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Fußnoten

II. Die Methode der Traumdeutung

Breuer und Freud, Studien über Hysterie, Wien 1895. 4. Aufl., 1922. (Ges. Werke, Bd. I.)

Immerhin will ich es nicht unterlassen, in Einschränkung des oben Gesagten anzugeben, daß ich fast niemals die mir zugängliche vollständige Deutung eines eigenen Traumes mitgeteilt habe. Ich hatte wahrscheinlich Recht, der Diskretion der Leser nicht zuviel zuzutrauen.

Vorbericht

Es ist dies der erste Traum, den ich einer eingehenden Deutung unterzog.

Analyse

Auf diese dritte Person läßt sich auch die noch unaufgeklärte Klage über Schmerzen im Leib zurückführen. Es handelt sich natürlich um meine eigene Frau; die Leibschmerzen erinnern mich an einen der Anlässe, bei denen ihre Scheu mir deutlich wurde. Ich muß mir eingestehen, daß ich Irma und meine Frau in diesem Traume nicht sehr liebenswürdig behandle, aber zu meiner Entschuldigung sei bemerkt, daß ich beide am Ideal der braven, gefügigen Patientin messe.

Ich ahne, daß die Deutung dieses Stücks nicht weit genug geführt ist, um allem verborgenen Sinn zu folgen. Wollte ich die Vergleichung der drei Frauen fortsetzen, so käme ich weit ab. – Jeder Traum hat mindestens eine Stelle, an welcher er unergründlich ist, gleichsam einen Nabel, durch den er mit dem Unerkannten zusammenhängt.

»Ananas« enthält übrigens einen merkwürdigen Anklang an den Familiennamen meiner Patientin Irma.

Wenn ich auch, wie begreiflich, nicht alles mitgeteilt habe, was mir zur Deutungsarbeit eingefallen ist.

III. Der Traum ist eine Wunscherfüllung

Das Tatsächliche der Durstträume war auch Weygandt bekannt, der S. 41 darüber äußert: »Gerade die Durstempfindung wird am präzisesten von allen aufgefaßt: sie erzeugt stets eine Vorstellung des Durstlöschens. – Die Art, wie sich der Traum das Durstlöschen vorstellt, ist mannigfaltig und wird nach einer naheliegenden Erinnerung spezialisiert. Eine allgemeine Erscheinung ist auch hier, daß sich sofort nach der Vorstellung des Durstlöschens eine Enttäuschung über die geringe Wirkung der vermeintlichen Erfrischungen einstellt.« Er übersieht aber das Allgemeingültige in der Reaktion des Traumes auf den Reiz. – Wenn andere Personen, die in der Nacht vom Durst befallen werden, erwachen, ohne vorher zu träumen, so bedeutet dies keinen Einwand gegen mein Experiment, sondern charakterisiert diese anderen als schlechtere Schläfer. – Vgl. dazu Jesaias, 29,8: »Denn gleich wie einem Hungrigen träumet, daß er esse, wenn er aber aufwacht, so ist seine Seele noch leer; und wie einem Durstigen träumet, daß er trinke, wenn er aber aufwacht, ist er matt und durstig« …

IV. Die Traumentstellung

Schon der Neuplatoniker Plotin sagt: »Wenn die Begierde sich regt, dann kommt die Phantasie und präsentiert uns gleichsam das Objekt derselben« […].

Es ist ganz unglaublich, mit welcher Hartnäckigkeit sich Leser und Kritiker dieser Erwägung verschließen und die grundlegende Unterscheidung von manifestem und latentem Trauminhalt unbeachtet lassen. – Keine der in der Literatur niedergelegten Äußerungen kommt aber dieser meiner Aufstellung so sehr entgegen wie eine Stelle in J. Sullys Aufsatz: »Dreams as a revelation«, deren Verdienst dadurch nicht geschmälert werden soll, daß ich sie erst hier anführe: »It would seem, then, after all, that dreams are not the utter nonsense they have been said to be by such authorities as Chaucer, Shakespeare and Milton. The chaotic aggregation of our nightfancy have a significance and communicate new knowledge. Like some letter in cipher, the dreaminscription when scrutinised closely loses its first look of balderdash and takes on the aspect of a serious intelligible message. Or, to vary the figure slightly, we may say that, like some palimpsest, the dream discloses beneath its worthless surface-characters traces of an old and precious communication« (p. 364). [»[…] Wie mancher Brief in Geheimschrift, verliert manche Niederschrift eines Traumes, wenn sie genauer untersucht wird, ihren ersten Eindruck, es handele sich um Quatsch, und nimmt den einer ernsten, einsehbaren Botschaft an. Oder, um das Ganze ein wenig anders auszudrücken: Wir könnten sagen, dass wie bei manchem Palimpsest [einer als Schreibmaterial nach Abschaben wiederbenutzten Tierhaut, bei der das alte Geschriebene noch durchschimmert] der Traum unter den wertlosen Buchstaben der Oberfläche Spuren einer alten und wertvollen Mitteilung offenbart.«]

Es ist merkwürdig, wie sich hier meine Erinnerung – im Wachen – für die Zwecke der Analyse einschränkt. Ich habe fünf von meinen Onkeln gekannt, einen von ihnen geliebt und geehrt. In dem Augenblicke aber, da ich den Widerstand gegen die Traumdeutung überwunden habe, sage ich mir: Ich habe doch nur einen Onkel gehabt, den, der eben im Traum gemeint ist.

Frau Dr. H. v. Hug-Hellmuth hat im Jahre 1915 (Internat. Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse III) einen Traum mitgeteilt, der vielleicht wie kein anderer geeignet ist, meine Namengebung zu rechtfertigen. Die Traumentstellung arbeitet in diesem Beispiel mit demselben Mittel wie die Briefzensur, um die Stellen auszulöschen, die ihr anstößig erscheinen. Die Briefzensur macht solche Stellen durch Überstreichen unlesbar, die Traumzensur ersetzt sie durch ein unverständliches Gemurmel.

 Zum Verständnis des Traumes sei mitgeteilt, daß die Träumerin, eine hochangesehene, feingebildete Dame, fünfzig Jahre zählt, Witwe eines vor ungefähr zwölf Jahren verstorbenen höheren Offiziers und Mutter erwachsener Söhne ist, deren einer zur Zeit des Traumes im Felde steht.

 Und nun der Traum von den »Liebesdiensten«. »Sie geht ins Garnisonsspital Nr. 1 und sagt dem Posten beim Tor, sie müsse den Oberarzt … (sie nennt einen ihr unbekannten Namen) sprechen, da sie im Spital Dienst tun wolle. Dabei betont sie das Wort ›Dienst‹ so, daß der Unteroffizier sofort merkt, es handle sich um ›Liebesdienste‹. Da sie eine alte Frau ist, läßt er sie nach einigem Zögern passieren. Statt aber zum Oberarzt zu kommen, gelangt sie in ein großes, düsteres Zimmer, in dem viele Offiziere und Militärärzte an einem langen Tisch stehen und sitzen. Sie wendet sich mit ihrem Antrag an einen Stabsarzt, der sie nach wenigen Worten schon versteht. Der Wortlaut ihrer Rede im Traum ist: ›Ich und zahlreiche andere Frauen und junge Mädchen Wiens sind bereit, den Soldaten, Mannschaft und Offiziere ohne Unterschied, …‹ Hier folgt im Traum ein Gemurmel. Daß dasselbe aber von allen Anwesenden richtig verstanden wird, zeigen ihr die teils verlegenen, teils hämischen Mienen der Offiziere. Die Dame fährt fort: ›Ich weiß, daß unser Entschluß befremdend klingt, aber es ist uns bitterernst. Der Soldat im Feld wird auch nicht gefragt, ob er sterben will oder nicht.‹ Ein minutenlanges peinliches Schweigen folgt. Der Stabsarzt legt ihr den Arm um die Mitte und sagt: ›Gnädige Frau, nehmen Sie den Fall, es würde tatsächlich dazu kommen, …‹ (Gemurmel). Sie entzieht sich seinem Arm mit dem Gedanken: Es ist doch einer wie der andere, und erwidert: ›Mein Gott, ich bin eine alte Frau und werde vielleicht gar nicht in die Lage kommen. Übrigens, eine Bedingung müßte eingehalten werden: die Berücksichtigung des Alters; daß nicht eine ältere Frau einem ganz jungen Burschen … (Gemurmel); das wäre entsetzlich.‹ – Der Stabsarzt: ›Ich verstehe vollkommen.‹ Einige Offiziere, darunter einer, der sich in jungen Jahren um sie beworben hatte, lachen hell auf, und die Dame wünscht zu dem ihr bekannten Oberarzt geführt zu werden, damit alles ins Reine gebracht werde. Dabei fällt ihr zur größten Bestürzung ein, daß sie seinen Namen nicht kennt. Der Stabsarzt weist sie trotzdem sehr höflich und respektvoll an, über eine sehr schmale eiserne Wendeltreppe, die direkt von dem Zimmer aus in die oberen Stockwerke führt, in den zweiten Stock zu gehen. Im Hinaufsteigen hört sie einen Offizier sagen: ›Das ist ein kolossaler Entschluß, gleichgültig, ob eine jung oder alt ist; alle Achtung!‹

 Mit dem Gefühle, einfach ihre Pflicht zu tun, geht sie eine endlose Treppe hinauf.

 Dieser Traum wiederholt sich innerhalb weniger Wochen noch zweimal mit – wie die Dame bemerkt – ganz unbedeutenden und recht sinnlosen Abänderungen.«

Solche heuchlerische Träume sind weder bei mir noch bei anderen seltene Vorkommnisse. Während ich mit der Bearbeitung eines gewissen wissenschaftlichen Problems beschäftigt bin, sucht mich mehrere Nächte kurz nacheinander ein leicht verwirrender Traum heim, der die Versöhnung mit einem längst beiseite geschobenen Freunde zum Inhalt hat. Beim vierten oder fünften Male gelingt es mir endlich, den Sinn dieser Träume zu erfassen. Er liegt in der Aufmunterung, doch den letzten Rest von Rücksicht für die betreffende Person aufzugeben, sich von ihr völlig frei zu machen, und hatte sich in so heuchlerischer Weise ins Gegenteil verkleidet. Von einer Person habe ich einen »heuchlerischen Ödipustraum« mitgeteilt, in dem sich die feindseligen Regungen und Todeswünsche der Traumgedanken durch manifeste Zärtlichkeit ersetzen. (»Typisches Beispiel eines verkappten Ödipustraumes.«) Eine andere Art von heuchlerischen Träumen wird an anderer Stelle (siehe Abschnitt VI »Die Traumarbeit«) erwähnt werden.

Späterhin werden wir auch den Fall kennen lernen, daß im Gegenteile der Traum einen Wunsch dieser zweiten Instanz zum Ausdruck bringt.

Dem Maler sitzen.

Goethe: Und wenn er keinen Hintern hat, / Wie kann der Edle sitzen?

Ich bedaure selbst die Einschaltung solcher Stücke aus der Psychopathologie der Hysterie, welche, infolge ihrer fragmentarischen Darstellung und aus allem Zusammenhang gerissen, doch nicht sehr aufklärend wirken können. Wenn sie auf die innigen Beziehungen des Themas vom Traum zu den Psychoneurosen hinzuweisen vermögen, so haben sie die Absicht erfüllt, in der ich sie aufgenommen habe.

Ich verweise darauf, daß dies Thema hier nicht erledigt ist und noch später behandelt werden wird. [Siehe hier S. 265 ff.]

Ein großer unter den lebenden Dichtern, der, wie mir gesagt wurde, von Psychoanalyse und Traumdeutung nichts wissen will, findet doch aus eigenem eine fast identische Formel für das Wesen des Traumes: »Unbefugtes Auftauchen unterdrückter Sehnsuchtswünsche unter falschem Antlitz und Namen.« C. Spitteler, Meine frühesten Erlebnisse (Süddeutsche Monatshefte, Oktober 1913).

 Vorgreifend führe ich hier die von Otto Rank herrührende Erweiterung und Modifikation der obigen Grundformel an: »Der Traum stellt regelmäßig auf der Grundlage und mit Hilfe verdrängten infantil-sexuellen Materials aktuelle, in der Regel auch erotische Wünsche in verhüllter und symbolisch eingekleideter Form als erfüllt dar.« (»Ein Traum, der sich selbst deutet.«)

 Ich habe an keiner Stelle gesagt, daß ich diese Ranksche Formel zur meinigen gemacht habe. Die kürzere, im Text enthaltene Fassung scheint mir zu genügen. Aber daß ich die Ranksche Modifikation überhaupt erwähnte, hat genügt, um der Psychoanalyse den ungezählte Male wiederholten Vorwurf einzutragen: sie behaupte, alle Träume haben sexuellen Inhalt. Wenn man diesen Satz so versteht, wie er verstanden werden will, so beweist er nur, wie wenig Gewissenhaftigkeit Kritiker bei ihren Geschäften zu verbrauchen pflegen, und wie gerne Gegner die klarsten Äußerungen übersehen, wenn sie ihrer Neigung zur Aggression nicht taugen, denn wenige Seiten vorher hatte ich die mannigfaltigen Wunscherfüllungen der Kinderträume erwähnt (eine Landpartie oder Seefahrt zu machen, eine versäumte Mahlzeit nachzuholen usw.), an anderen Stellen von den Hungerträumen, den Träumen auf Durstreiz, auf Exkretionsreiz, von den reinen Bequemlichkeitsträumen gehandelt. Selbst Rank stellt keine absolute Behauptung auf. Er sagt »in der Regel auch erotische Wünsche«, und dies ist für die meisten Träume Erwachsener durchaus zu bestätigen.

 Anders sieht es aus, wenn man »sexuell« in dem nun in der Psychoanalyse gebräuchlichen Sinne von »Eros« gebraucht. Aber das interessante Problem, ob nicht alle Träume von »libidinösen« Triebkräften (im Gegensatz zu »destruktiven«) geschaffen werden, haben die Gegner kaum vor Augen gehabt.

Vgl. meinen Aufsatz »Über Deckerinnerungen« in der Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie, 1899. (Ges. Werke, Bd. I.)

Die Neigung der Traumarbeit, gleichzeitig als interessant Vorhandenes in einer Behandlung zu verschmelzen, ist bereits von mehreren Autoren bemerkt worden […].

Traum von Irmas Injektion [hier S. 18 ff.]; Traum vom Freund, der mein Onkel ist [hier S. 44 ff.].

Traum von der Trauerrede des jungen Arztes [hier S. 86 f.].

Traum von der botanischen Monographie [hier S. 69 ff.].

Solcherart sind die meisten Träume meiner Patienten während der Analyse.

Vgl. im Abschnitt VII über die »Übertragung« [hier S. 271, 277].

Einen wichtigen Beitrag, der die Rolle des Rezenten für die Traumbildung betrifft, bringt O. Pötzl in einer an Anknüpfungen überreichen Arbeit. (Experimentell erregte Traumbilder in ihren Beziehungen zum indirekten Sehen. Zeitschr. für die ges. Neurologie und Psychiatrie, XXXVII, 1917.) Pötzl ließ von verschiedenen Versuchspersonen in Zeichnung fixieren, was sie von einem tachistoskopisch exponierten Bild bewußt aufgefaßt hatten. Er kümmerte sich dann um den Traum der Versuchsperson in der folgenden Nacht und ließ geeignete Anteile dieses Traumes gleichfalls durch eine Zeichnung darstellen. Es ergab sich dann unverkennbar, daß die nicht von der Versuchsperson aufgefaßten Einzelheiten des exponierten Bildes Material für die Traumbildung geliefert hatten, während die bewußt wahrgenommenen und in der Zeichnung nach der Exposition fixierten im manifesten Trauminhalt nicht wieder erschienen waren. Das von der Traumarbeit aufgenommene Material wurde von ihr in der bekannten »willkürlichen«, richtiger: selbstherrlichen Art im Dienste der traumbildenden Tendenzen verarbeit. Die Anregungen der Pötzlschen Untersuchung gehen weit über die Absichten einer Traumdeutung, wie sie in diesem Buche versucht wird, hinaus. Es sei noch mit einem Wort darauf hingewiesen, wie weit diese neue Art, die Traumbildung experimentell zu studieren, von der früheren groben Technik absteht, die darin bestand, schlafstörende Reize in den Trauminhalt einzuführen.

H. Ellis, der liebenswürdige Kritiker der »Traumdeutung«, schreibt (p. 169): »Da ist der Punkt, von dem an viele von uns nicht mehr imstande sein werden, F. weiter zu folgen.« Allein H. Ellis hat keine Analysen von Träumen angestellt und will nicht glauben, wie unberechtigt das Urteilen nach dem manifesten Trauminhalt ist.

Der Satz, daß unsere Methode der Traumdeutung unanwendbar wird, wenn wir nicht über das Assoziationsmaterial des Träumers verfügen, fordert die Ergänzung, daß unsere Deutungsarbeit in einem Falle von diesen Assoziationen unabhängig ist, nämlich dann, wenn der Träumer symbolische Elemente im Trauminhalt verwendet hat. Wir bedienen uns dann, streng genommen, einer zweiten, auxiliären, Methode der Traumdeutung. (S. u. [hier S. 167 f.])

β) Die Träume vom Tod teurer Personen

Keine der Ermittlungen der psychoanalytischen Forschung hat so erbitterten Widerspruch, ein so grimmiges Sträuben und – so ergötzliche Verrenkungen der Kritik hervorgerufen wie dieser Hinweis auf die kindlichen, im Unbewußten erhalten gebliebenen Inzestneigungen. Die letzte Zeit hat selbst einen Versuch gebracht, den Inzest, allen Erfahrungen trotzend, nur als »symbolisch« gelten zu lassen. Eine geistreiche Überdeutung des Ödipusmythus gibt, auf einer Briefstelle Schopenhauers fußend, Ferenczi in der »Imago« I, 1912. – Der hier zuerst in der »Traumdeutung« berührte »Ödipuskomplex« hat durch weitere Studien eine ungeahnt große Bedeutung für das Verständnis der Menschheitsgeschichte und der Entwicklung von Religion und Sittlichkeit gewonnen. (S. Totem und Tabu, 1913, Ges. Werke, Bd. IX).

Die obenstehenden Andeutungen zum analytischen Verständnis des Hamlet hat dann E. Jones vervollständigt und gegen andere in der Literatur niedergelegte Auffassungen verteidigt. (Das Problem des Hamlet und der Ödipuskomplex. 1911.) An der oben gemachten Voraussetzung, daß der Autor der Werke Shakespeares der Mann aus Stratford war, bin ich seither allerdings irre geworden. […]

Psychische Intensität, Wertigkeit, Interessebetonung einer Vorstellung ist natürlich von sinnlicher Intensität, Intensität des Vorgestellten, gesondert zu halten.

Da ich die Zurückführung der Traumentstellung auf die Zensur als den Kern meiner Traumauffassung bezeichnen darf, schalte ich hier das letzte Stück jener Erzählung »Träumen wie Wachen« aus den »Phantasien eines Realisten« von Lynkeus (Wien, 2. Aufl., 1900) ein, in dem ich diesen Hauptcharakter meiner Lehre wiederfinde:

 »Von einem Manne, der die merkwürdige Eigenschaft hat, niemals Unsinn zu träumen.« – – – –

 »Deine herrliche Eigenschaft, zu träumen wie zu wachen, beruht auf deinen Tugenden, auf deiner Güte, deiner Gerechtigkeit, deiner Wahrheitsliebe; es ist die moralische Klarheit deiner Natur, die mir alles an dir verständlich macht.«

 »Wenn ich es aber recht bedenke,« erwiderte der andere, »so glaube ich beinahe, alle Menschen seien so wie ich beschaffen, und gar niemand träume jemals Unsinn! Ein Traum, an den man sich so deutlich erinnert, daß man ihn nacherzählen kann, der also kein Fiebertraum ist, hat immer Sinn und es kann auch gar nicht anders sein! Denn was miteinander in Widerspruch steht, könnte sich ja nicht zu einem Ganzen gruppieren. Daß Zeit und Raum oft durcheinander gerüttelt werden, benimmt dem wahren Inhalt des Traumes gar nichts, denn sie sind beide gewiß ohne Bedeutung für seinen wesentlichen Inhalt gewesen. Wir machen es ja oft im Wachen auch so; denke an das Märchen, an so viele kühne und sinnvolle Phantasiegebilde, zu denen nur ein Unverständiger sagen würde: »Das ist widersinnig! Denn das ist nicht möglich!«

 »Wenn man nur die Träume immer richtig zu deuten wüßte, so wie du das eben mit dem meinen getan hast!« sagte der Freund.

 »Das ist gewiß keine leichte Aufgabe, aber es müßte bei einiger Aufmerksamkeit dem Träumenden selbst wohl immer gelingen. – Warum es meistens nicht gelingt? Es scheint bei Euch etwas Verstecktes in den Träumen zu liegen, etwas Unkeusches eigener und höherer Art, eine gewisse Heimlichkeit in Eurem Wesen, die schwer auszudenken ist; und darum scheint Euer Träumen so oft ohne Sinn, sogar ein Widersinn zu sein. Es ist aber im tiefsten Grunde durchaus nicht so; ja, es kann gar nicht so sein, denn es ist immer derselbe Mensch, ob er wacht oder träumt.«

Ich habe die vollständige Analyse und Synthese zweier Träume seither in dem Bruchstück einer »Hysterieanalyse«, 1905 (Ges. Werke, Bd. V) gegeben. Als die vollständigste Deutung eines längeren Traumes muß die Analyse von O. Rank, »Ein Traum, der sich selbst deutet«, anerkannt werden.

Aus einer Arbeit von K. Abel, Der Gegensinn der Urworte, 1884 (siehe mein Referat im Jahrbuch f. PsA. II, 1910 (Ges. Werke, Bd. VIII)), erfuhr ich die überraschende, auch von anderen Sprachforschern bestätigte Tatsache, daß die ältesten Sprachen sich in diesem Punkte ganz ähnlich benehmen wie der Traum. Sie haben anfänglich nur ein Wort für die beiden Gegensätze an den Enden einer Qualitäten- oder Tätigkeitsreihe (starkschwach, altjung, fernnah, binden-trennen) und bilden gesonderte Bezeichnungen für die beiden Gegensätze erst sekundär durch leichte Modifikationen des gemeinsamen Urworts. Abel weist diese Verhältnisse im großen Ausmaße im Altägyptischen nach, zeigt aber deutliche Reste derselben Entwicklung auch in den semitischen und indogermanischen Sprachen auf.

Wenn ich im Zweifel bin, hinter welcher der im Traume auftretenden Personen ich mein Ich zu suchen habe, so halte ich mich an folgende Regel: Die Person, die im Traume einem Affekt unterliegt, den ich als Schlafender verspüre, die verbirgt mein Ich.

Derselben Technik der zeitlichen Umkehrung bedient sich manchmal der hysterische Anfall, um seinen Sinn dem Zuschauer zu verbergen. Ein hysterisches Mädchen hat z. B. in einem Anfalle einen kleinen Roman darzustellen, den sie sich im Anschluß an eine Begegnung in der Stadtbahn im Unbewußten phantasiert hat. Wie der Betreffende, durch die Schönheit ihres Fußes angezogen, sie, während sie liest, anspricht, wie sie dann mit ihm geht und eine stürmische Liebesszene erlebt. Ihr Anfall setzt mit der Darstellung dieser Liebesszene durch die Körperzuckungen ein (dabei Lippenbewegungen fürs Küssen, Verschränkung der Arme für die Umarmung), darauf eilt sie ins andere Zimmer, setzt sich auf einen Stuhl, hebt das Kleid, um den Fuß zu zeigen, tut, als ob sie in einem Buche lesen würde, und spricht mich an (gibt mir Antwort). Vgl. hiezu die Bemerkung Artemidorus’: »Bei der Auslegung von Traumgeschichten muß man sie einmal vom Anfang gegen das Ende, das andere Mal vom Ende gegen den Anfang hin ins Auge fassen …«

Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten, 1905 (Ges. Werke, Bd. VI), und die »Wortbrücken« in den Lösungen neurotischer Symptome.

Hugo Wolf.

Jahrb. v. Bleuler-Freud I, 1909.

Diese Darstellung ist mir wirklich nicht wieder begegnet, so daß ich an der Berechtigung der Deutung irre geworden bin.

Reichliches Belegmaterial hiezu in den drei Ergänzungsbänden von EdFuchs’ »Illustr. Sittengeschichte« (Privatdrucke bei A. Langen, München).

Zur Deutung dieses als »kausal« zu nehmenden Vortraumes siehe S. 320 [hier S. 127 f.].

Ihr Lebenslauf.

Hohe Abkunft, Wunschgegensatz zum Vortraume.

Mischgebilde, das zwei Lokalitäten vereinigt, den sogenannten Boden des Vaterhauses, auf dem sie mit dem Bruder spielte, dem Gegenstande ihrer späteren Phantasien, und den Hof eines schlimmen Onkels, der sie zu necken pflegte.

Wunschgegensatz zu einer realen Erinnerung vom Hofe des Onkels, daß sie sich im Schlafe zu entblößen pflegte.

Wie der Engel in der Verkündigung Mariä einen Lilienstengel.

Die Erklärung dieses Mischgebildes siehe S. 324 [hier S. 132 f.]: Unschuld, Periode, Kameliendame.

Auf die Mehrheit der ihrer Phantasie dienenden Personen.

Ob man sich auch einen herunterreißen darf, i. e. masturbieren.

Der Ast hat längst die Vertretung des männlichen Genitales übernommen, enthält übrigens eine sehr deutliche Anspielung an den Familiennamen.

Bezieht sich wie das Nächstfolgende auf eheliche Vorsichten.

Ein analoger »biographischer« Traum ist der unter den Beispielen zur Traumsymbolik als dritter mitgeteilte; ferner der von Rank ausführlich mitgeteilte »Traum, der sich selbst deutet«; einen anderen, der »verkehrt« gelesen werden muß, siehe bei Stekel p. 486.

W. Stekel, Die Sprache des Traumes, 1911.

Diese Auffassung würde eine außerordentliche Unterstützung in einer von Dr. Hans Sperber vorgetragenen Lehre finden. Sperber (Über den Einfluß sexueller Momente auf Entstehung und Entwicklung der Sprache, Imago I, 1912 [S. 405453]) meint, daß die Urworte sämtlich sexuelle Dinge bezeichneten und dann diese sexuelle Bedeutung verloren, indem sie auf andere Dinge und Tätigkeiten übergingen, die mit den sexuellen verglichen wurden.

So tritt z. B. das auf dem Wasser fahrende Schiff in den Harnträumen ungarischer Träumer auf, obwohl dieser Sprache die Bezeichnung »schiffen« für »urinieren« fremd ist (Ferenczi; vgl. auch S. 371 [hier S. 175 f.]). In den Träumen von Franzosen und anderen Romanen dient das Zimmer zur symbolischen Darstellung der Frau, obwohl diese Völker nichts dem deutschen »Frauenzimmer« Analoges kennen.

»Ein in einer Pension wohnender Patient träumt, er begegne jemand vom Dienstpersonal und frage sie, welche Nummer sie habe; sie antwortet zu seiner Überraschung: 14. Tatsächlich hat er Beziehungen zu dem in Rede stehenden Mädchen angeknüpft und auch mehrmals Zusammenkünfte mit ihr in seinem Schlafzimmer gehabt. Sie befürchtete begreiflicherweise, daß die Wirtin sie im Verdacht habe, und machte ihm am Tage vor dem Traum den Vorschlag, sich mit ihr in einem der unbewohnten Zimmer zu treffen. In Wirklichkeit hatte dieses Zimmer die Nummer 14, während im Traum das Weib diese Nummer trägt. Ein deutlicherer Beleg für die Identifizierung von Frau und Zimmer läßt sich kaum denken.« (Ernest Jones, Intern. Zeitschr. f. Psychoanalyse II, 1914). (Vgl. Artemidorus »Symbolik der Träume« (übersetzt von F. S. Krauß 13, Wien, 1881, p. 110): »So z. B. bedeutet die Schlafstube die Gattin, falls eine solche im Hause ist.«)

Ich wiederhole hierüber, was ich an anderer Stelle (Die zukünftigen Chancen der psychoanalytischen Therapie, Zentralbl. f. Psychoanalyse I, 1910, Ges. Werke, Bd. VIII) geäußert habe: »Vor einiger Zeit wurde es mir bekannt, daß ein uns ferner stehender Psychologe sich an einen von uns mit der Bemerkung gewendet, wir überschätzten doch gewiß die geheime sexuelle Bedeutung der Träume. Sein häufigster Traum sei, eine Stiege hinaufzusteigen, und da sei doch gewiß nichts Sexuelles dahinter. Durch diesen Einwand aufmerksam gemacht, haben wir dem Vorkommen von Stiegen, Treppen, Leitern im Traum Aufmerksamkeit geschenkt und konnten bald feststellen, daß die Stiege (und was ihr analog ist) eine sicheres Koitussymbol darstellt. Die Grundlage der Vergleichung ist nicht schwer aufzufinden; in rhythmischen Absätzen, unter zunehmender Atemnot kommt man auf eine Höhe und kann dann in ein paar raschen Sprüngen wieder unten sein. So findet sich der Rhythmus des Koitus im Stiegensteigen wieder. Vergessen wir nicht, den Sprachgebrauch heranzuziehen.« Er zeigt uns, daß das »Steigen« ohne weiteres als Ersatzbezeichnung der sexuellen Aktion gebraucht wird. Man pflegt zu sagen, der Mann ist ein »Steiger«, »nachsteigen«. Im Französischen heißt die Stufe der Treppe la marche; »un vieur marcheur« deckt sich ganz mit unserem »ein alter Steiger«.

Vgl. im Zbl. für Psa. II, 675, die Zeichnung einer 19jährigen Manischen: ein Mann mit einer Schlange als Krawatte, die sich einem Mädchen entgegenwendet. Dazu die Geschichte »Der Schamhaftige« (Anthropophyteia VI, 334): In eine Badestube trat eine Dame ein, und dort befand sich ein Herr, der kaum das Hemd anzulegen vermochte; er war sehr beschämt, deckte sich aber sofort den Hals mit dem Vorderteil des Hemdes zu und sagte: »Bitte um Verzeihung, bin ohne Krawatte

Bei aller Verschiedenheit der Schernerschen Auffassung von der Traumsymbolik und der hier entwickelten muß ich doch hervorheben, daß Scherner als der eigentliche Entdecker der Symbolik im Traume anerkannt werden sollte, und daß die Erfahrungen der Psychoanalyse sein für phantastisch gehaltenes, vor langen Jahren (1861) veröffentlichtes Buch nachträglich zu Ehren gebracht haben.

1. Der Hut als Symbol des Mannes (des männlichen Genitales)

Aus »Nachträge zur Traumdeutung«, Zentralblatt für Psychoanalyse I, Nr. 5/6, 1911.

(Teilstück aus dem Traum einer jungen, infolge von Versuchungsangst agoraphobischen Frau)

Vgl. ein solches Beispiel in der Mitteilung von Kirchgraber (Zentralbl. f. PsA. III, 1912, p. 95). Von Stekel (Jahrbuch, Bd. 1, p. 475) wird ein Traum mitgeteilt, in welchem der Hut mit schiefstehender Feder in der Mitte den (impotenten) Mann symbolisiert.

(Traum einer Frau aus dem Volke, deren Mann Wachmann ist, mitgeteilt von B. Dattner)

Oder Kapelle = Vagina.

Symbol des Koitus.

Mons veneris.

Crines pubis.

Dämonen in Mänteln und Kapuzen sind nach der Aufklärung eines Fachmannes phallischer Natur.

Die beiden Hälften des Hodensackes.

6. Zur Harnsymbolik

Vgl. hiezu den »biographischen« Traum auf S. 352 [hier S. 153 ff.].

Der Absatz über die Bewegungsträume ist des Zusammenhanges halber hier wiederholt. […].

Ges. Werke, Bd. V.

Vgl. des Verf. »Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie«, 1905, 6. Aufl. 1926 (Ges. Werke, Bd. V).

Die Sprache des Traumes, 1911.

Der psychische Hermaphroditismus im Leben und in der Neurose. Fortschritte der Medizin, 1910, Nr. 16, und spätere Arbeiten im Zentralbl. f. Psa, I, 1910/11.

In der gleichen Weise wie der Traum verfährt auch die Neurose. Ich kenne eine Patientin, die daran leidet, daß sie Lieder oder Stücke von solchen unwillkürlich und widerwillig hört (halluziniert), ohne deren Bedeutung für ihr Seelenleben verstehen zu können. Sie ist übrigens gewiß nicht paranoisch. Die Analyse zeigt dann, daß sie den Text dieser Lieder mittels gewisser Lizenzen mißbräuchlich verwendet hat. »Leise, leise, fromme Weise.« Das bedeutet für ihr Unbewußtes: Fromme Waise, und diese ist sie selbst. »O du selige, o du fröhliche« ist der Anfang eines Weihnachtsliedes; indem sie es nicht bis zu »Weihnachtszeit« fortsetzt, macht sie daraus ein Brautlied u. dgl. – Derselbe Entstellungsmechanismus kann sich übrigens auch ohne Halluzination im bloßen Einfall durchsetzen. Warum wird einer meiner Patienten von der Erinnerung an ein Gedicht heimgesucht, das er in jungen Jahren lernen mußte: »Nächtlich am Busento lispeln …?« Weil sich seine Phantasie mit einem Stück dieses Zitats: »Nächtlich am Busen« begnügt. Es ist bekannt, daß der parodistische Witz auf dieses Stückchen Technik nicht verzichtet hat. Die »Fliegenden Blätter« brachten einst unter ihren Illustrationen zu deutschen »Klassikern« auch ein Bild zum Schillerschen »Siegesfest«, zu dem das Zitat vorzeitig abgeschlossen war. »Und des frisch erkämpften Weibes / Freut sich der Atrid und strickt.« Fortsetzung: »Um den Reiz des schönen Leibes / Seine Arme hochbeglückt.«

II

Ich weiß nicht mehr, bei welchem Autor ich einen Traum erwähnt gefunden habe, in dem es von ungewöhnlich kleinen Gestalten wimmelte, und als dessen Quelle sich einer der Stiche Jacques Callots herausstellte, die der Träumer bei Tag betrachtet hatte. Diese Stiche enthalten allerdings eine Unzahl sehr kleiner Figuren; eine Reihe derselben behandelt die Greuel des Dreißigjährigen Krieges.

Wenn ich nicht sehr irre, so zeigt der erste Traum, den ich von meinem 20 Monate alten Enkel erfahren konnte, den Tatbestand, daß es der Traumarbeit gelungen ist, ihren Stoff in eine Wunscherfüllung zu verwandeln, während der dazugehörige Affekt sich auch im Schlafzustand unverändert durchsetzt. Das Kind ruft in der Nacht vor dem Tage, an dem sein Vater ins Feld abrücken soll, heftig schluchzend: Papa, Papa–Bebi. Das kann nur heißen: Papa und Bebi bleiben beisammen, während das Weinen den bevorstehenden Abschied anerkennt. Das Kind war damals sehr wohl imstande, den Begriff der Trennung auszudrücken. »Fort« (durch ein eigentümlich betontes, lange gezogenes oooh ersetzt) war eines seiner ersten Worte gewesen, und es hatte mehrere Monate vor diesem ersten Traum mit all seinen Spielsachen »fort« aufgeführt, was auf die früh gelungene Selbstüberwindung, die Mutter fortgehen zu lassen, zurückging.

V

Analog habe ich die außerordentlich starke Lustwirkung der tendenziösen Witze erklärt.

rêve, petit roman – day-dream, story.

Ein gutes Beispiel eines solchen, durch Übereinanderlagerung mehrerer Phantasien entstandenen Traums habe ich im »Bruchstück einer Hysterieanalyse« 1905 analysiert. Übrigens habe ich die Bedeutung solcher Phantasien für die Traumbildung unterschätzt, solange ich vorwiegend meine eigenen Träume bearbeitete, denen seltener Tagträume, meist Diskussionen und Gedankenkonflikte, zugrunde liegen. Bei anderen Personen ist die volle Analogie des nächtlichen Traumes mit dem Tagtraume oft viel leichter zu erweisen. Es gelingt häufig bei Hysterischen eine Attacke durch einen Traum zu ersetzen; man kann sich dann leicht überzeugen, daß für beide psychische Bildungen die Tagtraumphantasie die nächste Vorstufe ist.

Ich fand es früher einmal so außerordentlich schwierig, die Leser an die Unterscheidung von manifestem Trauminhalt und latenten Traumgedanken zu gewöhnen. Immer wieder wurden Argumente und Einwendungen aus dem ungedeuteten Traum, wie ihn die Erinnerung bewahrt hat, geschöpft und die Forderung der Traumdeutung überhört. Nun da sich wenigstens die Analytiker damit befreundet haben, für den manifesten Traum seinen durch Deutung gefundenen Sinn einzusetzen, machen sich viele von ihnen einer anderen Verwechslung schuldig, an der sie ebenso hartnäckig festhalten. Sie suchen das Wesen des Traums in diesem latenten Inhalt und übersehen dabei den Unterschied zwischen latenten Traumgedanken und Traumarbeit. Der Traum ist im Grunde nichts anderes als eine besondere Form unseres Denkens, die durch die Bedingungen des Schlafzustandes ermöglicht wird. Die Traumarbeit ist es, die diese Form herstellt, und sie allein ist das Wesentliche am Traum, die Erklärung seiner Besonderheit. Ich sage dies zur Würdigung der berüchtigten »prospektiven Tendenz« des Traums. Daß der Traum sich mit den Lösungsversuchen der unserem Seelenleben vorliegenden Aufgaben beschäftigt, ist nicht merkwürdiger, als daß unser bewußtes Wachleben sich so beschäftigt, und fügt nur hiezu, daß diese Arbeit auch im Vorbewußten vor sich gehen kann, was uns ja bereits bekannt ist.

Vgl. Psychopathologie des Alltagslebens. I. Aufl., 1901 u. 1904. 11. Aufl. 1929 (Ges. Werke, Bd. IV).

Der hier so peremptorisch aufgestellte Satz: »Was immer die Fortsetzung der Arbeit stört, ist ein Widerstand«, könnte leicht mißverstanden werden. Er hat natürlich nur die Bedeutung einer technischen Regel, einer Mahnung für den Analytiker. Es soll nicht in Abrede gestellt werden, daß sich während einer Analyse verschiedene Vorfälle ereignen können, die man der Absicht des Analysierten nicht zur Last legen kann. Es kann der Vater des Patienten sterben, ohne daß dieser ihn umgebracht hätte, es kann auch ein Krieg ausbrechen, der der Analyse ein Ende macht. Aber hinter der offenkundigen Übertreibung jenes Satzes steckt doch ein neuer und guter Sinn. Wenn auch das störende Ereignis real und vom Patienten unabhängig ist, so hängt es doch oftmals nur von diesem ab, wieviel störende Wirkung ihm eingeräumt wird, und der Widerstand zeigt sich unverkennbar in der bereitwilligen und übermäßigen Ausnützung einer solchen Gelegenheit.

Vgl. über die Absicht beim Vergessen überhaupt meine kleine Abhandlung über den »psychischen Mechanismus der Vergeßlichkeit« in der »Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie«, 1898 (wurde dann das I. Kapitel der »Psychopathologie des Alltagslebens«, Ges. Werke, Bd. IV).

Vgl. hiezu die glänzende Bestätigung dieser Behauptung, die C. G. Jung durch Analysen bei Dementia praecox erbracht hat. (»Zur Psychologie der Dementia praecox«, 1907.)

Die hier vorgetragenen, damals sehr unwahrscheinlich klingenden Sätze haben später durch die »diagnostischen Assoziationsstudien« Jungs und seiner Schüler eine experimentelle Rechtfertigung und Verwertung erfahren.

Ich habe später gemeint, das Bewußtsein entstehe geradezu an Stelle der Erinnerungsspur. (Siehe zuletzt: Notiz über den Wunderblock, 1925, Ges. Werke, Bd. XIV.)

Die weitere Ausführung dieses linear aufgerollten Schemas wird mit der Annahme zu rechnen haben, daß das auf Vbw folgende System dasjenige ist, dem wir das Bewußtsein zuschreiben müssen, daß also W = Bw.

Die erste Andeutung des Moments der Regression findet sich bereits bei Albertus Magnus. Die Imaginatio, heißt es bei ihm, baut aus den aufbewahrten Bildern der sinnfälligen Objekte den Traum auf. Der Prozeß vollzieht sich umgekehrt wie im Wachen (nach Diepgen, p. 14). – Hobbes sagt (im Leviathan, 1651): »In sum, our dreams are the reverse of our waking imaginations, the motion, when we are awake, beginning at one end, and when we dream at another.« (Nach H. Ellis, p. 112.)

In einer Darstellung der Lehre von der Verdrängung wäre auszuführen, daß ein Gedanke durch das Zusammenwirken zweier ihn beeinflussenden Momente in die Verdrängung gerät. Er wird von der einen Seite (der Zensur des Bw) weggestoßen, von der anderen (dem Ubw) angezogen, also ähnlich wie man auf die Spitze der großen Pyramide gelangt. (Vgl. den Aufsatz »Die Verdrängung«, Ges. Werke, Bd. X).

Sie teilen diesen Charakter der Unzerstörbarkeit mit allen anderen wirklich unbewußten, d. h. dem System Ubw allein angehörigen seelischen Akten. Diese sind ein für allemal gebahnte Wege, die nie veröden und den Erregungsvorgang immer wieder zur Abfuhr leiten, so oft die unbewußte Erregung sie wiederbesetzt. Um mich eines Gleichnisses zu bedienen: es gibt für sie keine andere Art der Vernichtung als für die Schatten der odysseischen Unterwelt, die zum neuen Leben erwachen, sobald sie Blut getrunken haben. Die vom vorbewußten System abhängigen Vorgänge sind in ganz anderem Sinne zerstörbar. Auf diesem Unterschiede ruht die Psychotherapie der Neurosen.

Ein weiteres Eindringen in die Kenntnis der Verhältnisse des Schlafzustandes und der Bedingungen der Halluzination habe ich in dem Aufsatz »Metapsychologische Ergänzung zur Traumlehre« (Int. Zschr. f. PsA. IV, 1916/18, Ges. Werke, Bd. X) versucht.

Mit anderen Worten: es wird die Einsetzung einer »Realitätsprüfung« als notwendig erkannt.

Von der Wunscherfüllung des Traumes rühmt Le Lorrain mit Recht: »Sans fatigue sérieuse, sans être obligé de recourir à cette lutte opiniâtre et longue qui use et corrode les jouissances poursuivies.«

Ich habe diesen Gedankengang an anderer Stelle (Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, Ges. Werke, Bd. VIII) weiter ausgeführt und als die beiden Prinzipien das Lust- und das Realitätsprinzip hingestellt.

Korrekter gesagt: Ein Anteil des Symptoms entspricht der unbewußten Wunscherfüllung, ein anderer der Reaktionsbildung gegen dieselbe.

Hughlings Jackson hatte geäußert: Findet das Wesen des Traumes, und ihr werdet alles, was man über das Irresein wissen kann, gefunden haben. (Find out all about dreams and you will have found out all about insanity.)

Diesen Gedanken entlehne ich der Schlaftheorie von Liébault, des Erweckers der hypnotischen Forschung in unseren Tagen. (Du sommeil provoqué etc., Paris 1889.)

»Ein zweites, weit wichtigeres und tiefer reichendes Moment, welches der Laie gleichfalls vernachlässigt, ist das folgende. Eine Wunscherfüllung müßte gewiß Lust bringen, aber es fragt sich auch, wem? Natürlich dem, der den Wunsch hat. Vom Träumer ist uns aber bekannt, daß er zu seinen Wünschen ein ganz besonderes Verhältnis unterhält. Er verwirft sie, zensuriert sie, kurz, er mag sie nicht. Eine Erfüllung derselben kann ihm also keine Lust bringen, sondern nur das Gegenteil davon. Die Erfahrung zeigt dann, daß dieses Gegenteil, was noch zu erklären ist, in der Form der Angst auftritt. Der Träumer kann also in seinem Verhältnis zu seinen Traumwünschen nur einer Summation von zwei Personen gleichgestellt werden, die doch durch eine starke Gemeinsamkeit verbunden sind. Anstatt aller weiteren Ausführungen biete ich Ihnen ein bekanntes Märchen, in welchem Sie die nämlichen Beziehungen wiederfinden werden: Eine gute Fee verspricht einem armen Menschenpaar, Mann und Frau, die Erfüllung ihrer drei ersten Wünsche. Sie sind selig und nehmen sich vor, diese drei Wünsche sorgfältig auszuwählen. Die Frau läßt sich aber durch den Duft von Bratwürstchen aus der nächsten Hütte verleiten, sich ein solches Paar Würstchen herzuwünschen. Flugs sind sie auch da; das ist die erste Wunscherfüllung. Nun wird der Mann böse und wünscht in seiner Erbitterung, daß die Würste der Frau an der Nase hängen mögen. Das vollzieht sich auch und die Würste sind von ihrem neuen Standort nicht wegzubringen; das ist nun die zweite Wunscherfüllung, aber der Wunsch ist der des Mannes; der Frau ist diese Wunscherfüllung sehr unangenehm. Sie wissen, wie es im Märchen weitergeht. Da die beiden im Grunde doch eines sind, Mann und Frau, muß der dritte Wunsch lauten, daß die Würstchen von der Nase der Frau weggehen mögen. Wir könnten dieses Märchen noch mehrmals in anderem Zusammenhange verwerten; hier diene es uns nur als Illustration der Möglichkeit, daß die Wunscherfüllung des einen zur Unlust für den anderen führen kann, wenn die beiden miteinander nicht einig sind.« (Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, XIV, Ges. Werke, Bd.  XI.)

Es sind hier wie an anderen Stellen Lücken in der Bearbeitung des Themas, die ich absichtlich belassen habe, weil deren Ausfüllung einerseits einen zu großen Aufwand, anderseits die Anlehnung an ein dem Traume fremdes Material erfordern würde. So habe ich es z. B. vermieden anzugeben, ob ich mit dem Worte »unterdrückt« einen anderen Sinn verbinde als mit dem Worte »verdrängt«. Es dürfte nur klar geworden sein, daß letzteres die Zugehörigkeit zum Unbewußten stärker als das erstere betont. Ich bin auf das naheliegende Problem nicht eingegangen, warum die Traumgedanken die Entstellung durch die Zensur auch für den Fall erfahren, daß sie auf die progrediente Fortsetzung zum Bewußtsein verzichten und sich für den Weg der Regression entscheiden, u. dgl. Unterlassungen mehr. Es kam mir vor allem darauf an, einen Eindruck von den Problemen zu erwecken, zu denen die weitere Zergliederung der Traumarbeit führt, und die anderen Themata anzudeuten, mit denen dieses auf dem Wege zusammentrifft. Die Entscheidung, an welcher Stelle die Verfolgung abgebrochen werden soll, ist mir dann nicht immer leicht geworden. – Daß ich die Rolle des sexuellen Vorstellungslebens für den Traum nicht erschöpfend behandelt und die Deutung von Träumen mit offenkundig sexuellem Inhalt vermieden habe, beruht auf einer besonderen Motivierung, die sich vielleicht mit der Erwartung der Leser nicht deckt. Es liegt gerade meinen Anschauungen und den Lehrmeinungen, die ich in der Neuropathologie vertrete, völlig ferne, das Sexualleben als ein Pudendum anzusehen, das weder den Arzt noch den wissenschaftlichen Forscher zu bekümmern hat. Auch finde ich die sittliche Entrüstung lächerlich, durch welche der Übersetzer des Artemidoros aus Daldis über die »Symbolik der Träume« sich bewegen ließ, das dort enthaltene Kapitel über sexuelle Träume der Kenntnis der Leser zu unterschlagen. Für mich war allein die Einsicht maßgebend, daß ich mich bei der Erklärung sexueller Träume tief in die noch ungeklärten Probleme der Perversion und der Bisexualität verstricken müßte und so sparte ich mir dies Material für einen anderen Zusammenhang.

Der Traum ist nicht das einzige Phänomen, welches die Psychopathologie auf die Psychologie zu begründen gestattet. In einer kleinen, noch nicht abgeschlossenen Reihe von Aufsätzen in der »Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie« (Über den psychischen Mechanismus der Vergeßlichkeit, 1898 – Über Deckerinnerungen, 1899) suche ich eine Anzahl von alltäglichen psychischen Erscheinungen als Stützen der nämlichen Erkenntnis zu deuten. Diese und weitere Aufsätze über Vergessen, Versprechen, Vergreifen usw. sind seither als »Psychopathologie des Alltagslebens« gesammelt erschienen (1904, 11. Aufl. 1929. Ges. Werke, Bd. IV).

Diese Auffassung erfuhr eine Ausgestaltung und Abänderung, nachdem man als den wesentlichen Charakter einer vorbewußten Vorstellung die Verbindung mit Wortvorstellungsresten erkannt hatte (Das Unbewußte, 1915, Ges. Werke, Bd. X).

Der Begriff des Unbewußten in der Psychologie. – Vortrag auf dem Dritten Internationalen Kongreß für Psychologie zu München 1897.

Ich freue mich, auf einen Autor hinweisen zu können, der aus dem Studium des Traums den nämlichen Schluß über das Verhältnis der bewußten zur unbewußten Tätigkeit gezogen hat.

Du Prel sagt: »Die Frage, was die Seele ist, erheischt offenbar eine Voruntersuchung darüber, ob Bewußtsein und Seele identisch seien. Gerade diese Vorfrage nun wird vom Traume verneint, welcher zeigt, daß der Begriff der Seele über den des Bewußtseins hinausragt, wie etwa die Anziehungskraft eines Gestirns über seine Leuchtsphäre« (Philos. d. Mystik, p. 47).

 »Es ist eine Wahrheit, die man nicht ausdrücklich genug hervorheben kann, daß Bewußtsein und Seele nicht Begriffe von gleicher Ausdehnung sind« (p. 306).

Vgl. hiezu den […] mitgeteilten Traum (Sà-týros) Alexanders des Großen bei der Belagerung von Tyrus.

Vgl. hiezu meine »Bemerkungen über den Begriff des Unbewußten in der Psychoanalyse« (englisch in Proceedings of the Society for Psychical Research, vol. XXVI), in denen die deskriptive, dynamische und systematische Bedeutung des vieldeutigen Wortes »unbewußt« voneinander geschieden werden.

Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, S. 106.

Neurose und Psychose, GW XIII: S. 387391, hier S. 390.

Vgl. Totem und Tabu, bes. S. 192195.

Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, 20. Vorlesung: Das menschliche Sexualleben, I: S. 409.

Vgl. Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, S. 42.

GW II/III: S. 283, hier S. 107.

Neue Folge der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse, Kap. 4, 32. Angst und Triebleben, I: S. 529.

GW II/III: S. 511, hier S. 226.

Kurzer Abriß der Psychoanalyse: Vorläufer der Psychoanalyse. Hypnotismus. Studien über Hysterie, GW XIII: S. 405.

Abriss der Psychoanalyse, S. 40.

Abriss der Psychoanalyse, S. 39.

Einige Bemerkungen über das Unbewusste in der Psychoanalyse, III: S. 29.

Ebd., S. 31.

Ebd., S. 32 f.

Abriss der Psychoanalyse, S. 34.

»Der Wahn und die Träume in W. Jensens ›Gradvia‹«, in: »Der Dichter und das Phantasieren«: S. 7.

Abriss der Psychoanalyse, S. 68.

GW II/III: S. 284, hier S. 108.

GW II/III: S. 283, hier S. 107.

GW II/III: S. 283 f., hier S. 107.

GW II/III: S. 108, hier S. 14.

Darstellungen der Psychoanalyse, S. 134.

Ebd., S. 134 f.

Ebd., S. 137.

Ebd.

Zeitgemäßes über Krieg und Tod. – Warum Krieg?, S. 23.

Ebd., S. 25.

Endnoten

neun: Die erste Auflage der Traumdeutung erschien 1899, sie wurde vordatiert auf 1900.

Ätiologie: Lehre von den Ursachen der Krankheiten.

Tod meines Vaters: Freuds Vater Jacob Koloman Freud war am 23. Oktober 1896 verstorben.

Schernerschen: Karl Albert Scherner (18251889), deutscher Philosoph und Psychologe. Seine Veröffentlichungen über den Traum galten zu seiner Zeit als maßgeblich (etwa Das Leben des Traums von 1861).

somatischer: auf den Körper bezogener, körperlicher.

Josef Breuer: 18421925, österr. Arzt und Mitbegründer der Psychoanalyse. Seine Ergebnisse der Behandlung von Berta Pappenheim (»Anna O.«) bildeten erstes Material für Freud.

Körner: Der Jurist und Schriftsteller Christian Gottfried Körner (17561831) war ein enger Freund und Förderer Friedrich Schillers, dessen Philosophische Briefe zum Teil wörtlich aus den Briefen an Körner stammen.

Schiller: Friedrich Schiller (17591805), Schriftsteller, Lyriker, Dramatiker, Philosoph, mit Goethe Hauptbegründer der Weimarer Klassik. Freud setzt hier die freie Assoziation seiner psychoanalytischen Methode den bei Schiller dem schöpferischen Menschen ins Bewusstsein strömenden Ideen gleich. Mit der »Gleichstellung des Dichters mit dem Tagträumer« beschäftigt sich Freud u. a. auch in »Der Dichter und das Phantasieren« (S. 109 f.): »Ein starkes aktuelles Erlebnis weckt im Dichter die Erinnerung an ein früheres, meist der Kindheit angehöriges Erlebnis auf, von welchem nun der Wunsch ausgeht, der sich in der Dichtung seine Erfüllung schafft«.

deucht mir: scheint mir.

pêle-mêle: bunt gemischt.

en detail: im Einzelnen, zu jeder kleinen Einzelheit.

en masse: in Bezug auf das Gesamtphänomen.

Neuropathen: Menschen, die am peripheren Nervensystem erkrankt sind. Der Begriff Neuropathie (Nervenleiden) war zu Freuds Zeit auch für die Neurose (Nervenkrankheit) und Neurasthenie (Nervenschwäche) üblich. Es geht hier allgemein um einen psychisch Kranken.