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Renate Daimler

Basics der Systemischen Strukturaufstellungen

Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene

mit Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

Kösel

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Copyright © 2008 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlag: Gerald Wahl / Kaselow Design, München

Umschlagmotiv: Brigitte Smith

Illustrationen: Matthias Varga von Kibéd

ISBN 978-3-641-25038-6
V002

www.koesel.de

Inhalt

Eine Geschichte

Vorwort

Ein Schuhlöffel

Gebrauchsanleitung für das Buch

Was sind Systemische Strukturaufstellungen?

Wurzeln und Quellen

Welche Art von Wirklichkeit wird abgebildet?

Repräsentierende Wahrnehmung

Struktur und System

Best of Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

Die systemischen Grundsätze als Basis für eine Systemische Strukturaufstellung

Systemorientierungen

Inhalte zu den Systemorientierungen im Detail

0.Das Prinzip der Nichtleugnung

1.Das Recht auf Zugehörigkeit

2.Die Anerkennung der zeitlichen Reihenfolge

3.Die Anerkennung des höheren Einsatzes für das Ganze

4.Der Vorrang von höheren Leistungen und Fähigkeiten

Systemische Ausgleichsprinzipien

1.Der Ausgleich im Guten sollte ein vermehrter sein

2.Der Ausgleich im Üblen sollte ein verminderter sein

3.Ein allzu exakter Ausgleich sollte vermieden werden

4.Der Schuldner hat ein Recht auf Mahnung

5.Der Gläubiger wird schuldig am Schuldner, wenn er ihm die Mahnung verweigert

6.Der Ausgleich des Schuldners sollte in der »Währung« des Gläubigers erfolgen

7.Der eigentliche Ausgleich liegt in der Anerkennung der Ausgleichsverpflichtung

8.Die Ausgleichsleistung wird nur wirksam als Ausdruck dieser Anerkennung

9.Die Verweigerung der Ausgleichsleistung hebt die Wirkung einer schon erfolgten Anerkennung der Ausgleichsverpflichtung wieder auf

10.Wird der Ausgleich mit der Ausgleichsleistung verwechselt, verkommt er zu einer bloßen Bezahlung

Ausgleich als Konstruktion

Wozu brauchen BeraterInnen Wissen über Hirnforschung?

oder »Führen als erfolgreiche Navigation im Dickicht eigener und fremder Synapsen« – Ein Beitrag von Gerald Hüther

Die häufigsten Formate der Strukturaufstellungen

Das Wunder und die Lösungen

Die Lösungsaufstellung

Die Zielannäherungsaufstellung

Das Lösungsgeometrische Interview

Die Neunfelder- und Zwölffelderaufstellung

Das Dilemma und seine Auswege

Das Tetralemma und die Tetralemmaaufstellung

Die multiple Entscheidungsaufstellung

Die Grundwerte und ihre Klärung

Die Glaubenspolaritätenaufstellung

Die Wertpolaritätenaufstellung

Das Innen- und Außenleben eines Problems

Die Problemaufstellung

Das, worum es vielleicht auch noch geht

Die Aufstellung des ausgeblendeten Themas (AAT)

Die Suchprozessintervention

Der Körper und seine Sprache

Die Körperstrukturaufstellung

Die Körperaufstellung

Die Symptomaufstellung

Die Körperstrukturaufstellung als Aufstellung ohne Aufsteller

Die Prototypischen Strukturaufstellungen (PTA)

Die Drehbuchstrukturaufstellung (DBSA)

Einige Beispiele von Drehbuchstrukturaufstellungen

Die Drehbuchstrukturaufstellung im Theaterbereich

Die Drehbuchstrukturaufstellung im Organisationsbereich

Die Gliederungsstrukturaufstellung, gezeigt am Beispiel eines Buchprojektes

Die Supervisionsaufstellung

Wichtige Anwendungsbereiche

Organisationsstrukturaufstellungen (OSA)

Häufige Themen und Formen für die Arbeit in und mit Organisationen

Veränderungsprozesse und Systemische Strukturaufstellungen

Konfliktmanagement und Systemische Strukturaufstellungen

Kündigungsmanagement und Systemische Strukuraufstellungen

Die Hierarchieebenenaufstellung HEA

Die Teamstrukturaufstellung TSA

Die Projektstrukturaufstellung PSA

Großgruppenstrukturaufstellungen

Organisationsinterne Strukturaufstellungen

Familienstrukturaufstellungen (FSA)

Die einzelnen Schritte bei einer Familienstrukturaufstellung

Familienstrukturaufstellungen in Kombination mit anderen Formaten

Interpretation und Deutung von Bildern in der Familienstrukturaufstellung

Speziellere Formen

Die Logostrukturaufstellung

Die Traumstrukturaufstellung

Vierzig Tipps für eine geglückte Strukturaufstellung

Ablauf einer Systemischen Strukturaufstellung

Die Alter-Ego-Methode (Arbeit mit jüngeren Anteilen)

Allparteilichkeit als vielgerichtete Parteilichkeit

Anordnungsprinzipien (Umstellen von RepräsentantInnen)

Arbeit mit Unterschieden

Arbeit mit Skalen und Zahlen

Auftragsklärung

Bühnenbeleuchtung

Deutungsebenen

Echo geben

Einrollen, Entrollen

Einzelarbeit mit Bodenankern

Fokus und Multifokales Aufstellen

Freie Elemente

Gewaltfreie Kommunikation

Grundsätzliche Interventionen: Stellungsarbeit, Prozessarbeit, Test

Hypnotherapeutische Elemente

Kataleptische Hand

Kontexttrennung bei Überlagerungen – die fünf V

Kontextüberlagerungs-Aufhebungsritual

Komplexitätsreduktion, angemessene Vielfalt

Konstruktivismus

(Das rosa) Krokodil im Raum

Lösungen

Orte

Rest der Welt

RepräsentantInnen

RepräsentantInnenkategorien

Rituelle Sätze und Gesten

Rollenrückgabestrukturaufstellungen

Schlussbild und Neuanfang, Ankern des Lösungsbildes

Strukturebenenwechsel

Systematisch ambiges Arbeiten (Mehrdeutigkeit)

Systemische Abschlussfrage

Verdeckte Aufstellungen

Vom passenden Zeitpunkt

Wissenschaftlicher Nachweis

Wunder

Wunder und Alltag

Wunder an der Leine

Zeitdehnungsritual

Zeitlinien

Literatur

Über die AutorInnen

Eine Geschichte

Damals, als alles begann, wussten die beiden noch nicht, dass sie die Landschaft der Aufstellungsarbeit in Europa – und darüber hinaus – prägen werden.

Damals waren sie einfach ein Paar, das sich am Abend von den Ereignissen des Tages erzählte. Insa Sparrer von ihren Erkenntnissen als Psychotherapeutin, Matthias Varga von Kibéd von seinen mathematischen Formeln und logischen Abhandlungen, die er für seine StudentInnen an der Universität in ungarischer Leidenschaft mit buntem Leben füllte.

Das Eine war vielfältig und interessant, das Andere ebenso. Und je länger sie darüber sprachen, desto klarer wurde für sie: Es gab ein Beides. Nicht nur als Ehepaar, auch in ihrer Arbeit.

Und so begann ein Experiment, das sich mit den Jahren zu etwas entwickelte, was richtungsweisend wurde. Nach und nach wurde systemische Arbeit in Formen gegossen, nach und nach gab es eine klare Grammatik, die eine völlig neue Zugangsweise zu Systemen und ihrer Struktur ermöglichte. Man konnte die Themen, die aufgestellt wurden, abstrakt benennen und niemand musste wissen, was mit Das Eine gemeint war. Es genügte, dass es dazu Das Andere gab, einen Gegensatz, der häufig zum Dilemma führte. Und dann kam Beides und schon fand sich vielleicht eine übersehene Verbindung. Es konnte aber auch sein, dass es um Keines von Beidem ging, um etwas, woran unsere KundInnen und KlientInnen* bisher noch nicht einmal gedacht hatten. Und so wurde in einem kreativen Prozess eine alte Struktur aus der indischen Logik in ein Aufstellungsformat übersetzt. Um jedem Schubladendenken vorzubeugen, fügten die Entwickler und Gründer der Systemischen Strukturaufstellungen noch eine fünfte Position hinzu, ein Element aus der buddhistischen Logik, das den Prozess unterstützte und sich frei durchs Bild bewegen durfte.

In den Jahren, in denen eine Vielzahl solcher Formate entstand, gab es einen regen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus ähnlichen, aber auch aus ganz anderen Feldern. Und so kam es, dass viele Impulse in die transverbale Sprache der Systemischen Strukturaufstellungen einflossen und sie ergänzten.

Heute werden Systemische Strukturaufstellungen an Universitäten gelehrt, füllen Konferenzsäle, und die Zahl derer, die an dieser »transverbalen Sprache« interessiert sind, kann längst nicht mehr beziffert werden.

Die Zeit des Lernens hört dennoch nicht auf. Weder für die Entwickler und Gründer noch für uns, die wir von ihren immer wieder neuen Erkenntnissen profitieren und selbst neue Entdeckungen machen.

Die Systemischen Strukturaufstellungen sind ein Ozean, dessen Tiefe uns umso mehr bewusst wird, je mehr wir davon wissen und je mehr wir damit arbeiten.

Ich bin voller Dankbarkeit und Freude, dass Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd sich nach unserem ersten gemeinsamen Buch Das Unsichtbare Netz. Erfolg im Beruf durch systemisches Wissen erneut zu einer Zusammenarbeit mit mir bereit erklärt haben.

Es war auch diesmal wieder aufregend, anregend und anstrengend zugleich, die kostbaren Zeitfenster gut zu nützen, die wir uns zwischen ihren eigenen – fast rund um die Uhr – stattfindenden Seminaren nehmen konnten. Und so haben wir wieder an sehr kreativen Orten gearbeitet. Am Münchner Hauptbahnhof, am Wiener Westbahnhof – hier bin ich, weil wir mitten in einem sehr wichtigen Text waren (Struktur und System), mit Matthias und seinem »kleinen« Gepäck in den Zug gestiegen und einfach bis Salzburg mitgefahren (und vom gegenüberliegenden Bahnsteig wieder zurück). Wir haben uns auf Flughäfen, in ruhigen und lauten Kaffeehäusern, in diversen Seminarzentren, an der Hafenmole von Piran und in Insas und Matthias’ Wohnung in München getroffen.

Aus diesen besonders kostbaren Tagen in München, voller intensiver Arbeit und herzlicher Gastfreundschaft, nehme ich ein Bild mit, das mir unvergesslich bleiben wird: Wir sitzen über den Systemischen Grundsätzen und ringen gemeinsam um Genauigkeit und Verständlichkeit. Die Reinigungsfrau der beiden läutet, sie wird begrüßt und ist auch schon wieder vergessen. Irgendwann kommt sie ins Wohnzimmer. Wir reden weiter und später brüllen wir – ohne es zu bemerken –, als sie den Staubsauger einschaltet. Als sie mit vielen Entschuldigungen beginnt, rund um unsere Füße zu saugen, fällt uns auf, dass wir besser flüchten sollten. Ins Büro. Der Schreibtisch ist meterhoch von Büchern »bewohnt« (jeder, der Matthias näher kennt, weiß, dass ich nicht übertreibe), hier hat selbst mein kleiner Laptop keinen Platz. Insa und Matthias bieten mir galant einen Riesenkoffer, den sie schon für die nächste Reise gepackt haben, als Tisch an und schon geht es mit dem nächsten Absatz weiter.

Einige Monate später beginnt das »Textfinale« im Garten unseres Lieblingsgriechen, bei dem wir unser gemeinsames »Büro« eingerichtet hatten. Dagmar Olzog, unsere engelsgeduldige, mehr als kompetente Lektorin, bespricht zwischen Vorspeisenplatten und Knoblauchbrot mit uns Texte, während Matthias einen wunderschönen Cartoon nach dem anderen zeichnet. Es war in der 92. Minute und schon spät, wir waren längst ins Lokal übersiedelt, als Österreich während der Europameisterschaft ein Ausgleichstor gegen Polen schoss. Ich wusste bis dahin nicht, dass die Logostrukturaufstellung und Fußball so gut zusammenpassen. Jedenfalls war es der Augenblick, in dem ich meinen Laptop zuklappen konnte, weil unser Buch (fast) fertig war.

Seit diesem Tag sind inzwischen ein paar Jahre vergangen. Die »Basics«, wie Insa und Matthias unsere gemeinsamen Bemühungen liebevoll nennen, haben ihren Weg inzwischen auch in andere Anwendungsgebiete gefunden.

Danke für Eure Großzügigkeit, Eure Freundlichkeit und Eure Freundschaft.

 

*In diesem Buch werden wir abwechselnd von Kundinnen und Klientinnen sprechen, gemeint sind aber immer beide Gruppen, weil sich Systemische Strukturaufstellungen in jedem Feld einsetzen lassen.

Vorwort

von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd

 

 

Als wir 1989 die ersten Formate von Systemischen Strukturaufstellungen entwickelten, hatten wir uns schon weit über ein Jahrzehnt mit Formen der Ericksonschen Hypnotherapie und des NLP, mit logischer Sprachanalyse und Paradoxientheorie befasst. Die logischen und sprachanalytischen Methoden bildeten zunächst also unsere Grundlage, bis wir 1982/83 den Ansatz der Schule von Milwaukee durch Steve de Shazer kennenlernten. Er war auch für fast ein Vierteljahrhundert einer unserer wichtigsten Lehrer (und Freund), im vergangenen Jahrzehnt gemeinsam mit seiner Frau Insoo Kim Berg. 1986 bis 1988 trafen wir dreimal Virginia Satir, deren wunderbare Menschlichkeit, präzise Beobachtung, Inspiration und Weisheit uns zutiefst beglückte und unsere Arbeitsweise entscheidend veränderte. Nachdem wir 1989 die (u.a. auf Ruth McClendon, Leslie Kadis und Thea Schönfelder zurückzuführende) Familienaufstellungsarbeit von Bert Hellinger und die Arbeit mit dynamischen Skulpturen in der hypnosystemischen Arbeit von Gunther Schmidt kennengelernt hatten, entwickelten wir, unter Einbeziehung zentraler Ideen aus dem transgenerationellen Ansatz von Ivan Boszormenyi-Nagy, eine umfangreiche Grammatik und Methodik der Strukturaufstellungsarbeit als einer rein konstruktivistischen Aufstellungsform.

Die Strukturaufstellungsarbeit hat als eigenständige Interventionsmethode inzwischen eine Vielzahl von Anwendungen in Therapie und Beratung, Supervision und Coaching, Mediation und Förderung von Lernprozessen sowie im kreativen Bereich gefunden. Wir sehen Strukturaufstellungen als eine transverbale, das heißt von ganzen Personengruppen als Modellsystem gesprochene Sprache. Die Verbindung von Transverbalität mit Ericksonscher Arbeit, dem lösungsfokussierten Ansatz und Mitteln der logischen Sprachanalyse erlauben es, diesen Ansatz auf immer neue Anwendungsgebiete auszudehnen – denn, wie Wittgenstein über die Grenze der Sprache im Vorwort seines Tractatus schreibt: Diese Grenze wird nur von innen gezogen werden können. In diesem Sinne geht Strukturaufstellungsarbeit weit über eine bloße Methode hinaus.

Renate Daimler hat als eine der ersten dieses Verfahren schon 1997 bei uns kennengelernt und unsere vierjährige Ausbildung in der Methode abgeschlossen. Sie arbeitet seit vielen Jahren engagiert und sachkundig mit Systemischen Strukturaufstellungen und gibt sie an BeraterInnen weiter. Renates Wunsch war es, mit diesem Buch, den Basics der Systemischen Strukturaufstellungen, allen, die am Erlernen dieses Verfahrens interessiert sind, einen leicht verständlichen Überblick an die Hand zu geben, der den dazugehörigen Lernprozess fruchtbar unterstützen und begleiten kann. Dazu hat sie uns immer wieder die Zustimmung abgerungen, dass an manchen Stellen auf Details im Interesse der Zugänglichkeit verzichtet werden darf. Wir sind zuversichtlich, dass diese Bemühungen den LeserInnen zugutekommen werden. Darüber hinaus aber werden auch Laien durch die Basics von Renate Daimler einen Einblick in die Sprache und Anwendung der Strukturaufstellungen gewinnen können.

Wir haben die klare und lebendige Sprache von Renate schon bei der Zusammenarbeit an unserem gemeinsamen Buch mit erzählten Fallbeispielen zu Organisations-Strukturaufstellungen Das unsichtbare Netz sehr zu schätzen gelernt und uns daher mit Freude bereit erklärt, an diesem Buch mitzuwirken und einige Cartoons zum Schmunzeln beizusteuern.

Die LeserInnen werden hier nicht nur einen detaillierten Überblick über die wichtigsten systemischen Grundsätze der Strukturaufstellungsarbeit in ihrer Anwendung auf Familien und Organisationen finden, sondern auch eine Darstellung der Grammatik der Hauptformen der Strukturaufstellungen.

Darüber hinaus finden sich Details zu einigen neueren, bisher nur in Seminaren behandelten Strukturaufstellungsformaten wie den Traumstrukturaufstellungen und den Gliederungsstrukturaufstellungen, Neues zu Drehbuchstrukturaufstellungen und Logostrukturaufstellungen und eine Darstellung von Renate Daimlers spezieller Art der Suchprozessinterventionen.

Dass es Renate Daimler gelungen ist, mit Zustimmung von Gerald Hüther einige seiner faszinierenden und für StrukturaufstellerInnen höchst relevanten Gedanken zur Forschung über die Wirkung innerer Bilder in den Band mit aufzunehmen, halten wir für eine besonders erfreuliche Bereicherung. Die Zusammenfassung von Peter Schlötters Forschungsergebnissen zu den Grundzügen der repräsentierenden Wahrnehmung stellt einen weiteren besonders nützlichen Abschnitt dieses Buches dar.

Die Vielzahl der Fallbeispiele, großenteils aus der Aufstellungspraxis von Renate Daimler, und ein langes Kapitel mit »Vierzig Tipps für eine gelungene Strukturaufstellung« runden dieses Buch in gelungener Weise ab.

Liebe Renate, wir freuen uns sehr über Deinen beständigen großen Einsatz und Deine gute und verantwortungsvolle Umgangsweise mit der Strukturaufstellungsarbeit!

Und Ihnen, liebe LeserInnen, wünschen wir eine nützliche und vergnügliche Lektüre der Basics und gute Fortsetzung in der Praxis in der Außenwelt!

Ein Schuhlöffel

Wir waren in der Pionierphase der Ausbildung für Systemische Strukturaufstellungen am SySt-Institut in München ein kleines Grüppchen und hatten noch kaum Bücher. Damals, 1997, wurde die Basis für dieses Buch gelegt. Ich schrieb Hunderte von Seiten persönlicher Skripten und als ich sie Jahre später, am Beginn meiner eigenen Lehrtätigkeit, wieder las, kam die Erinnerung zurück, was EinsteigerInnen in die Methode brauchen. Das war mein Leitfaden für die Lehrgangsunterlagen, die ich für meine eigenen StudentInnen entwickelte, wunderbar unterstützt von den Büchern Ganz im Gegenteil von Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer und Wunder, Lösung und System von Insa Sparrer, die inzwischen erschienen waren.

Basics der Systemischen Strukturaufstellungen baut auf dieser Grundlage auf und profitiert vom Luxus, dass Insa Sparrer inzwischen das herausragende Grundlagenbuch Systemische Strukturaufstellungen, Theorie und Praxis verfasst hat, ein Wunderwerk an tiefem Wissen zu unserer transverbalen Sprache.

Gleichzeitig haben die beiden GründerInnen mich dabei unterstützt, dass der Text die Methode trotz aller Reduzierung auf das Wesentliche sinnvoll wiedergibt.

Die herrlichen Cartoons von Matthias Varga von Kibéd, die er während des Mittagessens so ganz nebenbei gezeichnet hat, sind all jenen vertraut, die je ein Seminar bei ihm erlebt haben und seine weltmeisterlichen Flipcharts genießen durften.

An dieser Stelle möchte ich mich auch ganz besonders bei den TeilnehmerInnen meines allerersten Lehrgangs in Wien und Bregenz bedanken: Doris Gmeiner und Ursula Turek, die mir nicht nur geholfen haben, die Lehrgänge aufzubauen, sondern auch daran teilgenommen haben und die damals die meisten meiner Lehrgangstexte auf Verständlichkeit gelesen haben: Andrea Überbacher Kloiber, Andreas Müller, Anita Bertsch-Gauch, Anita Weber-Gallusser, Bettina Längle Steiner, Caroline Schneider, Claudia Kappel, Dieter Sckell, Ernst Feistauer, Ewald Kunst, Gabriele Gamsjäger, Georg Breiner, Gudrun Obertuefer, Irene Gruber-Begusch, Julia Schwärzler, Marcella Zauner-Grois, Nicole Lauchart, Rena Schier und Silvia Kollmann. Sie haben mich durch ihre unzähligen klugen Fragen dabei unterstützt, noch besser zu verstehen, worüber ich schreiben soll. Während wir unser gemeinsames Jahr mit Lernen zugebracht haben, haben sich meine Texte mehr als verdoppelt und sind mit jedem neuen Lehrgang und weiteren interessanten Fragen von TeilnehmerInnen weiter gewachsen.

Mein Freund und Kollege Max Berghe von Trips hat mir nicht nur den Rücken gestärkt, wenn ich ob der Komplexität der Materie manchmal verzagt war, er hat mich bei unseren vielen Telefonaten und langen Spaziergängen im Englischen Garten mit guten Ideen versorgt und mir immer wieder Material zur Verfügung gestellt. Viele andere großzügige Menschen haben immer wieder Teile dieser Texte auf Verständlichkeit gelesen und/oder mir Mitschriften aus Seminaren zur Verfügung gestellt. Dank auch an Dagmar Olzog, sie hat wieder die Geduld und das Interesse aufgebracht, in dieses komplexe Thema als sachkundige Lektorin einzutauchen. Besonders bedanken möchte ich mich auch bei den beiden Wissenschaftlern Gerald Hüther und Peter Schlötter. Sie haben mich großzügig und unkompliziert bei meinen zu ihren jeweiligen Sachgebieten gehörenden Texten unterstützt.

Die Geduld, mit der mein Mann Carl die Geburtswehen zu diesem Buch ausgehalten hat, verdient mehr als ein Dankeschön ...

Dieses Buch erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es versteht sich als »Schuhlöffel« in den weiten Ozean der Systemischen Strukturaufstellungen. Es soll eine Anleitung sein, die eine Vertiefung durch die »Schatzkammern« der Bücher der GründerInnen umso empfehlenswerter macht, damit das stabile Boot auf dem Ozean mit der Zeit zu einem Luxusdampfer heranwachsen kann.

Gebrauchsanleitung für das Buch

Wir verwenden, um Platz zu sparen, immer den Begriff KundInnen oder KlientInnen, gemeint sind immer beide.

Wir haben uns für eine gendergerechte Sprache engagiert, dort, wo es sprachlich zu kompliziert wurde, bitten wir um Verständnis.

Alle praktischen Beispiele zur Erläuterung der Theorie stammen aus unserer Lehrtätigkeit und aus unserer Praxis.

Wir haben Abkürzungen gewählt für unsere Namen, für häufig zitierte Therapieformen und Buchtitel, damit der Lesefluss möglichst wenig unterbrochen wird:

 

Insa Sparrer ISp
Matthias Varga von Kibéd MVvK
Renate Edelbauer-Daimler RED
THERAPIEFORMEN:
Solution Focused Therapy SFT
Solution Focused Brief Therapy SFBT
Systemische Strukturaufstellung(en) SySt
BUCHTITEL:
Ganz im Gegenteil (MVvK/ISp) GiG
Wunder, Lösung und System (ISp) WLS
Systemische Strukturaufstellungen. Theorie und Praxis (ISp) SyStTP
Einführung in Lösungsfokussierung und Systemische Strukturaufstellungen (ISp) ELf
Tractatus logico-philosophicus. Logisch-philosophische Abhandlungen (Wittgenstein) TLP
Einführung in die systemische Organisationstheorie (Simon) EsO
Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung (Schmidt) HTB
Das unsichtbare Netz (RED/ISp/MVvK) UN

Was sind Systemische Strukturaufstellungen?

Systemische Strukturaufstellungen sind eine »transverbale Sprache«, ein modernes Interventionssystem, das uns ermöglicht, in der Beratung ganz neue Wege zu gehen. Wir erleben durch die räumliche Darstellung von Themen durch sogenannte RepräsentantInnen zunächst den »Ist Zustand« eines Systems aus Sicht unserer jeweiligen KlientInnen und KundInnen und können dann durch hilfreiche Interventionen neue Sichtweisen und Handlungsoptionen erforschen.

Das Bild zeigt uns aber auch, ob im abgebildeten System etwas fehlt, und macht uns so auf eventuelle »hidden agendas« und »ausgeschlossene Themen« aufmerksam, deren Beachtung zur Lösung eines Problems günstig sein könnte. Wobei wir an dieser Stelle SYSTEME wörtlich nehmen können, denn die klaren, zum Teil abstrakten Aufstellungsformate der Systemischen Strukturaufstellungen und eine verständliche Grammatik erlauben uns, jede Art von Zusammenhang zu betrachten, sei es eine Organisation, ein Projekt, ein Logo, Arbeitsabläufe, Visionen, innere Anteile, Familien, Körperorgane, Symptome, homöopathische Mittel, Drehbücher, Romane usw.

»SySt ermöglichen uns, Modelle, die wir uns von der Welt bilden, als sichtbare Bilder nach außen zu projizieren. Diese äußeren Bilder können verändert werden. Die Veränderungen wirken dann über die KlientIn wieder zurück auf das System, das wir abbilden. Mithilfe von SySt können wir Systeme simulieren, um Veränderungsprozesse einzuleiten und mögliche Auswirkungen zu testen«, schreibt Insa Sparrer in Systemische Strukturaufstellungen (S. 9).

Diese Möglichkeit, Systeme zu simulieren, entsteht durch eine Fähigkeit von uns, die die beiden Gründer mit dem Begriff »repräsentierende Wahrnehmung« beschreiben. Das bedeutet, dass wir, obwohl wir ein System, also z.B. eine Familie, ein Unternehmen usw., nicht kennen, in der Lage sind, spontan Unterschiede in unserer Körperwahrnehmung zu spüren und zu benennen, wenn wir zum Symbol für etwas werden.

Beeinflusst von den Gruppensimulationsverfahren, der systemischen Therapie, der lösungsfokussierten Arbeit und der Hypnotherapie (siehe S. 71 und 368), haben Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd eine geniale Verbindung zwischen den unterschiedlichen Ansätzen geschaffen und sie durch eigenständige Neu- und Weiterentwicklungen als Strukturen ins Bild gesetzt.

Was macht die Systemischen Strukturaufstellungen zu einem attraktiven Beratungsansatz?

Die Vielfalt der Strukturaufstellungsformate und eine klare Grammatik bilden einen sicheren Hintergrund für die Arbeit mit Systemen jeglicher Art.

Wir haben die Möglichkeit, die Struktur von Systemen zu beleuchten und auf unterschiedlichen Ebenen zu betrachten (siehe S. 33 und 417).

Die systemischen Grundsätze, so wie sie von den Gründern der Methode weiterentwickelt und zum Teil neu definiert wurden, geben uns ein gutes Leitsystem und verstehen sich nicht als »Regeln«, die eingehalten werden müssen, sondern als passende Handlungsmöglichkeiten, die der Verbesserung der Situation dienen (siehe S. 39).

In einer Haltung, in der wir »GastgeberInnen« des Prozesses und nicht »MacherInnen« sind, verpflichten wir uns der vielgerichteten Parteilichkeit (siehe S. 321) und der Absichtslosigkeit. Das heißt auch, dass wir uns keine Vorstellungen über ein »richtiges« Ergebnis unserer Beratung machen, weil es »richtig« und »falsch« in diesem Ansatz so nicht gibt (siehe S. 386).

Unsere KundInnen und KlientInnen sind – ganz im Sinne der lösungsfokussierten Arbeit – ExpertInnen für ihr System und wir gehen davon aus, dass ihnen schon alle Möglichkeiten zur Klärung ihres Anliegens zur Verfügung stehen. Unsere Aufgabe ist es, diese Möglichkeiten mithilfe ihrer »Expertise«, also dem Wissen über das Problem und die schon vorhandenen Ressourcen, herauszufinden.

Wir machen uns keine starken Hypothesen darüber, welches Strukturaufstellungsbild wir im Raum sehen und welche Hintergründe zu dieser Frage auftauchen werden. »Hypothesen sind wie Vögel, die deinen Kopf umkreisen, doch erlaube Ihnen niemals, dass sie in deinem Haar Nester bauen«, meint Matthias Varga von Kibéd in Umwandlung eines Satzes von Tschuang-tse. Diese Enthaltsamkeit hat den Vorteil, dass wir durch unsere »Vorurteile« das Bild nicht einschränken oder falsch deuten (siehe S. 341).

Der Prozess des »Bilder in den Raum«-Stellens ist kein intellektueller, bei dem unsere KlientInnen »darüber nachdenken«, was sie darstellen möchten. Im Gegenteil: Wir fördern das intuitive Aufstellen durch sogenannte »tranceinduzierende Gedankenunterbrechungen« aus der Hypnotherapie (z.B. durch Veränderung der Stimme und gezielte Pausen beim Sprechen), die es leichter machen, »aus dem Kopf herauszugehen« (siehe S. 368).

Wir glauben nicht, dass »objektive« Tatsachen erkannt werden können, daher gibt es auch nicht »das richtige« Aufstellungsbild. Wir betonen, dass das jeweilige Bild ein Ausschnitt, »Fokus« (siehe S. 359), aus der Perspektive unserer KlientInnen und niemals das objektive Gesamtbild einer Situation ist. Das hilft uns auf der einen Seite, das Anliegen unserer KlientInnen immer im Auge zu behalten, auf der anderen Seite wissen wir auch immer, dass es den sogenannten »Rest der Welt« gibt (siehe S. 392). Wir gehen davon aus, dass wir immer die Möglichkeit haben, unser Weltbild neu zu konstruieren. Wie diese Konstruktion aussieht, kann sehr unterschiedlich sein. Daher gibt es bei uns auch nicht »das richtige Lösungsbild« (siehe S. 386).

Wir verzichten daher auch auf Zuschreibungen von Eigenschaften im Sinne von: »Ein Systemelement IST so oder so.« Wir beobachten lediglich Relationen, Strukturen, Kontexte und Dynamiken, in denen sich ein Systemelement so oder so verhält. »Eigenschaften sind Gäste, die ein Zimmer bei uns beziehen« (MVvK, mdl.).

Wir bitten unsere KlientInnen um Kooperation während der Strukturaufstellung und bleiben in ständigem Blickkontakt mit ihnen. Wir freuen uns über Vorschläge, Fragen, Wünsche, Umformulierungen. Auf diese Weise verlieren wir auch während der Strukturaufstellung das Anliegen der KlientInnen nicht aus den Augen und gelangen zusätzlich zu hilfreichen Informationen.

In der Systemischen Strukturaufstellung geht es nie um die Darstellung von absoluten Werten, sondern um Unterschiedsbildung im Sinne von Veränderung in Richtung Lösung. Das aufgestellte Bild ist also eine Externalisierung eines inneren Bildes unserer KlientInnen, das wir so verändern können, dass sich die RepräsentantInnen des dargestellten Systems danach meist wohler fühlen.

Die Frage nach Unterschieden macht es uns möglich, auf Deutungen und inhaltliche Zuordnungen weitgehend zu verzichten. »Es ist wichtiger, dass ein Prozess stattfindet, denn Veränderung geschieht durch Erfahrung, nicht durch Deutung« (ISp/MVvK, mdl.). In diesem Sinne ist das Erleben von Lösungsbildern ein wichtiger Teil der möglichen Veränderung. Die Deutung kommt, wenn überhaupt, von unseren KlientInnen. Wir gehen davon aus, dass das System, wenn inhaltliche Informationen für unsere KlientInnen wichtig sind, sie zum passenden Zeitpunkt freigibt und »die Nachricht zu ihnen kommt«. Manchmal wollen uns KlientInnen zu einer Deutung motivieren. Wir entziehen uns dieser Versuchung, weil es dabei zu starken Fehlinterpretationen kommen kann, die zum Teil auch Schaden anrichten können.

Wir fördern die Mehrdeutigkeit von Bildern, indem wir abstrakte Formen wählen können, die gleichzeitig auf unterschiedlichen Ebenen wirken können. Es können Familienmitglieder, Organe, Mitglieder eines Unternehmens »verdeckt« gleichzeitig angesprochen werden. Die Lösung kann so auch auf mehreren Ebenen wirksam werden (siehe S. 423).

Die ausgeprägte Lösungsfokussierung der Systemischen Strukturaufstellungen hat den Vorteil, dass sich »der Aufenthalt in der Problemzone« bewusst möglichst kurz gestaltet. Wir stellen auch immer die lösungsfokussierte Frage: »Was ist gut, was kann so bleiben?«. Wir stellen Ressourcen, Ziele und das Wunder und andere, meist freie Elemente, zur Unterstützung des Prozesses auf.

Wir verzichten auf die negative Deutung von Abweichungen von sogenannten Standardanordnungen des Aufstellungsbildes (siehe S. 322). Aus der Praxis der Aufstellungsarbeit haben sich Anordnungen von sogenannten »Standardbildern« ergeben – also wer steht rechts, links, was bedeutet dahinter, davor, einander gegenüber usw. Diese Ideen können uns helfen, Handlungsmöglichkeiten zu verfolgen, wie günstigerweise umgestellt werden kann. Daraus abzuleiten, dass eine Verbesserung nur dann möglich ist, wenn die Anordnung diesen »Regeln« folgt, widerspricht der kurativen Auffassung der Systemischen Strukturaufstellungen. Abweichungen von Standardordnungen können in der Vielfalt der Möglichkeiten, was als heilsam erlebt wird, manchmal günstig sein.

Wir betrachten Handlungen nicht als kausal bedingt. Systeme sind aus der Sicht von SySt für Menschen praktisch niemals kausal erklärbar, weil stets zu viele Faktoren eine Rolle spielen. »Zu glauben, wir wüssten, was die ›objektive Wirklichkeit‹ bei einem Problem ist, würde bedeuten, dass wir annehmen, dass eine objektive Wirklichkeit erkennbar ist.« (ISp/MVvK, mdl.).

Wir haben die Möglichkeit, mit der sogenannten kataleptischen Hand (siehe S. 374) zahlreiche Interventionen und Tests durchzuführen und können dadurch sowohl genauer, als auch effizienter arbeiten.

Wir können jederzeit systematisch ambig arbeiten, das bedeutet, dass wir mehrere Systemebenen gleichzeitig ansprechen können, ohne sie explizit benennen zu müssen. So kann ein Ritual mit dem Vorgesetzten manchmal ebenso z.B. implizit als Ritual mit dem Vater verstanden werden, also etwa: »Ich anerkenne jetzt, dass du vor mir da warst.« Oder noch knapper: »Du vor mir, ich nach dir« (siehe S. 421).

Das sogenannte »Pacing«, bei dem wir auf die Sprache und die Wortbilder unserer KlientInnen eingehen, gehört ebenso zur Strukturaufstellungsarbeit wie die Verwendung von positiven hypnotherapeutischen Induktionen (siehe S. 368).

Wir verzichten auf Provokation und auf das Abbrechen von Aufstellungen und folgen der Arbeitsweise von Virginia Satir, die sich dem liebevollen Umgang mit KlientInnen verschrieben hat. Wenn es so scheint, dass es an einer Stelle jetzt nicht mehr weitergeht, vertrauen wir darauf, dass unsere KlientInnen, KundInnen, ob bewusst oder unbewusst, im – für sie passenden Tempo – ihren ureigensten Weg gehen. Wir können dann zum Beispiel sagen: »Und in diesem Augenblick ist dies vielleicht der nächste passende Schritt.« Auch eine Neuverhandlung des Kontrakts ist möglich, bei dem im Konsens mit der Klientin, dem Klienten entschieden wird, später oder in einer Einzelsitzung das Thema wieder zu beleuchten. Ein Strukturaufstellungsbild ist für uns niemals eine abgeschlossene Handlung, sondern ein »Bild, das wir einrollen können, es mit nach Hause nehmen und uns überraschen lassen können, wie es sich weiterentwickelt hat, wenn wir es nach einiger Zeit wieder ausrollen und betrachten« (MVvK, mdl.).

Wir gehen davon aus, dass unsere KlientInnen grundsätzlich kooperativ und mit ihrer eigenen Weisheit ausgestattet sind, und betrachten Widerstand als nützlichen Hinweis des Systems, dass wir z.B. etwas übersehen haben oder zu schnell vorgegangen sind. Auch in dem Sinne, dass es an manchen Stellen dem System mehr dient, nicht zu pushen und weiterzuarbeiten, sondern kleinere, und damit »besser verdauliche« Schritte zu gehen.

Die Möglichkeit der vollständig verdeckten Arbeit ohne jeden Inhalt macht es uns möglich, selbst mit sehr heiklen Themen zu arbeiten; insbesondere kann so die Schweigepflicht sorgsam gewahrt werden. Wir können auch das Vorinterview ohne jedes inhaltliche Wissen durchführen. Was wir brauchen, ist das Anliegen und die Anzahl und Reihenfolge oder hierarchische Zuordnung der Systemmitglieder, die von den KlientInnen nur mit Buchstaben benannt werden können. Das bedeutet, dass wir die Fragen stellen, z.B. »Und wer gehört noch dazu? Und gehört noch jemand anderer dazu? Und gibt es noch jemanden, der Ihnen an dieser Stelle einfällt?« usw. Die Antworten finden nur im Inneren unserer Klienten statt und werden mit einem Buchstaben versehen. Wir haben dann einen Systemausschnitt, z.B. eines Unternehmens, im Bild, die RepräsentantInnen können wir mit A, B, C usw. anreden (siehe S. 423).

Wurzeln und Quellen

Im Detail Systemische Strukturaufstellungen. Theorie und Praxis, S. 23 ff

Welche Art von Wirklichkeit wird abgebildet?

Das Erleben, dass in Systemischen Strukturaufstellungen etwas auf bedeutsame Weise abgebildet wird, stellt sich für die meisten Menschen, die eine ernsthafte Form dieser Arbeit kennengelernt haben, in kürzester Zeit ein. Wir bekommen Zugang zu Aspekten der uns umgebenden Wirklichkeit und der für uns relevanten internen Bereiche.

Gerade der Umstand, dass die dabei entstehenden Ideen und Einsichten für unsere KundInnen und KlientInnen (wie meist sogar auch für die ZuschauerInnen) recht eindrucksvoll sind, verleitet gelegentlich dazu, die Art der abgebildeten Wirklichkeit misszuverstehen. Dieses Missverständnis kann dazu führen, Aufstellungen wie eine Art Mikroskop, Fernrohr oder Indizienbeweis für familiäre und berufliche Zusammenhänge zu verstehen. Diese Art von Deutung ist aus unserer Sicht nicht legitim.

In der Systemischen Strukturaufstellung haben wir eine andere Auffassung von der Art der abgebildeten Wirklichkeit. Am leichtesten wird diese Auffassung durch die Kenntnis von fiktiven Systemen, z.B. Drehbuchstrukturen, nachvollziehbar. Da Drehbuchstrukturaufstellungen, die ja meist nicht von historischen/realen Personen handeln, in keiner Weise weniger lebendig, intensiv und anrührend ablaufen wie Strukturaufstellungen für »echte« Teams und »echte« Familien, wird deutlich, dass Intensität von Gefühlen und innig anrührende Bilder keinerlei Nachweis für die reale Existenz der betreffenden Personen und Abläufe darstellen. Auch Kontextüberlagerungen (siehe S. 378) samt intensiven Aufhebungsritualen zwischen RepräsentantInnen fiktiver Gestalten, z.B. in einem Drehbuch, ließen sich vom äußeren Erscheinungsbild her nicht von denen für reale Personen unterscheiden.

Andererseits zeigen Zehntausende von Strukturaufstellungen durch die Reaktionen der KlientInnen die Nichtbeliebigkeit der auftauchenden Bilder und die häufig verblüffende Präzision, mit der sich neue Deutungsideen bei unseren KlientInnen ergeben.

Wie kann diese Unverbindlichkeit einerseits und diese Präzision der Darstellung andererseits miteinander vereinbart werden?

In der Systemischen Strukturaufstellung gehen wir davon aus, dass primär Externalisierungen innerer Bilder erfolgen. Die Grundlage dieser inneren Bilder geht jedoch offensichtlich über das den KlientInnen bewusst Zugängliche hinaus und umfasst Beziehungsqualitäten und Hinweise, bei denen sogar die Annahme, sie wären subliminal, also unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle vermittelt worden, nicht haltbar scheint. Hier spricht die Erfahrung mit der Praxis von Aufstellungsarbeit im Allgemeinen und dem verdeckten, syntaktischen Vorgehen bei den Systemischen Strukturaufstellungen im Besonderen für die Annahme, dass wir unter geeigneten Bedingungen Zugang zu implizitem (verborgenem) systembezogenen Wissen haben. Diese erstaunliche menschliche Fähigkeit haben wir mit dem Begriff der repräsentierenden Wahrnehmung (siehe S. 27 und 429) zu charakterisieren versucht.

Wir möchten dabei betonen, dass repräsentierende Wahrnehmung aus unserer Sicht streng genommen ein natürliches Gruppenphänomen ist, das nur durch die Resonanz der repräsentierenden Empfindungen der einzelnen RepräsentantInnen zusammen mit der Bedeutungsgebung der KlientInnen entsteht. Der Klient verfügt über die Zuordnungen, nicht jedoch über die Empfindungsunterschiede, die RepräsentantInnen hingegen verfügen über die Empfindungsunterschiede, bei der verdeckten Arbeit jedoch nicht über die Bedeutungszuordnungen. Erst die Verbindung beider macht aber die Wahrnehmung aus. Darin liegt auch die besondere Bedeutung der repräsentierenden Wahrnehmung für ein tieferes Verständnis für die Art der abgebildeten Wirklichkeit von Strukturaufstellungen.

Repräsentierende Wahrnehmung

Der Begriff der »Repräsentierenden Wahrnehmung«, den Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd für dieses Gruppenphänomen geprägt haben, ist inzwischen zum allgemeinen Begriff für etwas geworden, dessen Wirkungsweise sich bislang noch nicht vollständig erklären lässt.

Er beschreibt die Fähigkeiten von RepräsentantInnen, in einer Aufstellung körperliche Wahrnehmungen und Gefühle zu entwickeln und zu verbalisieren, die zum Thema des aufgestellten Systems passen. Manchmal können Themen, die sie darstellen, RepräsentantInnen auch an Eigenes erinnern, das dazu in Resonanz geht.

Die Frage »WIE funktioniert das?«, hat zu einer Reihe von Erklärungsversuchen geführt, die jedoch noch kein schlüssiges Gesamtbild erlauben (siehe S. 429).

Wir haben es jedenfalls mit einem Gruppenphänomen zu tun, für das es inzwischen hier zumindest einige wissenschaftliche Nachweise gibt, DASS es funktioniert. Mit der Unsicherheit, dass wir letztendlich noch nicht wissen, warum es funktioniert, werden wir wohl zunächst weiter fertig werden müssen. Insa Sparrer meinte dazu schon vor Jahren: »Vielleicht haben wir einfach die Frage falsch gestellt? Wir gehen immer davon aus, dass wir voneinander getrennt sind und diese Verbindung erst herstellen müssen. Es könnte doch sein, dass wir an sich miteinander verbunden sind und es eher darum geht, diese Verbindung nicht zu stören, sondern sie zu fördern, indem wir gute Bedingungen dafür schaffen, dass sie ungestört wirken kann.«

Die Repräsentierende Wahrnehmung, die wir als natürliche Fähigkeit verstehen, wird durch unterschiedsbetonte Fragen gefördert. »Sie besteht natürlich in gewissem Maße schon vor der Befragung der RepräsentantInnen. In einer Systemischen Strukturaufstellung fragen wir jedoch schon im ersten Bild unterschiedsbezogen, also z.B. ›Was hat sich für dich geändert, als du in dieses Bild gekommen bist, und was wurde anders, als die anderen dazukamen?‹. Die bei anderen Aufstellungsformen verbreitete Frage ›Wie fühlen Sie sich?‹ oder ›Wie geht es dir?‹ lädt stärker zu Vermischungen mit dem eigenen Hintergrundsystem der RepräsentantInnen ein; die unterschiedsbezogenen Fragen fördern eine größere Unabhängigkeit des Bildes von der spezifischen Auswahl der RepräsentantInnen«.

Die Unterschiede, die durch die spontane Veränderung der körperlichen Empfindungen, der Selbst- und Fremdwahrnehmung entstehen, sobald RepräsentantInnen für ein System ausgewählt und aufgestellt werden, sind also das, was uns in der Systemischen Strukturaufstellung interessiert. Zu Anfang also ganz konkret: der Unterschied zwischen dem, wie RepräsentantInnen sich vorher gefühlt haben, noch ehe sie in der Rolle waren, und dem, was inzwischen für sie – eben als Unterschied zu vorher – aufgetaucht ist. RepräsentantInnen äußern aus Sicht der Systemischen Strukturaufstellungen keine »fremden Gefühle«, sondern lediglich Unterschiede zu ihren vorigen Empfindungen.

(Unterschiede freilich, die sich mit hoher Regelmäßigkeit für die KlientInnen zu einem sinnvollen Gesamtbild ihrer Situation zusammenfügen, also die Repräsentierende Wahrnehmung erzeugen.)