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NEAL SKYE & CHERRY LOSTER

 

DAS SPANISCHE SCHWERT

 

Kriminalroman

Ein Buch aus dem FRANZIUS VERLAG

 

Cover: Jacqueline Spieweg

Bildlizenzen: Shutterstock, Pixabay

Korrektorat/Lektorat: Petra Liermann

Verantwortlich für den Inhalt des Textes

sind die Autoren Neal Skye und Cherry Loster

Satz, Herstellung und Verlag: Franzius Verlag GmbH

Druck und Bindung: bookpress.eu

 

ISBN 978-3-96050-148-0

 

Alle Rechte liegen bei der Franzius Verlag GmbH

Hollerallee 8, 28209 Bremen

 

Copyright © 2019 Franzius Verlag GmbH, Bremen

www.franzius-verlag.de

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

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INHALT

New Orleans, September 2001

Kapitel 1 (Buffalo)

Kapitel 2 (New Orleans)

Kapitel 3 (Buffalo)

Kapitel 4 (New Orleans)

Kapitel 5 (Saint Rose)

Kapitel 6 (New Orleans)

Kapitel 7 (Hotel Coeur de Lis)

Kapitel 8 (Saint Rose)

Kapitel 9 (Hotel Coeur de Lis)

Kapitel 10 (Café Napoléon)

Kapitel 11 (Hotel Coeur de Lis)

Kapitel 12 (Saint Rose)

Kapitel 13 (Bienvielle-Privatuniversität)

Kapitel 14 (Saint Rose)

Kapitel 15 (New Orleans)

Kapitel 16 (Hotel Coeur de Lis)

Kapitel 17 (Le Masque Noir)

Kapitel 18 (New Orleans)

Kapitel 19 (Saint Rose)

Kapitel 20 (Luling)

Kapitel 21 (Saint Rose)

Kapitel 22 (New Orleans Municipal Hospital)

Kapitel 23 (Saint Rose)

Kapitel 24 (New Orleans Municipal Hospital)

Kapitel 25 (Saint Rose)

Kapitel 26 (New Orleans Municipal Hospital)

Kapitel 27 (Ursulinenkloster)

Kapitel 28 (Mausoleum)

Kapitel 29 (LV – Das Archiv)

Epilog Cherry

Epilog Rich

Weitere Romane mit dem Detektiv Nichlas "Rich" Richmond bei FRANZIUS

Novitäten Herbst 2018 / Frühjahr 2019 im Franzius Verlag

 

 

 

Die Existenz des Sonnenkönigs Louis XIV. und seiner geliebten Louise de La Vallière ist historisch belegt. Alle anderen handelnden Personen sind frei erfunden und jegliche Ähnlichkeit mit verstorbenen oder lebenden Personen ist rein zufällig. Sämtliche Ereignisse, Handlungen, Motivationen und Theorien aller in diesem Roman vorkommenden Personen sind ebenso rein fiktiv.

 

 

New Orleans, September 2001

»Ach, ich freue mich immer, wenn du anrufst, Dolly.«

Die Stimme am anderen Ende der Leitung seufzte.

»Oma! Ich hab‘ auch einen richtigen Namen.«

Oma lächelte. Auch wenn Dolly inzwischen eine junge Dame geworden war und die Junior High School besuchte, ließ sie es sich nicht nehmen, ihre Enkelin immer noch »Dolly« zu nennen. So wie früher. So wie immer. Schließlich sagte sie auch immer noch »Oma« zu ihr und nicht »Louise Angélique«. Seit einigen Jahren endete fast jedes Gespräch so und daher wusste sie auch sofort, was sie darauf antworten würde.

»Das weiß ich doch, Dolly. Gute Nacht. Wir sehen uns morgen zum Kaffee?«

»Gute Nacht, Oma, und natürlich sehen wir uns. Hab‘ dich lieb.«

»Ich dich auch!«

Dolly hatte aufgelegt. Louise Angélique lächelte. Sie legte das Telefon auf den Wohnzimmertisch und griff mit der einen Hand nach der leeren Teetasse, mit der anderen nach der neuesten Ausgabe des »Crescent Herold«, dessen Titelseite immer noch von dem Anschlag auf das World Trade Center dominiert wurde.

Langsam ging sie in die Küche. Alles ging nur noch langsam, erst recht nach dem Sturz vor einigen Wochen. Sie stellte die Tasse auf die Spüle, als sie plötzlich innehielt. Was war das für ein Geräusch? Vorsichtig drehte sie sich um und erschrak. Vor ihr stand ein Mann, der ein Tuch vor dem Gesicht trug, wie sie es aus alten Westernfilmen kannte. So albern er auch wirkte, so real spürte Louise Angélique die Bedrohung, die von ihm ausging. Panisch trat sie einen Schritt zurück und traf mit der Zeitung die Teetasse, die sie so vorsichtig abgestellt hatte und die nun mit einem lauten Scheppern auf dem Fußboden zerschellte.

»Was wollen Sie hier?«, fragte sie ängstlich. »Geld?«

Louise Angélique durchfuhr ein Schauer, denn damit konnte sie nicht dienen. Sie besaß einige schöne Schmuckstücke, von denen sie sich zwar niemals freiwillig trennen würde, aber hatte sie eine Wahl?

Der Mann sagte nichts. Stattdessen nahm er einen Zettel heraus, auf dem mit Schreibmaschine geschrieben stand:

»Ich weiß, dass du Dokumente versteckst, die dir nicht gehören. Gib sie raus! Dann wird dir und deiner Enkelin nichts passieren!«

Louise Angélique schlug das Herz bis zum Hals. Es war schlimm genug, dass der Mann sie bedrohte, aber dass er Dolly mit hineinzog, lähmte sie buchstäblich. Sie hatte von ihrer Großmutter viele Geschichten über die kleine Schatulle mit dem brisanten Inhalt gehört. Geschichten, Märchen, Legenden über den Sonnenkönig, über die Sonnenkönigin. Vor einigen hundert Jahren mochten sie brisant gewesen sein, aber nie hätte sie gedacht, dass eines Tages jemand kommen würde, um die Herausgabe einzufordern. Louise Angélique schüttelte den Kopf. So viele Jahrhunderte hatte ihre Familie das Geheimnis bewahrt und sie wusste, dass er das, wonach er suchte, hier nicht finden würde. Aber er würde auf Hinweise stoßen, wo sich die Schatulle befand, und dann konnte doch alles umsonst gewesen sein. Und das nur, weil sie es mit der Angst zu tun bekam? Trotzig schüttelte sie den Kopf. Da stürmte der Mann auf sie zu, packte sie am Hals und drückte sie gegen den Kühlschrank. Er nahm einen zweiten Zettel heraus. Louise Angélique hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Sie hatte den richtigen Namen ihrer Enkelin darauf gelesen – samt Adresse.

»Ich gebe Ihnen, was ich Ihnen geben kann.«

Sie hustete. Ihr Mund fühlte sich knochentrocken an und ein schwerer Druck legte sich auf ihre Brust. Der Mann klappte ein Messer auf. Mit einer Handbewegung deutete er ihr an vorauszugehen. Mit wackeligen Beinen führte sie ihn in ihr Schlafzimmer und öffnete den Bettkasten.

Sie hockte sich hin und zog mit ihrer linken Hand einen Schuhkarton unter den Bettdecken hervor. Wie sie es gehofft hatte, griff der Mann gierig danach. Er warf einen kurzen Blick hinein und schien zufrieden. Langsam stand sie auf und wollte den Bettkasten schließen.

»Au, was wollen Sie denn noch?«

Der Mann drängte sie zur Seite und begann, selbst in den Decken herumzuwühlen. Angstvoll sah sie, wie er stoppte, und schon zog er hervor, was sie doch noch zu verbergen gehofft hatte: ein altes, samtbezogenes Tagebuch. Reflexartig griff Louise Angélique danach, bekam aber nur ein paar lose Seiten zu fassen. Verzweifelt streckte sie erneute ihre Finger aus.

»Maldita vieja bruja!«, fluchte der Mann.

Verdammte alte Hexe! Diese Stimme … Da versetzte er ihr einen Stoß. Wie eine Puppe kippte ihr Körper nach hinten und mit einem dumpfen Knall schlug ihr Hinterkopf auf die Bettkante.

Konsterniert beobachtete der Mann, wie sich eine Blutlache unter ihrem Kopf bildete, die langsam größer wurde. Das gehörte nicht zu seinem Plan.

Hektisch wanderten seine Augen zu dem Schuhkarton und dem Tagebuch, das er in den Händen hielt. Dann sah er wieder auf die zerrissenen Seiten zwischen Louise Angéliques Fingern. Der Mann stöhnte und beugte sich langsam zu ihr hinunter. Er zögerte, die blutverschmierten Seiten an sich zu nehmen. Kopfschüttelnd zog er seine Hand wieder zurück, stand auf und schlich unbemerkt, wie er ins Haus gekommen war, wieder hinaus.

Kapitel 1 (Buffalo)

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Bevor dieser Anruf gekommen war, hatte ich so ziemlich den schlimmsten Monat hinter mir gehabt, seit ich das erste Mal einen Fuß in dieses Büro gesetzt hatte. Damals war George Bush Senior gerade ins Weiße Haus gezogen und ich wäre beinahe rausgeflogen, weil Baker politische Diskussionen in seiner Detektei nicht duldete.

»Mann, wir können draußen so viel debattieren, wie du willst«, hatte Doyle immer gesagt, »aber im Büro halt´ die Klappe! Das mag der Alte nicht, sieh es doch ein!«

Die Detektei hieß »Baker & Doyle« und obwohl beide zu gleichen Teilen daran beteiligt gewesen waren, hatte sich Doyle immer so verhalten, als sei Baker der Boss gewesen. Und das war ihm leichtgefallen, weil Baker sich immer so verhalten hatte, wie sich ein Boss verhält. Vor allem aber war Doyle nur ein Ex-Cop, während Baker sich mit seiner Anwaltskanzlei schon an die Spitze in Erie County gesetzt hatte. Baker war vor gut zehn Jahren gestorben und seitdem war schon das Ende der goldenen Jahre absehbar. Immerhin hatten wir uns über Wasser halten können, dafür hatte Doyle schon gesorgt. Von niemandem hätte ich mehr über diesen Job lernen können als von ihm und umgekehrt gab es auch niemanden, der es geschafft hätte, ihm irgendwann auf Augenhöhe zu begegnen. Niemanden außer mir, Niclas Richmond. Meine Freunde nennen mich Rich. Aber Freunde hatte ich nicht mehr viele.

Seit zwei Jahren war Doyle nun im Ruhestand und damit war ich der Boss. Ein Leitwolf ohne Rudel, denn die Zeiten waren hart. Und der letzte Monat war der härteste gewesen. Zum Glück konnte ich immer noch ab und an Artikel an den »Buffalo Star« verkaufen, für den ich gearbeitet hatte, bevor ich nach dem Hedderby-Fall von »Baker & Doyle« abgeworben worden war. Aber diesen Monat war noch gar nichts gegangen. Kein Auftrag, kein Artikel – und das Schlimmste: Meine Motivation war mit zunehmender Zeit gegen Null gesunken. Bis zu diesem Anruf. Und danach ging es mir richtig mies.

Kaum hatte ich aufgelegt, wurde mir schlagartig bewusst, dass was auch immer von den guten alten Zeiten übrig geblieben war, sich gerade in Luft aufgelöst hatte. Ich war Rob dankbar für den Tipp, auch wenn ich mir gewünscht hätte, ihn direkt vom Chefredakteur des »Buffalo Star« zu erhalten.

Ich hätte es mir denken können. Nachrichten las man heute auf Facebook oder Twitter. Wenn die Zeitungen herauskamen, berichteten sie über Neuigkeiten von gestern. So war also auch der »Star« in unruhige Fahrwasser geraten. Ich sollte mir keine Gedanken machen, hatte Rob gesagt, sollte nicht glauben, dass meine Artikel schlechter geworden wären. Man hätte einfach nur weniger Geld zur Verfügung, gute Artikel einzukaufen. Das beruhigte … nicht!

Und dann hatte er mir doch einen Tipp gegeben. Einen Tipp, der so absurd klang, dass ich zunächst verärgert gewesen war. Eine Story, die vom Tisch war, weil niemand Mittel für eine aufwendige Recherche, die vermutlich im Sande verlief, hatte bereitstellen wollen. Soweit waren das erlesene Zutaten für einen schmackhaften Fall. Bis er mir Hintergrundinformationen gegeben hatte: Es ging um wichtige Dokumente. Aber nicht um einen aktuellen, brisanten Politskandal – nein, um jahrhundertealte Dokumente, die angeblich von einer verkannten Frau stammten. Von einer Königin. Und dann auch wieder nicht Königin. Wer bitte sollte da schon durchsteigen? Der einzige Monarch, mit dem ich was am Hut hatte, war »Burger King« …

Mein GTX vor der Tür war vollgetankt mit dem Geld vom letzten Fall. Ehebruch – es widerte mich an, solche Aufträge anzunehmen, Menschen zu folgen, um herauszufinden, ob ihre Ehe noch zu retten war. Ich fühlte mich schmutzig, aber die Zeiten, in denen ich mir solche Geheimtipps nicht einmal angehört hätte, waren vorbei. Ich musste irgendetwas ändern und das bald.

Na gut, dachte ich, es schadet nicht, das Tablet mal hochzufahren und sich ein paar Informationen reinzuziehen.

Was mich dann wirklich dazu bewogen hat, meinen Road Runner zu starten und mich auf den Weg nach New Orleans zu machen, weiß ich nicht mehr. Königliche Briefe aus der Vergangenheit … Niemals könnte das eine Schlagzeile generieren. Niemals.

 

Kapitel 2 (New Orleans)

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Ich war in der Südstaatenhölle, im Zentrum von Blues, Jazz und Dixie, Mardi Gras und Voodoo angekommen. Der Taxifahrer schien gegen meinen Charme immun zu sein und nannte mich herablassend »Lady«. Er besaß nicht einmal die Höflichkeit, mir beim Ausladen meines Trolleys behilflich zu sein. Voller Inbrunst wünschte ich ihn in das Loch zurück, aus dem er hervorgekrochen war, als ich schließlich verschwitzt und mit zerwühlter roter Haarmähne vor dem Coeur de Lis, meiner Unterkunft für die nächsten Tage, stand. Ich schob meine Ray-Ban hoch, ließ den Blick über die europäische Fake-Fassade gleiten und nahm mir vor, jede Sekunde zu genießen, die ich in diesem Luxushotel verbringen würde. Die Kühle, die mich im Inneren empfing, stimmte mich sofort milder. Ich strahlte den Concierge aus blauen Augen an und zauberte ein Lächeln auf meine kirschroten Lippen.

»Guten Tag, Mr. Delaney … William – ich darf Sie doch William nennen? Mein Name ist Loster, Cherry Loster«, begrüßte ich ihn augenzwinkernd und mit leicht rauchiger Stimme.

Der Concierge schluckte und atmete schneller. Der heisere Klang, der auf William Delaney anscheinend eine enorme erotische Wirkung entfaltete, kam allerdings weder vom Rauchen noch war er angeboren, sondern stammte schlicht und einfach von der Klimaanlage im Flugzeug. Amüsiert nahm ich den Schlüssel meiner Suite entgegen.

»Vielleicht möchte Miss Loster gerne den Jacuzzi aktiviert haben? Ein Gläschen Champagner zur Belebung, wäre Miss Loster dies genehm?«

Miss Loster war alles genehm. Gestärkt glitt ich kurze Zeit später in das perlende Wasser des Jacuzzi, fühlte, wie meine Muskeln sich nach dem langen Flug von Paris nach New Orleans entspannten und der Duft zarter Fliederblüten mich zur Ruhe kommen ließ. Wer wusste schon, wann ich jemals wieder auf fremde Kosten so luxuriös würde logieren können.

 

Eine Stunde später saß ich gut duftend und leicht berauscht auf meinem Kingsize Bett. Mary Anne hatte ich zuvor schon kurz telefonisch von meiner Ankunft informiert und so machte ich mich nun daran die Unterlagen durchzusehen.

Ich sollte Originaldokumente, die angeblich aus dem Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts stammten und sich jahrhundertelang in Privatbesitz befunden hatten, wiederbeschaffen. Genaugenommen sollten diese historisch wertvollen Dokumente aus dem Nachlass von Louis XIV., dem sogenannten Sonnenkönig, und seiner Sonnenkönigin stammen. Das Thema »Sonnenkönig« und neue historische Erkenntnisse ließ mich aufseufzen, denn es war nicht wirklich neu. Irgendwann in den Siebzigern waren schon mal historische Urkunden aufgetaucht und hatten die Adelshäuser Europas in Aufregung versetzt. Der alternde Lüstling Louis hatte kurz vor seinem Tod eine dreizehn- oder vierzehnjährige Comtesse geschwängert und geheiratet. Der Geschichtsunterricht hatte nie zu meinen besonderen Leidenschaften gezählt und so verließ ich mich in dieser Hinsicht ganz auf Mary Anne. Wie hatte sie gesagt? Louis XIV. war in seinem ganzen Leben nur einer einzigen Frau, und zwar Louise de La Vallière, in wahrer Liebe und Leidenschaft zugetan gewesen. Sie behauptete, er hätte sie heimlich geheiratet und zu seiner Sonnenkönigin gemacht.

Was sollte ich dazu sagen? Meine marginalen Kenntnisse der französischen Geschichte hatten ausgereicht, um vor ein paar Monaten dem Sicherheitsdienst für die millionenschwere Ausstellung Schätze der französischen und spanischen Monarchien in Paris zugeteilt zu werden. Auf diese Weise hatte ich mir eine nette Auszeit in Europa verschafft und diesen Auftrag an Land gezogen. Tja, und nun hatte ich den französischen Sonnenkönig samt geheimer Frau am Hals. Was oder besser wer mir richtiges Kopfzerbrechen bereitete, war dieser verflixte Niclas Richmond. Irgendwie musste ich ihn dazu bringen, mir zu Diensten zu sein – wie man so schön in gehobener Sprache sagen würde. Skrupellos grinste ich mein Spiegelbild über der Frisierkommode frech an und fasste einen Plan. Nicht ganz so gehoben allerdings.

 

Kapitel 3 (Buffalo)

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Zwischen dem Einschalten des Tablets und der Entscheidung, vor Ort zu recherchieren, hatten viele Stunden gelegen. Immer wieder hatte ich das Tablet weggelegt, den Kopf geschüttelt, um dann doch halb interessiert weiterzulesen. Zwischendurch ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich zum Telefon schielte – in der Hoffnung, irgendein anderer vielversprechenderer Auftrag würde mich von dieser wahnwitzigen Idee abhalten. Allein das Benzingeld für die Fahrt – mein GTX fraß fünfzig Liter auf hundert Meilen – rechtfertigte einen Ausstieg aus der Sache. Das Problem war: Das Ganze war so absurd, dass ich erst recht wissen wollte, worum es eigentlich ging.

Ein Mann namens Luis Pacheco war der Hauptdarsteller in diesem Schmierentheater. Und es schien, als hätten die Zeitungen von New Orleans schon alles geschrieben. Am lustigsten war die Schlagzeile der »Orleans News«: »Hitler's Diaries Reloaded!« Wobei ich bezweifelte, dass jüngere Leser überhaupt die spöttische Anspielung auf den Skandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher verstanden.

Nur ging es dieses Mal um Dokumente, die aus der Zeit des Sonnenkönigs stammen sollten. Mit dem Unterschied, dass sie verschwunden waren, sodass man die Echtheit des Fundes nicht überprüfen konnte. Sie wären wahrscheinlich im Schreibtisch von Napoléon gefunden worden, hieß es scherzhaft. Vielleicht hatte sie auch der fünfte Musketier während des Sturmes auf die Bastille von dort herausgeschmuggelt.

Die meisten anderen Zeitungen hielten sich mit der Häme etwas mehr zurück, denn offenbar war Luis Pacheco übel zugerichtet worden bei dem Raubüberfall. Es war ein Wunder, dass er diesen überhaupt überlebt hatte. Aber alle Titelseiten waren voll davon und keine schien auch nur im Ansatz dieser Geschichte eine Chance auf Wahrheit zu geben. Vielleicht war es das, was mich reizte.

Ich rief Vince an, meinen besten Freund. Früher hatten Doyle und ich uns immer ausgetauscht, wenn wir Alleingänge unternommen hatten, damit der andere Bescheid wusste, falls man mal nicht zurückkehrte. Ich konnte den Neid von Vince durch das Telefon förmlich riechen. Ich fuhr in die Stadt des Blues und des Jazz. Ich mochte Blues durchaus – wenn man ihn mit Rock mischte. Aber mit Jazz konnte man mich jagen. Aber Vince war Feuer und Flamme.

»New Orleans? The Big Easy?«

Ich schmunzelte. Eigentlich sprach Vince ganz normal, aber wenn er aufgeregt war, klang er wie Eddy Murphy auf Ecstasy. In manchen Punkten war er so was von Klischee.

Bevor ich das Tablet abschaltete, tat ich etwas, was mir vor einem halben Jahr noch unmöglich erschienen wäre: Ich checkte meine Social Media Konten. Ich hatte eine neue Nachricht und eine neue Freundschaftsanfrage.

Die Nachricht kam von so einem Typen aus Schweden, der für ein Buch recherchierte und mir dafür schon tausend Fragen über alltägliche Dinge im Leben eines amerikanischen Journalisten gestellt hatte. Keine Ahnung, wie BlackDragon überhaupt auf mich gekommen war. Dafür hatte der Typ Ahnung von Computern, das konnte irgendwann doch noch mal von Nutzen sein.

Die Freundschaftsanfrage kam von einer Cherry Loster. Das Profil war spärlich, das Profilbild hingegen interessant. Ein kirschroter Mund nippte an einem roten Strohhalm, der in einem Cocktailglas steckte. Irgendwas zwischen klassisch und billig. Was sollte es, löschen konnte ich sie später immer noch, falls sie mir lästig werden würde.

 

Kapitel 4 (New Orleans)

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Normalerweise behelligte ich meine Ex-Freunde nicht. In diesem Fall hatte ich eine Ausnahme gemacht und Rob gebeten, den Kontakt zu seinem Cousin Tommy beim New Orleans Police Department herzustellen. Ich brauchte Einsicht in die Polizeiakten von Luis Pacheco und eine persönliche Empfehlung machte sich einfach immer gut.

Rob hatte sich zuerst geziert, denn er hielt seinen Cousin Tommy schon seit Urzeiten für einen Trottel und wollte nicht für eine weitere Katastrophe in dessen Leben – in diesem Fall mit mir als Auslöser – verantwortlich sein. Irgendwann fuhr ich härtere Geschütze auf und erkundigte mich nach dem Befinden von Matt, seinem kleinen Bruder. Mit ihm war ich in der High School zusammen gewesen, für mich ein Spiel, für ihn bitterer Ernst. Matt hatte mich als Hausmütterchen in der Pampa gesehen und war dementsprechend geknickt gewesen, als ich seinen Heiratsantrag entsetzt abgelehnt und am Tag darauf aus der Gegend verschwunden war. Ein paar Jahre später hatte ich anlässlich eines Zwischenstopps in Buffalo eine heiße Affäre mit Rob, wovon der sensible Matt bis jetzt nichts wusste. Und, tja, Rob hatte lächerlicherweise immer noch ein schlechtes Gewissen deswegen und würde so einiges tun, damit Matt auch unwissend blieb. Matt war ihm wichtiger als Tommy und so kam ich doch noch zu meinem Kontakt beim NOPD. Doch die Freude währte nur kurz, denn abschließend hatte er gesagt: »Süße, du wirst dich bei Pacheco hinten anstellen müssen. Niclas Richmond, einer unserer freien Journalisten, ist an der Sache dran. Und damit hast du ein Problem, Schätzchen!«

Sein Tonfall stimmte mich misstrauisch. Abgesehen von Robs Warnung – Richmond, Buffalo, Journalist – redete er von dem Rich? Natürlich, der Hedderby-Skandal! Hatte schließlich wochenlang Schlagzeilen gemacht. Illegaler Handel mit Chemiewaffen, spektakuläre Festnahme, der lange Prozess und dieser junge Reporter, dessen Gesicht auf einmal auf allen Kanälen zu sehen war. Verdammt, wie lange war das jetzt her? Zwanzig Jahre? Ich hatte nie wieder was von dem Typen gehört und hoffte, dass ich mich irrte. Ich konnte keinen Reporter brauchen, der hier in meinem Fall herumschnüffelte, weder einen Star-Reporter noch einen anderen. Allerdings wäre es doch gelacht, wenn ich ihn nicht loswerden oder zumindest ein klitzekleines bisschen aufs Glatteis führen könnte. Ich hatte eine Idee und mit etwas Glück würde die Reaktion nicht allzu lange auf sich warten lassen.

Und - YES! – ein Pling kündigte den Eingang der heiß ersehnten Nachricht an. Niclas Richmond hatte meine Freundschaftsanfrage angenommen. Rote Lippen verfehlten selbst im Social Media-Zeitalter nie ihre Wirkung. Jetzt noch eine persönliche Nachricht an ihn und ich hatte Nicky Richmond endgültig an der Angel. Wenigstens ein kleiner Erfolg. Doch jetzt lagen noch Stunden vor mir, in denen ich mich durch einen Berg von Notizen kämpfen musste.

 

Kapitel 5 (Saint Rose)

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Der nächste Morgen. Endlich mal wieder eine Nacht, in der ich durchschlafen konnte. Seit vielen Jahren ein Luxus, den ich zu schätzen gelernt hatte. Kaffee zum Frühstück und Kaffee für die Fahrt – das war am Morgen erst mal das Wichtigste. Tablet und mein Blackberry waren geladen wie meine Glock. Nur ich war immer noch ein bisschen motivationslos. Ein Luxus, den ich mir seit Jahren schon nicht mehr erlauben konnte und es doch immer häufiger tat. Die Route hatte ich mir jedenfalls einmal angesehen und damit war sie eingeprägt. Dank Vince musste ich mir keine Gedanken um Hotelkosten machen. Das hätte mein Budget auch gesprengt. So war mein erstes Ziel Saint Rose, ein Vorort von New Orleans. Charly und Tamlyn Harris waren über so viele Ecken mit Vince verwandt, dass ich den Eindruck hatte, er war sich selbst nicht sicher wie, als er versucht hatte, es mir zu erklären. War auch nicht wichtig. Sie wussten, dass ich kommen und für ein paar Tage bleiben würde. Ich hatte Vince nur versprechen müssen, dass ich sie nicht in Gefahr bringen würde. Na ja, irgendein royales jahrhundertealtes Gekritzel würde wohl heutzutage kaum noch eine Brisanz hervorrufen können, die in Lebensgefahr mündete.

»Bleib locker«, hatte ich Vince beruhigt, »die werden kaum merken, dass ich da bin.«

Meine kleine Tasche verlor sich im Kofferraum meines GTX. Ich hatte gerade den Motor gestartet und zufrieden dem beruhigenden Blubbern des Hemi-V8 gelauscht, als sich mein Blackberry meldete. Es war Rob.

»Rich?«

Ich nickte, bis mir klar wurde, dass er das nicht sehen konnte.

»Rob?«

Robs Stimme gefiel mir gar nicht. Für einen Moment hoffte ich, er würde etwas sagen, das mich dazu brachte, statt in die Südstaaten in den Norden Buffalos zu fahren, wo mein Büro lag.

»Weißt du … Wegen der alten Zeiten. Cherry bringt mich um, aber ich musste dich warnen.«

Ich wurde hellhörig. Ich glaube, genau an der Stelle begann der Fall für mich interessant zu werden.

»Cherry Loster?«, fragte ich und entweder war Rob so überrascht, dass mir dieser Name ein Begriff war, oder er wägte ab, ob er das bestätigen konnte oder nicht.

Er bestätigte. Alles andere hätte auch kaum Sinn gemacht, denn Cherry Loster würde ihn ohnehin schon umbringen wollen. Da kam es darauf kaum noch an.

»Woher kennst du die denn?«, fragten wir nahezu gleichzeitig.

»War Matts erste Freundin«, antworte er dann als erstes. »Mein kleiner Bruder.« Rob machte eine kleine Pause. »Ja, und viele Jahre später waren wir auch … Aber nur ganz kurz. Ist egal, daher kenne ich sie jedenfalls.«

»Okay, und was hat das jetzt mit mir zu tun?«

»Rich, sie ist bereits in New Orleans. Ich habe ihr einen Kontakt beim NOPD gegeben. Thomas Donell.«

Ich lachte.

»Du meinst deinen Cousin Tommy?« Ich kannte die alten Geschichten über seinen – vorsichtig ausgedrückt – etwas unselbstständigen Cousin. »Der ist jetzt Polizist?«

»Lieutenant sogar«, antworte Rob und ich hätte fünf Liter Sprit verwettet, dass er dabei die Augenbrauen abfällig hochgezogen hatte. »Habe ihn gestern noch angerufen, ob er da was drehen kann, und es stellte sich heraus: Er kann. Er könnte. Aber ich glaube nicht, dass er seinen Job riskiert und sie aus ihm was rauskriegt, was nicht eh schon in der Presse stand.«

Waren jetzt alle komisch geworden? Was sollte der Anruf? Wenn sie eh nichts aus ihm rauskriegen würde, war doch alles in Ordnung. Ich würde ihn in Ruhe lassen. Er war der Cousin des Typen, mit dem ich es zusammen unzählige Male auf die Titelseite des »Buffalo Star« geschafft hatte. Den würde ich nicht dazu bringen wollen, seinen Job zu riskieren. Jedenfalls nicht für so eine laue Story.

»Da sind die Straßen von New Orleans ja in guten Händen!« Ein bisschen Spott konnte Rob vertragen. »Aber wovor genau wolltest du mich denn nun warnen?«

Rob schnaufte hörbar.

»Konkurrenz hat mich noch nie gestört«, sagte ich weiter. »Egal, für welche Zeitung sie …« Ich stockte. »Für welche Zeitung schreibt sie eigentlich?«

»Für keine. Sie übernimmt Aufträge und so, so wie du jetzt.«

Ein weiblicher Privatdetektiv? Ich lachte. Dafür waren die roten Lippen? Zum Blenden?

»Sie ist gut, also, nehme ich an.«

»Nimmst du also an«, schmunzelte ich leicht verächtlich.

Klar tat er das. Immerhin hatte er die Schnalle schon mal … Na ja, in jedem Fall war da mal was mit ihr gelaufen.

»Ich hab‘ dich gewarnt. Wenn sie da mitmischt, geht es ganz sicher nicht um eine royale Klatschgeschichte.«

»Alles klar«, grinste ich amüsiert. »Danke für den Tipp.«

Als ich auflegte, warf ich einen raschen Blick auf Facebook und sah eine Nachricht von Cherry Loster:

»Hi Niclas, danke für die schnelle Annahme. Auf einen regen Austausch. Super-Girlie-Smiley, Küsschen, Herzchen«

Oh mein Gott!

Darunter stand: »Gesendet aus New Orleans, Hotel Coeur de Lis«

Ich grinste. Wollte sie mir wirklich weismachen, Facebook hätte das geschrieben? Sie wollte mich also treffen. Warum? Kennen konnte sie mich nicht. Niemand nannte mich Niclas. Bei der ersten Pause werde ich mir die Dame virtuell mal etwas näher ansehen, dachte ich.

Ich gab vorsichtig Gas und langsam setzte sich mein GTX in Bewegung.

 

Kapitel 6 (New Orleans)

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Je mehr ich mich in die Notizen vertiefte, umso absurder wurde dieser Fall. Vor allem die Verwicklung von Mary Anne Greens Urur-Irgendwas-Großmutter Lisette de La Vallière darin. Lisette de La Vallière, die nicht nur zur selben Zeit wie die geheime Sonnenkönigin am französischen Hof gelebt haben, sondern auch noch den gleichen Nachnamen wie diese getragen haben sollte. Ihre Urahnin war nach Mary Annes Aussagen, wie so viele andere ehemalige treue Gefolgsleute des Sonnenkönigs auch, ein Opfer der damaligen Politik geworden und darum in der Bastille inhaftiert gewesen. Viel mehr wusste sie auch nicht zu sagen.

Ein Stapel an Internetausdrucken zu Louis XIV., dem Sonnenkönig, und dem ganzen Drumherum hatte ich ebenfalls vor mir ausgebreitet. Wenn man dem Glauben schenken konnte, dann waren im Jahr 1727 fünfundfünfzig Gefängnisinsassinnen aus der Bastille entlassen und in Begleitung von Nonnen des Ursulinen-Ordens nach Amerika verschifft worden. Je nach Quellenangabe handelte es sich dabei entweder um Frauen, die danach in New Orleans im Dienste des Ordens Gutes tun sollten, oder um potenzielle Ehefrauen für die Kolonisten. Wie auch immer, angeblich hatte es sich bei einer der befreiten Gefangenen um Lisette de La Vallière gehandelt. Hm, und was hieß das jetzt für mich?

Ich nahm die blassen Kopien einiger abgerissener Tagebuchseiten dieser Lisette zur Hand. Genau daran klammerte sich Mary Annes Überzeugung. Sie hatte vor dreizehn Jahren ihre Großmutter Louise Angélique leblos in deren Schafzimmer mit diesen wenigen, blutverschmierten Zetteln in der Hand aufgefunden. Der Rest des Tagesbuches war mit den anderen Dokumenten verschwunden. Mary Anne hatte dann ihre gesamte Kindheit und Jugend damit verbracht, die wenigen Puzzlestücke, die die halben Tagebuchseiten preisgegeben hatten, zusammenzusetzen und die Lücken zu füllen.

Da ich dieses verdammte barocke Französisch nicht lesen konnte, musste ich mich ganz auf diese – Mary Annes – Übersetzung verlassen:

»Mutter Marie Constanze verstand, dass meine Ehre es mir gebot, dem Wunsche und Gebote des Duc du Maine zu entsprechen, alles in meiner Macht Stehende bis zu meinem Tode und darüber hinaus zu tun, um das Vermächtnis meiner geliebten und verehrten Königin und des Königs zu schützen und zu wahren, bis der Tag gekommen wäre, an dem das Hause Bourbon in Demut und voller Stolz gleichermaßen dem Volke die Wahrheit offenbaren möge. Der Anblick des Blutes auf ihrer Robe bleibt mir auf ewig im Gedächtnis. Ein Stich, heimtückisch ausgeführt an ihrer Seite, um sie im Angesicht des Todes zum Verrat nicht nur an mir, sondern am König und der Königin zu verführen. Sie starb in meinen Armen, das Bündel Urkunden eingenäht über ihrem Herzen, in ihrer heiligen Robe. Gott sei ihrer Seele gnädig.«

 

Diese Schachtelsätze brachten mich um den Verstand, aber der Weg dieser Dokumente war von Anfang an mit Blut gezeichnet gewesen – so viel war sogar mir klar. Und offenbar hatte Lisette zu dieser Zeit mehr um ihr Leben gefürchtet als die Jahre zuvor im Pariser Gefängnis.

Was mich betraf, so zweifelte ich an dieser Geschichte, die sich eher nach einem kitschigen historischen Schinken oder einem billigen Krimi anhörte. Doch Mary Anne glaubte daran und je mehr Experten die Authentizität dieser Seiten anzweifelten, desto besessener schien Mary Anne von der Idee zu sein, das Gegenteil zu beweisen. Ich hatte das Leuchten in ihren Augen gesehen, als sie mir das erste Mal davon erzählt hatte, damals in Paris.

Meine Gedanken verknoteten sich zwischen den ganzen Louise Angéliques, Constanzes und dem Frankreich des achtzehnten Jahrhunderts. Ich brauchte sofort eine Pause, bevor mich endgültig der Wahnsinn ergriff.

Zeit für einen Ausflug ins New Orleans Police Department. Mal sehen, ob die Cops hier genauso tickten wie in New York City und was Tommy zu bieten hatte. Ob ich ihn beziehungsweise er mich wiedererkennen würde? Ich hoffte eigentlich, dass er sich nicht an mich erinnerte. Wir waren uns als Teenager ein paar Mal bei Matts Eltern über den Weg gelaufen und ich konnte den Idioten nicht leiden, der mich damals mit wenig schmeichelhaften Kosenamen belegt hatte. Angefangen bei »Matts Karotte« wegen meiner roten Haare bis hin zu »Bohnenstange«. Aber ich musste in den sauren Apfel beißen. Ich brauchte freien Zugang zu den Polizeiakten. Die paar Blocks würde ich zu Fuß gehen. Auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie sicher das Viertel hier war, da ich bisher um New Orleans, besser gesagt die Südstaaten generell, einen großen Bogen gemacht hatte. Die Welt war traurig genug, wozu sich dann noch das als Blues klassifizierte Katzengejaule reinziehen? Um meine Sicherheit machte ich mir keine Sorgen, denn Johnny und Jackie, meine beiden maßgefertigten Karambit-Messer, begleiteten mich. Jackie in meiner linken Hosentasche und Johnny steckte im Schaft meiner rechten Stiefelette. Ein Kampf käme mir mehr als ungelegen, denn mit Jackie und Johnny ging es nie ohne Sauerei ab und ich legte keinen Wert darauf, erkennungsdienstlich erfasst zu werden. Außerdem wollte ich mein Lieblingsshirt nicht mit Blut besudeln. Die Flecken gingen immer so schwer raus.

»Madame Bourbons – Éclairs et Croissants du Roi«, wenn das mal nicht ein Fingerzeig des Schicksals war. Es war unmöglich, dem Duft, der zur offenen Ladentür rauskam, zu widerstehen. Und auch wenn die Besitzerin, Madame Bourbon, einen texanischen und nicht einmal den Hauch eines französischen Akzentes hatte, verließ ich ihre Bäckerei mit einem Karton voller frischer Eclairs.

Damit trudelte ich kurz vor neun Uhr dreißig im achten Revier des NOPD ein und hoffte, dass die Officer dort genauso empfänglich für Süßkram waren wie überall anders auch. Lieutenant Thomas Donell erkannte ich nach all den Jahren sofort an seinen hellorangen Haaren und dem sommersprossigen Gesicht.

»Lieutenant Donell! Hi, Rob hat mich angekündigt, ich bin …«

Lautstark unterbrach er meine Begrüßung: »Bohnenstange, lange nicht gesehen!«

Er umarmte mich, drückte mich lange und ausgiebig an sich. Hätte ich nicht gewusst, dass es sich um Tommy handelte, ich hätte ihm unlautere Absichten unterstellt. So zwang ich mir ein begeistertes Schultertätscheln und ein freundliches Lächeln ab, während ich ihn geistig für die Bohnenstange mit Jackie einen Stock tiefer bluten ließ.

Tommys Begrüßung war nicht unbemerkt geblieben, was gar nicht so schlecht war. So konnte ich meine süßen Köstlichkeiten verteilen. Meine knappen Jeans und mein T-Shirt erledigten den Rest.

»Lieutenant Donell … Oder darf ich noch ›Tommy‹ sagen? Rob hat mich zwar angekündigt, aber er glaubt, ich bin auf eigene Rechnung hier …« Meine Stimme wurde immer leiser und den Rest hauchte ich in sein Ohr.

Er räusperte sich vernehmlich und bat mich nun sehr formell, ihm zu folgen. Der Art zufolge, wie er die Schultern straffte, war mein Auftritt überzeugend genug gewesen.

»Agent Loster! Selbstverständlich werden wir alle Sie unterstützen, wo immer es uns möglich ist.«

Tommy schnappte sich im Vorbeigehen einen Stapel Akten von einem Tisch. Die Verhörräume waren überall gleich schäbig, doch das wir mir egal.

»So, Cherry, hier sind die Akten, wenn du Kopien brauchst, veranlasse ich das selbstverständlich.« Er nestelte ungeschickt an seinem Hemdkragen herum, die Ohren hochrot. »Und … wegen vorhin, ich meine …«

Genüsslich weidete ich mich ein paar Sekunden an seinem Gestammel, bevor ich ihm zuzwinkerte und ihn erlöste.

»Tommy, alles okay. Wichtig ist nur, dass über diese Akten nichts nach außen dringt. Wer auch immer danach fragt, selbst wenn es jemand ist, den du meinst, genauso gut wie mich zu kennen, halte dich an die offiziellen Vorgaben. Dann steht deinem Sprung auf der Karriereleiter nichts im Weg. Vertrau mir!«

Gutgläubig war der gute Tommy immer noch. Erleichtert trollte er sich und ließ mich allein. Ich blätterte in Ruhe die Akten durch.

Luis Pacheco, geboren in New Orleans, noch nicht mal dreißig Jahre alt. Vater vor einem Jahr bei einem Helikopterabsturz verstorben, ein Bruder, Alvaro Pacheco. Das wusste ich bereits. Auch, dass man ihm Verbindungen zu Mafiakreisen nachsagte. Ich sah mir die Fotos von Luis Pacheco an. Wirklich nicht von schlechten Eltern mit den dunklen Haaren und dem olivfarbenen Teint, Typ rassiger Spanier. Er hatte angeblich historische Familiendokumente aus dem achtzehnten Jahrhundert verkaufen wollen und war auf dem Weg zum Auktionshaus ausgeraubt und zusammengeschlagen worden.

Wie auch immer, irgendetwas an der Geschichte stank zum Himmel. Bauchgefühl. Das Ganze passte ganz und gar nicht zusammen. Wozu jemanden zusammenschlagen und ihn im wahrsten Sinn des Wortes bis auf die Unterhose ausziehen, wenn man angeblich schon alles hatte? Außerdem hatte Pacheco Schnittwunden am gesamten Körper, oberflächliche zwar, aber dennoch. Vor allem ein Schnitt um den kleinen Finger der linken Hand irritierte mich. Mit Schnittwunden kannte ich mich dank meiner Spezialausbildung aus, das war ein Zeichen. Die wichtigsten Seiten aus den Akten fotografierte ich mit dem Handy. Das war’s vorerst gewesen.

Ich dankte Tommy aus vollem Herzen und verabschiedete mich mit einem bühnenreifen Abgang. Die »Bohnenstange« hatte sich schon lange ausgewachsen und meine fast hüftlange rote Mähne tat ein Übriges dazu, dass mich die Officer des achten Reviers nicht so schnell vergessen würden. Auf deren Hilfe würde ich jederzeit zählen können!

Als Nächstes stand Pacheco auf meiner Liste. Ihn wollte ich auf alle Fälle vor Richmond in die Finger kriegen und Rob hatte mir leider nicht verraten wollen, wann mit dessen Ankunft zu rechnen war. Die Zeit drängte.

 

Kapitel 7 (Hotel Coeur de Lis)

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Das Coeur de Lis machte den gehobenen Eindruck, den man bei vier Sternen und den horrenden Preisen auch erwarten durfte. Davon hatte ich mich bereits auf deren Internetpräsenz überzeugen können. Ich war froh, ein sauberes, gebügeltes Hemd eingesteckt zu haben. So sah ich ganz passabel aus. Das war New Orleans hier, nicht Hollywood, beruhigte ich mich. Im Badezimmer der Harris´ klaute ich etwas von Charlys Rasierwasser. Nicht, dass ich selbst keins besessen hätte, aber selbst im Drogerie-Discounter meines Vertrauens war ich inzwischen bei der untersten Preiskategorie angekommen. Für die Bars in Buffalo mochte das reichen, für einen Edelschuppen wie dem Coeur de Lis hatte ich da meine Zweifel. Und für Cherry Loster …

Der Name klang interessant. Einerseits. Aber er klang auch nach einem Künstlernamen. Für eine Revueshow vielleicht. Jemand, der mit einem tollen Namen versuchte, besonders sexy zu wirken. Wofür stand Cherry? Ich nahm an, das war nicht der richtige Name der Dame, und ärgerte mich, Rob die Frage nicht gestellt zu haben. Sie war mir nicht wichtig genug erschienen und wenn ich ehrlich war, hatte sich daran nichts geändert. Aber Rob war sich so sicher gewesen, dass sich unsere Wege hier kreuzen würden. Na ja, ich war immer schon ein Freund der Konfrontation gewesen – Revier abstecken. Sie konnte gerne machen, was sie wollte, solange sie mir nicht in die Quere kam.

Cherry … Für Sheryl vielleicht? Wahrscheinlich heißt sie Ruth oder so, dachte ich und schmunzelte.

Das Internet hatte nicht viel über sie ausgespuckt. Das verwunderte mich nicht. Ich konnte mir jeden Namen und jede Geschichte dazu, die ich in meinem Leben gelesen hatte, merken. Namen gingen direkt intravenös ins Langzeitgedächtnis. Und wenn sie aus Buffalo stammte, hätte sie es irgendwann in den »Buffalo Star« oder eines der weniger bedeutenden Blätter der Stadt geschafft. Wäre sie gut gewesen.

Mich ärgerte, dass ich mich so viel mit ihr beschäftigte. Erwartete ich ernsthaft, dass sie schon Hinweise auf den Fall gefunden hatte, die die Wolfsrudel der lokalen Presse noch nicht entdeckt hatten? Wovon ließ ich mich blenden? Von einem kirschroten Mund oder einem albernen Namen? Ihr Gesicht konnte es kaum sein, denn das hatte ihr Profilbild nur zu einem Teil offenbart. Wobei ich zugeben musste, der Name beschäftigte mich und machte mich sehr neugierig, ob die Dame so attraktiv war, wie er vermuten ließ. Wobei es eigentlich egal war. Frauen, die direkt an meinen Fällen beteiligt waren, hatten mich noch nie wirklich interessiert. Mehr als ein Dutzend waren es nicht gewesen und auch die meist erst, wenn der Fall abgeschlossen war. Außer der Spaß konnte den Ausgang eines Falles in meine Richtung lenken. Ich war da pragmatisch genug und zu Hause gab es niemanden, der mir diesbezüglich Vorwürfe machen konnte.

Ich parkte den GTX nur wenige Meter vom Hotel entfernt. Als ich ausstieg, schallte mir Musik entgegen, die mich verwunderte. Offenbar gab es kein Gesetz in New Orleans, das jedes Hotel und jeden Club dazu verpflichtete, Blues oder Jazz zu spielen. Dass es eine Live-Band war, konnte man schon von draußen hören. Der Song, den sie spielte, als ich das Hotel betrat, klang wie eine frische Aufbereitung alter The Cure-Klänge. Nicht übel.

Eigentlich ein abgefahrener Laden, nur fühlte ich mich zwischen all den Schwarzgekleideten mit meinem fröhlichen anthrazitfarbenen Hemd seltsam fehl am Platz. Und das noch bevor ich das Plakat mit der Ankündigung »Gothic Night« entdeckt hatte. Nur, wie sollte ich in diesem überfüllten Laden jemanden finden, den ich nicht kannte?

Ich kämpfte mich zur Bar durch und bestellte mir ein Bier. Der Barmann musterte mich skeptisch und als er mir den Preis nannte, verstand ich, warum. Für so einen Betrag schlug ich mir normalerweise den Bauch voll und es reichte dann immer noch für ein Bier zum Nachtisch. Zähneknirschend gab ich ihm den Schein plus ordentlichem Trinkgeld, hielt ihn aber fest, als er ihn nehmen wollte.

»Eine Frage«, rief ich gegen die Musik an. »Ich suche eine Cherry Loster.«

»Wen?«

»Cherry Loster«, schrie ich. »Niclas Richmond, ›Buffalo Star‹, ich bin hier wegen dieser Sache mit Luis Pacheco und …«

»Ja«, unterbrach mich der Barmann mit einem süffisanten Lächeln. »Ziehen Sie eine Nummer!«

Weg war er mit meinem großzügigen, schlecht angelegten Trinkgeld.

Jetzt würde ich erst mal in Ruhe das Bier austrinken. Cherry wohnte sicher nicht in diesem edlen Laden, aber man wusste nie.

Hinter der Theke an der Rezeption standen zwei Frauen. Die waren mir gegenüber sicher auskunftsfreudiger. Ich hatte überhaupt keine Bedenken. Ich würde sie schon finden. Aber dann fand sie mich.

»Hi, Süßer! Na, auf der Suche?«

Ich war geblendet. Zwischen all den Möchtegern-Gothic-Ladys strahlte sie in ihrem grünen T-Shirt mit der überdimensionalen Lilie drauf förmlich heraus. So was von underdressed – aber die Schnitte konnte es sich leisten. Blicke wie diese brachen Männerherzen im Akkord. Mein Herz war immun gegen so was, der Rest dagegen zugegebenermaßen ziemlich angetan.

 

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» … Mr. Pacheco, bitte, wir sind das FBI und nicht irgendein Police Department. Sie machen eine ordnungsgemäße Aussage und wir bringen Sie im Gegenzug ohne Aufsehen – und ohne Presse – aus der Stadt. Uns ist Ihre Sicherheit tatsächlich wichtig.«

Besser hätte das Telefonat mit Luis Pacheco gar nicht laufen können. Im Gegensatz zur Presse und der örtlichen Polizei hatte ich seine Story über geheime historische Dokumente nicht ins Lächerliche gezogen. Bald würde ich wissen, ob ich jetzt endlich eine frische Spur in meinem Fall hatte.

»Ich erwarte Sie in einer Stunde am vereinbarten Ort. Bis dann, Mr. Pacheco!«

Genüsslich wiegte ich mich im Takt der Musik und orderte mir als Belohnung einen weiteren meiner Lieblingscocktails.

Bloody hell! Wenn mich mein Instinkt nicht ganz täuschte, betrat Niclas Richmond gerade die Bar. So schnell hatte ich nicht mit ihm gerechnet. War er doch nicht mit dem Auto hergefahren, wie Rob gesagt hatte? Jetzt konnte ich nicht mal meinen heiß geliebten Whiskey Sour mit echter Maraschino Kirsche in Ruhe genießen. Und Luis Pacheco würde vermutlich auch bald eintrudeln.

Für sein Alter sah Richmond gut aus, nicht geschniegelt und gestriegelt, sondern lässig. Ich mochte Männer mit Kanten. Mit seinen Jeans und dem dunkelgrauen Hemd leuchtete er aus der Masse der Gothic-Freaks mindestens genauso heraus wie ich. Was ihn mehr als sympathisch machte, aber nichts daran änderte, dass er meinen Auftrag gefährden konnte, wenn ich es nicht richtig anpackte. Ich drängte mich zu ihm durch und bekam gerade noch mit, wie er sich nach mir erkundigte.

»Hi Süßer! Na, auf der Suche?« Ich weiß wirklich nicht, welcher Teufel mich auf einmal ritt, doch ich konnte nicht anders, als den Stick mit der Kirsche aus meinem Whiskey Sour zu nehmen und fortzufahren: »Ich bin Cherry Loster. Cherry wie diese Kirsche hier …« Genussvoll und langsam ließ ich die Kirsche in meinen Mund wandern. »Und wenn ich mich nicht irre, bist du … Nicky … Richmond!«

 

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Hatte sie gerade »Nicky« gesagt? NICKY? Ich wusste nicht, ob ich verärgert sein sollte oder amüsiert. War das ein kleiner billiger Versuch, mich zu provozieren? So wie das Spielen mit der Kirsche, die sie so genüsslich an ihren knallroten Lippen – ich tippte auf Ferrari Red von Giorgio Armani – vorbeigeführt hatte, dass es eindeutig gewollt lasziv wirkte? Nein, Baby, vergiss es, du spielst hier mit den Erwachsenen! Ich zeigte ihr ein süffisantes Lächeln und sah ihr mit leicht zusammengekniffenen Augen in die ihren. Sie hielt dem Blick nicht lange stand, konterte aber direkt mit einem Augenaufschlag, der eigentlich zu gekonnt aussah, um bei mir eine Wirkung zu erzielen. Und doch konnte ich nicht anders, als mich von ihren strahlend blauen Augen einfangen zu lassen. Obwohl ich wusste, dass genau das ihr Plan gewesen war.

»Niclas Richmond«, sagte ich mit deutlicher Betonung auf die zweite Silbe meines Vornamens, mit dem mich nicht mal mehr mein Vater angesprochen hatte. »Meine Freunde nennen mich Rich.« Ich übersah ihr breites Grinsen.

»Aber das sind wir ja nicht«, lachte sie und zwinkerte mir zu. »Noch nicht. Meine Freunde nennen mich übrigens Special Agent Loster.« Sie hielt mir tatsächlich einen FBI-Ausweis vor die Nase und blickte mich rotzfrech an.

»FBI?«, fragte ich irritiert.

»So sieht es aus, Sweety. Du betrittst gerade mein Revier!«

Warum hatte Rob nicht erwähnt, dass sie Bundesbeamtin war?

»Ich arbeite nur undercover. Nur wenige Leute, die mich kennen, wissen davon. Sonst könnte man ja nicht undercover arbeiten.«

Erzähl mir mehr, dachte ich. Ich war bei verdeckten Einsätzen des FBI schon hautnah dabei gewesen und konnte das als Referenz gut einordnen. Wenigstens war ich dieses Mal auch wieder vor Ort und würde dem FBI erneut den Arsch retten. Nur dieses Mal einen ganz besonders süßen … Rich! Konzentrier dich!

Agent Cherry hatte sich mit den Worten »Lass uns irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist« umgedreht. Sie schien sich auszukennen und so folgte ich ihr bis zu einer Tür, die nach draußen zum hoteleigenen Pool führte. Zu dieser Zeit schwamm da niemand mehr drin und auch die Liegen waren nicht mehr besetzt. Nur in der Ecke saß ein verliebtes Pärchen an einem Tisch und hielt Händchen. Ich war mir ziemlich sicher, das gehörte nicht zum Plan von Cherry Loster.

»Luis Pacheco«, sagte sie, als uns keiner mehr hören konnte. »Er liegt im New Orleans Municipal Hospital. Es geht ihm besser, wie ich hörte. Unsere Leute sitzen da vor Ort und passen auf, dass niemand das Werk noch erfolgreich abschließt. Ich würde ihn gerne persönlich interviewen, jetzt, wo er wieder zu sich gekommen ist. Und da ich dich sowieso nicht loswerde, kannst du auch gleich direkt mitkommen.«

Dass das FBI jede Unterstützung benötigte, die es kriegen konnte, das war mir bekannt. Neu war, dass sie selbst um Unterstützung baten. Am liebsten hätte ich mir den Ausweis noch mal genauer angesehen, denn irgendwie kam mir die Sache seltsam spanisch vor.

»Denke ich auch«, antwortete ich. »So hören wir die Story aus erster Hand.«

»Gut, ich muss hier vorher noch was erledigen. Ich bin in einer halben Stunde am Haupteingang vom Krankenhaus. Dort erwartet uns dann ein Kollege von mir. Und Nicky …« Sie ließ ihre Hand auf meine Schulter fallen, als wäre ich ein alter Kumpel, und reagierte auf meinen finsteren Blick mit einem gekonnten Schmollmund. »Sei pünktlich!«

 

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Pacheco sollte jede Minute am hinteren Personaleingang auftauchen. Ich musste mit ihm draußen bleiben, damit er Richmond nicht über den Weg lief. Der wirkte zwar gar nicht so übel, aber ich hatte auf die harte Tour gelernt, niemandem zu vertrauen. Ich überzeugte mich davon, dass Johnny und Jackie an Ort und Stelle waren, und spähte hinaus.

Pacheco war schon da und lehnte an der Wand neben den Mülltonnen. Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, zuckte er zusammen. Seine rechte Hand in der Jackentasche schien eine Waffe zu umklammern, aber mein harmloser Anblick ließ ihn aufatmen. Seine ganze Haltung entspannte sich. Während ich nähertrat, checkte ich kurz ab, ob wir alleine in dieser Sackgasse waren.