Über dieses Buch:
Sein Opfer hat es nicht kommen sehen, als er harmlos vor ihrer Tür stand. Doch seine Miene wurde eiskalt, als er mit seinem Messer ihre Kehle durchschnitt … Die Psychologin Teri Fields hat eigentlich schon alles gehört. Als Expertin einer Radiotalkshow gibt sie tagtäglich anonymen Anrufern Beziehungstipps. Doch ein Geständnis verändert alles: Live auf Sendung gesteht der Anrufer, soeben eine Frau ermordet zu haben. Ein übler Scherz oder brutale Wahrheit? Die Detectives Benson und Blaine sind alarmiert. Doch sie suchen die Nadel im Heuhaufen, während der Anrufer Gefallen an der schönen Radiopsychologin findet – und sie immer tiefer in sein perverses Spiel der Grausamkeit hineinzieht …
»Dieser Thriller mit seiner unerschöpflichen Fantasie und seinem ausgeprägten Sinn für das Makabre bereitet schlaflose Nächte!« New York Times
Über den Autor:
Bruce Jones wurde 1944 in Kansas City in den USA geboren. Als Schriftsteller und Drehbuchautor bei Film und Fernsehen hat er sich einen Namen gemacht. Heute lebt er in Kalifornien.
Von Bruce Jones erscheinen bei dotbooks ebenfalls:
WUT – Tödlicher Alptraum
ZORN – Im Netz des Grauens
HASS – Tödlicher Instinkt
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eBook-Neuausgabe Februar 2019
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2001 unter dem Titel Still Life bei Onyx Book, an imprint of New American Library/Penguin Putnam, Inc., New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel Todesspieler im Bertelsmann-Club.
Copyright © 2001 by Bruce Elliot
Copyright © der deutschen Ausgabe 2001 by RM Buch und Medien Vertrieb GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München
Published by Arrangement with Bruce Jones.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/gmstockstudio und Mongkol sanghthong
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (aks)
ISBN 978-3-96148-453-9
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Bruce Jones
ANGST – Tödliches Spiel
Thriller
Aus dem Amerikanischen von Thomas Haufschild
dotbooks.
Inhalt
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Lesetipps
Den Jones-Jungs gewidmet:
Ralph, Philip, Scott,
Jeff, Michael und Paris
Er ist untröstlich.
Geknickt. Am Boden zerstört.
Er fühlt sich gedemütigt.
Das bedeutet nichts Gutes. Vor allem nicht für sie.
Das hübsche Mädchen ist mitfühlend, zumindest anfangs; dann leicht verunsichert, als er keine Anstalten macht zu gehen. Jetzt scheint sie beinahe argwöhnisch zu sein, was ihm nicht gefällt. Nicht im Mindesten.
Er muss etwas unternehmen, damit sie ihre Befangenheit wieder verliert. Nur so läuft es. Das ist allerdings nicht einfach, wenn er sich so niedergeschmettert fühlt. So erniedrigt. Er muss sich zusammenreißen. Am besten, er versucht, an ihr Mitleid zu appellieren. Die Masche zieht bei Frauen wie ihr. Bis jetzt hat es immer geklappt.
»Es hat dir nicht gefallen.« Grüblerisch. Deprimiert. Fast schon verletzlich.
»Das habe ich nicht gesagt«, beteuert das hübsche Mädchen erneut und greift nach ihrer Kleidung.
»Aber du hast es durchblicken lassen. Zieh dich noch nicht an, ich versuche es noch mal.«
Sie zögert. »Noch mal? Ich ... habe nur leider keine Zeit mehr. In zwanzig Minuten muss ich beim Vorsprechen sein.« Aber sie lässt den BH wieder sinken.
Er starrt ihre Brüste an. Fest, rund, niedlich. Durchscheinende Brustwarzen. Die Brustwarzen machen ihn immer am wütendsten. Diese unmöglichen Brustwarzen.
»Wie wär's mit etwas zu trinken?«, fragt er.
Das hübsche Mädchen denkt nach und schaut verstohlen auf die Schlafzimmeruhr. »Hm ... na gut. Was möchtest du denn? Ich glaube, ich habe Eistee da. Aus Instantpulver. Einverstanden?«
»Gern. Darf ich rauchen?«
Sie runzelt die Stirn; offenbar kann sie Raucher nicht ausstehen. »Sicher.«
Nackt geht sie in die kleine Küche des Apartments. Das rotgoldene Haar reicht ihr bis zum Hintern. Mit geschmeidigen Gesten holt sie nachlässig diverse Utensilien aus einem Schrank und dem Kühlfach, wie man es von einem attraktiven, selbstbewussten Mädchen erwarten würde. Dann kommt sie zurück und reicht ihm ein Glas, in dem Eiswürfel klimpern.
»Du willst nicht mal mehr was mit mir trinken?«
Sie lässt die zierlichen, alabasterfarbenen Schultern sinken. »Bitte. Ich habe nicht gesagt, dass es mir nicht gefallen hat. Es war nur nicht ganz das ... was ich erwartet habe.«
»Was du erwartet hast ...« Er schnaubt verächtlich. »Das heißt also, ich bin unbeholfen.«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich hol mir auch ein Glas.«
Schon komisch. Auch für ihn hat es nach so vielen Jahren nicht den Erwartungen entsprochen.
Sie kehrt mit einem Glas zurück und bemerkt seine finstere Miene, den trostlosen Blick. »Sei doch nicht so. Wirklich. Es war sehr nett, okay?«
Er starrt aus dem Fenster. Draußen wiegt sich eine kränkliche Palme träge im Wind. »Sicher.«
Das hübsche Mädchen stellt das Glas ab und setzt sich wieder aufs Bett, perlweißes Fleisch auf perlweißen Laken. »Hör mal, falls du es wirklich noch mal versuchen möchtest ...«
Er dreht sich zu ihr um.
Sie lächelt zu ihm empor und sieht ihn fragend an. »Wie möchtest du mich diesmal? Wieder so?«, haucht sie gelangweilt und lehnt sich zurück, so dass ihr Körper ein elegantes »S« beschreibt. Sie ist sich ihrer Wirkung bewusst.
Er mustert sie; ihre rosafarbenen Knie haben kleine Grübchen, genau wie ihre Wangen.
Sie fährt sich mit der Zunge über die Oberlippe, so wie früher immer die großen Filmstars. »Sei diesmal nicht so hastig. Lass dir Zeit ...«
Ihr ergebenes Lächeln widert ihn an.
»Ich glaube, ich weiß, was das Problem ist ...«, sagt er. Sie wartet, schaut geistesabwesend zur Uhr hinüber.
»Ich glaube, es liegt am Make-up.«
Das hübsche Mädchen runzelt die hübsche Stirn. »An meinem Make-up? Soll das heißen, es gefällt dir nicht?«
»Nicht hierfür.«
»Ach ja? Was du nicht sagst!«
»Was meinst du – ginge es auch ohne?«
Sie richtet sich auf. »Tja, klar, wieso nicht?«
»Würdest du dann bitte ...?«
Sie schaut wieder zur Uhr und seufzt. »Ach, Scheiß drauf, diese Arschlöcher werden mich sowieso nicht engagieren. Warte kurz.«
Sie schlüpft aus dem Bett und eilt zum Badezimmer. Auf einmal wirkt sie beschwingt, zwanglos, gleichmütig. Vermutlich wollte sie den Termin ohnehin nicht wahrnehmen. Nur wenigen ist echter Ruhm beschieden. Wenngleich dieses Mädchen dank ihm vielleicht doch noch in diesen Genuss kommen wird.
Sein Blick folgt ihr zum Badezimmer. Er fühlt sich inzwischen ebenso gelöst wie sie. Schließlich hat es so kommen müssen. Er hätte von Anfang an wissen können, dass die Sache mit ihr ein Reinfall werden würde. Immerhin ist er nicht mehr derselbe wie früher. Ganz und gar nicht. Diese Erkenntnis bringt ihm sogar ein gewisses Maß an Frieden.
Er sammelt sich, nimmt dann das Instrument aus seiner Tasche und folgt ihr.
Als er hinter ihr das Badezimmer betritt, hat sie sich soeben einen dampfenden Lappen auf die Augen gedrückt. Sie steht über das Waschbecken gebeugt und ihr rundes Hinterteil weist nach oben. In dem beschlagenen Spiegel sieht er wie ein rosafarbenes Gespenst aus. Sie wischt sich mit dem Lappen den Rest des Gesichts ab und entdeckt ihn.
Sie atmet scharf ein und fährt herum. »Mein Gott, hast du mich ersch...«
Sie starrt ihn an. Angst steigt in ihr auf.
»Was soll das?«
Das Instrument, das in seiner Hand schimmert, erregt ihre Aufmerksamkeit. »Was ... ist das?«
Sie drückt sich fest gegen das Waschbecken. Ihre Pobacken werden flach gepresst, die Rippen treten deutlich hervor, die Brustwarzen sind hart. Doch im Moment ängstigen sie ihn nicht, die Brustwarzen.
An ihrem perfekten Kinn hängen kleine Tröpfchen, zittern, fallen herab. Sie sieht aus, als wäre sie aus feinstem Marmor gearbeitet. Er hätte sich nicht mit einer solchen Schönheit einlassen sollen.
»Bitte ... Um Gottes willen, was hast du vor?«
Ihre gemeinsame Bestimmung blüht in ihm auf, wärmt ihn wie ein berauschender Wein. Herrlich.
»Ich mache dich unsterblich«, versichert er.
Und lächelt endlich.
Hier ist die Dr. Teri Fields-Show und Sie sind auf Sendung ...«
»Hallo, Dr. Fields! Ich finde Ihre Sendung wirklich Masse!«
»Danke. Wie lautet Ihre Frage?«
»Ja, also, ich rufe aus dem Valley an, aus Glendale ...«
»Ihre Frage, Glendale?«
»Meine Frage lautet: Ist es für eine Frau unbedingt notwendig, beim Sex jedes Mal einen Orgasmus zu haben?«
»Das ist eine gute Frage. Meine Antwort ist, dass dies von der jeweiligen Frau abhängt. Wissen Sie, wir sind alle verschieden, nicht nur Frauen und Männer, sondern auch innerhalb des jeweiligen Geschlechts. Wir haben unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche. Ich glaube, dass der Orgasmus eine Sache der persönlichen Priorität ist; seine Bedeutung wird sich von Person zu Person unterscheiden. Der eine mag darauf bestehen, der andere macht sich deswegen nicht so viele Gedanken. Ist Sex für Sie ein wichtiger Teil Ihres Lebens?«
»Na ja, ich halte mich für ganz normal, falls Sie das meinen ...«
»Aber der Begriff ›normal‹ umfasst ein ziemlich breites Spektrum. Lassen Sie mich Ihnen folgende Frage stellen, Glendale: Kommen Sie mit Ihrem Partner zum Orgasmus?«
»Ja. Normalerweise schon.«
»Aber nicht immer.«
»Nicht immer, nein.«
»Und stört es Sie, wenn Sie keinen Orgasmus haben?«
»Tja, nicht wirklich. So wichtig ist es mir eigentlich nicht. Ich meine, ich habe auch ohne Höhepunkt Spaß daran. Ich würde sagen, dass ich in ungefähr siebzig Prozent der Fälle zum Orgasmus komme. Aber ich habe Angst, dass mein Mann sich deswegen Gedanken macht. Dass er glaubt, er würde mich nicht ausreichend befriedigen.«
»Aber Sie selbst stört es nicht, wenn Sie nicht jedes Mal einen Orgasmus haben?«
»Nein, mich stört es nicht. Ich möchte bloß nicht ... Sie wissen schon. So tun, als ob.«
»Ich kann gut verstehen, dass Sie Ihren Mann im Bett zufrieden stellen möchten, aber ich bin dagegen, einen Orgasmus vorzutäuschen. In meinen Augen ist das dasselbe wie eine Lüge und Lügen haben in einer Ehe nichts verloren, weder im Bett noch sonst wo. Es wird Sie Ihrem Mann nicht näherbringen, wenn Sie ihm zuliebe einen Orgasmus vortäuschen. Mein Rat ... Können Sie und Ihre Mami gut miteinander reden?«
»O ja.«
»... mein Rat wäre, dass Sie die Angelegenheit mit ihm besprechen und ihm Ihre Befürchtungen offenbaren, falls Sie glauben, dass dazu begründeter Anlass besteht. In biologischer oder mentaler Hinsicht gibt es gewiss nichts daran auszusetzen, wenn man beim Sex nicht immer einen Orgasmus hat. Je nach Zeitpunkt reagieren wir alle unterschiedlich auf verschiedene Reize. Der Alltagsstress, Müdigkeit und sogar die Ernährung können dabei eine Rolle spielen. Solange es nicht zu einem chronischen Problem wird, würde ich vorschlagen, dass Sie die Sache einfach laufen lassen und gegebenenfalls mit Ihrem Mann sprechen, falls Sie sich Sorgen um seine Gefühle machen. In erster Linie aber sollten Sie locker bleiben, Spaß haben und den Dingen ihren Lauf lassen. Okay?«
»Okay. Danke, Dr. Fields.«
»Ich danke Ihnen, Glendale.«
»Dr. Teri Fields, Sie sind auf Sendung ...«
»Hallo, ich rufe aus Burbank an ...«
»Schießen Sie los, Burbank.«
»Ich wollte fragen ... Ich habe ein Problem mit meinem Freund. Er will ... er will immer, na, Sie wissen schon, dass ich ihm einen blase ... darf ich das im Radio überhaupt sagen?«
»Die Rundfunkaufsicht zieht den Begriff ›Oralsex‹ vor, aber fahren Sie ruhig fort ...«
»Tut mir leid. Soll ich noch mal von vorne ...?«
»Schon in Ordnung, ich lege einen Piepton darüber. Wir zeichnen auf und senden zeitverzögert, also sprechen Sie ruhig weiter ...«
»Wie dem auch sei, ich kann so was einfach nicht. Es turnt mich total ab.«
»Ich verstehe.«
»Also ... bin ich frigide, oder was?«
»Nun, zunächst möchte ich mal betonen, dass der Begriff der so genannten ›Frigidität‹ viel zu häufig gebraucht und dann auch noch meistens missverstanden wird. Manche Fachleute bezweifeln sogar, dass es so etwas wie Frigidität überhaupt gibt. Ist Ihre sexuelle Beziehung denn ansonsten befriedigend?«
»Auf die übliche Weise, meinen Sie? O ja. Ich mag Sex und all das. Ich mag es bloß nicht, ihm einen Sie wissen schon.«
»Das ist eben Ihre persönliche Abneigung. Bedrängt Ihr Freund Sie in dieser Hinsicht?«
»Tja ... eigentlich nicht ... aber ich weiß, dass er es gern hätte.«
»Doch für Sie kommt es nicht in Betracht, auch nicht, um ihm einen Gefallen zu tun?«
»Wäre das nicht, als würde ich lügen? Ich meine, wenn es mir nun mal keinen Spaß macht?«
»Das kommt darauf an. Es ist völlig in Ordnung, etwas nur deswegen zu tun, weil der Partner Freude daran hat, solange man sich frei dazu entscheidet. Geben kann bisweilen genauso befriedigend sein wie Empfangen. Für manche Menschen ist es sogar noch befriedigender. Empfinden Sie Oralsex als etwas Abstoßendes?«
»Nein ... ich ekle mich nicht unbedingt davor, es turnt mich nur einfach nicht an.«
»Also, Burbank, ich glaube, Sie sollten sich fragen, bis zu welchem Grad Sie gewillt sind, Ihrem Partner ohne sofortige Gegenleistung Vergnügen zu bereiten. Falls der Gedanke Sie abstößt, müssen Sie das Thema zur Sprache bringen. Sagen Sie es Ihrem Partner, lassen Sie ihn wissen, wie Sie darüber denken. Falls Sie aber bereit sind, ein gewisses Unbehagen in Kauf zu nehmen, um jemandem, der Ihnen am Herzen liegt, Vergnügen zu schenken, ist das etwas anderes. Sehen Sie, im Verlauf der sexuellen Beziehung zu diesem Mann könnten Sie feststellen, dass auch Sie mancherlei Praktiken als befriedigend empfinden, die er nur sehr ungern vollzieht. In solchen Fällen kann oft eine Art Mittelweg gefunden werden, ein wechselseitiger Kompromiss. Beziehungen zwischen Erwachsenen sind immer mit Kompromissen verbunden. ›Kompromiss‹ ist kein Schimpfwort. Auf diese Weise entfremden Sexualpartner sich nicht voneinander, sondern können meistens sogar besser Vertrauen aufbauen, und gegenseitiges Vertrauen ist eine grundlegende Voraussetzung für jede Art von normalem sexuellen Genuss.«
»Ich verstehe. Danke, Dr. Fields.«
»Danke für Ihren Anruf, Burbank.«
»Okay, es ist zehn Minuten vor elf und Sie hören KXOK Los Angeles. Dies ist die Ratgebersendung im KXOK-Vormittagsprogramm und ich bin Dr. Teri Fields. Falls Sie eine Frage zu den Themen Sexualität oder Ehe haben, rufen Sie uns bitte an. Die Nummer ist 649 28 20 und alle Namen werden streng vertraulich behandelt. Jerry signalisiert mir gerade, dass wir noch Zeit für einen letzten Anrufer haben ... Hallo, Sie sind auf Sendung ...«
»Dr. Teri Fields?«
»Ja, Sir, Ihre Frage, bitte ...«
»Ich rufe aus Westwood an, Dr. Fields ...«
»Schießen Sie los, Westwood, es sind nur noch wenige Minuten bis zu den Nachrichten ...«
»Wird nicht lange dauern. Ich habe etwas, das Sie als ein ... ein Reaktionsproblem bezeichnen würden, schätze ich.«
»So?«
»Meine Partnerin. Sie ... gibt nicht allzu viel zurück.«
»Die Partnerin ist inaktiv.«
»Wissen Sie, ich kenne sie noch nicht besonders lange.«
»Aha.«
»Wir haben uns gerade erst kennen gelernt.«
»Wie viele Verabredungen hat es bislang gegeben?«
»Genau genommen nur eine.«
»Eine Verabredung. Und wann war ...?«
»Heute.«
»Ich verstehe. Nun, mal angenommen, Sie meinen das
ernst und es handelt sich nicht um einen Scherz ...«
»Können Sie mir helfen, Doktor?«
»Ich glaube, Sie sollten eigentlich wissen, dass man sich bei der ersten Verabredung zunächst vorsichtig beschnuppert und in Augenschein nimmt, bevor die Anspannung nachlässt und man eventuell ...«
»Sie kannte mich nicht, das ist es ja. Obwohl ich sie zuvor schon gesehen habe ...«
»Verstehe. Und Ihr Problem besteht darin, dass Ihrer Ansicht nach etwas fehlt ...«
»Ich würde sagen, es handelt sich um ein Kommunikationsproblem. Natürlich bin ich bloß ein Laie. Aber was unsere Gespräche anbelangt, da läuft überhaupt nichts.«
»Und was ist mit ...«
»Sexuell ist es toll. Großartig.«
»Nun, Westwood, wir müssen eine Pause für die Nachrichten machen, aber in meinen Ohren klingt das nach ...«
»Können Sie mir überhaupt helfen, Doktor?«
»Ich werde es versuchen, wenn Sie mich nicht andauernd unterbrechen. Mein Vorschlag – vorausgesetzt, Ihre Partnerin ist einverstanden – lautet, dass Sie die offenbar starke körperliche Anziehung zwischen Ihnen beiden benutzen, um die Gesprächslücke zu überbrücken. Gemeinsame Interessen zu entdecken ist im Bett genauso legitim wie überall sonst. Lassen Sie mich jedoch betonen, dass eine Beziehung, die nur aus Sex und keinerlei Gesprächen besteht, sehr schnell langweilig wird. Letzten Endes werden Sie beide miteinander reden müssen, falls Ihre Beziehung vertieft werden soll – immer vorausgesetzt, darauf legen Sie beide überhaupt Wert. Jetzt ...«
»Sehen Sie, um die Wahrheit zu sagen, ich fürchte, sie ist mehr als nur ein wenig minderbemittelt. Nicht, dass mich das stören würde. Aber ich suche eigentlich einen etwas intellektuelleren Charakter, eine größere Herausforderung. Das Problem ist nur, je intelligenter sie sind, desto schwieriger ist es, an sie heranzukommen, falls Sie wissen, was ich meine. Trotzdem gibt es nichts Besseres als Sex mit einer hochintelligenten, kultivierten Person, finden Sie nicht auch, Doktor?«
»Absolut.«
»Natürlich stimmen Sie mir zu, denn ich habe gerade eine Frau wie Sie beschrieben, richtig? Darf ich Ihnen sagen, dass Ihre Stimme genauso aufmerksam wie vielschichtig wirkt? Was ich damit meine, Doktor, ist Folgendes: Sie klingen sehr sexy.«
»Nun, vielen Dank, Westwood, aber ...«
»Sie haben noch mit keinem Wort den Geruch erwähnt.«
»Wie bitte?«
»Ich meine, wir können ja weiter miteinander Sex haben – die Person und ich –, aber was ist mit dem Geruch? Wird das nicht ein Problem sein?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihre Frage verstehe, Westwood ...«
»Und dann die Sache mit der Feuchtigkeit. Um offen zu sein, Dr. Fields, ich bin ... nun ja, sagen wir mal, nicht zu kurz gekommen. Ich glaube, umgangssprachlich könnte man mich als ›gut bestückt‹ bezeichnen. Gibt es da ein bestimmtes Gel, das Sie empfehlen würden?«
»Ihre Partnerin hat Schwierigkeiten, feucht zu werden ...?«
»Wie ich schon sagte, sie liegt einfach nur so da. Und redet nicht. Was mir irgendwie widersinnig erscheint, denn ihr Mund steht die ganze Zeit offen. Deshalb brauche ich ja auch eine gute Therapeutin wie ...«
»Ich mache eine Radio-Talkshow, Westwood, und leite keine Privatpraxis ...«
»Ihre Referenzen sind auf jeden Fall erstklassig. Bachelor an der Universität Chico, Promotion an der Universität Los Angeles. Aber haben Sie nicht ursprünglich im Hauptfach Kunst studiert? Weshalb der plötzliche Wechsel? Konnten die Studenten einen Renaissance-Strebepfeiler nicht von einem Ostküsten-Streberficker unterscheiden?«
»Da legen wir einen Piepton drüber, Westwood. Wenn Sie jetzt bitte ...«
»Sie sind sehr hübsch, Doktor, nicht wahr? Ich weiß das, obwohl ich noch nie ein Bild von Ihnen gesehen habe.«
»Wir müssen jetzt eine Pause für die ...«
»Schon Zeit für die Nachrichten, Doktor? Wie günstig. Wissen Sie, ich bin die Nachrichten, Dr. Fields. Vielmehr: Wir beide sind die Nachrichten. Eigentlich macht es mir gar nichts aus, dass sie nicht mehr spricht. Mich stört nicht mal der Geruch. Er gefällt mir sogar. Sind Sie noch da, Doktor?«
»Wir ...«
»Ich liege auf ihr, habe ich das schon erwähnt? An Ihrer Stelle würde ich die Polizei verständigen, Dr. Fields ... mit etwas Glück kann ich noch eine schnelle Nummer schieben, bevor sie eintrifft. Vorerst danke für Ihr Interesse. Und jetzt zu dir, meine Kleine ...«
Detective Amiel »Touch« Benson stand müde an der Schlafzimmertür von Sally Gunther und wartete geduldig. Es war früh am Mittwochmorgen und er fühlte sich wie gerädert. Der Lärm und Gestank des Verkehrs drangen durch das Fenster des im vierten Stock gelegenen Apartments, so dass Benson sich fragte, wie es die kümmerliche Palme draußen schaffte, in den ständigen Abgasschwaden zu überleben.
Jemand hatte einen Mord gemeldet und wie immer in einer Großstadt setzte dies eine ganze Reihe von Routineabläufen in Gang.
Im Fall der toten Sally Gunther hatte alles um 7.06 Uhr begonnen, als Ronald Snide, ein guter Bekannter und Liebhaber in spe, Sally zum Frühstück abholen wollte, um danach mit ihr einen Vorsprechtermin in North Hollywood wahrzunehmen.
Als Sally auf sein wiederholtes Klopfen nicht reagierte, erinnerte sich Ronald, der als Fan der Dr. Teri Fields-Show auch die gestrige Sendung gehört hatte, an den merkwürdigen letzten Anruf, schöpfte Verdacht und benachrichtigte den Hausmeister.
Der Hausmeister schloss die Wohnungstür auf und fand Sally Gunthers sterbliche Überreste. Vor lauter Entsetzen dachte er nicht daran, die Polizei anzurufen, sondern lief auf die Straße hinaus und stieß dort beinahe mit Officer Joseph Bunsley zusammen. Er erzählte Bunsley von dem toten Mädchen und machte ihn damit gleichzeitig vorerst zum leitenden Beamten der Ermittlungen.
Officer Bunsley meldete den Mord in der Zentrale, die daraufhin die Detective Division, die Spurensicherung und den Gerichtsmediziner des Bezirks Los Angeles verständigte.
Um 7.45 Uhr rief Captain Robert Noland vom Sheriffs Department des Bezirks Los Angeles bei Detective Sergeant Amanda Blaine an, die zu diesem Zeitpunkt noch im weichen Bett ihrer Innenstadtwohnung lag. Dann setzte Captain Noland sich mit Detective Benson in Verbindung und riss ihn in seinem Haus im Valley aus dem Tiefschlaf. Die Polizeireporter und die Eltern des toten Mädchens würden erst später benachrichtigt werden.
Detective Benson duschte, rasierte sich und fuhr dann ohne Eile zu Sally Gunthers Apartment, wo er nach der Spurensicherung und dem Gerichtsmediziner eintraf. Er lehnte sich gegen den Türrahmen und wartete geduldig, bis er an die Reihe kommen würde, denn zunächst mussten Fotos geschossen und Spuren gesichert werden, bevor allzu viele unachtsame Füße durch den Bereich hinter dem gelben Absperrband laufen würden.
Nachdem sie die Leiche und den Raum abgelichtet hatten, fertigten die Techniker eine schematische Skizze des Tatorts an, die mit einem zentimetergenauen Maßstab versehen war, um eventuellen perspektivischen Verzerrungen der Fotos vorzubeugen.
Die Beamten von der Spurensicherung suchten hier und kramten da, nahmen Proben und werkelten eifrig vor sich hin, bis schließlich Senior Detective Lawrence Seymour seinem Kollegen Detective Benson auf der anderen Seite des gelben Bands zunickte und ihn damit hineinbat. Ein stellvertretender Gerichtsmediziner namens Weinstein fummelte eben zwischen Sally Gunthers endlos langen Beinen herum.
»Da steckt was in ihrer Fotze«, murmelte Senior Detective Seymour, als Benson neben ihn trat. Seymour war ein abgehärmt wirkender, ungeduldiger Mann. Sein hagerer Körper schien vor lauter Nervosität kaum einmal still halten zu können und seine Hyperaktivität hatte ihm schon reichlich graue Haare eingebracht, die er fortwährend färbte. Er war als Nächster für die Beförderung zum Inspector an der Reihe und verärgert, dass man ihn bislang stets übergangen hatte. Der zehn Jahre ältere Benson entsprach dem genauen Gegenteil. Er war im Lauf der Zeit ein wenig in die Breite gegangen, würde niemals zum Captain ernannt werden und machte sich deswegen überhaupt keine Gedanken.
Weinstein grunzte und fuhrwerkte weiterhin in Sallys Vagina herum. Seine Plastikhandschuhe waren glitschig von Blut und Schleim.
»Zehn Dollar, dass sich da ein Vibrator quergelegt hat«, flüsterte Seymour mit gespielter Gleichgültigkeit. In Wahrheit musste er sich fast übergeben, denn es war ihm nie gelungen, sich ein dickes Fell zuzulegen. Insgeheim befürchtete er, dass genau dieser Umstand seine Beförderung verhindert hatte, und er vermutete völlig zu Recht, dass die anderen ihn durchschauten. »Mit seinem Schwanz hat der Kerl das wohl nicht hinbekommen. Diese Schwuchtel. O Mann, sieh sie dir an, Touch.«
»Touch« nannten Detective Amiel Benson all jene, die ihn gut kannten. Der Spitzname stammte aus seiner Zeit als leichtfüßiger Footballneuling, als kaum ein Verteidiger es schaffte, Benson auf dem Spielfeld vor dem Touchdown einzuholen.
Seymours letzter Satz klang regelrecht ehrfürchtig: Sally Gunther war eine Augenweide. Sie hatte eine rotblonde Mähne, einen naiven Schmollmund, die Figur eines Starlets und entsprach damit dem Traum eines jeden Bier trinkenden Ehemanns, dessen Frau allzu oft von Tom Cruise oder Brad Pitt schwärmte. Doch am auffälligsten war Sallys Haut: durchscheinender Marmor, der fast schon ein Eigenleben zu besitzen schien. Benson musterte die Wölbung ihres Beckenknochens, die im Sonnenlicht schillerte, das von draußen hereinfiel, und musste an poliertes Elfenbein und jungfräulichen Schnee denken. Tot war sie wie griechisches Porzellan; lebend hatte sie zweifellos umwerfend gewirkt. Aber lebend hatte sie auch keine dunkelrote Linie quer über der Kehle gehabt.
»So ein Mädchen hab' ich noch nie gevögelt.« Seymour schüttelte den Kopf. »Mir haben die immer bloß mit ihren Cheerleader-Pompons vor der Nase herumgewedelt. Schau dir diese Titten an. Mein Gott, man kann sogar durch die Nippel durchgucken. Hast du jemals eine solche Frau im Bett gehabt, Touch?«
»Bestimmt seit einer Woche nicht mehr.«
»Klar. Meine Güte, diese Beine ...«
»Ich seh's, Larry. Achte auf deinen Blutdruck.«
Aber Seymour wollte weiter in seinen Fantasien schwelgen. »Diese Sorte spielt immer die Unberührbare und ihre nackten Ärsche kriegt man nur zu sehen, wenn sie tot sind. Welch beschissene Verschwendung. Was hast du da, Weinstein?«
Der stellvertretende Gerichtsmediziner hielt einen glänzenden, alabasterfarbenen Gegenstand in die Höhe. »Sieht aus wie eine Muschel.«
Seymour rümpfte die Nase, als wäre er enttäuscht, dass es sich nicht um den vermuteten Freudenspender handelte. »Eine was?«
»Eine Meeresmuschel. Glaube ich zumindest.«
Benson hob den Kopf und Weinstein hielt ihm das Objekt dicht vor das Gesicht. Es verströmte einen süßlichen Geruch nach Moschus und Tod. Auch für Benson sah es wie eine Muschel aus.
»Das ist eine Kammmuschel«, erklärte Detective Amanda Blaine hinter ihnen keuchend und stieg anmutig über das gelbe Absperrband. Sie hatte sich offenbar sehr beeilt, um herzukommen. »Tut mir leid.«
Tut mir leid, dass ich spät dran bin, sollte das heißen. Sie hatte denselben Dienstgrad wie Benson und war smart und zuverlässig. Auf dem Schießstand schnitt sie besser ab als ihr Partner und auf dem Übungsgelände war sie fast genauso gut wie er – wenngleich sie zu vorschnellen Reaktionen neigte und bereits dreimal die Pappfigur des Polizeichefs erschossen hatte, als diese aus einer der Gassen auftauchte. Sie war zäh, tüchtig und wurde respektiert. Dennoch herrschte im Raum plötzlich eine leicht veränderte Atmosphäre: Immerhin war Amanda Blaine eine Frau. Die meisten der Männer würden das Wort »Fotze« ab jetzt nicht mehr so häufig gebrauchen.
Sie nickte in Richtung der Muschel und rückte den Riemen ihrer schweren Handtasche zurecht. »Solche Muscheln habe ich am Virginia Beach immer gesammelt. Wo kommt die denn her?« Sie war anscheinend eine Sekunde zu spät eingetroffen.
»Aus ihrer Möse«, sagte Seymour herausfordernd und hoffte vergeblich, Detective Blaines ruhige graue Augen würden schockiert dreinblicken. Er war nicht wie die anderen – wenn er eine Frau nicht haben konnte, machte er ihr das Leben schwer. Seymour hatte sich ziemlich ins Zeug gelegt, um Amanda Blaine ins Bett zu bekommen, aber umsonst. Nachdem sie und Benson vor fünf Jahren zum Team ernannt worden waren, ließ Seymour dem Detective gegenüber keinen Zweifel daran, dass er eine private Beziehung zwischen seinen Untergebenen nicht dulden würde. Die Wut über die erlittene Abfuhr war ihm dabei deutlich anzusehen. Benson erwiderte nichts darauf, sondern nahm die Anweisung seines Vorgesetzten mit einem gehorsamen Nicken zur Kenntnis.
Eine Woche später schaute Benson seiner neuen Partnerin bei einem mittäglichen Chili-Hotdog im Tail O' the Pup zufällig in die Augen und schluckte schwer. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er ernsthafte Schwierigkeiten auf sich zukommen. Er und Amanda fühlten sich zueinander hingezogen.
Das war nicht gut. Vor allem nicht für zwei Profis. Ganz abgesehen davon, dass es Liz gab. Also beließen sie es bei einem beruflichen Verhältnis. Bis jetzt zumindest ... Benson hatte keinen Grund, Seymour dessen Einstellung zu verübeln. Seymour war ehrgeizig, woran es nichts auszusetzen gab, verheiratet, Mitte dreißig und fühlte die Midlifecrisis nahen. Meistens hatte er bloß eine große Klappe. Wenn es ans Eingemachte ging, war er für Benson da, das hatte er bereits mehrmals bewiesen. Auch Amanda konnte sich in dieser Hinsicht auf ihn verlassen. Er hätte ihr wegen der Verspätung heute Morgen Ärger machen können, hatte es aber nicht getan. Sie waren keine Freunde. Seymour besaß überhaupt keine Freunde, von denen Benson gewusst hätte, aber der Senior Detective war ein guter Bulle. Benson war lange genug im Geschäft, um so etwas zu erkennen.
Jetzt wandte Seymour sich mit leicht grünlichem Gesicht an ihn; in Gedanken war er schon draußen auf der Straße. »Eine Muschel in der Muschi. Okay, sie gehört euch, samt Muschel und allem anderen. Ich war bloß zufällig in der Gegend. Findet diesen Mistkerl schnell, ihr beiden.«
An der Tür blieb er kurz stehen. »Ich brauche wohl kaum zu betonen, dass der Bezirksstaatsanwalt hierüber gar nicht glücklich ist. Die Öffentlichkeit will wissen, wieso jeder Idiot diesen Verrückten gestern im Radio hören konnte und die Polizei fast vierundzwanzig Stunden gebraucht hat, um die Leiche zu finden. Anscheinend hat man kein Verständnis dafür, dass wir nicht nach jedem Anruf eines Verrückten sofort eine Großfahndung einleiten. Ich bin sicher, die L. A. Times wird eine eigene Theorie zu dem Fall haben. Ich liebe diesen Job. Ihr nicht auch?«
Dann verschwand Seymour, um sich seinen eigenen Sorgen zu widmen. Die Detectives Benson und Blaine würden direkt Captain Noland Bericht erstatten. Wenn es etwas zu berichten gab. Bis dahin waren sie sich selbst überlassen.
Amanda starrte die zarte Porzellanhaut an. »Er hat eine Muschel in sie hineingesteckt?«
Benson brummte bestätigend.
»Sie ist sehr hübsch«, murmelte Amanda. »Eine Schauspielerin?«
»Sie hat versucht, eine zu werden«, erwiderte Benson nach einem Blick in sein Notizbuch. »Wir müssen mit dem Freund sprechen. Er ist ebenfalls ein angehender Star. Beweg sie bitte noch nicht, okay, Dick?«
Der leitende Gerichtsmediziner hielt inne. Er hatte soeben eines der zarten Handgelenke ergriffen, um eine weiße Papiertüte über die reglose Hand zu schieben und mit Klebeband zu fixieren; auf diese Weise wollte man verhindern, dass eventuelle Spuren verloren gingen. »Wie du meinst. Ist dir was aufgefallen?«
Benson kniff die Augen zusammen und neigte den Kopf. »Ich weiß nicht ... Und dir?«, fragte er Amanda.
»Wonach soll ich Ausschau halten?«
»Nach allem, was dir ungewöhnlich erscheint.«
Amanda musterte den perfekten Engel – die rechte Hand zwischen den makellosen Brüsten, die linke auf dem Oberschenkel, den leicht zur Seite gewandten Kopf, die auf dem Kissen ausgebreitete Haarpracht, die Laken. »Sie sieht aus, als ... als hätte man sie in Pose gelegt. War das Absicht? Damit sie wie wirkt? Jungfräulich? Wie nett von ihm. Toll. Was noch?«
Benson erwiderte nichts, sondern sah das Mädchen unverwandt an.
Und mit der Bitte, verstanden zu werden, starrte die tote Sally Gunther zu ihm zurück.
»Nichts, schon gut. Du kannst sie jetzt bewegen, Dick.« Der routinierte Gerichtsmediziner winkte seine Leute heran und dann verließ Sally ein letztes Mal ihr weiches Lager, um in einem schwarzen Leichensack verstaut zu werden.
Amanda stieß Bensons Arm an und deutete auf den Bettvorleger.
Er blickte nach unten und entdeckte dort eine rötliche Markierung.
Rasch bückte er sich und berührte den Fleck vorsichtig, ein mattes Rot, das sich auf dem dünnen braunen Teppich kaum abhob. Er roch an seinen Fingern.
»Blut?«
Er nickte.
Amanda runzelte die Stirn. »Was soll das sein ... irgendein Symbol?«
»Möglich.«
»Ein Kult?«
Benson vollführte eine unbestimmte Geste. »Vielleicht auch nur ein Schmutzfleck.« Er besah sich den Rest des Bettvorlegers. Sauber. Absolut sauber.
»Der Kerl war zu ordentlich für einen Fleck«, sagte Amanda.
Benson richtete sich auf und drückte sich ächzend eine Hand ins Kreuz; er sollte wirklich wieder mit dem Jogging anfangen.
Er seufzte und durchmaß müde das Zimmer. »Lass uns einen Blick auf den eigentlichen Tatort werfen.« Detective Blaine folgte ihm ins Badezimmer.
Im ersten Moment dachte Amanda, es wäre mit rotweißen Fliesen und Kacheln ausgestattet. Manche dieser älteren Apartments aus den Zwanzigerjahren waren ziemlich gut hergerichtet. Dann sah sie, dass der Raum zwar vollständig gekachelt und gefliest war, aber lediglich in Weiß – das Rot stammte von Sally Gunther. Hier sah es schlimmer aus als in einem Schlachthaus. Es gab so viel Blut – und zwar in zufälliger Verteilung auf allen vier Wänden –, dass es teilweise immer noch zähflüssig daran herablief. Der enge kleine Raum war geradezu mit Blut getränkt.
Schlimmer als jetzt kann es wohl kaum noch kommen, dachte Amanda und rang nach Fassung. Schlimmer wird's nicht, merk dir das für das nächste Mal, wenn es dir den Magen umdreht, denn dann kannst du es hiermit vergleichen und dir wird vielleicht nicht ganz so schlecht. O Gott, sieh nur dieses Blut, wie kann da nur dermaßen viel Blut sein ...
Sie riss sich zusammen. »Okay. Was für eine Waffe?«
Benson zuckte die Achseln. »Etwas Schmales und Scharfes, nach der Breite der Wunde an ihrem Hals zu schließen. Vielleicht ein Rasiermesser. Womöglich ein Draht. Etwas, das beide Halsschlagadern ganz sauber durchtrennt hat, so dass die kleine Sally komplett ausgelaufen ist.«
Amanda betrachtete den gefliesten Boden, die verschmierten, scharlachroten Spuren, den Anfang und das Ende der Fußabdrücke. Sie wies auf den sauberen weißen Pfad zwischen Badewanne und Tür. »Waren das unsere Jungs?«
Benson schüttelte den Kopf. »Das war er. Er hat sie gebadet, nachdem er fertig und sie tot war, hat sie gewaschen und ihr das Haar gekämmt.«
»Und sich selbst hat er dabei auch gewaschen.«
»Würde ich mal vermuten. Und dann hat er sie im Schlafzimmer auf dem Bett drapiert.«
»Warum hat er sie so hingelegt?«
»Gute Frage. Wir müssen herausfinden, ob die beiden Geschlechtsverkehr hatten ... und ob es eine Vergewaltigung war.«
»Das würde nicht beweisen, dass sie ihn kannte, Touch.«
»Ich bin noch nicht auf der Suche nach Beweisen.« Er konzentrierte sich auf die Badewanne. Amanda sah zu, wie er einen Schritt vortrat und zum Duschkopf emporblickte.
»Was gibt's?«
Er sah genauer hin und schüttelte den Kopf. »Nichts.« Amanda machte sich wieder Notizen. Irgendetwas beschäftigte ihn; ihr war klar, dass er noch nicht wusste, worum es sich handelte, also ließ sie ihn vorerst damit in Ruhe. »Was ist mit dem Radiosender?«, fragte sie.
»Ich muss noch mit den Leuten reden. Wird aber bloß reine Routine sein, die wissen bestimmt nichts.«
Amanda fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als wäre ihr gerade eingefallen, dass sie vor lauter Hektik keinen Lippenstift aufgelegt hatte. »Wie ich gehört habe, ist diese Dr. Teri Fields eine tolle Frau. Das ist deine Chance.«
»Ich dagegen habe aufgeschnappt, dass man sie ›Eiskönigin‹ nennt. Hast du ihre Sendung mal gehört?«
»Einmal. Ihre Stimme klingt ziemlich sexy. Und du?«
»Nein«, erwiderte Benson und drehte sich um. »Ich höre nur selten Radio. Hast du schon gefrühstückt?«
Sie genehmigten sich bei Denny's zwei Grand Slam Specials, bestehend aus Eiern, Speck und Pfannkuchen, und suchten dann Ronald Snide, den Möchtegernliebhaber, in seiner Wohnung auf. Von ihm erfuhren sie im Wesentlichen nur, dass Sally Gunther hübsch, wohlgeformt und bei allen beliebt war. Viel mehr hatte er nicht zu erzählen.
In diesem Monat gab es jede Menge Leichen in L. A. und das Morddezernat war völlig überlastet. Captain Noland versprach ihnen für die nächste Woche – eventuell – Unterstützung, aber vorläufig würden die Detectives Benson und Blaine allein arbeiten.
Der Mord an Sally genoss oberste Priorität, deshalb musste sich jemand sofort um Teri Fields kümmern. Die beiden beschlossen, zunächst getrennte Wege zu gehen. Amanda würde das Umfeld des Opfers überprüfen und Benson fiel die Aufgabe zu, sich mit Dr. Teri Fields zu unterhalten. Das kam ihm sehr gelegen. Er wollte später zum Tatort zurückkehren und sich dort noch einmal genauer umsehen, wenn niemand mehr da .war – und zwar allein.
Im vormittäglichen Smog fuhr er die La Brea hinunter zur Melrose Avenue, wo das Sendergebäude von KXOK stand.
Benson liebte die sonnigen Bürgersteige der Melrose Avenue mit ihren kuriosen Geschäften. In einem bot ein Mann überteuerte Rattanmöbel und Radios aus den Dreißigerjahren feil, die er wie Museumsstücke ausgestellt hatte. Dann folgte ein Laden, in dem es ausschließlich Memorabilien zum Thema Walt Disney zu kaufen gab. Ein dritter Anbieter konnte mit Gummispinnen, unanständigen Postkarten, billigen Süßigkeiten, Godzilla-Armbändern, verzierten Kaffeebechern und kunstvoll gestalteten Klobrillen aufwarten – alles in voller Plastikpracht nebeneinander aufgereiht. Die Melrose Avenue mit ihrem Schick war von acht glitzernden Häuserblocks umgeben und verlieh dem Wort »trendy« einen völlig neuen Aspekt, obwohl dieser Begriff inzwischen kaum mehr benutzt wurde (er war nicht trendy genug); »krass« traf es schon eher. 3-D-Sammelbilder, zwei Meter große Fiberglas-Statuen des Ungeheuers aus Der Schrecken vom Amazonas, Lutscher, die geformt waren wie ein Penis. Die Melrose Avenue hatte ihre eigenen Regeln, sang ihr eigenes Lied, mitunter schräg, aber dafür unüberhörbar. Der Zirkus ist in der Stadt. Marilyns Kleid fliegt hoch. James Dean und Elvis essen Cheeseburger. Kommt alle her und schaut euch das an.
Benson war der größte Fan dieser Gegend. Schon der Gedanke daran ließ ihn lächeln. Das hier war die funkelnde Seite der Dekadenz; die andere Seite war sein Leben ...
Das KXOK-Gebäude lag trotzig zwischen einer elegant gestalteten Porno-Boutique und einem Geschäft, in dem alte Jukeboxes und Art-déco-Kaffeehaustische verkauft wurden.
Der Geschäftsführer des Senders, ein bulliger Kerl namens Braddock, erwartete Benson bereits. Braddock war verkrampft und zerstreut. Auf seiner Stirn stand Schweiß und auf seinen Schultern lasteten die Hörerquoten. Seine Hände waren eher zierlich, trotz des Leibesumfangs, und er fuchtelte wild damit herum. »Was sollen wir nur tun? Was sollen wir nur tun?«, rief er, bevor Benson sich ihm überhaupt vorstellen konnte.
»Ich bin Detective Lieutenant Benson vom Morddezernat ...«
»Ich weiß, man hat Sie angekündigt, aber was sollen wir nur tun?«
Wenigstens fragte er um Rat und hatte nicht gleich zehn oberschlaue Vorschläge auf Lager. Braddock würde sich als kooperativ erweisen, ob nun aus selbstlosen oder finanziellen Motiven.
»Tja, vielleicht müssen wir Ihnen eine Weile auf die Nerven gehen, Mr. Braddock.«
»Aber Sie werden uns doch hoffentlich nicht zwingen, die Sendung abzusetzen, oder?«
Benson wäre gar nicht dazu ermächtigt gewesen, selbst wenn er es gewollt hätte – was nicht der Fall war. Sein Plan sah vor, dass die Sendung weiterlief.
»Vorerst nicht. Wer ist denn unmittelbar für die Talkshow verantwortlich?«
Braddocks Blick wirkte beinahe entschuldigend. »Nun, technisch gesehen unser Programmdirektor, Jerry Winger ...«
»Dürfte ich ihn bitte sprechen?«
»... aber in Wahrheit leitet Dr. Fields die Sendung weitgehend selbst.«
»Hat sie Entscheidungsbefugnis?«
»Inzwischen ja. Es ist eine überaus beliebte Show, Lieutenant. Sie bringt uns die mit Abstand höchste Einschaltquote unseres Programms und stellt damit die einzige echte Konkurrenz für die großen Sender dar. Dr. Fields hat sich ihr Mitspracherecht redlich verdient. Und offen gestanden, was die technischen Abläufe betrifft, kann sie mit den Geräten hier besser als alle anderen umgehen. Sie bräuchte eigentlich gar keinen Techniker.«
»Dann möchte ich mit Dr. Fields sprechen.«
Braddock führte ihn in einen schmalen Flur. »Sie ist gleich fertig. Hier entlang.«
An den senffarbenen Wänden hingen Poster von Rockstars der Fünfziger- und Sechzigerjahre; reichlich Pomade im Haar und ein blendend weißes Lächeln. KXOK spielte hauptsächlich Oldies, denn das schmale Budget gestattete keine teuren Senderechte. Wie es dann dazu "kommen konnte, dass zwischen den Fleetwoods und Jackie Wilson auf einmal eine Talkshow zum Thema Sexualtherapie auftauchte, überstieg Bensons Begriffsvermögen.
Braddock brachte ihn zu einem kleinen, verglasten, schalldichten Raum, in dem sich neben moderner Sendetechnik einige Regale mit Tonbändern und LPs sowie die allgegenwärtige Dr. Teri Fields befanden.
Als die beiden Männer näherkamen, blickte sie auf und sah erst Braddock und dann Detective Benson an. Sie trug einen Kopfhörer, eine Perlenkette und einen grünen Kaschmirpullover. Ihr Gesicht war wunderschön. Grüne Augen, grüner noch als der Pullover. Benson ertappte sich dabei, wie er in Gedanken zu schwärmen begann.
Er hatte sie schon einmal gesehen – vor kaum zwei Wochen während eines Polizeiseminars zum Thema Psychosen bei Kriminellen. Sie war eine der Gastrednerinnen gewesen, eine Expertin. Danach hatte sie an einem Empfang für die Beamten und Gäste teilgenommen. Ihm war sofort aufgefallen, wie schön sie war, wie umsichtig und sensibel. Wie ein Rehkitz, hatte er gedacht. Und sie war auf ihn aufmerksam geworden. Mehr als einmal hatte er von seinem Teller aufgeblickt und festgestellt, dass sie ihn musterte, und zwar nicht auf die einladende Art und Weise, die Frauen an den Tag legen, wenn sie etwas wollen, sondern mit forschender Eindringlichkeit, als hätte sie einen ganz privaten Grund dafür. Unter dieser Beobachtung war er errötet und hatte sich abgewandt. Ob sie sich noch daran erinnerte?
Sie sprach gerade mit einem Anrufer, doch draußen auf dem Gang war kein Laut zu vernehmen. Ihre vollen, schimmernden Lippen hörten nicht auf, sich zu bewegen, während ihr Blick auf Benson lag. Sie schien nicht überrascht zu sein, ihn zu sehen. Ihre großen grünen Augen betrachteten ihn ruhig und prüfend. »Prüfend« war das richtige Wort. Benson kannte diesen unerschütterlichen, durchdringenden Blick nur zu gut, denn er hatte ihn oft genug selbst eingesetzt, meistens beim Verhör irgendwelcher Dealer. Jetzt, da diese intelligenten Augen auf ihm ruhten, fühlte er sich plötzlich unbehaglich. Vermutlich wusste sie, weshalb er gekommen war.
»Die Sendung dauert noch ungefähr drei Minuten. Können Sie so lange warten?«
»Natürlich.« Benson nickte.
»Falls Sie zuhören möchten, legen Sie einfach diesen Schalter um.«
Dann machte Braddock sich auf den Rückweg und eilte nervös davon, um sich die Stirn abzuwischen und seine Blase zu erleichtern.
Benson streckte die Hand aus und betätigte den Kippschalter unterhalb der Scheibe. Aus zwei über ihm angebrachten Lautsprechern ertönte die laufende Sendung:
»... auf Männer wirkt sich eine Scheidung oft viel verheerender aus als auf Frauen. Obwohl es sich vermeintlich um das ›schwächere Geschlecht‹ handelt, ist eine geschiedene Frau im Vergleich zu dem Mann meistens robuster, weniger anfällig für Depressionen und geschickter darin, ihr Leben nach einer Trennung wieder in den Griff zu bekommen.«
»Und warum ist das so, Dr. Fields?«
»Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Pasadena, ich will damit nicht sagen, dass Frauen weniger in eine Beziehung investieren als Männer, sofern es sich um eine funktionierende Beziehung handelt. Ich möchte nur andeuten, dass eine Frau, die eine Ehe als endgültig gescheitert ansieht, keine Zeit auf Selbstzweifel und Reue verschwendet. Sie sammelt die Überreste ein und geht weiter, zumeist in eine neue Partnerschaft. Nach meiner Theorie liegt dem wahrscheinlich der instinktive Drang zugrunde, ein Nest zu bauen, etwas Neues hervorzubringen und die Art zu erhalten. Die Aufgabe der Frau besteht darin, einen männlichen Partner für sich zu interessieren, und zu diesem Zweck muss sie so gut wie möglich aussehen und sich wohl fühlen. Frisch geschiedene Frauen neigen häufig dazu, Gewicht zu verlieren und sich vermehrt um ihr physisches Erscheinungsbild zu kümmern. Das wiederum kann sich positiv auf die Wahrnehmung der eigenen Person auswirken.«
»Verstehe.«
»Ich hoffe, das beantwortet Ihre Frage, Pasadena, und auch die der anderen Hörer, die sich über die steigenden Scheidungszahlen in Amerika Gedanken machen. Jetzt ist die Dr. Teri Fields-Show an ihrem Ende angelangt; es folgt Jerry Stafford mit den Nachrichten. Falls Sie ein Transkript der heutigen Sendung wünschen, schicken Sie KXOK einen an Sie adressierten frankierten Rückumschlag. Ich bin Dr. Teri Fields und freue mich darauf, Sie morgen um elf Uhr wieder begrüßen zu dürfen. Für heute wünsche ich Ihnen alles Gute und einen wundervollen Tag ...«
Hinter einer der gläsernen Wände vollführte ein kurzhaariger Techniker eine Geste, als würde er sich die Kehle durchschneiden, nickte und wies auf den Nachrichtensprecher, der in einer anderen Kabine mit seinem Manuskript bereitsaß. Der Mann fing mit sonorer Stimme an zu sprechen. Dr. Teri Fields betätigte mit rot lackierten Fingernägeln einige Knöpfe auf ihrem Schaltpult, nahm den klobigen Kopfhörer von den goldblonden Locken und stand auf. Sie schaute zu Benson und deutete auf die seitlich gelegene Tür des schalldichten Raums.
Benson nickte und ging ihr entgegen.
Sie trat durch die Tür.
Von nahem und ohne die spiegelnde Scheibe sah sie nicht ganz so jung und weniger perfekt aus. Doch Benson fühlte sich nur noch mehr zu ihr hingezogen. Die kleinen Makel ließen sie verletzlicher und erfahrener wirken. Er war wirklich ziemlich beeindruckt.
»Hallo. Sind Sie der Cop?«
Aus nächster Nähe klang die heisere Stimme unglaublich sexy, beinahe überwältigend und ganz sicher nicht frostig, wie man ihn gewarnt hatte. Unerschrocken sah sie ihm direkt in die Augen, starrte ihn beinahe an. Dergleichen passierte ihm nicht zum ersten Mal. Er hatte sich daran gewöhnt. Doch jetzt fühlte er sich aus irgendeinem Grund verlegen. Er wünschte – wie noch nie zuvor seit seinem zehnten Lebensjahr –, er hätte zwei gleichfarbige Augen wie alle anderen Menschen auch.
Dennoch lächelte sie freundlich. Was sie sah, schien ihr immerhin zu gefallen.
»Detective Lieutenant Benson. Können wir reden?«
»Teri Fields. Ich freue mich darauf. Haben Sie schon zu Mittag gegessen?«
»Nein.«
»Ich kenne ein ruhiges Restaurant. Mögen Sie die thailändische Küche?«
»Keine Ahnung.«
Sie schien enttäuscht zu sein. »Ach, dann suchen Sie ein Restaurant aus.«
»Thailändisch klingt interessant. Mein Wagen steht vor der Tür.«
»Was ist in diesem Eistee?«, fragte er zehn Minuten später und acht Blocks weiter.
»Sahne. Schmeckt es Ihnen?«
»Es ist ... süß.«
»Rühren Sie gut um. Und heben Sie sich etwas für das Curryhuhn auf – Sie werden es brauchen. Das Gericht ist ziemlich scharf.«
»Ich schätze, der Sender zeichnet Ihre Show nicht auf ...«
»Nein. Obwohl wir jetzt vermutlich damit anfangen sollten.«
»Ich glaube, das Department wird das für Sie übernehmen.«
Sie blickte wachsam auf. »Sie glauben? Wissen Sie es denn nicht?«
Sie klang beunruhigt. Ärgerlich? Benson ließ die Gabel mit den Nudeln sinken. »Ich glaube, man wird Aufnahmen anfertigen wollen, falls der Kerl noch mal anruft. Ich kann eine entsprechende Empfehlung abgeben. Falls der Geschäftsführer des Senders nicht einverstanden ist, brauchen wir einen Gerichtsbeschluss. Was ist los, Dr. Fields?«
Sie zögerte und lächelte dann. »Tut mir leid. Im Hinblick auf die Sendung bin ich ein wenig empfindlich. Es hat lange gedauert, bis ich genug Einfluss hatte, um sie nach meinen Wünschen zu gestalten. Nennen Sie es meinetwegen Egotrip. Diese ganze Stadt basiert auf Selbstgefälligkeit, falls Sie es noch nicht bemerkt haben.«