DIE KRAFT DES LICHTS
DIE KRAFT DES LICHTS
Warum wir gutes Licht brauchen und schlechtes Licht uns krank macht
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1. Auflage 2019
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Redaktion: Stefanie Heim
Umschlaggestaltung: Manuela Amode, München
Umschlagabbildungen: Shutterstock/Imagine Photographer, photoslb com
Layout: Müjde Puzziferri, www.mp-medien-muenchen.de
Satz: Satzwerk Huber, Germering, Melanie Kitt
Druck: Florjancic Tisk d.o.o., Slowenien
eBook: ePubMATIC.com
ISBN Print 978-3-7423-0911-2
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-0554-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-0555-5
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Vorwort: Der Mensch und das Licht
Einführung: Warum gutes Licht so wichtig ist
Was ist Licht?
Am Ursprung des Lichts
Sonnenlicht ist einzigartig
Licht und die Evolution des Lebens
Fließende Energie führt Systeme zu höherer Ordnung
Licht als Geburtshelfer
Sonne an Land
Sonnenlicht
Der Aufbau und die Funktionen der Haut
Lichttherapie im Altertum
Das Licht der Aufklärung
Moderne Lichtmedizin
Der Beginn der Licht- und Höhenkur in der Schweiz
Wo keine Berge sind …
Heliotherapie heute
Checkliste für eine optimale Heliotherapie und Sonnenlichthygiene
Hauttypen nach Fitzpatrick
Vitamin D
Lichttherapie ohne Sonne
Kunstlicht
Kurze Geschichte des Kunstlichts
Natürliche Spektren – aus der Wärme geboren
Einfluss des Lichts auf das Vegetativum
Licht und Auge
Lichtempfindlichkeit und Alter
Makuladegeneration nur durch Sonnenlicht?
Aufforderung zum Selbstschutz
Welches Kunstlicht kann man verwenden?
Checkliste für gutes Kunstlicht
Farben – Quintessenz des Lichts
Über Umwege zu den Farben
Die Bedeutung der Farbwahrnehmung
Farbsignale aus der Umwelt
Die Grundlagen von Farbe verstehen
Die Geschichte der Chromotherapie
Dinshah P. Ghadiali: Begründer der SpektroChrom-Methode
Der SpektroChrom-Farbkreis
SpektroChrom-Farbbrillen
Farben für die Diagnose
Bevor Sie gehen …
Anhang
Sonnentagebuch
Autorenvita
Quellenverzeichnis
Bildnachweis
Licht ist wohl das am meisten verkannte und unterschätzte Lebensmittel. Woran das liegt, darüber kann man nur spekulieren – wahrscheinlich ist es so allgegenwärtig, dass wir seine Präsenz einfach als gegeben hinnehmen, ohne weiter darüber nachzudenken. Für unsere Vorfahren war es wirklich »gegeben«, und zwar durch die Sonne, den Mond und das Feuer. Heute wird den Menschen das Licht eher verordnet: EU, Politiker, Industrie, Arbeitgeber, Lichtplaner oder Elektriker sind diejenigen, die das Licht in unserer Umwelt auswählen und gestalten. Eltern legen die Lichtumgebung ihrer Kinder anhand spontaner Kaufimpulse fest, die sie beim Gang durch das Einrichtungshaus verspüren. Dabei spielt oft die Form der Leuchte eine wichtigere Rolle für die Kaufentscheidung als die Lichtqualität.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig die meisten Menschen über die Qualität von Kunstlicht wissen. Ähnlich verhält es sich mit den Grundregeln im Umgang mit Sonnenlicht. Lichtkompetenz wird zu keinem Zeitpunkt der schulischen oder beruflichen Ausbildung systematisch vermittelt, dabei ist sie aus meiner Sicht so wichtig wie Lesen und Schreiben. Der Mensch spürt, wann er Hunger oder Durst hat und handelt dementsprechend. Bei Licht verhält sich das anders: Der richtige Umgang mit Sonnenlicht muss erlernt werden.
In prähistorischen Zeiten waren es meistens die Religionen, die den kulturell-rituellen Rahmen vorgaben, indem sie das Licht der Sonne einer göttlichen Kraft gleichstellten. Dies bedeutete, Licht/Gott war allmächtig, also sowohl in der Lage, Leben zu erschaffen, als auch es zu zerstören. Die religiösen Rituale flößten den primitiven Menschen Ehrfurcht ein, damit sie sich so verhielten, dass sie von der göttlichen Energie (= Sonnenlicht) nicht geschädigt wurden. Strukturierung von Tagesabläufen (chronobiologische Rhythmen) oder Bekleidungsvorschriften (Sonnenschutz) sind nur zwei Beispiele für kulturell-religiös geschaffene Rahmenbedingungen, die salutogenetisch und risikomindernd wirken, sprich, der Entstehung und dem Erhalt der Gesundheit dienen. Unter diesem Blickwinkel wird auch verständlich, dass die Kulte vergangener Zeiten meist lokal eng begrenzt waren, denn die Sonne scheint zwar für jeden, aber sie scheint nicht überall auf der Erde gleich. Jede Kultur musste in ihrem Einflussgebiet den optimalen Umgang mit dem Sonnenlicht finden und an die kommenden Generationen weitergeben, um das Überleben zu gewährleisten.
Heute haben sich die Bedingungen grundlegend verändert. Das Sonnenlicht ist nicht mehr der wichtigste Lichteinfluss, da wir uns meistens in geschlossenen Räumen aufhalten, die mit modernen Fenstern und Kunstlicht ausgestattet sind. Lichtanpassungsreaktionen, die sich auf der Erde über Millionen von Jahren entwickelt hatten, um menschliches Leben zu ermöglichen und unser Überleben zu sichern, können sich nun leicht gegen uns wenden, da sie in dieser neuen, künstlichen Umgebung sinnlos geworden sind. Der moderne Mensch steht lichtbiologisch vor einer der größten Herausforderungen unserer Tage: Er muss lernen, technische Möglichkeiten nicht nur intelligent, sondern bio-logisch zum Einsatz zu bringen. Er sollte außerdem verstehen, dass er sich nicht nur vom Auge leiten lassen darf – dieses Sinnesorgan ist nämlich ein begnadeter Gaukler, dem man nicht über den Weg trauen sollte!
Ich beschäftige mich nun seit über 25 Jahren intensiv mit dem Thema Licht. Dabei habe ich den Werbesprüchen der Industrie immer misstraut und stattdessen meine Informationsquellen in der Wissenschaft und auch der angewandten Medizin gesucht und gefunden. Ich finde es reizvoll, altes Wissen mit neuen Forschungsergebnissen zusammenzuführen. Die alten Mediziner, die vor über 100 Jahren die Lichtbiologie für sich und ihre Patienten entdeckten, hatten von Molekularbiologie oder Erbsubstanz noch wenig Ahnung. Dafür konnten sie wesentlich besser beobachten als viele ihrer heutigen Kollegen und waren gezwungen, die fehlende Detailkenntnis durch den aufmerksamen Blick auf das Ganze zu kompensieren.
Die Disziplin der Lichtbiologie heißt heute »Photobiologie«. Ich nenne mich trotzdem gern »Lichtbiologe«, da mir die Herangehensweise meiner Vorgänger sympathischer ist als die heutige Strategie, die fast ausschließlich auf die biochemisch-pharmakologischen Vorgänge blickt und dabei die physikalischen Aspekte des Lebens weitgehend vernachlässigt. Außerdem missfällt mir eine Wissenschaft, die es unterstützt, dass das Sonnenlicht, Ursprung allen Lebens auf diesem Planeten, als krebserzeugend eingestuft und die Glühlampe als einzige Kunstlichtquelle mit natürlichem Spektrum verboten wurde.
In der heutigen Zeit einen Ratgeber über gutes Licht zu verfassen, ist ein Wagnis. Die technische Entwicklung schreitet so schnell voran, dass kaum absehbar ist, was uns der Fortschritt morgen bringen wird. Wer hätte zum Beispiel im Jahr 2007 gedacht, dass im darauffolgenden Jahr die Glühlampe verboten werden könnte? Was also bleibt in einer Zeit, in der das einzig Sichere der immer schnellere Wandel ist? Welche Ratschläge sollte man geben?
Aus meiner langjährigen ärztlichen Praxis, aber auch aus Rückmeldungen von Hörern meiner zahlreichen Vorträge weiß ich, dass schlechtes Kunstlicht krank machen kann. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Licht als Gesundheitsfaktor wird in der Öffentlichkeit aber weitgehend vermieden. Eine große Anzahl wissenschaftlicher Studien hat das Thema der Lichtschädigung zum Gegenstand. Solche Untersuchungen können jedoch immer nur einen Teilaspekt bearbeiten und wurden zumeist an Zellkulturen oder Tieren durchgeführt. Hinzu kommt, dass weder die normale Bevölkerung noch die meisten Ärzte ungehinderten (das heißt zum Beispiel kostenlosen) Zugang zu solchen Publikationen haben. Dies macht es der Industrie umso leichter, alle Erkenntnisse, die der Vermarktung ihrer Produkte im Wege stehen könnten, erst einmal zu bestreiten und einfach weiterzumachen wie gehabt. Selbst bei ganz offensichtlich schädigenden Einflüssen wie dem Rauchen oder der Verwendung von Asbest hat es Jahrzehnte gedauert, bis die Gesetzgeber sich zu Gegenmaßnahmen entschließen konnten.
Kunstlicht vertreibt nicht nur die Dunkelheit, sondern kann auch krank machen.
Auch beim Thema Licht gibt es eine starke Lobby, die dafür sorgt, dass die Interessen der Industrie gewahrt bleiben. Ich denke dabei nicht nur an die Lichtindustrie und das Glühlampenverbot, sondern auch an die heute gängige Praxis, Arbeitgebern eine Arbeitsplatzbeleuchtung zu verkaufen, die das Lichtdoping ihrer Angestellten ermöglicht, um dadurch deren Produktivität zu erhöhen. Pharmakonzerne profitieren doppelt, wenn die Menschen vor dem Sonnenlicht Angst haben: Einerseits fördert der Lichtmangel den Absatz zahlreicher Medikamente zur Behandlung von Zivilisationskrankheiten, andererseits verdienen sie auch bei dem Verkauf von Sonnenschutzmitteln und Hautpflegeprodukten kräftig mit. Selbst die Tourismusbranche profitiert davon, wenn den Menschen das Lichtwissen fehlt, denn ihre Kunden buchen ungehindert von jeglicher Vernunft auch diejenigen Urlaubsreisen, die gegen alle Regeln von Chronobiologie und Heliotherapie – die medizinische Anwendung von Sonnenlicht – verstoßen und dadurch der Gesundheit eher schaden. Dabei war der Urlaub doch ursprünglich als Erholungsmaßnahme gedacht, um dem Organismus die Gelegenheit zu geben, sich zu regenerieren.
Es gibt genügend Gründe, sich näher mit der Kraft des Lichts zu befassen. Da Licht in all seinen Erscheinungsformen sowohl positiv als auch negativ wirken kann und wie Luft und Wasser ständig auf uns einwirkt, ist es wichtig, die Mechanismen zu kennen, über die es unseren Organismus beeinflusst. Nur dann kann man seine Vorteile optimal nutzen und eventuelle Schäden wirksam vermeiden.
Da selbst ein Genie wie Albert Einstein sagte: »Den Rest meines Lebens werde ich darüber nachdenken, was Licht ist«, ist es mir natürlich unmöglich, alle Aspekte dieser komplexen Materie im Rahmen dieses Buches erschöpfend darzustellen. Folglich beschränke ich mich darauf, Ihnen eine sehr persönliche Darstellung vorzulegen, in der ich mich auf solche Themen konzentriere, die mit dem Erhalt oder dem Wiedererlangen der Gesundheit in Verbindung stehen.
In der Einführung wird zuerst die Frage beantwortet, warum gutes Licht für uns so wichtig ist, bevor im ersten Kapitel genauer analysiert wird, was Licht ist, woher es kommt und warum es für alle Prozesse des Lebens auf unserem Planeten unverzichtbar ist. Im Anschluss daran werden Sie erfahren, wie Licht auf alle chemischen Prozesse einwirkt, und die wichtigsten Mechanismen der Wechselwirkungen zwischen Licht und belebter Materie kennenlernen. Daran schließt sich das Kapitel über die Wirkungen des Sonnenlichts an, gefolgt von einem Kapitel über das Kunstlicht. Der letzte große Abschnitt ist schließlich den Farben gewidmet, insbesondere der Anwendung von farbigem Licht nach den Prinzipien der SpektroChrom-Methode.
Viele Erkenntnisse zur Wirkung von Sonnen- und Farblicht sind nicht neu, sondern Teil eines jahrtausendealten Erfahrungsschatzes der Menschheit. Wenn das Sonnenlicht heute in der öffentlichen Darstellung als gefährlich, die Farblichttherapie als pseudowissenschaftlich und die LED-Technologie als die geniale Lösung unserer Energieprobleme präsentiert werden, dann zeugt dies für mich von einer stark verzerrten Wahrnehmung, die nur durch eine Unkenntnis der Vergangenheit erklärbar ist. Um dem vorzubeugen und den gesunden Menschenverstand und auch das Bauchgefühl all derer zu stärken, die sich von der Kraft des Lichts wie magisch angezogen fühlen, habe ich in allen drei Hauptkapiteln der historischen Entwicklung einen gebührenden Platz eingeräumt. Dadurch wird deutlich, welche zentrale Rolle das Licht zu fast allen Zeiten der Menschheitsgeschichte gespielt hat.
Ich wünsche mir sehr, dass Ihnen meine Ausführungen, die oftmals eine Gegenposition zur offiziellen Meinung repräsentieren, dabei helfen, das Licht in all seinen Erscheinungsformen besser kennenzulernen und es im Sinne der Gesundheit zu verwenden. Entwickeln Sie die Liebe zum Licht, die uns Menschen mitgegeben wurde, zur vollen Blüte!
Ihr
Alexander Wunsch
Die meisten Menschen leben in biologischer Dunkelheit, denn sie halten sich zu über 90 Prozent ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen auf. Dort gibt es kein natürliches Licht, selbst wenn viele Fenster vorhanden sind. Unsere Vorfahren hingegen bewegten sich hauptsächlich im Freien. Dadurch waren sie nicht nur den Witterungsbedingungen, sondern auch dem Tageslicht und der Sonne direkt ausgesetzt. Diese tiefgreifenden Veränderungen unserer Lebensweise haben Konsequenzen für die Gesundheit. Zu wenig Tageslicht und zu viel Kunstlicht begünstigen die Entstehung der meisten Zivilisationskrankheiten. Der richtige Umgang mit Licht ist für die Gesundheit genauso wichtig wie gute Ernährung, saubere Luft und genügend Bewegung.
Die Gesundheitskosten in Deutschland liegen laut dem Statistischen Bundesamt bei über einer Milliarde Euro täglich (Stand 2017). Dies entspricht etwa 11 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – wir geben etwa ein Zehntel unserer Wirtschaftsleistung für die Gesundheit aus! Moment mal – tun wir das wirklich? Investieren wir tatsächlich solche immensen Summen in unsere Gesundheit?
Die genauere Betrachtung zeigt, dass wir tatsächlich so viel Geld ausgeben, aber nicht für die Gesundheit, sondern für die Behandlung von Krankheiten. Am kostenintensivsten sind dabei die Herz-Kreislauf-Erkrankungen, dicht gefolgt von psychischen und Verhaltensstörungen sowie Krankheiten des Verdauungssystems. Wirft man einen Blick auf die Todesursachenstatistik, liegen abermals die Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf dem vordersten Platz, diesmal jedoch gefolgt von Krebs. Zusammengenommen sind diese beiden Gruppen ungefähr für zwei Drittel der Sterbefälle in Deutschland verantwortlich.
Vergleicht man die Arten von Krankheiten, die in Industrienationen und Ländern der Dritten Welt auftreten, sieht man deutliche Unterschiede. Neben der individuellen genetischen Veranlagung kann man Umweltfaktoren, Lebensstile und Lebensauffassungen für diese Unterschiede verantwortlich machen. Die Lebensweise nimmt offenbar direkten Einfluss auf unsere Gesundheit und erhöht das Risiko, bestimmte Zivilisationskrankheiten (englisch: lifestyle diseases) zu entwickeln. Diese sind zwar im wissenschaftlichen Sinn nicht eindeutig definiert, es herrscht aber Konsens darüber, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes mellitus, Übergewicht, Adipositas, Essstörungen, bestimmte Allergien, Hautkrankheiten und psychische Störungen dazuzählen. Da die Entstehung von Zivilisationskrankheiten immer von mehreren Faktoren abhängt, ist es unmöglich, einzelne Ursachen verantwortlich zu machen. Als weitgehend anerkannte Risikofaktoren gelten Bewegungsmangel, Stress, Über- und Fehlernährung, Umweltgifte, Lärmbelastung, Reizüberflutung und übertriebene Hygiene. Auch soziale Faktoren, permanenter Leistungsdruck und natürlich der übermäßige Konsum von Genussgiften wie Zucker, Alkohol und Tabak zählen zu den prädisponierenden Einflüssen.
Obwohl uns Licht unser ganzes Leben lang begleitet und überall vorhanden ist, findet es in den allermeisten Studien zur Ursachenforschung von Zivilisationskrankheiten keinerlei Erwähnung. Dabei ist das elektrische Licht der wichtigste Einzelfaktor, der die Form der heutigen Zivilisation überhaupt erst ermöglicht hat. Ohne Kunstlicht gäbe es keinen Schichtdienst, keine Nachtfahrten, kein Fernsehen, keine Smartphones und keine permanenten Störungen unserer chronobiologischen Rhythmen – aber dazu später mehr. Kunstlicht ist der einzige Risikofaktor, dem sich niemand konsequent entziehen kann, denn praktisch alle Menschen verwenden es täglich. Jeder öffentliche Raum, jedes Klassenzimmer und jedes Büro ist künstlich beleuchtet. Selbst außerhalb von Gebäuden ist Kunstlicht die ganze Nacht über präsent; jedes Fahrzeug, jede Straßenlaterne und jede Verkehrsampel rauben uns die Dunkelheit.
Wenn wir uns aufgrund unserer Lebensumstände ständig im künstlichen Licht aufhalten müssen, sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass höchste Qualitätsmaßstäbe an dieses Kunstlicht angelegt werden, so wie es für Trinkwasser, Atemluft und Nahrungsmittel auch üblich ist. Für Licht scheinen jedoch andere Überlegungen zu gelten, denn hier geht es seit Jahrzehnten nicht um die beste Qualität, sondern um die höchste Quantität und die niedrigsten Kosten.
Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Vorgaben beschlossen, die in ihrer Reichweite und Bedeutung für die Qualität von Kunstlicht fatal sind. Das wichtigste Anliegen der EU ist es, aus elektrischer Energie so viel Licht wie möglich herauszuholen. Energieeffizienz ist heute das Merkmal, dem sich alle anderen Faktoren unterordnen müssen, nach denen man Licht ebenfalls bewerten kann.
Alle Lebewesen sind unter dem Licht der Sonne entstanden und die allermeisten leben vom Licht – auch wir Menschen. Jetzt aber müssen wir aufgrund von Verordnungen mit Lichtarten leben, die der menschliche Organismus in der Vergangenheit nicht kannte. Damit sind alle unbewussten Informationen, die unser Körper gewohnheitsmäßig aus seiner Lichtumgebung ableitet, in höchster Gefahr, als »fake news« verarbeitet zu werden.
Gutes Licht ist Licht, an das sich unsere Gene im Laufe der Evolution gewöhnt und angepasst haben. Sie haben gelernt, damit umzugehen, ohne dass es zu Problemen kommt. Unsere Körper können daher aus bestimmten Bereichen des natürlichen Lichtspektrums wichtige Steuersignale ableiten, die der Organismus dringend braucht, um langfristig gesund und leistungsfähig zu bleiben. Diese Steuersignale geben unseren Organsystemen darüber Aufschluss, ob es »draußen« Tag oder Nacht, Sommer oder Winter, warm oder kalt, gemütlich oder gefährlich ist.
Schlechtes Licht hingegen erzählt unserem Körper zusammenhanglose Geschichten, die ihn in die Irre führen. Das ist in etwa so, wie wenn man sich morgens, bevor man das Haus verlässt, aufgrund der Wettervorhersage dazu entscheidet, lange Wollunterwäsche und einen Wintermantel mit Schal anzuziehen und sich dann den ganzen Tag bei 35 Grad im Schatten aufhalten muss. Schlechtes Licht hält im Körper nicht, was es dem Auge versprochen hat – es ist wie eine optische Täuschung, die große Risiken für unsere Gesundheit mit sich bringt.
Schlechtes Licht ist ein Risikofaktor, den man vermeiden könnte. Da aber Staatengemeinschaften, Politiker und evidenzbasiert vorgehende Mediziner in den allermeisten Fällen keine Ahnung von den komplexen Vorgängen haben, die in unseren Körpern »unter der Haube« ablaufen, konnten sie auch nicht die richtige Entscheidung für gutes Licht treffen. Diese wäre gewesen, die Glühlampe zu erhalten und stattdessen andere Lichtquellen wie die Energiesparlampe zu verbieten. Um jedoch nachvollziehen zu können, warum das Licht aus einer Glühlampe gesund sein soll, während das Licht aus einer LED gesundheitliche Risiken birgt, müssen wir uns zunächst mit ein paar grundlegenden Eigenschaften von Licht beschäftigen.
Licht ist die Substanz, aus der unsere Materie aufgebaut ist. Es besteht aus Photonen, auch Lichtquanten oder Lichtteilchen genannt, die sich nicht entscheiden können, was sie sein wollen: Welle oder Teilchen – elektrisch oder magnetisch? Licht ist unglaublich schnell: Als elektromagnetische Welle breitet es sich im Vakuum mit einer Geschwindigkeit von etwa 300 000 km pro Sekunde aus. Licht ist immer noch das größte Rätsel für die Naturwissenschaft und ist dabei die Grundlage allen Lebens. Der Quantenphysiker David Bohm fasste es so zusammen: »Licht ist Energie und ebenso Information – Inhalt, Form und Struktur. Es bildet das Potenzial für alles.«
Licht ist ein Alleskönner – sogar die Materie, aus der wir selbst und alles um uns herum bestehen, kann man als kondensiertes oder gefangenes Licht ansehen. In der Materie pendeln die Photonen sozusagen hin und her, anstatt sich im Raum auszubreiten. Sie sind die Sprache, mit der die Materie kommuniziert, und sie sind an den wichtigsten Formen chemischer Bindungen beteiligt. Die meisten chemischen Reaktionen können nur ablaufen, weil die beteiligten Atome und Moleküle dabei Photonen abgeben oder aufnehmen.
Das erste Licht kam nicht etwa mit dem Urknall vor etwa 13,8 Milliarden Jahren in die Welt, sondern erst 380 000 Jahre später, als sich aus der Ursuppe die ersten stabilen Atome herausbildeten. Das Atom mit dem einfachsten Aufbau ist der Wasserstoff, aus dem im Laufe der Zeit alle schwereren Atome entstanden sind. Die Evolution der chemischen Elemente vollzog sich durch die Bildung von Sternen, in denen durch die extreme Verdichtung gigantischer Wasserstoffwolken eine Kernfusion in Gang gesetzt wurde. Durch diesen Prozess der Kernverschmelzung entstanden nicht nur jede Menge Strahlungsenergie, sondern auch schwerere Atome wie Deuterium, Helium, Lithium und Beryllium.
Da diese Sterne der ersten Generation wesentlich mehr Masse hatten als unsere Sonne, verlief der Fusionsprozess sehr schnell, weshalb sich der Vorrat an Wasserstoff in kurzer Zeit verbrauchte. Diese frühen Sterne brannten gewissermaßen so schnell ab wie ein Strohfeuer, um dann als Supernova zu enden. Die meisten chemischen Elemente, aus denen sich unsere Erde zusammensetzt, wurden während solcher Supernova-Explosionen »zusammengeschweißt«. Leben konnte sich im Umfeld der ersten Sterne nicht bilden, da die Bedingungen dafür zu ungünstig und wechselhaft waren.
Nachdem sich der Wasserstoff die Hörner etwas abgestoßen hatte, konnten sich aus kleineren Gas- und Staubwolken gemütlichere Sterne entwickeln. Einer davon ist unsere Sonne, die sich vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren durch den Kollaps einer interstellaren Gaswolke herausbildete. Aus der riesigen Sternenstaubwolke formten sich damals auch die Planeten, die seither die Sonne umkreisen. Diese ist im Vergleich zu ihren Vorgängern ein recht friedlicher Stern, in dem die Fusionsreaktion wesentlich gemütlicher abläuft, also nicht so ungestüm wie bei einem Strohfeuer, sondern eher vergleichbar mit den Gärungsprozessen in einem Misthaufen. Trotzdem herrschen im Inneren der Sonne noch sehr ungemütliche Bedingungen, denn dort gibt es noch kein Licht, sondern hauptsächlich Gamma- und Röntgenstrahlung. Diese besteht zwar auch aus Photonen, jedoch hat jedes dieser Lichtquanten einen viel zu hohen Energiegehalt beziehungsweise eine zu hohe Frequenz, um mit Lebensvorgängen vereinbar zu sein. Glücklicherweise durchlaufen diese hochfrequenten Photonen auf ihrem Weg durch die inneren Sonnenschichten einen Reifungsprozess, der bis zu einer Million Jahre dauert. Dadurch entsteht aus der gefährlichen radioaktiven Strahlung ein »gutmütiges« Licht, das die Entstehung des Lebens auf der Erde erst ermöglicht hat.
Sonnenlicht besteht nicht nur aus sichtbaren Anteilen, sondern auch aus unsichtbarem UV- und Infrarotlicht. Aber auch im sichtbaren Regenbogenspektrum sind unsichtbare Anteile vorhanden. Das menschliche Auge ist nicht in der Lage, diese ohne den Einsatz von Messgeräten zu erkennen. Bereits im 17. Jahrhundert entdeckte Isaac Newton mithilfe eines Prismas, dass sich das weiße Sonnenlicht aus den Farben des Regenbogens, den Spektralfarben, zusammensetzt.
Das Sonnenlicht enthält neben den Regenbogenfarben auch zahlreiche dunkle Abschnitte, die Fraunhoferlinien genannt werden.
Heute gibt es verschiedene Möglichkeiten, die farbliche Zusammensetzung von Licht zu untersuchen. Spektroskope werden zur Betrachtung verwendet, wohingegen Spektrometer die spektrale Zusammensetzung objektiv messen können und sich daher auch für die Bereiche eignen, die für das menschliche Auge unsichtbar sind.
Die Spektralverteilung des Sonnenlichts ist außerhalb der Erdatmosphäre und an der Erdoberfläche unterschiedlich.
Die Abbildung auf Seite 18 zeigt den Spektralverlauf des Sonnenlichts im sichtbaren Bereich durch einen Spektralapparat mit extrem hoher Auflösung. Erst in dieser Darstellung, bei der das Regenbogenspektrum in 50 untereinanderliegende Streifen unterteilt wurde, kann man erkennen, dass es sich nicht um einen kontinuierlichen Verlauf handelt, sondern um viele kurze, farbige Abschnitte, die immer wieder von schwarzen Bereichen unterbrochen werden. Das Sonnenspektrum erinnert dadurch fast an einen Schweizer Käse, der an vielen Stellen durchlöchert ist. Aus wissenschaftlicher Sicht handelt es sich aber eher um eine Art Barcode, in dem eine große Anzahl von Informationen verschlüsselt ist. Zum Beispiel kann man aus dem Muster und der Verteilung der schwarzen Bereiche, die nach ihrem Entdecker Fraunhoferlinien (Kasten Seite 20) genannt werden, ablesen, welche chemischen Elemente in der äußersten Schicht der Sonne, der Chromosphäre, enthalten sind. Wir werden später noch sehen, dass dieser Feinbau des Sonnenlichts sowohl für die biochemischen Vorgänge während der Entstehung des Lebens eine Bedeutung hatte als auch für bestimmte Wirkungen der Therapie mit Sonnenlicht (Heliotherapie) und farbigem Licht (Chromotherapie) eine Rolle spielt.
Sonnenlicht hat also bereits einzigartige Eigenschaften, wenn es die Oberfläche unseres Zentralgestirns verlässt, und wird daher niemals vollwertig durch künstliche Lichtquellen ersetzbar sein. Da Sonnenlicht, bevor es auf der Erdoberfläche ankommt, zuerst noch die Erdatmosphäre passieren muss, werden seine Eigenschaften weiter verändert. Der Wasserdampf und die gasförmigen Stoffe in den atmosphärischen Schichten prägen den Photonen ebenfalls ihren Stempel auf und machen die verbleibende Strahlung für alle Lebewesen verträglicher: Das aggressive UVC-Licht wird völlig herausgefiltert und die Wellenlängen im Infrarot (IRB und IRC), die in der Haut starke Hitze erzeugen würden, sind deutlich reduziert. Die Abbildung auf Seite 19 zeigt das Sonnenspektrum einmal so, wie es außerhalb der Erdatmosphäre beschaffen ist, und in der Form, wie es am Erdboden gemessen werden kann. Außerdem ist hier noch der Spektralverlauf eines Schwarzen Körpers dargestellt, dazu mehr im Kapitel über Kunstlicht ab Seite 121.
Fraunhofer, der Entdecker der Linien im Sonnenspektrum, war zwar so genial, diese Spektrallinien als optisch-mathematische Problemlöser zu nutzen, jedoch hatte er keine Ahnung, woher die Linien stammten. Die Aufklärung der Zusammenhänge sollte der fruchtbaren Zusammenarbeit von Robert Wilhelm Bunsen und Gustav Robert Kirchhoff überlassen bleiben. Beide Wissenschaftler forschten an der Universität Heidelberg über die Spektralanalyse. Mithilfe des Bunsenbrenners entdeckten sie zuerst das Phänomen der Flammenfärbung, bei dem jedes chemische Element, sobald es in die farblose Flamme eingebracht wird, diese in ganz bestimmten Farben zum Leuchten bringt. Betrachtet man die Flamme dabei durch ein Spektroskop, treten die Farben als diskrete farbige Linien in Erscheinung.
Mehrere chemische Elemente beginnen in der Bunsenbrennerflamme in verschiedenen Farben zu leuchten.
Dabei fiel ihnen auf, dass die Linien immer genau an solchen Positionen lagen, an denen sich im Sonnenspektrum die dunklen Fraunhoferlinien befinden. Bunsen und Kirchhoff erkannten den Zusammenhang und konnten damit erstmals zeigen, dass jedes chemische Element einen farbigen Fingerabdruck hat, der für seine eindeutige Identifikation geeignet ist. Dabei kann das Element diese Wellenlängen entweder als Emissionslinien abstrahlen, zum Beispiel in der Flamme, oder aus einem kontinuierlichen Spektrum heraus absorbieren, wie in der Sonne.
Unsere Sonne zeigt im Inneren einen Aufbau in mehreren Schichten.
Heute wissen wir, dass das Sonnenlicht zunächst aus einem Emissionsspektrum der Elemente Wasserstoff und Helium besteht, wobei die einzelnen Linien durch den extremen Druck so stark verbreitert werden, dass sie ineinander übergehen. In der Photosphäre, wie man die zweitoberste Schicht in der Sonne nennt, sind daher noch alle Wellenlängen in Form eines kontinuierlichen Vollspektrums vorhanden. Wenn die Photonen dann durch die Chromosphäre, also die oberste Sonnenschicht, an die Oberfläche drängen, werden alle Wellenlängen, die zu den in der Chromosphäre befindlichen chemischen Elementen gehören, absorbiert. Das Sonnenlicht repräsentiert daher ein Absorptionsspektrum, das nur aus Farben besteht, die keinem chemischen Element zugeordnet werden können. Obwohl die Zusammenhänge im Detail nicht ganz einfach sind, merken wir uns an dieser Stelle, dass das Sonnenlicht aus dem negativen Energieabdruck aller chemischen Elemente besteht, die auf der Sonne vorkommen. Um es salopp zu formulieren: Wenn das Sonnenlicht mit den chemischen Elementen auf der Erde »spielt«, macht es ihnen keine Vorschriften, sondern lässt ihnen alle Freiheit, sich in den energetischen Lücken im Spektrum auszutoben – es mischt sich nicht aktiv in die Kommunikation ein, die sich zwischen den Elementen vollzieht.
Die Feststellungen von Bunsen und Kirchhoff, dass jedes chemische Element durch seinen optischen Fingerabdruck, also die Anzahl und Lage seiner Emissions- beziehungsweise Absorptionslinien, eindeutig identifiziert werden kann, warf natürlich die Frage auf, warum dies so ist. Das Bohr’sche Atommodell konnte schließlich die Erklärung liefern. Am einfachsten Element, dem Wasserstoff, können wir die Vorgänge am leichtesten nachvollziehen: Es besteht nur aus zwei Bausteinen, nämlich dem schweren Kern (in diesem Fall einem einzigen Proton) und dem leichten Elektron. Da das Proton im Kern positiv geladen ist und das Elektron negativ, ziehen sich die beiden an wie Nord- und Südpol zweier Magnete. Weil das Elektron sich aber nicht in den Kern stürzen will, muss es mit hoher Geschwindigkeit um das Proton herumflitzen, ähnlich wie ein Planet, der um die Sonne kreist. Wenn dieses System aus gegensätzlichen Ladungen und Prinzipien nun mit Energie beschossen wird, kann das Elektron einen ganz bestimmten Energiebetrag aufnehmen. Dafür muss es jedoch seine Kreisbahn verlassen und in einen weiter außen gelegenen Orbit springen. Diese Kreisbahn, die weiter vom Kern entfernt ist, entspricht dabei einem angeregten Zustand, der die Voraussetzung für eine chemische Bindungsreaktion darstellt. Springt das Elektron wieder in die innere Bahn zurück, muss es die überschüssige Energie abgeben und sendet zu diesem Zweck ein Photon aus. Die Wellenlänge oder Farbe (oder Frequenz) dieses abgestrahlten Photons beschreibt dabei eindeutig, aus welchem Orbit das Elektron zurückgekehrt ist.
Elektronen wechseln ihre Kreisbahn im Atom, wenn sie Lichtquanten aufnehmen oder wieder abgeben.
Während wir mit dem Ausdruck »Quantensprung« umgangssprachlich meistens etwas Großes oder Großartiges verbinden, handelt es sich dabei tatsächlich um einen Vorgang, der in so kleinem Maßstab abläuft, dass wir ihn nicht einmal mit dem stärksten Mikroskop beobachten können. Trotzdem berichtet uns das Licht, das daran beteiligt ist, durch seine Farbe ganz genau, was in seiner Welt passiert ist und woher es gerade kommt.
Bisher haben wir nur ein einzelnes Atom betrachtet. Dieser Idealfall kommt natürlich in der Realität kaum vor. Spannend wird es, wenn wir uns anschauen, was passiert, wenn viele Atome unterschiedlicher chemischer Elemente zusammenwirken. Kein Atom bleibt lange allein – entweder es gesellt sich zu seinesgleichen oder es geht mit anderen Atomen eine chemische Verbindung ein. Bei den wichtigsten chemischen Verbindungen sind Elektronen beteiligt, die dabei ihren Besitzer wechseln. Am Beispiel von Kochsalz, chemisch Natriumchlorid, können wir sehen, wie sich die chemische Ionenbindung zwischen den beiden Elementen Natrium und Chlor abspielt.
Die meisten chemischen Elemente haben entweder zu viele oder zu wenige Elektronen, um in ihrem Idealzustand zu sein. Wir können uns dabei die Elektronen vorstellen wie die Pfunde, die jemand zu viel oder zu wenig auf den Rippen hat. Was für uns Menschen nun das angestrebte Idealgewicht darstellt, wäre in der Welt der Atome die sogenannte Edelgaskonfiguration. Diese entspricht immer dem energieärmsten Zustand und bedeutet, dass die äußerste Schale nach dem Bohr’schen Atommodell vollständig mit Elektronen besetzt ist. Dies sind für die ersten beiden Elemente Wasserstoff und Helium zwei Elektronen, bei allen schwereren Elementen passen immer acht Elektronen in die äußerste Schale. Die Elektronen in dieser Schale werden auch Valenzelektronen genannt.
Kommen wir zurück zu unserem Beispiel: Natrium hat nur ein Elektron in der äußersten Schale und Chlor hingegen sieben. Wenn sich beide Elemente zusammentun, gibt das Natrium sein einzelnes Valenzelektron an Chlor ab, Natrium nimmt es auf und beide werden dadurch zu Ionen. Natrium erhält durch die Abgabe des negativ geladenen Elektrons eine positive Ladung, Chlor hingegen wird durch das zusätzliche Elektron negativ geladen. Da sich Plus und Minus anziehen, haften die beiden gegensätzlich geladenen Ionen nun intensiv aneinander. Beide Elemente kommen damit in einen energetisch günstigeren Zustand und erreichen jeweils die Edelgaskonfiguration in ihrer Valenzschale.
Damit die beschriebene chemische Reaktion überhaupt stattfinden kann, muss zuerst ein bestimmter Energiebetrag investiert werden, die Anregungsenergie. Damit das Valenzelektron von Natrium überhaupt sein Atom wechseln kann – wie ein Eichhörnchen, das von Baum zu Baum springt –, muss es aus seiner Komfortzone gebracht werden. Das funktioniert am elegantesten, indem man ein Photon zur Verfügung stellt, das vom Elektron absorbiert wird, worauf es in eine weiter außen gelegene Schale springen muss – dies ist die Gelegenheit für das Chlor, sich das fremde Elektron zu greifen und einzuverleiben. Der Vorgang ist vergleichbar mit dem Start einer Versorgungsrakete für die ISS, auch hier muss zunächst Energie aufgebracht werden, damit die Rakete die Erdanziehungskraft überwinden kann.
Photonen sind an praktisch jeder chemischen Reaktion beteiligt, bei der Elektronen ihre Heimat-Atome wechseln. Damit ist Licht an den allermeisten Zustandsänderungen von Materie beteiligt: Licht wird emittiert, absorbiert und dient dem Austausch von Information und Energie zwischen chemischen Elementen aller Art. Photonen sind in der Lage, chemische Reaktionen in Gang zu setzen, indem sie die erforderliche Anregungsenergie zur Verfügung stellen. Sie können jedoch auch das Gegenteil bewirken, indem sie die Bindungsenergie bereitstellen, die nötig ist, um eine chemische Bindung wieder aufzubrechen. Photonen sind die unverzichtbaren Sende- und Empfangssignale, über die alle chemischen Elemente in uns und in unserer Umwelt miteinander kommunizieren. Die gesamte anorganische und organische Chemie ist auf Licht angewiesen – das erklärt die besondere Bedeutung von Licht auf atomarer Ebene. Vergegenwärtigen wir uns jetzt noch, dass in jeder einzelnen Zelle in unserem Körper pro Sekunde mehrere hunderttausend chemische Reaktionen ablaufen müssen, um die Zelle am Leben zu halten, können wir besser verstehen, wie sich die Kraft des Lichts bereits auf der Zellebene entfaltet. Egal, welche Stoffwechselreaktion in einer Zelle gerade abläuft – immer sind es Photonen, die diesen Prozess ermöglichen und steuern.
Alles Leben auf der Erde entwickelte sich unter dem Licht der Sonne. Bevor Leben entstehen konnte, mussten jedoch erst einige wichtige Voraussetzungen geschaffen werden. So, wie es vor der Entstehung der Sonne zuerst eine chemische Evolution geben musste, damit alle Elemente zur Verfügung standen, aus denen sich unser Sonnensystem zusammensetzt, war als Nächstes eine biochemische Evolution vonnöten, um die Bausteine für das Leben auf der Erde bereitzustellen. Auch daran war das Sonnenlicht maßgeblich beteiligt.
Durch die Erdrotation existierten von Anbeginn zwei gegensätzliche Zustände auf unserem Planeten, nämlich Tag und Nacht. Der rhythmische Wechsel zwischen diesen beiden Bedingungen führte zu Temperaturschwankungen, die für eine ständige Durchmischung der Uratmosphäre sorgten. Die vorhandenen Gase und der Wasserdampf wurden dadurch immer in Bewegung gehalten, was zu einem anorganischen Stoffwechsel führte.
Das UV-Licht der Sonne konnte damals noch ungehindert durch die Uratmosphäre hindurchdringen, da der Sauerstoff größtenteils chemisch gebunden war. Somit existierte auch noch keine Ozonschicht, die uns heute vor der chemisch sehr aggressiven UVC-Strahlung schützt. Im Zusammenspiel mit den ständigen Blitzentladungen sorgte diese intensive UVC-Strahlung dafür, dass aus den Gasen der Uratmosphäre die ersten Bausteine des Lebens entstanden. Auf diese Weise war das Licht am Aufbau von Aminosäuren, Fetten, Kohlehydraten und Nukleinsäuren maßgeblich beteiligt. Die Energie, die über den Photonenstrom des Sonnenlichts auf die Erde einwirkte, hielt und hält die Stoffkreisläufe (Wasser-, Kohlenstoff- und Stickstoffkreislauf) in den Ökosystemen in Gang. Mit nur wenigen Ausnahmen werden die biochemischen Reaktionsketten, auf denen Leben basiert, direkt oder indirekt von der Energie des Sonnenlichts angetrieben.
Wenn Energie auf Materie einwirkt, wird diese dadurch auch geformt, hier am Beispiel von Klangfiguren nach Chladni.
Da wir auch heute die letzten Einzelheiten der Entstehung des Lebens nicht nachvollziehen können, müssen wir uns mit der Feststellung zufriedengeben, dass eine fließende Energie die Systeme, durch die sie fließt, immer auch strukturiert und zu höherer Ordnung führen kann,1 ähnlich wie der Wind die Oberfläche einer Sanddüne formt, über die er hinwegweht. Ein gutes Beispiel für dieses Prinzip sind die Klangfiguren, die nach dem deutschen Physiker Ernst Florens Friedrich Chladni benannt sind. Chladni’sche Klangfiguren entstehen, wenn einfache Tonfrequenzen auf dünne Platten einwirken, die so gelagert sind, dass sie möglichst frei schwingen können.
Auf der Oberfläche der Platten bilden sich stehende Wellen, deren komplexe Muster zum Beispiel durch feinen Sand sichtbar gemacht werden können, da dieser immer in die Bereiche verschoben wird, an denen die stehenden Wellen ihre Knotenpunkte haben. Eine Änderung der Anregungsfrequenz führt zu einer Variation des Oberflächenmusters, indem die Sandpartikel in andere Positionen verschoben werden.
Bei solchen Experimenten kann man direkt beobachten, dass eine Frequenz im wahren Wortsinn eine In-Formation darstellt, denn sie bringt in dem System nicht nur ganz bestimmte Formen hervor, sondern führt auch zu einem dynamischen Stofftransport. Die Resonanzgesetze und das Prinzip stehender Wellen machen vor den räumlichen Dimensionen keinen Halt, sondern gelten auch für die Frequenzen von Licht. Die Klangbilder von Chladni sind eine anschauliche Analogie für die Vorgänge innerhalb von Zellen und zeigen uns, nach welchen Gesetzmäßigkeiten die verschiedenen Frequenzen des Lichts die innere Struktur lebender Zellen in Form bringen.
Die typische Energieverteilung im Sonnenlicht und die unterschiedlichen stofflichen und chemischen Auswirkungen der verschiedenen Spektralanteile haben auf diese Weise die Entstehung immer komplexerer Moleküle und Zellstrukturen aus einfachen Grundbausteinen begünstigt.
Irgendwann vor ungefähr 3,8 Milliarden Jahren war es dann so weit: In irgendeinem urtümlichen Tümpel nahm die erste Zelle ihre Arbeit auf. Es war ihr gelungen, sich so in die vom Sonnenlicht angetriebenen Stoffkreisläufe einzuschalten, dass ihre innere Ordnung immer mehr zunahm. Sie konnte mit den ständig wechselnden Temperaturbedingungen umgehen, da sie sich flüssiges Wasser mit Temperaturen zwischen 4 Grad und maximal 100 Grad Celsius als Lebensraum ausgesucht hatte. Außerdem hatte sie gelernt, einen Teil der sie umströmenden Energie so abzuzweigen, dass sie für gezielte Stoffwechselvorgänge nutzbar wurde. Sie war bereits in der Lage, einige Photonen des Sonnenlichts zwischenzuspeichern und diese genau zur richtigen Zeit zu nutzen, um damit wichtige biochemische Reaktionen zu kontrollieren. Außerdem hatte sie einen Weg gefunden, sich mit all ihren Eigenschaften zu verdoppeln: Damit war sie endlich nicht mehr allein in ihrem Tümpel.