Peter Schulthess
Es gibt mehr
Erfahrungen mit einer unsichtbaren Welt
mit einem Vorwort von Professor Dr. Ralph Kunz, Dekan Theologisches Seminar Zürich
Blaukreuz-Verlag Bern
© by Blaukreuz-Verlag Bern 2014
Lindenrain 5a, 3012 Bern, Tel. 031 300 58 66, www.blaukreuzverlag.ch
Umschlagbild: Karin Antoniucci, Zürich (www.antoniucci.ch)
Satz: Blue Beret Werbeagentur, Thun BE
Herstellung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
ISBN E-Book: 978-3-85580-535-8
ISBN Print-Ausgabe: 978-3-85580-501-3
Vorwort eines Schultheologen
Einleitung
Sie werden Helden genannt – Kapitel 1
Wie eine alte Geschichte in einem jungen Leben wirkt – Kapitel 2
Der Mann aus dem weissen Nichts – Kapitel 3
Eine eigenartige Erscheinung in der Nacht – Kapitel 4
Als im Spital Gottes Hand erschien – Kapitel 5
Die «Einsatzkräfte» Gottes und ein geplanter Überfall – Kapitel 6
Der junge Mann und die entgegengestreckte Hand – Kapitel 7
Eine seltsame Zugreise – Kapitel 8
Vom Lächeln des Engels – Kapitel 9
Das unbekannte Mädchen in der Waschküche – Kapitel 10
Der Junge und die rätselhafte Brücke – Kapitel 11
Als Jesus in der Türe stand – Kapitel 12
Die Schatten und die Engel – Kapitel 13
Die Schmerzen und der Engel mit dem Schwert – Kapitel 14
Der Knabe und die Erscheinung im Feuerschein – Kapitel 15
Eine Vision unter dem Apfelbaum – Kapitel 16
Ein geplatzter Termin mit Folgen – Kapitel 17
Das Lied der Engel – Kapitel 18
Es war wie ein Todesurteil – Kapitel 19
Das Kreuz und die Kraft – Kapitel 20
Das wiedergefundene Singen – Kapitel 21
Das weinende Mädchen und der Lichtstrahl – Kapitel 22
Ein Engel am Rockkonzert – Kapitel 23
Der Pfarrer und der feine Tabakduft – Kapitel 24
Bericht einer Nachtschwester – Kapitel 25
Ein verbotener Kirchgang – Kapitel 26
Ein seltsames Erlebnis mit einem Glasfenster – Kapitel 27
Der Schlager und der Schauder – Kapitel 28
Von medizinischen Wundern und vielen Fragen – Kapitel 29
Das Kind im Arm seines Urgrossvaters – Kapitel 30
Verborgen hinter dunklen Wolken – Kapitel 31
Die durchgebrannten Ponys und die Schar der Engel – Kapitel 32
Es gibt noch mehr
Dank
Bibelstellen- und Literaturhinweise
Über den Autor
Weitere Titel
Professor Dr. Ralph Kunz, Dekan Theologisches Seminar Zürich
«Es gibt mehr» heisst der Titel dieses Buches, der zugleich Anfang eines Zitats ist. Die Gebildeten kennen es: «Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als Eure Schulweisheit sich träumen lässt, Horatio.» Und die Hochgebildeten wissen auch, woher es stammt: aus William Shakespeares Hamlet. (Die genaue Stelle sei für die Bildungshungrigen verraten: 1. Akt, 5. Szene.)
Ich bin kein Schulweiser, wohl aber ein Vertreter der Schultheologie. Wie die Weisheit pflegt auch die Theologie eine akademische Kultur und wie die Schulmedizin spürt auch die Schultheologie ein gewisses Unbehagen, wenn Erfahrungen mehr wiegen als besseres Wissen. Die Skepsis, mit der die richtigen Mediziner Hausmittel, Heiler und ihre alternativen Methoden bedenken, kennt auch der Schriftgelehrte, wenn von Träumen, Visionen, Engelsstimmen und dergleichen mehr die Rede ist. Sie fragen dann, um noch einmal Hamlet zu bemühen: Sein oder Nichtsein?
Das ist aber nicht die Frage. Wer dieses Buch gelesen hat, wird mir beipflichten, dass die Frage, wie real das Beschriebene ist, völlig irrelevant ist. Ich rate Ihnen übrigens, mein Vorwort nicht zu lesen – zumindest nicht jetzt. Ich habe es nämlich nach der Lektüre geschrieben, also ist es ein Nachwort. Aber weil Sie jetzt erst recht weiterlesen – würde ich auch, wenn man mir sagt, ich soll es nicht – lesen Sie halt mein Nachwort vorher.
Was nun die Realität angeht, kann ich Ihnen garantieren: Sie werden in diesem Buch unglaubliche Dinge lesen. Aber ich bin sicher, den meisten geht es dabei wie mir. Ich glaube es. Wenn Menschen erzählen, wie sie wunderbar bewahrt, geheilt, erhört oder aber erschüttert, entrückt oder heimgesucht wurden, verspüre ich auch keinen Drang, diese Erlebnisse zu erklären. Einige der geschilderten Erfahrungen sind alltäglich, andere sind aussergewöhnlich. Aber es sind nie harte Fakten. Wer sich partout nicht wundern will, kann das Berichtete als Hirngespinst abtun, wer Ohren hat zu hören, hört etwas Wunderbares und sagt sich: Stimmt, es gibt mehr, als wir uns träumen lassen! Aber dazu muss man auch die engen Raster und Filter ein wenig öffnen – nicht ganz, aber mehr, als es unser aufgeklärtes Weltbild in der Regel zulässt.
Fragt sich nur, ob wir wirklich so aufgeklärt sind, wie es den Anschein macht. Sind wir nicht alle gerne bereit, mehr zu sehen, als wirklich da ist? Und ist nicht dieser Zug zum gutgläubigen Wunderglauben auch eine Quelle des Aberglaubens?
Dem ist so. Ich plaudere aus der Schule. Es ist gar nicht nötig, eine Esoterikmesse zu besuchen. Die normale Buchhandlung – Abteilung Lebensberatung oder Mystik oder Spiritualität – genügt vollständig. Sie finden dort Hunderte von Büchern mit fantastischen Erlebnissen. Ich habe nicht alle gelesen, aber so viel, dass es für ein Vorwort reicht, das ich nicht schreibe und genug Vorwörter, um sagen zu können: Bitte nicht noch mehr! Da fliegen einem die Engelscharen nur so um die Ohren und Himmelsreisen und Heilungswunder – um einiges fantastischer, als die hier berichteten – werden feil geboten.
Nein, Sie haben nicht das falsche Buch gekauft! Meine Mahnung vor dem ungefilterten Wunderglauben will auch nicht alles pauschal verurteilen, was geschrieben steht, aber das Urteilen – im Sinne des Prüfens und Unterscheidens – will ich mir nicht nehmen lassen. Wer sich mit der unsichtbaren Wirklichkeit befasst, sollte ein klein wenig von der Geisterunterscheidung verstehen oder sich auf einen zuverlässigen Begleiter verlassen, der sich auskennt.
Damit komme ich auf den Autor zu sprechen. Er verschwindet beinahe. Pfarrer Schulthess berichtet, was andere ihm geschrieben oder erzählt haben. Er macht das sehr kunstvoll – schlicht und schnörkellos – und geistvoll. Er kommentiert das Berichtete, ordnet es ein, führt es aus oder beleuchtet es mit einem Glanzstück aus der Tradition. Manchmal wunderte ich mich beim Lesen auch über den Meister, der treffsicher in die Schatzkiste greift und einen Bibelvers oder eine Liedstrophe zitiert, die das Gesagte noch mehr zum Leuchten oder Klingen bringt. Er ist ganz nahe bei den Menschen, die erzählen und bleibt doch in einer respektvollen Distanz zum Geheimnis, das sie ihm – und uns – mitteilen. Der Ton ist nie besitzergreifend oder voyeuristisch oder spirituell lüstern. Dann und wann kommt der Autor stärker zu Wort: einmal mehr verkündigend und immer wieder seelsorglich. Und das ist gut so.
Es ist darum nicht nötig, warnend den Zeigfinger zu heben und an die anderen Bücher zu erinnern, denen etwas mehr Schulweisheit gut täte und an mögliche falsche Schlüsse zu denken, die man ziehen könnte – von wegen real und so. Nach der Lektüre habe ich vielmehr den Impuls, für dieses Buch zu werben. Nicht weil hier alles Offenbarungscharakter hätte und endlich einer ein Fenster aufstösst und wir in den Himmel sehen würden. Auch die Leichtgläubigen bleiben auf dem Boden und heben nicht ab. Ging es Ihnen nicht auch so? Einige von Ihnen, die noch an die Autorität von Professoren glauben oder grundsätzlich folgsam sind, haben das Buch ja schon gelesen. Was haben die Erzählungen mit Ihnen gemacht? Was diese Zeugen mitteilen, macht für mich Sinn und eröffnet einen Sinn für Neues und Überraschendes. Mich macht es neugierig auf die Wunder Gottes – auf mehr. Am wichtigsten: es macht Lust, mehr zu beten.
Einige der Menschen, die dank des Autors zu Wort kommen, haben mit ihren Geschichten auch Abfuhren erlitten. Sie sind auf Unverständnis oder auf Desinteresse gestossen. Es wollte ihnen niemand glauben – oder noch schlimmer – sie wurden schief angeschaut. Jetzt steht ihre Geschichte aufgeschrieben – neben den Geschichten von anderen, die genauso schräg sind. Das macht etwas mit der eigenen Geschichte. Es könnte sein, dass der eine oder die andere froh ist, sein Zeugnis in der Wolke von Zeugen geben zu dürfen. Es objektiviert und relativiert das Eigene. Beides ist heilsam.
Ich bin dankbar für dieses Buch. Es macht Mut, es macht Hoffnung und es macht «gwundrig» auf die Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen die wenigsten Schultheologen etwas verstehen. Lassen Sie es sich von einem sagen, der es wissen muss. Gute Lektüre – oder gute Nachlese im eigenen Leben!
Als ich kürzlich Brautleute beim Traugespräch fragte, ob sie schon einmal eine schwere Krankheit oder einen schlimmen Unfall erlebt haben, berichtete mir die junge Braut: «Ich wurde von einem Auto angefahren, als ich mit dem Fahrrad auf dem Fahrradweg unterwegs war. Dabei wurde ich auf die sehr stark befahrene Hauptstrasse geschleudert. Mein grosses Glück war, dass genau in dem Moment kein Fahrzeug kam. Für mich war da ganz klar, dass ich einen Engel bei mir hatte!» Von ähnlichen Geschichten soll auf den nächsten Seiten die Rede sein.
Es sind jedoch nicht nur Geschichten von wundervoller Bewahrung und Führung. Auf den Seiten dieses Buches erzählen Menschen von Schuld und Versagen, von Selbstzweifeln und persönlichen Krisen, von Krankheit und seelischen Verletzungen, von Erlebnissen rund um Sterben und Tod. Es geht auch um die Fragen nach Sinn und dem «Warum».
Viele der Betroffenen sind mit einer unsichtbaren, unfassbaren Wirklichkeit in Berührung gekommen. Dies prägt viele Erlebnisse, von denen die Rede sein wird.
Von dieser, für unsere Sinne oft nicht wahrnehmbaren Wirklichkeit, wird in dem Buch, das Bibel genannt wird, häufig erzählt. Im Grunde ist die Bibel eine Bibliothek mit 66 Schriften, die eine Zeitspanne von rund 3000 Jahren umfasst. Ganz unterschiedlich sind die Namen, mit welchen die unsichtbare Wirklichkeit in der Bibel umschrieben wird: Ewigkeit, Himmel, Himmelreich, Reich Gottes, Unendliches. Im Gebet, das von Jesus gelehrt wurde, wird auf diese unsichtbare Wirklichkeit Bezug genommen. Es wird gebetet:
«Unser Vater im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme!» Die Bitte «Dein Reich komme» ist der Ruf in die himmlische Welt, uns zu Hilfe zu kommen, uns zu begleiten, zu führen, zu schützen und zu lehren.
Jedoch eilen die Himmlischen nicht nur dort zu Hilfe, wo gebetet und geglaubt wird. Das Interesse des Himmels gilt allen Menschen. Dies zeigen Geschichten in diesem Buch. Die Berichte sind mir zugetragen worden, nachdem das Buch «Wie Engel begleiten»1) erschien ist. Ich erhielt die Erlaubnis, sie zu veröffentlichen. In der Regel habe ich die Berichte so belassen, wie sie mir anvertraut wurden. Da oder dort habe ich jedoch zum Schutz der Personen kleine Anpassungen vorgenommen, wobei der Kern der Geschichte immer bestehen blieb.
Ich veröffentliche die Geschichten gerade auch als Seelsorger. Die mir anvertrauten persönlichen Erlebnisse zeigen, dass es neben finsteren, bitteren und unsäglich schmerzvollen Ereignissen in der Biographie von Menschen eben auch das andere gibt, was wir kurz und bündig mit einem Wort umschreiben: Wunder! Manchmal werden Sternstunden gerade in Zeiten grösster Not erlebt und manchmal ganz einfach mitten im Alltag, oft unspektakulär aber unvergesslich.
Martin Luther King hat es einmal so gesagt:
«Komme, was mag. Gott ist mächtig. Wenn unsere Tage verdunkelt sind, so wollen wir stets daran denken, dass es in der Welt eine grosse segnende Kraft gibt, die Gott heisst. Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen. Er will das dunkle Gestern in ein helles Morgen verwandeln.»2)
Dass es diese grosse, segnende Kraft gibt, daran möchte ich mit diesem Buch erinnern. Zugleich möchte ich ermutigen, sich mit dieser segnenden Kraft in Verbindung zu setzen. Wie das geschehen und sich im «Abenteuer Leben» auswirken kann, können Sie den persönlichen Beispielen und meiner eigenen Erfahrung entnehmen.
Nun sind wir Menschen ja sehr verschieden in unserer Prägung und unseren Erfahrungen. Das trifft auch auf religiöse Erlebnisse und Einsichten zu. Bis in die religiöse Sprache hinein, machen sich die Unterschiede bemerkbar. Deshalb kann es sein, dass Ihnen das Eine oder Andere in diesem Buch fremd vorkommt. Vielleicht kann aber gerade dieses Fremde zu einem Aufbruch locken und zu weiteren eigenen Erfahrungen mit dem Himmelreich führen.
Pfäffikon ZH, im Herbst 2014, Peter Schulthess
In den USA gibt es die Aktion «Helden der Lüfte», in Deutschland die «Helden der Strasse» und im Schweizer Radio SRF 1 die Sendung «Helden des Alltags».
Mit dem Ehrentitel «Held» werden Menschen ausgezeichnet, die anderen durch mutiges Handeln beigestanden sind und Aussergewöhnliches geleistet haben. Menschen, die sich für Menschen einsetzen.
Manchmal jedoch geraten Menschen in Situationen, in denen jede menschliche Hilfe zu spät gekommen wäre und doch wird ihnen geholfen. Sie erleben «Unglaubliches», und wie ein Blitz aus heiterem Himmel sind die himmlischen «Helden» da und greifen ein, wie der nachfolgende Bericht zeigt.
Er war ein begeisterter Deltaflieger. Wieder einmal befand er sich mit seinem Delta in der Luft, als er von einer Kaltfront überrascht wurde. Weil sich die kalte Luft unter die warme schob, trug ihn der Aufwind am Berghang immer höher hinauf Der Segler stieg und stieg, es liess sich sehr leicht fliegen, so dass es eine Freude war. Endlich entschloss sich der 23-jährige Segler, das Tal und den Landeplatz anzufliegen. Aber der Wind hob ihn höher und immer höher. Es war aussichtslos. Dann drückte ihn der Aufwind auf die andere Seite des Bergkammes, wo er in kräftige Abwinde geriet. Der Delta wurde mitgerissen und stürzte nun praktisch senkrecht hinunter. Das Tal, in welches er hineingeblasen wurde, bestand zuoberst aus Alpweiden, weiter unten aus Wald, und am Talboden sah er eine Strasse, einen Fluss und eine Hochspannungsleitung. Verzweifelt versuchte er, eine Alpweide anzufliegen, aber vergebens. Schon kam er dem Wald näher. Er sah unter sich eine kleine Waldschneise und versuchte, diese zu erreichen. In diesem Moment schien es, dass sich der Delta, rückwärts überschlagen würde. «Jetzt passiert’s», schoss es dem Segler durch den Kopf. Und was geschah? Er erinnert sich: «Genau in diesem Moment übernahmen Engel die Kontrolle. Das linke und rechte Flügelende und die Spitze wurden von ihnen ergriffen, und sie haben eine ganz sanfte Landung herbeigeführt, ohne mein weiteres Zutun. Es war unglaublich, ich hatte keinen Kratzer. Links und rechts reichten die Flügel des Delta in Büsche am Waldrand. Ich bin mitten in der schmalen, steilen Schneise gelandet.»
Noch eine ganze Weile sass er da, total benommen und konnte es gar nicht fassen, was sich soeben zugetragen hatte: Er war heil und der Delta praktisch unversehrt. Lediglich ein Drahtseil des Fluggerätes hatte sich an einem Stein etwas aufgerissen. Unglaublich! Und alles war in Sekundenbruchteilen geschehen. «Ich weiss nicht, ob ich die Engel wirklich gesehen oder bloss sehr stark gespürt habe. Es könnte sein, dass von den Engeln eine so starke Energie ausging, dass ich nur glaubte, diese zu sehen», erzählte er mir.
Viele Jahre lang sprach der Gerettete mit niemandem über dieses Ereignis. «Irgendwie war das Vorgefallene etwas sehr Persönliches für mich», erklärte er und meinte weiter, «etwas zwischen Gott und mir.» Erst Jahre später hat der Betroffene das Ereignis gegenüber wenigen Personen erwähnt, wobei er den Eindruck bekam, dass man ihm nicht glauben würde, eben gerade, weil es so unglaublich war. Trotz den stillen Bedenken derer, denen er sich anvertraut hatte, gab es für ihn keinen Grund zu zweifeln: «Für mich steht noch heute fest, dass da drei Gestalten waren, die den Delta ganz fest gepackt hatten.»
Da geschah «etwas zwischen Gott und mir.» Das ist ein bemerkenswerter Hinweis. Der Begriff «Engel» bedeutet bekanntlich «Bote», das heisst, «jemand, der mit einem Auftrag gesandt wurde». Die «himmlischen Helden» sind die Einsatzkräfte Gottes, wie man es in der Polizeisprache ausdrücken würde, Gesandte aus der Welt Gottes. Sie wirken im Auftrag Gottes, sind uns zur Seite gestellt, weil dies seine Absicht ist. Sie werden in der Bibel tatsächlich als «Helden» bezeichnet. So ist in Psalm 103 zu lesen:
«Lobet den Herrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seinen Befehl ausrichtet (...) Lobet den Herrn, alle seine Heerscharen, seine Diener, die ihr seinen Willen tut!»3)
Durch die himmlischen Helden wird die Fürsorge Gottes sichtbar. Deshalb betonte der Engel Raphael gegenüber einem jungen Paar, dem er geholfen hatte: «Nicht mir habt ihr zu danken, dass ich euch geholfen habe; es geschah alles in seinem Auftrag. Ihn sollt ihr ein Leben lang rühmen und ihm Loblieder singen.»4)
Menschen, die auf aussergewöhnliche Weise aus einer lebensbedrohlichen Situation gerettet werden, muss man kaum je dazu aufrufen, Gott zu danken. Wenn es im Volksmund heisst «Not lehrt beten», so muss Beten nach einem derart überwältigenden Ereignis nicht gelernt werden. Da fliesst es förmlich aus dem Herzen heraus, und es geschieht, wie es Jesus einst geschildert hat: Wovon das Herz überquillt, davon redet man auch.5)
Auch die nächste Erzählung handelt von einem Wetterumsturz und davon, was eine alte Geschichte in einem jungen Leben bewirken kann.
Mit 18 Jahren begegnete er einer Gruppe junger Christen, die sich regelmässig in einer Scheune trafen. Es war ein wild zusammengewürfelter Haufen aus ganz unterschiedlichen Typen, die sich «Jesus People» nannten. Jesus war für die jungen Menschen das Vorbild. Deshalb wurden biblische Texte, insbesondere die Geschichten über Jesus, studiert und diskutiert. In ihrer jugendlichen Begeisterungsfähigkeit waren die Teilnehmer dieser Zusammenkünfte davon überzeugt, dass dieser Mann aus Nazareth auch in ihren Tagen noch genau so zu erleben sei, wie 2000 Jahre zuvor. Es herrschte eine elektrisierende, spannungsgeladene Stimmung, die auf den 18-Jährigen ansteckend wirkte. Während sich in jenen Tagen unter vielen jungen Menschen eine «no future»-Stimmung verbreitet hatte, erlebte er in diesem Kreis genau das Gegenteil: Ein Leben voller Erwartungen. Bei jeder Zusammenkunft erzählten Einzelne, was sie mit Jesus erlebt hatten.
«Mit Jesus erlebt haben»? Diese Ausdrucksweise mag für einige Leserinnen und Leser seltsam und befremdend klingen. Wie kann man mit einer Person etwas erleben, die gestorben ist. Aber für diese jungen Menschen aus dem Zürcher Oberland war er nicht gestorben, sondern allüberall gegenwärtig durch seinen Heiligen Geist. «Ich bin bei euch alle Tage!» Dies hatte damals Jesus seinen Nachfolgern versprochen, daran glaubten sie. Er war ihr Begleiter, ihr Lehrer, dem sie ihr Leben verschrieben hatten. Mit ihm redeten sie, ihn baten sie um Beistand, um Führung. Ihm stellten sie ihre Zeit, ihre Talente, ihr Geld, kurzum ihr Leben zur Verfügung. Sie studierten die Heiligen Schriften, um seine Denkweise und seine Art zu handeln kennen zu lernen. Im Grunde übten diese Menschen nichts anderes, als in Verbindung mit einer unsichtbaren Wirklichkeit zu leben. In einer Verbindung, die Einfluss hatte auf das tägliche Leben und die aus dem Alltag eine abenteuerliche Zeit werden liess.
Das faszinierte den 18-Jährigen. Wie viele junge Menschen damals, so brannte auch ihm die Frage im Herzen, was denn eigentlich der Sinn des Lebens sei. Oftmals konnte er am Sonntagabend nicht einschlafen, weil er sich fragte, ob das nun alles sei: Montag bis Freitag arbeiten, um sich dann auf das Wochenende zu freuen. Dieses ausgelassen zu geniessen, und dann beginnt alles wieder von vorne. Und dies zweiundfünfzigmal im Jahr und viele Jahre lang. Wie viele Teenager in jener Zeit, trieb auch ihn die Sehnsucht nach einem sinnvollen Leben um.
Ob er gefunden hat, was er suchte? Er wurde neugierig und begann, regelmässig an den Zusammenkünften teilzunehmen. So lernte er im Kreis dieser Gruppe die Jesus-Geschichten kennen.
Ungefähr drei Jahre waren vergangen, als er in der Schweizer Armee bei den Gebirgstruppen im Winter Militärdienst leisten musste. Die Truppe logierte in den Bergen Graubündens im Gebiet des San Bernardino. Für eine Übung hatte die Einheit auf einer Alp notdürftig Unterkunft bezogen. Was er damals erlebt hat, schilderte er mir so:
«Da ich für die Verpflegung zuständig war, musste ich regelmässig auf den Skiern ins Tal hinunter, um alles zu organisieren. So verliess ich auch an diesem späteren Nachmittag die Alphütte. Ich war schon einige Zeit unterwegs, als plötzlich ein Schneesturm aufkam. Das Schneetreiben wurde immer dichter, bald sah ich keinen Weg mehr. Ich verlor jegliche Orientierung und wusste nicht mehr, wo ich mich befand. Alles war weiss, und ich hielt an. Schon begann es zu dämmern, es war eisig kalt! Ich befürchtete, in unwegsames Gelände zu geraten mit der Gefahr abzustürzen, da die Gegend von Felswänden durchsetzt war. Eine entsetzliche Angst überfiel mich, während der Sturm gnadenlos um mich herum tobte. Der Wind peitschte mir die Schneeflocken ins Gesicht. Kälte und Verzweiflung krochen in mich hinein. Da stand ich nun, hilflos den Naturgewalten ausgeliefert, frierend und zitternd vor Kälte und Angst.
Da kam mir in meiner ausweglosen Situation eine Jesus-Geschichte in den Sinn, die wir in jener Scheune gelesen und besprochen hatten. Die Jünger ruderten damals über einen See. Sie befanden sich bereits weit draussen, als ein fürchterlicher Sturm losbrach. Als ehemalige Fischer kannten sie sich mit einer rauen See aus. Doch der Sturm wurde derart gewaltig, dass sie befürchteten, ihr Boot sänke. Sie hatten zwar Jesus bei sich im Boot, der aber schlief erstaunlicherweise trotz der heftigen Wellen, die das Boot wie eine Nussschale hin- und herwarfen und manchmal gar über dem Boot zusammenschlugen. Das Boot füllte sich bereits mit Wasser, und sie befanden sich in grosser Gefahr. Sie weckten ihn mit den Worten: ‹Meister, Meister, wir gehen unter!› Da stand er auf, schrie den Wind an und sprach zum See: ‹Schweig, verstumme!› Und der Wind legte sich, und es trat eine grosse Windstille ein.6)
Diese Geschichte kam mir in den Sinn. Reflexartig und ohne zu überlegen rief ich in den Sturm hinein: ‹Sei still, wie damals bei Jesus!›, oder so ähnlich. Die genauen Worte weiss ich nicht mehr, aber eines vergesse ich nie – sofort wurde es still und hell! Jetzt sah ich wieder, wo ich mich befand und erkannte auch den Weg. Ich fuhr los. Doch dann kam der Sturm zurück und hüllte mich nochmals ein. Ich schrie ein zweites Mal in das Toben hinein und wieder – es wurde augenblicklich ruhig.
Da konnte ich die Strasse sehen! Dort erwartete mich ein Militärfahrzeug, um mich ins Tal zu fahren. Ich erreichte den Treffpunkt und stieg ein. Kaum sass ich in der sicheren Fahrerkabine, fing es erneut an zu stürmen, doch ich befand mich in Sicherheit. Ich war so glücklich! Dieses Gefühl kann ich kaum beschreiben. Mir schien, als hätte mir Jesus ein neues Leben geschenkt. Immer wieder konnte ich im Herzen nur sagen: ‹Danke!›
Anderntags vertraute ich, noch immer sehr bewegt und aufgewühlt, das Erlebte einem befreundeten Militärkameraden an, der das Gebirge gut kannte und mit mir den Dienst absolvierte. Ich musste unbedingt loswerden, was ich ‹mit Jesus erlebt hatte›. Als ich ihm erzählte, was geschehen war, freute er sich zwar sehr mit mir, meinte aber: ‹Das war kein Wunder und nichts Aussergewöhnliches! Du bist glücklicherweise ins Auge des Sturms geraten. Dort ist es immer ruhig. Das hat dich gerettet.›
Für mich blieb es ein lebensrettendes Wunder. Auch wenn ich durch diese Erklärung gelernt habe, dass Jesus nicht die Naturgesetze ausser Kraft setzen muss, um zu helfen und zu retten, sondern sie gerade dazu benützen kann.» Mit dieser Einsicht schloss er seinen Erlebnisbericht.
Natürlich kann man sich auf Grund eines solchen Erlebnisses fragen: War das nun ein Wunder oder kein Wunder? Was ist überhaupt ein Wunder? Geht es in Wundern immer um übernatürliche Erscheinungen oder übernatürliche Erlebnisse? Oder sind Wunder schlicht und einfach wunderbare Begebenheiten und Erlebnisse, die sprachlos machen, unvergesslich bleiben, über die man sich jedes Mal von neuem wundert, wenn man davon erzählt und die ein tiefes Gefühl von Dankbarkeit zurücklassen?
Dieses Gefühl der Dankbarkeit findet sich auch in der folgenden Geschichte, erlebt ebenfalls in der Schweizer Armee. Ein Militärfahrer erzählte:
«Wir fuhren des Nachts bei sternenklarem Himmel die steile und teils schmale Bergstrasse von der Stöckalp Richtung Melchsee-Frutt. Nach ungefähr zwei Dritteln der Strecke schlief ich ein. Plötzlich gab es einen heftigen Knall vom Aufprall mit dem rechten Stossstangenende an einen Baum. Diesen Knall bemerkte ich, und gleich danach spürte ich, wie mich jemand aus dem Fahrzeug hob. Ich glaube, es war irgendwie kurz hell vor meinen Augen. Anschliessend spürte ich nichts mehr, bis ich im steilen Abhang ungefähr fünfzehn Meter weiter unten quasi erwachte. Um mich herum schepperten laut die Teile, welche auf der Fahrzeugbrücke lagen, und ich schaute als erstes nach oben, ob mich nichts treffen könnte. Ich sah nichts, ausser dass es anschliessend laut krachte. Das Krachen und Scheppern kam vom Fahrzeug, das über eine zehn Meter hohe Felswand stürzte. Und dann war es ruhig um mich. Wir fanden es am anderen Tag auf der Alp völlig demoliert und den Motor weit entfernt an einer anderen Stelle liegend. Ich schaute hoch ins Sternenmeer, dankte Gott und sah meine Kollegen oberhalb am Strassenrand stehen. Ich rief, dass mit mir alles in Ordnung sei. Dann kam ein schockierter Kollege den Hang herunter, der so steil war, dass wir Mühe hatten, ihn emporzuklettern. Ich hatte weder einen Schock, noch irgendetwas gebrochen. Ich war einfach unendlich dankbar.»
Nicht in einer sternenklaren Nacht geschah das, was auf den nächsten Seiten berichtet wird, sondern an einem strahlenden Wintertag, an dem die Schneekristalle im Schein der Sonne nur so funkelten. Doch wie es das Leben so mit sich bringt: In kurzer Zeit kann alles anders werden.