mögliche Probleme sind in der Regel beim Fahrer zu suchen.

Basis für die Tätigkeit des Ausbilders sind neben der praktischen Erfahrung und der pädagogischen Eignung auch Freude am Umgang mit Menschen, Zuverlässigkeit, Einsatzfreude und selbstverständlich Zuneigung zum Pferd.

Für eine optimale Vermittlung des Fahrwissens kann der Ausbilder z.B. auf Rahmenbedingungen Einfluss nehmen:

Im Fahrunterricht kann die Vermittlung z.B. durch folgende Möglichkeiten erfolgen:

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Es ist die Verantwortung des Ausbilders, eine positive Lern- und Lehratmosphäre herzustellen. Sie steigert erheblich die Aufnahmebereitschaft und das Einfühlungsvermögen der Fahrschüler.

Die Vermittlung sollte immer so erfolgen, dass der Fahrer das Interesse des Ausbilders an seiner positiven Entwicklung erkennt. Fahrlehrer und Fahrschüler sind gut beraten, sich auf erreichbare Ausbildungsziele, Wünsche und Erwartungen zu einigen, um gemeinsame Ausbildungserfolge zu erleben. Der Ausbilder sollte dabei auch auf vorhandene Ängste eingehen.

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Jeder Fahrlehrer und Ausbilder sollte bewusst mit seiner Vorbildfunktion umgehen. Dies gilt nicht nur an den Leinen und im Umgang mit dem Pferd, sondern auch für die persönliche Haltung und für seine Ausdrucksweise.

Voraussetzung für jede Lehrtätigkeit ist der erfolgreiche Abschluss einer anerkannten Ausbilderprüfung gemäß Ausbildungs- und Prüfungs-Ordnung (APO) der FN. Auf dem Gebiet der staatlich anerkannten Berufsaus- und -fortbildung sowie der Amateurtrainerausbildung (Trainer C bis A) können verschiedene Prüfungsstufen für unterschiedliche Aufgabenfelder absolviert werden. Alle Fahrausbilder haben die Möglichkeit, mit der jeweils bestandenen Prüfung eine Lizenz des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zu erwerben, die durch die Teilnahme an Fortbildungsangeboten und die entsprechenden Nachweise fortgeschrieben wird. So ist eine gültige Lizenz auch immer ein Beleg dafür, dass der Ausbilder sich regelmäßig fortbildet und auf dem Laufenden hält.

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Für den Fahrschüler ist ein guter Fahrlehrer als feste Bezugsperson über einen längeren Zeitraum ein echter Gewinn. Ein schneller und zu häufiger Wechsel des Ausbilders ist für den Lernprozess im Regelfall nicht förderlich. Fehlende Kontinuität kann zu Verunsicherungen führen.

1.5 Ort der Ausbildung

Grundsätzlich orientiert sich die Wahl des Ausbildungsortes mit Pferden an den Ausbildungszielen und den individuellen Voraussetzungen von Pferd und Fahrer. Wünschenswert sind Gegebenheiten, die die Möglichkeit zu einer vielseitigen, abwechslungsreichen Ausbildung bieten. Frische, möglichst staubfreie Luft und ein trittfester, aber nicht zu harter Boden sollten genauso gegeben sein wie Begrenzungen und Materialien, die den Vorschriften des Unfallschutzes entsprechen.

Die Anfängerausbildung findet in aller Regel zunächst auf einem geschlossenen Platz statt. So ist für den Fahranfänger ein hohes Maß an Sicherheit gegeben. Äußere Einflüsse, die das von ihm noch nicht voll beherrschte Pferd ablenken könnten, sind hier besser vermeidbar. Für die weiter fortschreitende Ausbildung sollten unbedingt ein Dressurplatz sowie geeignetes Außengelände zur Verfügung stehen und genutzt werden.

Der Fahrplatz, die Stallkammer und vor allem die pferdegerechten Stallanlagen sowie Sozialräume und Toiletten sind die ersten wahrnehmbaren Qualitätskennzeichen einer Ausbildungsstätte. Neben Sauberkeit und Ordnung sind die regelmäßige Instandhaltung und Pflege der Ausrüstung und der Plätze selbstverständlich.

Für den theoretischen Unterricht, der unerlässlich zur praktischen Fahrausbildung gehört, sollte ein geeigneter Raum zur Verfügung stehen, soweit der Unterricht nicht im Stall am Pferd (z.B. über Körperbau des Pferdes, Frisieren, Bandagieren, Aufschirren, Zäumen) oder auf dem Fahrplatz stattfindet. Anschauungsmaterialien in Form von Standardliteratur, Lehrtafeln und Fahrlehrgerät sollten für jeden Fahrer auf der Anlage zur Verfügung stehen. Lehrfilme sowie selbst erstellte Videoaufnahmen sind sehr aufschlussreiche und abwechslungsreiche Ergänzungen.

1.6 Bahnordnung