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Francis Fukuyama, geboren 1952 in Chicago, studierte Politikwissenschaft in Harvard. Sein 1992 veröffentlichter Bestseller Das Ende der Geschichte, der auf einem Essay gleichen Namens aus dem Jahr 1989 basiert, machte ihn international bekannt. Fukuyama ist einer der bedeutendsten politischen Theoretiker der Gegenwart. Er lehrte an der Johns-Hopkins-Universität, erhielt 2015 den Skytteanischen Preis und veröffentlichte zahlreiche Bücher zur US-Politik. Derzeit ist er Professor für Politikwissenschaft an der Stanford-Universität.
In Deutschland erschienen unter dem Titel Das Ende der Geschichte?
In Deutschland erschienen unter dem Titel Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir?
Viele Jahrhunderte vor Martin Luther machte Augustinus eine ähnlich quälende Erforschung seines inneren Selbst in seinen Bekenntnissen durch. Anders als die Schriften Luthers griffen seine Werke jedoch keine etablierten Institutionen an. Sie lösten auch keine mächtigen Umwälzungen in der Politik und Gesellschaft seiner Zeit aus.
Streng genommen war Luther der Meinung, dass der Glaube ein Geschenk von Gott sei, das Ergebnis der Gnade Gottes und nicht etwas, das von Individuen herbeigewünscht werden konnte. Die Calvinisten entwickelten diese Doktrin durch die Überzeugung weiter, dass Individuen entweder prädestiniert seien, erlöst zu werden, oder nicht – sie hätten keinen Einfluss auf das Resultat. Nichtsdestoweniger war der Glaube beiden Ansichten nach ein Merkmal des inneren Selbst, verbunden mit dem Gehorsam Gottes Gesetz gegenüber, dessen Inhalt keiner menschlichen Entscheidung unterworfen sei.
In den Vereinigten Staaten herrscht erhebliche Verwirrung über den Begriff Mittelstand, da sich eine große Mehrheit der Amerikaner gern derartig einstuft, selbst wenn sie vermögenden Eliten angehören oder Gruppen, die man in Europa als Mitglieder der Arbeiterklasse oder gar als Arme kategorisieren würde. Die politisch relevanteste Gruppe ist die im dritten oder vierten Quintil der staatlichen Eigentumsverteilung, denn sie ist am anfälligsten für Stillstand oder Abstiegsmobilität.
»Kalifornische Taskforce zur Förderung von Selbstachtung und persönlicher sozialer Verantwortung« [Anmerkung des Übersetzers].
»Einem Zustand der Selbstachtung entgegen« [Anmerkung des Übersetzers].
»Bewegung für ein zweckgerichtetes Leben« [Anmerkung des Übersetzers].
»Vereinigt die Rechte« [Anmerkung des Übersetzers].
Der Schengen-Raum überschneidet sich mit der EU und der Eurozone, deckt sie jedoch nicht völlig ab. Manche EU-Staaten wie Irland und das Vereinigte Königreich traten ihm nicht bei, während Nicht-EU-Staaten wie Island und Norwegen ihm faktisch angehören.
»Eine neue Ordnung der Zeitalter« und »Aus vielen eines« [Anmerkung des Übersetzers].
Wie Lincoln es in seiner zweiten Amtsantrittsrede ausdrückte: »Ein Achtel der gesamten Bevölkerung waren farbige Sklaven, die sich nicht allgemein über die Union verteilten, sondern sich in ihrem südlichen Teil befanden. Die Sklaven verkörperten ein besonderes und mächtiges Interesse. Alle wussten, dass dieses Interesse so oder so die Ursache des Krieges darstellte.«
Die englische Sprache ist wie früher ein wichtiger Bestandteil der amerikanischen Identität, weshalb bi- und multilinguale Programme an öffentlichen Schulen umstritten sind.
Francis Fukuyama, »The Populist Surge«, The American Interest 13 (4), 2018, S. 16ff.
Larry Diamond, »Facing Up to the Democratic Recession«, Journal of Democracy 26 (1), 2015, S. 141–155.
Fukuyama, »The End of History?«, National Interest 16, Sommer 1989; The End of History and the Last Man, New York: Free Press 1992.
Ich interpretiere Hegel aus der Sicht von Alexandre Kojève, der die sich herausbildende Europäische Wirtschaftsgemeinschaft für die Verkörperung des Endes der Geschichte hielt.
Fukuyama, The Origins of Political Order. From Prehuman Times to the French Revolution, New York: Farrar, Straus and Giroux 2011; Political Order and Political Decay. From the Industrial Revolution to the Globalization of Democracy, New York: Farrar, Straus and Giroux 2014.
Ich danke all denen, die sich die Zeit genommen haben, mein Buch wirklich zu lesen. Siehe insbesondere Paul Sagar, »The Last Hollow Laugh«, Aeon, 21. März 2017, https://aeon.co/essays/was-francis-fukuyama-the-first-man-to-see-trump-coming
Seymour Martin Lipset Lecture; siehe Fukuyama, »Identity, Immigration, and Liberal Democracy«, Journal of Democracy 17 (2), 2006, S. 5–20; Latsis Lecture »European Identity Challenges«, gehalten an der Universität Genf im November 2011, siehe »The Challenges for European Identity« Global, 11. Januar 2012. http://www.theglobaljournal.net/group/francis-fukuyama/article/469/
Samuel P. Huntington, The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Century, Oklahoma City: University of Oklahoma Press 1991.
Steven Radelet, The Great Surge. The Ascent of the Developing World, New York: Simon and Schuster 2015, S. 4.
Zu einer umfassenden Darstellung der wachsenden globalen Ungleichheit siehe Branko Milanović, Die ungleiche Welt. Migration, das eine Prozent und die Zukunft der Mittelschicht, Berlin: Suhrkamp Verlag 2016, S. 50–54.
Diamond, a.a.O., S. 141–155.
Ali Alichi, Kory Kantenga und Juan Solé, »Income Polarization in the United States«, IMF Working Paper WP/16/121, Washington, DC: 2017; Thomas Piketty und Emmanuel Saez, »Income Inequality in the United States, 1913–1998«, Quarterly Journal of Economics 118 (1), 2003, S. 1–39.
Viktor Orbán, »Will Europe Belong to Europeans?«, Rede in Baile Tusnad, Rumänien, 22. Juli 2017, https://visegradpost.com/en/2017/07/24/full-speech-of-v-orban-will-europe-belong-to-europeans/
Rukmini Callimachi, »Terrorist Groups Vow Bloodshed over Jerusalem. ISIS? Less So«, New York Times, 8. Dezember 2017.
Orbán, a.a.O.
James D. Fearon, »What Is Identity (As We Now Use the Word)?«, unveröffentlichter Artikel, 3. November 1999.
Daniel Kahneman, Schnelles Denken, langsames Denken, München: Pantheon Verlag 2015.
Platon, Der Staat, Stuttgart: Reclam Verlag 2017, S. 180.
Ebd., S. 181.
Ebd., S. 181f.
Ebd., S. 182f.
Zu einer Beschreibung dessen, wie sich Isothymia in der Praxis auswirkt, siehe Robert W. Fuller, Somebodies and Nobodies. Overcoming the Abuse of Rank, Gabriola Island, British Columbia: New Society Publishers 2003.
Robert H. Frank, Choosing the Right Pond. Human Behavior and the Quest for Status, Oxford: Oxford University Press 1985, S. 7.
Geoffrey R. Elton, Europa im Zeitalter der Reformation 1517–1559, München: Verlag C.H. Beck 1982, S. 12.
Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen, Stuttgart: UTB 2017, S. 39. Siehe auch Martin Luther, Christian Liberty, hrsg. v. Harold J. Grimm, Philadelphia, PA: Fortress Press, 1957, S. 7f.
Charles Taylor, Quellen des Selbst. Die Entstehung der neuzeitlichen Identität, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1996.
Elton, a. a O.
Siehe Charles Taylor, Multikulturalismus und die Politik der Anerkennung, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 2009.
Siehe Arthur M. Melzer, The Natural Goodness of Man. On the System of Rousseau’s Thought, Chicago: University of Chicago Press 1990.
Jean-Jacques Rousseau, Diskurs über die Ungleichheit, Paderborn: Schöningh Verlag, 2008, S. 177, 189ff.
Ebd., S. 173.
Ders., Träumereien eines einsamen Spaziergängers, Reclam Verlag: Stuttgart 2003, S. 93f.
Charles Taylor, The Ethics of Authenticity, Cambridge, MA: Harvard University Press 1992, S. 26.
Rousseaus Glaube, dass Sex, nicht jedoch die Familie naturgegeben sei, scheint nicht auf das Verhalten gegenwärtiger Menschen zuzutreffen. Er hat jedoch recht, was heutige Schimpansen und wohl auch den mutmaßlich schimpansenartigen Vorfahren des neuzeitlichen Menschen angeht.
Zu einer detaillierteren Behandlung dieses Themas siehe Fukuyama, The Origins of Political Order, S. 26–38.
Frank, a.a.O., S. 21–25.
Alexandre Kojève, Introduction à la lecture de Hegel, Paris: Éditions Gallimard 1947.
Rex Glensy, »The Right to Dignity«, Columbia Human Rights Law Review 43 (65), 2011, S. 65–142.
Samuel Moyn, »The Secret History of Constitutional Dignity«, Yale Human Rights and Development Journal 17 (2), 2014, S. 39–73. Der Begriff Würde ist auch in Abtreibungsdebatten eingeflossen, da laut der katholischen Kirche die Menschenwürde mit der Empfängnis beginnt und einen unantastbaren moralischen Status hat.
Glensy (»Right to Dignity«, S. 77) merkt an, dass das Wort Würde im Federalist Paper Nr. 1 (von Hamilton) erscheint, doch nur in Verbindung mit dem Status hoher Amtsträger.
Taylor, Ethics of Authenticity, S. 29.
David F. Strauß, Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet, Neudruck der Ausgabe von 1835, o.O.: WBG 2012.
Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey, 505 U.S. 833.
Johann Gottfried von Herder, Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit, in Wolfgang Proß (Hrsg.), Johann Gottfried von Herder, Werke III, Bd. 1, München: Hanser Verlag 2002.
Ebd., S. 256.
Herder war kein besonderer Anhänger der absoluten Monarchien seiner Epoche und glaubte nicht, dass sie dem menschlichen Glück zuträglicher seien als die staatenlosen Gesellschaften Nordamerikas oder Afrikas. Siehe Johann Gottfried von Herder, J.G. Herder on Social and Political Culture, Cambridge: Cambridge University Press 1969, S. 318f.
Ernest Gellner, Nationalismus und Moderne, Hamburg: Rotbuch Verlag 1995, S. 55.
Fritz Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland, Stuttgart: Klett-Cotta 2005, S. 85, 94.
Ebd., S. 68–139, passim.
Olivier Roy, »France’s Oedipal Islamist Complex«, Foreign Policy, 7. Januar 2016; ders., »Who Are the New Jihadis?«, Guardian, 13. April 2017.
Richard Barrett, Foreign Fighters in Syria, New York: Soufan Group 2014.
Siehe Omer Taspinar, »ISIS Recruitment and the Frustrated Achiever«, Huffington Post, 25. März 2015.
Gilles Kepel, Terror in Frankreich. Der neue Dschihad in Europa, München: Verlag Antje Kunstmann 2016; Robert F. Worth, »The Professor and the Jihadi«, New York Times, 5. April 2017; Robert Zaretsky, »Radicalized Islam, or Islamicized Radicalism?«, Chronicle of Higher Education 62 (37), 2016.
Sheri Berman, »The Lost Left«, Journal of Democracy 27 (4), 2016, S. 69–76. Siehe auch »Rose Thou Art Sick«, Economist, 2. April 2016.
Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, München: Verlag C.H. Beck 2014, S. 39–44, 226–247.
Die Zahl der Dollar-Doppelmilliardäre verfünffachte sich von 1987 bis 2013; ihr Gesamtvermögen ist höher als das des ganzen afrikanischen Kontinents. Milanović, a.a.O., S. 50–54.
Ebd., S. 11.
Alichi, Kantenga und Soléa.a.O., S. 5.
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Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle, Hamburg: Meiner Verlag 2010, S. 78.
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Ebd., S. 21–26. Siehe auch Francis Fukuyama, Das Ende des Menschen, Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 2002, S. 66–87.
Kahneman, a.a.O., S. 348–351.
Federico Ferrara, »The Psychology of Thailand’s Domestic Political Conflict. Democracy, Social Identity, and the ›Struggle for Recognition‹«, Manuskript, präsentiert auf dem internationalen Workshop »Coup, King, Crisis. Thailand’s Political Troubles and the Royal Succession«, Shorenstein Asia-Pacific Research Center, Stanford University, 24.–25. Januar 2017.
Siehe u.a. William Julius Wilson, The Truly Disadvantaged. The Inner City, the Underclass, and Public Policy, Chicago: University of Chicago Press 1988.
Charles Murray, Coming Apart. The State of White America, 1960–2010 New York: Crown Forum 2010; Robert D. Putnam, Our Kids. The American Dream in Crisis, New York: Simon and Schuster 2015.
Anne Case und Angus Deaton, »Rising Morbidity and Mortality in Midlife Among White Non-Hispanics in the Twenty-First Century«, Proceedings of the National Academy of Sciences 112 (49), 8. Dezember 2015; »Mortality and Morbidity in the Twenty-First Century«, Brookings Papers on Economic Activity, 23.–24. März 2017.
U.S. Census Bureau, Current Population Survey online data tool.
Katherine J. Cramer, The Politics of Resentment. Rural Consciousness and the Rise of Scott Walker, Chicago: University of Chicago Press 2016, S. 61.
Arlie Russell Hochschild: Fremd in ihrem Land, Frankfurt am Main: Campus Verlag 2017, S. 177.
Cramer, a.a.O., S. 9.
Hochschild, a.a.O., S. 199.
Die Human-Potential-Bewegung wurde vom Esalen-Institut gefördert. Eine der frühen Leiterinnen des Instituts war Virginia Satir, deren Gedenken der Bericht der kalifornischen Taskforce gewidmet ist.
Abraham Maslow, Motivation und Persönlichkeit, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 1991.
Toward a State of Self-Esteem. The Final Report of the California Task Force to Promote Self-Esteem and Social Responsibility, Sacramento: California State Department of Education Januar 1990, S. 18f.
Ebd., S. 19, 24. Das universale Verlangen nach Selbstachtung wird auch betont in Robert W. Fuller, Dignity for All. How to Create a World Without Rankism, Oakland, CA: Berrett-Koehler Publishers 2008.
Philip Rieff, The Triumph of the Therapeutic. Uses of Faith After Freud, Chicago: University of Chicago Press 1966, S. 4, 13.
Zu einem Überblick siehe Katie Wright, The Rise of the Therapeutic Society. Psychological Knowledge and the Contradictions of Cultural Change, Washington, DC: New Academia Publishing 2010, S. 13–28.
Lionel Trilling, Das Ende der Aufrichtigkeit, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 1989, S. 133.
Christopher Lasch, Das Zeitalter des Narzißmus, Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag 1995, S. 30, 34.
Frank Furedi, Therapy Culture. Cultivating Vulnerability in an Uncertain Age, London: Routledge 2004, S. 4f., 10.
Robert H. Schuller, Self-Esteem – The New Reformation, Waco, TX: Waco Books 1982. Schullers Bücher sind einer längeren amerikanischen Tradition der Selbsthilfeliteratur zuzuordnen, der auch Autoren wie Norman Vincent Peale angehören. Siehe zum Beispiel Schullers Erfolg hört nie auf. Versagen ist nie endgültig, Holzgerlingen: SCM Verlagsgruppe 2011.
Bob DeWaay, Redefining Christianity. Understanding the Purpose Driven Movement, Springfield, MO: 21st Century Press 2006.
Andrew J. Polsky, The Rise of the Therapeutic State, Princeton, NJ: Princeton University Press 1991, S. 158–164.
Ebd., S. 199f.
Zitiert in Herbert Lindenberger, »On the Sacrality of Reading Lists. The Western Culture Debate at Stanford University«, in The History in Literature. On Value, Genre, Institutions, New York: Columbia University Press 1990, S. 151.
Der Gesamttrend, dass Universitäten eine therapeutische Aufgabe übernehmen, wird beschrieben in Frank Furedi, »The Therapeutic University«, American Interest 13 (1), 2017, S. 55–62.
Donald Horowitz, Ethnic Groups in Conflict, Berkeley, CA: University of California Press 1985, S. 141ff.
Ta-Nehisi Coates, Zwischen mir und der Welt, Berlin: Hanser Berlin 2016, S. 15ff.
Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag 2000.
Stuart Jeffries, »Are Women Human?« (Interview mit Catharine MacKinnon), Guardian, 12. April 2006.
Siehe Jacob Hoerger, »Lived Experience vs. Experience«, Medium, 24. Oktober 2016, https://medium.com/@jacobhoerger/lived-experience-vs-experience-2e467b6c2229
Sämtliche Details sind zu finden in ebd.
Kimberlé Williams Crenshaw, »Mapping the Margins. Intersectionality, Identity Politics, and Violence Against Women of Color«, Stanford Law Review 43, S. 1241–1299, Juli 1991.
Mathieu Bock-Côté, Le multiculturalisme comme religion politique, Paris: Les Éditions du Cerf 2016, S. 16–19.
Sasha Polakow-Suransky, Go Back to Where You Came From. The Backlash Against Immigration and the Fate of Western Democracy, New York: Nation Books 2017, S. 23f.
Theo Lochocki, »Germany’s Left Is Committing Suicide by Identity Politics«, Foreign Policy, 23. Januar 2018.
Maximillian Alvarez, »Cogito Zero Sum«, Baffler, https://thebaffler.com/the-poverty-of-theory/cogito-zero-sum-alvarez
Ein Beispiel ist die Behandlung von Rebecca Tuvel wegen ihres Artikels »In Defense of Transracialism«, veröffentlicht in Hypatia. A Journal of Feminist Philosophy, beschrieben von Kelly Oliver in »If This is Feminism …«, Philosophical Salon, http://thephilosophicalsalon.com/if-this-is-feminism-its-been-hijacked-by-the-thought-police/ Siehe auch Kelly Oliver, »Education in an Age of Outrage«, New York Times, 16. Oktober 2017.
Mark Lilla, The Once and Future Liberal. After Identity Politics, New York: HarperCollins 2017.
Thomas E. Mann und Norman J. Ornstein, It’s Even Worse Than It Looks. How the American Constitutional System Collided with the New Politics of Extremism, New York: Basic Books 2012.
Mit kultureller Aneignung sind die Versuche von Personen einer bestimmten Rasse, Ethnizität oder eines Genders gemeint, von der Kultur einer anderen Gruppe zu profitieren. In einem Fall löste ein Gemälde, das die Künstlerin Dana Schutz von der verstümmelten Leiche des Rassismusopfers Emmett Till angefertigt hatte, Forderungen aus, das Bild zu zerstören, da eine weiße Malerin einen für schwarze Menschen traumatischen Moment dargestellt habe. In einem anderen Fall musste ein Herausgeber von seiner Position im kanadischen Schriftstellerverband wegen eines Artikels zurücktreten, in dem er die Rechte weißer Autoren verteidigt hatte, Gestalten zu zeichnen, die Minderheiten oder einem Ureinwohnermilieu angehören. Die beiden Kritisierten waren Liberale, die sich alle Mühe gaben, mitfühlend auf die Erfahrungen und Leiden von Minderheiten einzugehen.
Der Text von Hannah Blacks Brief, in dem sie Dana Schutz verurteilt, ist zu finden unter https://i-d.vice.com/en%uk/article/d3p84a/black-artists-urge-the-whitney-biennial-to-remove-painting-of-murdered-black-teenager-emmett-till Siehe auch Kenan Malik, »In Defense of Cultural Appropriation«, New York Times, 14. Juni 2017; und Lionel Shriver, »Lionel Shriver’s Full Speech. ›I Hope the Concept of Cultural Appropriation Is a Passing Fad‹«, Guardian, 13. September 2016.
Matthew Taylor, »›White Europe.‹ 60000 Nationalists March on Poland’s Independence Day«, Guardian, 12. November 2017; Anne Applebaum, »Why Neo-Fascists Are Making a Shocking Surge in Poland«, Washington Post, 13. November 2017.
Siehe Michela Wrong, Jetzt sind wir dran. Korruption in Kenia. Die Geschichte des John Githongo, Berlin: Edition Tiamat 2010. Siehe auch Fukuyama, Political Order and Political Decay, S. 330ff.
Rogers M. Smith, Political Peoplehood. The Roles of Values, Interests, and Identities, Chicago: University of Chicago Press 2015.
Zu einer ergreifenden Schilderung sowohl der Opulenz Wiens vor dem Ersten Weltkrieg als auch der Tragödie des Zusammenbruchs der Stadt siehe Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 2017.
Nach den Sympathiebekundungen von Präsident Trump für Wladimir Putin hat eine überraschende Zahl von Republikanern eine positive Meinung über Russland entwickelt. Eine Randgruppe behauptet sogar, sie würde Putin mehr Vertrauen schenken als ihren liberalen amerikanischen Mitbürgern. Paul Reynolds, ein Mitglied des Republikanischen Nationalkomitees, wurde folgendermaßen zitiert: »Wenn ich die Wahl habe, mein Wohlergehen in Putins Hände oder die der Washington Post zu legen, ist Putin eindeutig der Gewinner.« James Hohmann, »The Daily 202. As Roy Moore Declines to Step Aside, a Tale of Two Republican Parties Emerges«, Washington Post, 10. November 2017; Zack Beauchamp, »Roy Moore Admires Vladimir Putin’s Morality«, Vox, 8. Dezember 2017.
Die rasch heranreifenden Staaten Ostasiens hatten zwar Korruptionsprobleme, doch im Allgemeinen auf einem niedrigeren Niveau als andere Teile der Welt. Der Druck der Oberschicht bewirkte eine »staatliche Entwicklungsorientierung« in Ländern wie Japan, Südkorea, Singapur und China. Eine ähnliche Situation soll in afrikanischen Ländern wie Ruanda und Äthiopien oder in Chile unter der Pinochet-Diktatur existiert haben, doch es handelte sich eher um Ausnahmefälle. Siehe Stephan Haggard, Developmental States, Cambridge: Cambridge University Press 2018.
Siehe Francis Fukuyama, Konfuzius und Marktwirtschaft. Der Konflikt der Kulturen, München: Kindler Verlag 1995.
Ebd.; Robert D. Putnam, Bowling Alone. The Collapse and Revival of American Community, New York: Simon and Schuster 2000.
Diese These wird vorgetragen in Craig J. Calhoun, »Social Solidarity as a Problem for Cosmopolitan Democracy«, in Identities, Affiliations, and Allegiances, hrsg. von Seyla Benhabib, Ian Shapiro und Danilo Petranovic, Cambridge: Cambridge University Press 2007.
Ein klassisches Argument dafür, dass die nationale Identität eine der notwendigen Voraussetzungen für die moderne liberale Demokratie ist, stammt von Dankwart A. Rustow, »Transitions to Democracy. Toward a Dynamic Model«, Comparative Politics 2, 1970, S. 337–363.
Zoltan L. Hajnal und Marisa Abrajano, White Backlash. Immigration, Race, and American Politics, Princeton, NJ: Princeton University Press 2016.
Pierre Manent, »Democracy Without Nations?«, Journal of Democracy 8, 1997, S. 92–102. Siehe auch Fukuyama, Political Order and Political Decay, S. 185–197.
Zum Ursprung der Allgemeinen Menschenrechtserklärung siehe Mary Ann Glendon, A World Made New. Eleanor Roosevelt and the Universal Declaration of Human Rights, New York: Random House 2001.
Martha C. Nussbaum, For Love of Country. Debating the Limits of Patriotism, Boston: Beacon Press 1996; Craig J. Calhoun, »Imagining Solidarity. Cosmopolitanism, Constitutional Patriotism, and the Public Sphere«, Public Culture 13 (1), 2002, S. 147–171; Samuel Scheffler, Boundaries and Allegiances. Problems of Justice and Responsibility in Liberal Thought, Oxford: Oxford University Press 2000.
Siehe Stewart Patrick, Sovereignty Wars. Reconciling America with the World, Washington, DC: Brookings Institution Press 2017; Stephen D. Krasner, Sovereignty. Organized Hypocrisy, Princeton, NJ: Princeton University Press 1999.
Einzelheiten in Sunil Khilnani, The Idea of India, New York: Farrar, Straus and Giroux 1998.
Der Vorgang wird beschrieben in Fukuyama, Political Order and Political Decay, S. 322–334.
Dieser Abschnitt beruht auf meiner Latsis-Vorlesung »European Identity Challenges«.
Die Theorie wurde umrissen von Jürgen Habermas; siehe u.a. ders., Die Postnationale Konstellation. Political Essays, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1998; ders., »Staatsbürgerschaft und nationale Identität«, in: ders., Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1998. Siehe auch Ghia Nodia, »The End of the Postnational Illusion«, Journal of Democracy 28, April 2017, S. 5–19.
Zur nationalen Identität in der EU siehe Kathleen R. McNamara, The Politics of Everyday Europe. Constructing Authority in the European Union, Oxford: Oxford University Press 2015.
T. Alexander Aleinikoff und Douglas B. Klusmeyer (Hrsg.) From Migrants to Citizens. Membership in a Changing World, Washington, DC: Carnegie Endowment for International Peace 2000, S. 1–21; Gerhard Casper, »The Concept of National Citizenship in the Contemporary World. Identity or Volition? Hamburg: Bucerius Law School 2008, https://web.stanford.edu/group/gcasper_project/cgi-bin/papers
Aleinikoff und Klusmeyer, a.a.O., S. 32–118.
Rogers Brubaker, Citizenship and Nationhood in France and Germany, Cambridge, MA: Harvard University Press 1992.
Marc Morjé Howard, The Politics of Citizenship in Europe, Cambridge: Cambridge University Press 2009, S. 119–134; Nergis Canefe, »Citizens v. Permanent Guests. Cultural Memory and Citizenship Laws in a Reunified Germany«, Citizenship Studies 2 (3), 1998, S. 519–544.
Chikako Kashiwazaki, »Citizenship in Japan. Legal Practice and Contemporary Development«, in Aleinikoff und Klusmeyer, a.a.O.
Sara W. Goodman, »Fortifying Citizenship. Policy Strategies for Civic Integration in Western Europe«, World Politics 64 (4), 2012, S. 659–698; Robert Leiken, Europe’s Angry Muslims. The Revolt of the Second Generation, Neuausg., Oxford: Oxford University Press 2015. Einige seiner Schlussfolgerungen wirken im Licht kürzlicher Terroranschläge in Frankreich ein wenig überholt.
»Gesprächsleitfaden für die Einbürgerungsbehörden – Stand 01.09.2005«, Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg, 1. September 2005, https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/gesprachsleitfaden-fur-die-einburgerungsbehorden-stand-01-09-2005/ Siehe auch Simon McMahon, Developments in the Theory and Practice of Citizenship, Newcastle upon Tyne: Cambridge Scholars 2012, S. 29ff.
Zu empirischen Belegen für Vorurteile gegenüber französischen Muslimen siehe David Laitin, Claire Adida und Marie-Anne Valfort, Why Muslim Integration Fails in Christian-Heritage Societies, Cambridge, MA: Harvard University Press 2016.
Zu einer Geschichte der UKIP siehe Robert Ford und Matthew Goodwin, Revolt on the Right. Explaining Support for the Radical Right in Britain, London: Routledge 2014.
Alan G.R. Smith, The Emergence of a Nation-State. The Commonwealth of England, 1529–1660, London und New York: Longman 1984, S. 89.
Getwittert am 12. August 2017.
Alexander Hamilton, John Jay und James Madison, Die Federalist Papers, München: Verlag C.H. Beck 2007, S. 58; Smith, Political Peoplehood, S. 150ff.
Thomas Paine, Die Rechte des Menschen, Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag 1973, S. 198.
Siehe Ramon Lopez, »Answering the Alt-Right«, National Affairs 33, 2017.
William A. Galston, Anti-Pluralism. The Populist Threat to Liberal Democracy, New Haven, CT: Yale University Press 2018, S. 39.
Samuel P. Huntington, Who Are We. Die Krise der amerikanischen Identität, Hamburg: Europa Verlag 2004, S. 85.
Siehe etwa Carlos Lozada, »Samuel Huntington, a Prophet for the Trump Era«, Washington Post, 18. Juli 2017.
Nach Angaben der OECD arbeiten US-Amerikaner durchschnittlich 34,29 Stunden pro Woche, verglichen mit einem EU-Wochendurchschnitt von 33,23 und 39,79 Stunden in Korea. Allerdings werden hier Teilzeitbeschäftigte mitgerechnet, von denen es in den Vereinigten Staaten proportional mehr gibt. Die durchschnittliche Wochenstundenzahl für Vollzeitkräfte in den USA liegt bei 47. Siehe OECD (2018), Hours worked (indicator). DOI: 10.1787/47be1c78-en (abgerufen am 14. Februar 2018).
Zum Text des US-Einbürgerungseids siehe https://www.uscis.gov/us-citizenship/naturalization-test/naturalization-oath-allegiance-united-states-america (auf Deutsch unter https://zettelsraum.blogspot.com/2010/07/). Zu einer detaillierten Geschichte des Eides siehe Casper, »Forswearing Allegiance«, in Häberle, a.a.O. Siehe auch T. Alexander Aleinikoff, »Between Principles and Politics. US Citizenship Policy«, in Aleinikoff und Klusmeyer, a.a.O.
Abweichend vom Text des Eides lassen die Vereinigten Staaten heute auch eine doppelte Staatsangehörigkeit zu. Dies geht nicht auf ein vom Kongress verabschiedetes Gesetz zurück, sondern auf verschiedene Gerichts- und Verwaltungsentscheide, die der politischen Zweckmäßigkeit dienen. Siehe Casper, a.a.O.
Bassam Tibi, »Why Can’t They Be Democratic?«, Journal of Democracy 19 (3), 2008, S. 43–48.
Etwas Ähnliches ereignete sich in anderen multikulturellen Gesellschaften und schlug sich manchmal in der Sprache nieder. Nach dem Act of Union von 1707, durch den Schottland ins Vereinigte Königreich eingegliedert wurde, bezeichneten sich viele Engländer als Briten, was auf eine Identität hinwies, welche die Bürger von Wales, Schottland und (damals) Irland einschloss. In der russischen Sprache ist mit dem Adjektiv russkij ein gebürtiger Russe gemeint und mit rossiskij ein Bürger der Russischen Föderation, wobei es sich auch um einen muslimischen Tschetschenen oder Dagestaner handeln könnte.
»Muslim Identities and the School System in France and Britain. The Impact of the Political and Institutional Configurations on Islam-Related Education Policies«, Vortrag auf der ECPR General Conference, Pisa, September 2007; Jenny Berglund, Publicly Funded Islamic Education in Europe and the United States, Washington, DC: Brookings Institution 2015; Marie Parker-Johnson, »Equal Access to State Funding. The Case of Muslim Schools in Britain«, Race, Ethnicity and Education 5, 2010, S. 273–289.
Sogar in Frankreich gibt es Ausnahmen, denn der Staat finanziert Religionsschulen im Elsass, um das komplexe historische Vermächtnis jener umkämpften Region am Leben zu erhalten.
Trotz einiger Belege dafür, dass sich die Englischkenntnisse von Einwandererkindern nach der Verabschiedung der Proposition 227, die überwiegend einsprachigen Unterricht vorsah, verbessert hatten, wurde sie 2016 durch Proposition 58 wieder aufgehoben. Siehe Edward Sifuentes, »Proposition 227. 10 Years Later«, San Diego Union-Tribune, 8. November 2008.
Daniel Jacobson, Rights Across Borders. Immigration and the Decline of Citizenship, Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press 1996, S. 8–11.
Diese Situation ändert sich, sobald ein Ausländer das Territorium eines Staates erreicht. In den USA, Europa und in anderen liberalen Demokratien werden Nichtbürgern, auch wenn sie keine Dokumente besitzen, durch die inländische Gesetzgebung verschiedene Rechte gewährt. Dies schafft einen starken Anreiz für Migranten, sich mit allen möglichen – legalen oder illegalen – Mitteln bis ins Territorium eines bestimmten Staates vorzukämpfen. Andererseits motiviert es Länder, die ihre Grenzen kontrollieren wollen, Migranten fernzuhalten, indem sie physische Barrieren, beispielsweise Mauern, errichten, Verbote auf hoher See durchsetzen oder Umleitungen in Offshore-Gerichtsbarkeiten vornehmen, in denen das inländische Recht nicht gilt. Siehe Casper, »Forswearing Allegiance«, in Häberle, Jahrbuch; und Moria Paz, »The Law of Walls«, European Journal of International Law 28 (2), 2017, S. 601–624.
Dies war das umfassende Einwanderungsreformpaket, vorgeschlagen vom Brookings-Duke Immigration Policy Roundtable: »Breaking the Immigration Stalemate. From Deep Disagreements to Constructive Proposals«, 6. Oktober 2009.
Vetokratie bezieht sich auf die Art und Weise, wie das amerikanische System der Gewaltenteilung gut organisierten Minderheiten erlaubt, Mehrheitsentscheidungen annullieren zu lassen. Siehe Fukuyama, Political Order and Political Decay, Kap. 34, S. 488–505.
Siehe Juan Pablo Cardenal u.a., Sharp Power. Rising Authoritarian Influence, Washington, DC: National Endowment for Democracy, Dezember 2017.
Neal Stephenson, Snow Crash, München: Wilhelm Goldmann Verlag 1994.
Für Julia, David und John
Dieses Buch wäre nicht geschrieben worden, hätte man Donald J. Trump nicht im November 2016 zum Präsidenten gewählt. Wie viele Amerikaner war ich verblüfft über dieses Ergebnis und beunruhigt über seine Konsequenzen für die Vereinigten Staaten und die Welt. Es handelte sich um die zweite große Wahlüberraschung des Jahres – die erste war im Juni die Entscheidung Großbritanniens gewesen, aus der Europäischen Union auszutreten.
Ich hatte einen großen Teil der beiden letzten Jahrzehnte damit verbracht, über die Entwicklung moderner politischer Institutionen nachzudenken: darüber, wie der Staat, die Rechtsstaatlichkeit und die demokratische Verantwortlichkeit entstanden waren, wie sie sich entfaltet und einander beeinflusst hatten und wie sie schließlich verkümmern konnten. Lange vor Trumps Wahl hatte ich geschrieben, dass die Institutionen der Vereinigten Staaten verfallen, weil der Staat zunehmend von mächtigen Interessengruppen vereinnahmt und in eine starre Struktur gezwungen wird, die sich nicht reformieren kann.
Trump selbst war sowohl das Produkt dieses Verfalls als auch einer seiner Urheber. Die Verheißung seiner Kandidatur bestand darin, dass er als Außenseiter seinen Wählerauftrag nutzen wollte, um das System aufzurütteln und es wieder funktionsfähig zu machen. Die US-Amerikaner waren der parteipolitischen Stagnation überdrüssig und sehnten sich nach einem starken Anführer, der das Land wiedervereinigen konnte, indem er die von mir so genannte Vetokratie durchbrach, das heißt die Fähigkeit von Interessengruppen, kollektives Handeln zu blockieren. Ein derartiger populistischer Aufschwung hatte auch Franklin D. Roosevelt 1932 ins Weiße Haus befördert und die Politik der USA zwei Generationen lang umgestaltet.
Das Problem mit Trump war zwiefältig, denn es hatte sowohl mit seinen politischen Methoden als auch mit seinem Charakter zu tun. Sein Wirtschaftsnationalismus würde die Lage wahrscheinlich für genau die Wählerkreise verschlechtern, die ihn unterstützten, und seine offenbare Vorliebe für autoritäre Machthaber statt für demokratische Verbündete drohte die internationale Ordnung zu destabilisieren. Was seinen Charakter betraf, so war es schwierig, sich eine Person vorzustellen, die weniger für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten geeignet gewesen wäre. Die Tugenden, die man mit überragender Führerschaft assoziiert – fundamentale Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, nüchternes Urteilsvermögen, Hingabe an das öffentliche Interesse und eine eindeutige moralische Richtschnur –, gingen ihm völlig ab. Trumps Hauptaugenmerk hatte während seiner gesamten Karriere auf Selbstdarstellung gelegen, und es machte ihm nicht das Geringste aus, Menschen oder Regeln, die ihm im Weg standen, mit allen verfügbaren Mitteln zu überrollen.
Trump repräsentiert einen breiteren Trend der internationalen Politik in Richtung des populistischen Nationalismus.[1] Populistische Führer sind bemüht, ihre Macht durch die Legitimität zu konsolidieren, die sie aus demokratischen Wahlen beziehen. Sie wollen eine direkte charismatische Verbindung zum »Volk« herstellen, das oftmals nach sehr eingegrenzten, ethnischen Begriffen definiert wird, die große Teile der Bevölkerung ausschließen. Institutionen behagen ihnen nicht, und so sind sie stets versucht, die Gewaltenteilung zu untergraben, welche dafür sorgt, die persönliche Macht des Staatschefs in modernen liberalen Demokratien einzuschränken: die Gerichte, die Legislative, unabhängige Medien und eine unparteiische Bürokratie. Andere zeitgenössische Regierungschefs, die man dieser Kategorie zuordnen kann, sind Wladimir Putin in Russland, Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, Viktor Orbán in Ungarn, Jarosław Kaczyński in Polen und Rodrigo Duterte auf den Philippinen.
Der globale Drang zur Demokratie, der Mitte der siebziger Jahre begann, ist, wie mein Kollege Larry Diamond schreibt, in eine globale Rezession übergegangen.[2] Im Jahr 1970 gab es nur rund 35 repräsentative Demokratien – eine Zahl, die in den folgenden drei Jahrzehnten stetig anstieg, bis sie Anfang des 21. Jahrhunderts fast 120 erreichte. Die stärkste Beschleunigung fand zwischen 1989 und 1991 statt, als der Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa und der UDSSR eine demokratische Welle in der gesamten Region auslöste. Seit Mitte der Nullerjahre hat sich der Trend jedoch umgekehrt, und die Anzahl der demokratischen Staaten ist wieder gesunken. Gleichzeitig sind autoritäre Länder wie China selbstbewusster geworden.
Es ist kein Wunder, dass es potenziellen neuen Demokratien wie Tunesien, der Ukraine und Myanmar schwerfällt, tragfähige Institutionen aufzubauen, und dass es der liberalen Demokratie nicht gelang, in Afghanistan oder im Irak nach den dortigen US-Interventionen Fuß zu fassen. Es ist enttäuschend, wenn auch nicht allzu erstaunlich, dass Russland zu seinen autoritären Traditionen zurückgefunden hat. Viel unerwarteter war indes, dass sogar in Ländern mit etablierten freiheitlichen Systemen Bedrohungen der Demokratie auftauchten. Ungarn gehörte zu den ersten Staaten Osteuropas, die ihr kommunistisches Regime stürzten. Als es sich sowohl der NATO als auch der Europäischen Union anschloss, schien es, wie die Politologen meinten, als »konsolidierte« liberale Demokratie nach Europa zurückgekehrt zu sein. Doch unter Orbán und seiner Fidesz-Partei ist es inzwischen zu einem Paradebeispiel der (von Orbán so genannten) »illiberalen Demokratie« geworden. Eine noch viel größere Überraschung waren jedoch die Wahlergebnisse in Großbritannien und den Vereinigten Staaten für den Brexit und für Trump.
Dies betraf die beiden führenden Demokratien, welche die moderne liberale, internationale Ordnung errichtet hatten – Länder, die während der achtziger Jahre unter Reagan und Thatcher die Wegbereiter der »neoliberalen« Revolution gewesen waren. Doch auch sie schienen sich nun einem engeren Nationalismus zuzuwenden.
Damit gelange ich zu den Ursprüngen des vorliegenden Buches. Seit ich Mitte 1989 meinen Essay The End of History?1 sowie 1992 das Buch The End of History and the Last Man2 veröffentlichte,[3] werde ich regelmäßig gefragt, ob Ereignis X meine These nicht widerlege. X konnte ein Putsch in Peru sein, der Krieg auf dem Balkan, die Serie der Terroranschläge vom 11. September, die globale Finanzkrise oder, in jüngster Zeit, Donald Trumps Wahl und die oben beschriebene Welle des populistischen Nationalismus.
Die meisten dieser kritischen Äußerungen beruhten auf einem schlichten Missverständnis meiner These. Ich hatte das Wort Geschichte im hegelianisch-marxistischen Sinne verwendet, das heißt als langfristige evolutionäre Beschreibung menschlicher Institutionen, die man alternativ als »Entwicklung« oder »Modernisierung« hätte bezeichnen können. Das Wort Ende war nicht im Sinne von »Terminierung«, sondern von »Ziel« oder »Bestimmungsort« gemeint gewesen. Karl Marx hatte nahegelegt, dass das Ende der Geschichte eine kommunistische Utopie sein werde, und ich wies nur darauf hin, dass Hegels Version, in der die Entwicklung zu einem liberalen marktwirtschaftlichen Staat führt, plausibler sei.[4]
Dies bedeutet nicht, dass meine Ansichten im Lauf der Jahre unverändert geblieben wären. Die gründlichste Neuerwägung, die ich habe liefern können, ist in meinen beiden Büchern The Origins of Political Order und Political Order and Political Decay zu finden, die insgesamt als Bemühung gesehen werden können, Das Ende der Geschichte im Licht meines heutigen Verständnisses der Weltpolitik umzuschreiben.[5]
Die beiden wichtigsten Änderungen meines Denkens haben erstens mit der Schwierigkeit zu tun, einen modernen, unpersönlichen Staat aufzubauen – ich habe dieses Problem als »Weg nach Dänemark« bezeichnet –, und zweitens mit der Möglichkeit, dass eine zeitgenössische liberale Demokratie verfällt oder sich rückwärtsentwickelt.
Außerdem entgingen meinen Kritikern zwei weitere Details: Sie hatten nicht bemerkt, dass hinter dem Titel des ursprünglichen Artikels ein Fragezeichen stand, und sie hatten die Schlusskapitel des Buches Das Ende der Geschichte nicht gelesen, die sich mit dem Problem von Nietzsches letztem Menschen befassen.
In beiden Publikationen wies ich darauf hin, dass weder Nationalismus noch Religion demnächst als Kräfte der Weltpolitik verschwinden würden, und zwar deshalb, weil die zeitgenössischen liberalen Demokratien das Problem des »Thymos« noch nicht vollauf gelöst hätten. Thymos ist der Teil der Seele, der sich nach Anerkennung seiner Würde sehnt; »Isothymia« ist das Bedürfnis, anderen gegenüber als gleichwertig zu gelten, während »Megalothymia« den Wunsch darstellt, von anderen als überlegen betrachtet zu werden. Moderne liberale Demokratien versprechen und sorgen auch überwiegend für ein Minimum an einheitlichem Respekt, das in Individualrechten, der Herrschaft des Gesetzes und im Wahlrecht zum Ausdruck kommt. Allerdings garantiert dies nicht, dass die Bürger einer Demokratie in der Praxis alle in gleichem Maße respektiert werden, schon gar nicht Angehörige von Gruppen, die politisch oder gesellschaftlich marginalisiert worden sind. Ganze Länder können sich missachtet fühlen, was zuweilen einen aggressiven Nationalismus entfesselt, ebenso wie Anhänger einer Religion, die meinen, dass ihr Glaube geschmäht wird. Die Isothymia dürfte daher weiterhin Forderungen nach gleichheitlicher Anerkennung hervorrufen, die wahrscheinlich nie ganz erfüllt werden können.